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Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot im Strafverfahren

KG Berlin – Az.: (3) 1 Ss 276/11 (117/11) – Beschluss vom 27.09.2011

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 6. April 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten von dem Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin freigesprochen. Auf die Berufung der Nebenklägerin hat das Landgericht Berlin das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten aufgehoben und den Angeklagten wegen Körperverletzung in Tateinheit mit tätlicher Beleidigung zu einer Geldstrafe von achtzig Tagesätzen zu je zwanzig Euro verurteilt.

Mit seiner hiergegen gerichteten Revision beanstandet der Angeklagte das Verfahren und rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Die Revision hat mit der erhobenen Verfahrensrüge der Verletzung von § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO – vorläufigen – Erfolg.

Die zulässig erhobene Rüge, das Landgericht habe die Angaben des Angeklagten in der nach dem ASOG durchgeführten Gefährderansprache vom 15. Dezember 2009 verwertet, obwohl dieser zuvor nicht nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt worden sei, ist auch begründet.

Das Landgericht hat zu Unrecht die insoweit getätigten Aussagen der Zeugin S. und des Zeugen M. verwertet.

Die Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO, die nach § 163 Abs. IV Satz 2 StPO auch bei Vernehmungen durch Beamte des Polizeidienstes Anwendung findet, soll sicherstellen, dass ein Beschuldigter nicht im Glauben an eine vermeintliche Aussagepflicht Angaben macht und sich damit unfreiwillig belastet (BGH NStZ 2009, 702; BayObLG NStZ-RR 2001, 49, 51).

Da gegen den Angeklagten am 11. Dezember 2009 auf Anzeige der Nebenklägerin ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und er am selben Tag auf Veranlassung der Zeugin S. als Beschuldigter zur Vernehmung vorgeladen worden war, hatte der Angeklagte zum Zeitpunkt der Gefährderansprache am 15. Dezember 2009 unzweifelhaft den Status eines Beschuldigten.

Der Belehrungspflicht steht auch nicht entgegen, dass Grundlage der Ansprache nicht strafprozessuale, sondern polizeirechtliche Maßnahmen waren. Anlass für die Gefährderansprache waren mehrfache Anzeigen der Nebenklägerin unter anderem gegen den Angeklagten als Beschuldigten. Dem auf schriftliche Einladung erschienenen Angeklagten wurde Gelegenheit gegeben, sich zu äußern, wobei im Wesentlichen der Vorfall vom 11. Dezember 2009 thematisiert worden ist. Der Angeklagte sah sich in dieser Situation auch der ermittelnden Polizeibeamtin, der Zeugin S., gegenüber, die – wenn auch nicht durch gezielte Befragung – den Vorfall vom 11. Dezember 2009 zum Gegenstand möglicher Äußerungen des Angeklagten gemacht hatte.

Die Belehrungspflicht ist auch nicht deswegen entfallen, weil sich der Angeklagte gegenüber der Zeugin S. etwa „spontan“ geäußert hat (Vgl. Erb in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 163 a Rdn. 21 c; BGH a.a.O. S. 702 f), denn er hat gerade auf „amtliche Veranlassung“ eine Stellungnahme abgegeben.

Auch der Umstand, dass der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts insbesondere aufgrund einer Mitte des Jahres 2009 erfolgten Beschuldigtenvernehmung über sein Schweigerecht belehrt worden ist (UA S. 9, 10), rechtfertigt angesichts der von den Zeugen S. und M. geschilderten unterschiedlichen Ausgestaltung von Gefährderansprache und Beschuldigtenvernehmung nicht den Schluss, dass er sein Schweigerecht auch im Rahmen der Ansprache vom 15. Dezember 2009 realisiert hat (vgl. hierzu BGHSt 38, 214, 224 f).

Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne Verwertung der im Rahmen der Gefährderansprache getätigten Äußerungen des Angeklagten zu einer anderen Entscheidung bezüglich der Täterschaft des Angeklagten, gelangt wäre.

Da das Urteil bereits auf diesem formellen Mangel beruht (vgl. Meyer-Goßner, StPO  54. Aufl., § 337 Rn. 37 m.w.N.), bedarf es des Eingehens auf die allgemeine Sachrüge nicht mehr.

Der Senat hebt daher das angefochtene Urteil auf und verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück.

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