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Behinderung: Darf ich meinen Pflichtverteidiger frei benennen – oder bleiben zwei?

Ein Angeschuldigter saß vor Gericht, doch ohne Brille und Hörgerät konnte er weder sehen noch hören, als ihm das Gericht eine Pflichtverteidigerin bestellte. Obwohl ihm sein rechtliches Gehör zugesichert wurde, erhielt er den Beschluss sofort. Als er später einen Wechsel zu seiner Wunschanwältin beantragte, lehnte das Gericht ab, doch eine höhere Instanz entschied: Er bekam seine Anwältin – zusätzlich zur ersten Pflichtverteidigerin.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 1 Ks 8032 Js 5325/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Urteil in 30 Sekunden

  • Das Problem: Ein Angeklagter wollte seinen Pflichtverteidiger wechseln oder einen neuen erhalten. Zu Beginn des Verfahrens konnte er Gerichtsbeschlüsse nicht lesen oder hören.
  • Die Rechtsfrage: Darf ein Angeklagter seinen Pflichtverteidiger wechseln oder einen weiteren hinzubekommen, wenn er anfangs einen Beschluss nicht verstehen konnte?
  • Die Antwort: Ja, das Gericht erlaubte, dass der Angeklagte einen zweiten Pflichtverteidiger bekommt. Der ursprünglich bestellte Anwalt blieb ebenfalls im Amt, da das Vertrauen nicht zerstört war.
  • Die Bedeutung: Die Rechte eines Angeklagten auf Gehör und Verteidigerwahl sind entscheidend. Gerichte können auch mehrere Pflichtverteidiger bestellen, um ein Verfahren zügig voranzutreiben.

Die Fakten im Blick

  • Gericht: Landgericht Trier
  • Datum: 07.07.2025
  • Aktenzeichen: 1 Ks 8032 Js 5325/25
  • Verfahren: Strafverfahren (Beschluss über Pflichtverteidigerwechsel)
  • Rechtsbereiche: Strafprozessrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Ein Angeschuldigter in einem Strafverfahren. Er beantragte den Wechsel seines Pflichtverteidigers und die Entpflichtung der ursprünglich beigeordneten Anwältin.
  • Beklagte: Die Staatsanwaltschaft und die ursprünglich beigeordnete Pflichtverteidigerin S. Sie sprachen sich gegen die Entpflichtung der Anwältin aus.

Worum ging es genau?

  • Sachverhalt: Dem Angeschuldigten wurde ein Pflichtverteidiger zugeordnet, obwohl er wegen Seh- und Hörbehinderung den Beschluss nicht verstehen konnte. Er beantragte später den Wechsel zu einem anderen Verteidiger.

Welche Rechtsfrage war entscheidend?

  • Kernfrage: Ob der Angeklagte das Recht hatte, einen von ihm selbst gewählten Anwalt als Pflichtverteidiger zu bekommen, und ob der ursprünglich eingesetzte Pflichtverteidiger entlassen werden sollte oder bleiben durfte.

Entscheidung des Gerichts:

  • Urteil im Ergebnis: Dem Angeschuldigten wird eine neue Pflichtverteidigerin beigeordnet; die bisherige Pflichtverteidigerin bleibt zusätzlich im Amt.
  • Zentrale Begründung: Die ursprüngliche Zuordnung des Pflichtverteidigers war unwirksam, weil der Angeschuldigte den Beschluss wegen seiner Behinderungen nicht wahrnehmen konnte und somit nachträglich einen anderen Pflichtverteidiger benennen durfte; die Beibehaltung des ersten Verteidigers dient der Verfahrensbeschleunigung.
  • Konsequenzen für die Parteien: Der Angeschuldigte erhält seinen Wunschverteidiger, muss aber die bisherige Verteidigerin zusätzlich akzeptieren, um das Verfahren zügig fortzusetzen.

Der Fall vor Gericht


Wann dürfen Pflichtverteidiger gewechselt und neue bestellt werden?

Manchmal beginnt ein Gerichtsverfahren mit Hindernissen, die weit über den eigentlichen Vorwurf hinausgehen. So erging es einem Angeschuldigten, dessen Geschichte in einer norddeutschen Großstadt vor dem Landgericht Trier verhandelt wurde.

Ein Angeschuldigter fasst sich an die Stirn, während er einen Gerichtsentscheid zum Wechsel seines Pflichtverteidigers prüft.
Pflichtverteidigerwechsel: Gerichtsurteil klärt Rechte und Grenzen des Anwaltwechsels. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Die zentrale Frage drehte sich darum, ob er das Recht hatte, einen von ihm benannten Rechtsbeistand als sogenannten Pflichtverteidiger zu erhalten, und ob sein bereits bestellter Anwalt entpflichtet werden musste – oder ob sogar beide im Verfahren bleiben sollten.

