LG Koblenz, Az.: 4 Qs 66/14
Beschluss vom 27.10.2014
1. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers … vom 28.08.2014 wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 18.08.2014 – 30 Gs 6360/14 – gegen § 103 StPO verstoßen hat.
2. Die Staatskasse hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdeführer entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
I.
Der Beschuldigte ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma Spedition … GmbH mit Sitz … . Im Rahmen einer Betriebsprüfung bei dieser Firma wurde unter anderem festgestellt, dass diese Firma ab dem 25. Mai 2010 einen PKW Mercedes Benz S350CDI für den Zeitraum von 24 Monaten leaste. Im Leasingvertrag wurde eine Laufleistung von 200.000 km festgelegt. Darauf basierend wurden die Leasingsonderzahlungen sowie die monatlichen Leasingraten festgelegt, welche sodann von der GmbH als Betriebsausgabe verbucht wurden. Nach Ablauf des Leasingvertrages wurde das Fahrzeug an den Leasinggeber zurückgegeben, der das Fahrzeug an den Vater des Beschuldigten, Herrn … für 9.500,- Euro veräußerte. Unterlagen zur Abrechnung im Rahmen der Leasingrücknahme wurden im Rahmen der Betriebsprüfung nicht vorgelegt. Aus einem in einem Zivilverfahren vorgelegten Sachverständigengutachten ergibt sich, dass das Fahrzeug am 25. Mai 2012 einen Kilometerstand vom 21.527 km hatte.
Mit Vermerk vom 12. August 2014 leitete das Finanzamt Koblenz u.a. wegen dieses Sachverhalts ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Körperschaftssteuerhinterziehung 2010 – 2013 und Gewerbesteuerhinterziehung 2010 – 2013 zugunsten der Firma Spedition … GmbH und wegen des Verdachts der Umsatzsteuerhinterziehung 2010 – 2012, der versuchten Umsatzsteuerhinterziehung 2013, der Einkommensteuerhinterziehung 2010 – 2012 und der versuchten Einkommensteuerhinterziehung 2013 gegen den Beschuldigten ein. Auf Antrag des Finanzamts Koblenz erließ das Amtsgericht Koblenz am 18. August 2014 unter dem Aktenzeichen 30 Gs 6360 / 14 einen Durchsuchungsbeschluss bezüglich der Wohnräume des … zur Auffindung von „Unterlagen jeglicher Art, die unmittelbare und mittelbare Beweisbedeutung im Sinne des Tatvorwurfs haben können, insbesondere Aufzeichnungen über betriebliche Einnahmen und Ausgaben nebst Belegen, Bankunterlagen, Schriftverkehr und alle sonstigen Belege, die Aufschluss über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten geben können“.
Zur Begründung des Beschlusses gab das Amtsgericht die o.g. Ergebnisse der Betriebsprüfung wieder und führte aus, es bestehe der Verdacht, dass die von der Leasinggesellschaft erhaltene Werterstattung auf Seiten der GmbH nicht versteuert worden sei bzw. eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliege. Wegen des genauen Inhalts des Beschlusses wird auf Bl. 135 – 136 d.A. verwiesen.
Der Betroffene legte mit Schriftsatz vom 28. August 2014 Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss ein. Begründet hat er die Beschwerde nicht. Mit Schriftsatz vom 19. September 2014 beantragte das Finanzamt Koblenz unter anderem die Anordnung der Beschlagnahme von näher bezeichneten bei der Durchsuchung der Wohnung des Herrn … sichergestellten Gegenständen. Das Amtsgericht half der Beschwerde mit Verfügung vom 29. September 2015 nicht ab und legte das Verfahren zur Entscheidung der Kammer vor.
II.
Die Beschwerde des Betroffenen ist gem. § 304 Abs. 1, Abs. 2 StPO zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass die Durchsuchung durch den Antrag des Finanzamts, die Beschlagnahme der sichergestellten Gegenstände anzuordnen (§ 98 StPO), abgeschlossen ist (dazu BGH, Beschluss vom 03. August 1995 in NJW 1995, 3397). Denn die Notwendigkeit eines effektiven Rechtsschutzes gegen den Eingriff in das Grundrecht des Betroffenen aus Artikel 13 Absatz I GG gebietet, dass auch nach Abschluss der Durchsuchung deren Rechtmäßigkeit mit dem grundsätzlich gegen diese Maßnahme gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittel zur Überprüfung gestellt werden kann (BGH, Beschluss vom 13. Oktober 1999 in NJW 2000, 85; Beschluss vom 21. November 2001 in NStZ 2002, 215). Sie ist auch begründet und führt zur Feststellung, dass der Beschluss gegen § 103 StPO verstößt. Die Voraussetzungen einer Durchsuchung bei anderen Person gem. § 103 StPO waren zwar bei Beschlusserlass grundsätzlich erfüllt, der Beschluss erfüllte aber die formellen Anforderungen an einen Durchsuchungsbeschluss nach § 103 StPO nicht.