Was ist geschehen? Der Beginn des Verfahrens und die ersten Hürden

Die Geschichte beginnt am 11. Februar 2025. Das Amtsgericht Trier beschloss an diesem Tag, dem Angeschuldigten eine Rechtsanwältin, nennen wir sie Rechtsanwältin S., als notwendige Verteidigerin beizuzuordnen. Eine Beiordnung bedeutet, dass das Gericht dem Beschuldigten einen Rechtsanwalt zur Seite stellt, weil der Fall so komplex ist oder die Strafe so hoch sein kann, dass eine Verteidigung zwingend erforderlich ist. Dies geschah anlässlich der Verkündung eines Unterbringungsbefehls, einer gerichtlichen Anordnung zur vorläufigen Unterbringung, beispielsweise in einer psychiatrischen Einrichtung.

Doch es gab ein entscheidendes Problem: Während dieses Termins teilte der Angeschuldigte mit, dass er weder sehen noch hören konnte, da ihm seine Spezialbrille und sein Hörgerät fehlten. Ihm wurde zwar versprochen, sein rechtliches Gehör nachzuholen – das bedeutet, ihm die Möglichkeit zu geben, seine Sicht der Dinge darzulegen und die Entscheidung zu verstehen – doch dieser weitere Anhörungstermin fand nicht statt.

Trotz dieser Schwierigkeiten wurde dem Angeschuldigten der Beschluss zur Beiordnung von Rechtsanwältin S. noch am selben Tag persönlich ausgehändigt. Dazu gab es eine wichtige Belehrung: Er hatte das Recht, innerhalb von drei Wochen einen anderen Pflichtverteidiger zu benennen. Außerdem wurde er über sein Recht auf eine sofortige Beschwerde informiert, ein Rechtsmittel, mit dem man gegen bestimmte gerichtliche Entscheidungen vorgehen kann.

Welche Schritte unternahm der Angeschuldigte, um einen Pflichtverteidiger zu wechseln?

Kurz nach der ersten Gerichtsentscheidung, bereits am 12. Februar 2025, wurde dem Angeschuldigten auf Antrag von Rechtsanwältin S. die Übergabe seiner Brille bewilligt. Wenige Tage später, am 15. Februar 2025, verfasste der Angeschuldigte ein handschriftliches Schreiben. Die Buchstaben waren groß, aber leserlich. Darin beschwerte er sich, dass ihm eine Lesebrille verweigert worden sei. Er legte Beschwerde gegen den Beiordnungsbeschluss vom 11. Februar ein. Vorsorglich fügte er hinzu, falls seine Beschwerde zu spät käme – also verfristet sei – läge das an der fehlenden Lesebrille, die ihn am Lesen des Rechtsbehelfs gehindert habe. Diese Beschwerde erreichte das zuständige Beschwerdegericht nicht.

Mit einem weiteren Schreiben vom 6. März 2025, das er nun in normaler, gut lesbarer Schrift verfassen konnte, erinnerte der Angeschuldigte an frühere Anträge. Einer davon war der Wunsch, Rechtsanwältin S. „abzusetzen“, weil sie sich nicht bei ihm gemeldet habe. Ein schriftlicher Antrag, datiert auf den 25. Februar 2025, in dem er explizit die Entpflichtung – also die Abberufung – von Rechtsanwältin S. und stattdessen die Beiordnung von Rechtsanwältin T. forderte, erreichte das Amtsgericht Trier am 13. März 2025. Seine Begründung: Frau S. habe keinen Kontakt zu ihm oder zum Gericht aufgebaut.

Wie reagierte das Amtsgericht auf den Antrag zur Anwaltsentpflichtung?

Das Amtsgericht Trier wies den Antrag des Angeschuldigten auf Entpflichtung von Rechtsanwältin S. am 26. März 2025 als unbegründet zurück. Die Begründung des Gerichts war, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem Angeschuldigten und seiner Verteidigerin nicht ausreichend dargelegt, also nicht konkret genug beschrieben worden sei. Dieser Beschluss wurde dem Angeschuldigten am 1. April 2025 zugestellt. Er legte keine sofortige Beschwerde gegen diese Entscheidung ein.

Auch nachdem er am 4. Juni 2025 wieder sein Hörgerät nutzen durfte, erneuerte der Angeschuldigte am 12. Juni 2025 seinen Antrag auf einen „Austausch“ von Rechtsanwältin S. Rechtsanwältin S. wiederum legte am 20. Juni 2025 eine Liste ihrer bereits erbrachten Tätigkeiten für den Angeschuldigten vor, äußerte sich aber nicht direkt zu der Frage ihrer Entpflichtung. Die Staatsanwaltschaft, die im Strafverfahren die Anklage vertritt, sprach sich gegen den Antrag des Angeschuldigten aus und sah ebenfalls keine Gründe für eine Entpflichtung.