Der Beschuldigte ist der Körperschaftssteuer- und der Gewerbesteuerhinterziehung im Jahr 2012 zugunsten der Firma Spedition … GmbH sowie der Umsatzsteuerhinterziehung und der Einkommensteuerhinterziehung im Jahr 2012 verdächtig. Diesem Verdacht lagen auch schon im Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte zu Grunde. Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es – unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit – nicht. Gemessen an diesen Maßstäben lagen zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses sachlich zureichende Gründe für eine Durchsuchung vor. Diese ergeben sich aus der von Finanzamt Koblenz bei der Firma Spedition … GmbH vorgenommenen Betriebsprüfung i.V.m. den vorliegenden Unterlagen, insbesondere dem Auszug aus dem Gutachten der DEKRA vom 25. Mai 2012. Im Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung bestand angesichts dieser Unterlagen Grund zu der Annahme, dass die Spedition … GmbH von der Leasinggesellschaft nach Rücknahme des geleasten PKW Mercedes Benz S350CDI eine Werterstattung erhalten hat, die sie nicht versteuert hat.
Gem. § 103 Abs. 1 StPO ist die Durchsuchung bei nicht tatverdächtigen Personen – abgesehen von anderen, hier nicht relevanten Zwecken – nur zulässig zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die gesuchten Sachen sich in den zu durchsuchenden Räumen befinden. Dagegen rechtfertigt – anders als im Falle des § 102 StPO für die Durchsuchung beim Tatverdächtigen – allein die allgemeine Aussicht, irgendwelche relevanten Beweismittel zu finden, die erheblich in Rechte des unbeteiligten Dritten eingreifende Maßnahme nicht. Die Durchsuchungsanordnung gegen einen Nichtverdächtigen setzt daher voraus, dass hinreichend individualisierte Beweismittel gesucht werden (BVerfG, Beschluss vom 04. März 1981 in NJW 1981, 971). Diese müssen, da die Durchsuchung ausdrücklich nur zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände zulässig ist, im Durchsuchungsbeschluss so weit konkretisiert werden, dass weder bei denn Betroffenen noch bei dem die Durchsuchung vollziehenden Beamten Zweifel über die zu suchenden und zu beschlagnahmenden Gegenstände entstehen können. Dazu ist es zwar nicht notwendig, dass sie in allen Einzelheiten beschrieben werden. Erforderlich ist es jedoch, dass sie zumindest ihrer Gattung nach bestimmt sind (für alles: BGH, Beschluss vom 21. November 2001 in NStZ 2002, 215). Eine derartig hinreichende Konkretisierung der zu suchenden Beweismittel lässt der angefochtene Beschluss vermissen. Indem als Ziel der Maßnahme die „Auffindung und Beschlagnahme von Unterlagen jeglicher Art, die unmittelbare oder mittelbare Beweisbedeutung im Sinne des Tatvorwurfs haben können, insbesondere Aufzeichnungen über betriebliche Einnahmen und Ausgaben nebst Belegen, Bankunterlagen, Schriftverkehr und alle sonstigen Belege, die Aufschluss über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten geben können“ genannt ist, wird letztlich die Suche nach jeglichem tauglichen Beweismittel vom Durchsuchungszweck umfasst. Eine gegenständliche Eingrenzung des Durchsuchungsziels fehlt. Weder für den Betroffenen noch für die vollziehenden Beamten war erkennbar, auf welche zumindest gattungsmäßig konkretisierten Gegenstände die Suche beschränkt sein sollte.
Zudem ist dem Beschluss auch mit keinem Wort zu entnehmen, wieso überhaupt mit dem Auffinden von Beweismitteln in den Wohnräumen des nicht tatverdächtigen … zu rechnen sei. Es ist zwar durchaus naheliegend, dass Unterlagen zum Kauf des PKW Mercedes Benz S 350 CDI und eventuell auch zum vorgehenden Leasingvertrag zwischen der Firma Daimler Benz und der Firma Spedition … GmbH in den Räumlichkeiten des … gefunden werden könnten; im Beschlusstext findet diese Überlegung aber keinen erkennbaren Niederschlag. Darüber hinaus sollte nach dem Beschlusstenor gerade nicht nur nach Unterlagen im Zusammenhang mit diesem Fahrzeug gesucht werden, sondern ganz allgemein nach Unterlagen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Beschuldigten. Wieso diese aber in den Räumlichkeiten des … zu finden sein sollen, ist nicht dargelegt worden und erschließt sich nach dem Akteninhalt auch nicht.
Bei dem Beschluss vom 18. August 2014 handelt es sich daher nach seinem wahren Gehalt um eine Durchsuchungsanordnung i.S. des § 102 StPO, die gegen den Betroffenen nicht ergehen durfte. Es ist auf die Beschwerde des Betroffenen daher festzustellen, dass der Beschluss gegen § 103 StPO verstoßen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.