Warum hat das Landgericht Trier schließlich anders entschieden?

Das Landgericht Trier, das als nächsthöhere Instanz über die Beschwerde entschied (LG Trier – Az.: 1 Ks 8032 Js 5325/25 – Beschluss vom 07.07.2025), kam zu einem anderen Ergebnis als das Amtsgericht, zumindest teilweise. Es entschied, dass dem Angeschuldigten Rechtsanwältin T. als weiterer notwendiger Verteidiger beigeordnet werden muss. Gleichzeitig sollte Rechtsanwältin S. aber nicht entpflichtet werden, sondern ebenfalls als Pflichtverteidigerin im Verfahren bleiben.

Um diese Entscheidung zu verstehen, muss man die rechtlichen Grundlagen und die Argumentation des Gerichts beleuchten.

Auf welche Gesetze und Grundsätze stützte sich das Gericht bei seiner Entscheidung?

Das Landgericht Trier zog verschiedene rechtliche Bestimmungen heran, um seine Entscheidung zu begründen. Diese sind entscheidend für die Beurteilung, wann ein Verteidigerwechsel im Strafverfahren möglich ist und welche Anforderungen an eine Anwalt Entpflichtung gestellt werden:

  • § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StPO (Strafprozessordnung): Dieser Paragraph regelt das Recht, einen anderen als den ursprünglich bestellten Pflichtverteidiger zu bekommen. Es gibt zwei Wege:
    • Alternative 1: Wenn ein anderer als der vom Beschuldigten gewünschte Verteidiger bestellt wurde.
    • Alternative 2: Wenn dem Beschuldigten zur Auswahl eines Anwalts nur eine sehr kurze Frist gesetzt wurde und er innerhalb von drei Wochen nach Bekanntgabe der gerichtlichen Entscheidung beantragt, einen selbst benannten Verteidiger zu bestellen, sofern dem keine wichtigen Gründe entgegenstehen. Die Gesetzesbegründung betont hier das Recht, einen Verteidiger seiner Wahl zu haben. Wichtig ist, dass Alternative 2 auch dann gilt, wenn das rechtliche Gehör des Beschuldigten nicht ausreichend gewährt wurde und keine Frist gesetzt werden konnte.
  • BGH, Beschluss vom 14.09.2020 (NStZ-RR 2021, 290): Der Bundesgerichtshof (BGH) hat klargestellt, dass ein Beschuldigter den Wechsel seines Pflichtverteidigers bis zum Ende des Verfahrens beantragen kann. Nach Ablauf der 3-Wochen-Frist braucht ein solcher Antrag aber eine besondere Begründung.
  • §§ 166 Abs. 1 ZPO (Zivilprozessordnung) und 37 Abs. 1 StPO: Diese Regeln besagen, dass eine Zustellung – also die offizielle Aushändigung eines Schriftstücks durch das Gericht – nur dann wirksam ist, wenn der Empfänger auch die Möglichkeit hat, den Inhalt des Schriftstücks zur Kenntnis zu nehmen.
  • § 189 ZPO i. V. m. § 37 Abs. 1 StPO: Dieser Paragraph ermöglicht die Heilung eines Zustellungsmangels. Das bedeutet, wenn eine Zustellung zunächst fehlerhaft war (z.B. weil der Empfänger den Inhalt nicht verstehen konnte), wird dieser Mangel geheilt, sobald der Empfänger tatsächlich Kenntnis von dem Schriftstück erlangt. Dann beginnt die Frist zu laufen.
  • § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO: Dieser Paragraph erlaubt die Entpflichtung eines Verteidigers, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Anwalt und dem Beschuldigten endgültig zerstört ist.
  • Rechtsprechung zum Vertrauensverhältnis (z.B. BGH-Beschlüsse): Die Gerichte haben hier strenge Maßstäbe angelegt. Die Zerstörung des Vertrauens muss aus Sicht eines verständigen Beschuldigten vorliegen und substantiiert dargelegt werden, also mit konkreten und nachvollziehbaren Fakten untermauert sein. Bloße Differenzen über die Verteidigungsstrategie oder Meinungsverschiedenheiten reichen nicht aus. Ein Pflichtverteidiger ist ein unabhängiger Beistand, kein einfacher Befehlsempfänger des Beschuldigten. Und: Unsubstantiierte Äußerungen – also solche ohne konkrete Begründung – können keinen Anwaltswechsel erzwingen, der nur der Verzögerung des Verfahrens dient.
  • § 144 Abs. 1 StPO: Dieser Paragraph erlaubt es, mehrere Verteidiger beizuordnen, wenn dies für die zügige Durchführung des Verfahrens notwendig ist.

Wie wandte das Gericht diese Regeln auf den Fall an?

Das Landgericht stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Beiordnung von Rechtsanwältin T. gegeben waren. Die anfängliche Beiordnung von Rechtsanwältin S. am 11. Februar 2025 war nicht ordnungsgemäß erfolgt, weil dem Angeschuldigten das rechtliche Gehör nicht ausreichend gewährt wurde. Ohne Brille und Hörgerät konnte er den Beschluss nicht verstehen. Die Zustellung des Beschlusses war daher unwirksam.

Dieser Zustellungsmangel wurde aber später geheilt. Spätestens am 25. Februar 2025, als der Angeschuldigte seine Lesebrille hatte und ein Schreiben in normaler Schrift verfassen konnte, erlangte er tatsächliche Kenntnis vom Inhalt des Beschlusses. Ab diesem Zeitpunkt, dem 25. Februar 2025, begann die 3-Wochen-Frist für die Benennung eines anderen Pflichtverteidigers zu laufen. Da der Angeschuldigte seinen Antrag auf Beiordnung von Rechtsanwältin T. am 13. März 2025 einreichte, war dieser Antrag fristgerecht und damit nicht verfristet. Er hatte also das Recht, Rechtsanwältin T. als seine Verteidigerin zu benennen.

Was die Entpflichtung von Rechtsanwältin S. anging, sah das Gericht die Voraussetzungen für ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis nicht erfüllt. Die Äußerungen des Angeschuldigten waren hier nicht substantiiert genug. Sie entsprachen nicht den hohen Anforderungen, die die Rechtsprechung an die endgültige Zerstörung eines Vertrauensverhältnisses stellt. Daher wurde Rechtsanwältin S. nicht entpflichtet.

Trotzdem entschied das Gericht, dass Rechtsanwältin S. als weitere Pflichtverteidigerin im Verfahren bleiben sollte. Dies geschah gemäß § 144 Abs. 1 StPO. Der Grund war die zügige Durchführung des Verfahrens. Rechtsanwältin S. war bereits umfassend in den Fall eingearbeitet, und die Hauptverhandlungstermine waren bereits mit ihr und einem wichtigen psychiatrischen Sachverständigen abgestimmt. Rechtsanwältin T. hatte zudem bereits mitgeteilt, an einem der Termine wegen Urlaubs verhindert zu sein. Eine Terminänderung war aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit des Sachverständigen nicht möglich. Daher war die Beiordnung von zwei Pflichtverteidigern geboten, um Verzögerungen im Verfahren zu vermeiden.

Welche Gegenargumente wurden vom Landgericht bewertet und abgelehnt?

Das Landgericht setzte sich auch mit möglichen Einwänden auseinander und widerlegte diese:

  1. War die Entscheidung des Amtsgerichts über die Entpflichtung endgültig?
    Das Amtsgericht hatte bereits am 26. März 2025 den Antrag des Angeschuldigten auf Entpflichtung von Rechtsanwältin S. abgelehnt. Man könnte meinen, diese Entscheidung sei rechtskräftig und schließe eine erneute Prüfung aus.
    Das Landgericht stellte jedoch klar, dass der Beschluss des Amtsgerichts lediglich über den Antrag auf Entpflichtung wegen Vertrauensstörung entschieden hatte. Er betraf nicht die Frage der Beiordnung eines anderen Verteidigers aufgrund der unzureichenden Gewährung rechtlichen Gehörs bei der ursprünglichen Bestellung. Da es sich um zwei unterschiedliche rechtliche Grundlagen handelte, war die aktuelle Frage nicht durch die frühere Entscheidung ausgeschlossen (nicht präkludiert).
  2. War der Antrag des Angeschuldigten zu spät gestellt?
    Die 3-Wochen-Frist für die Benennung eines Wunschverteidigers begann normalerweise mit der Zustellung des Beschlusses am 11. Februar 2025. Der Antrag des Angeschuldigten ging jedoch erst am 13. März 2025 ein.
    Das Gericht verwarf dieses Argument, da die Zustellung am 11. Februar 2025 aufgrund der fehlenden Lesebrille und des Hörgeräts des Angeschuldigten nicht ordnungsgemäß wirksam war. Der Angeschuldigte konnte den Beschluss nicht zur Kenntnis nehmen. Dieser Mangel wurde erst geheilt, als er am 25. Februar 2025 tatsächlich Kenntnis vom Inhalt des Beschlusses erlangte. Die Frist begann also erst an diesem Tag zu laufen, wodurch der Antrag vom 13. März 2025 als fristgerecht galt.
  3. Gab es genügend Gründe, Rechtsanwältin S. zu entpflichten?
    Die Staatsanwaltschaft argumentierte, es gäbe keine ausreichenden Gründe für die Entpflichtung.
    Das Gericht stimmte hier insofern zu, als ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis im Sinne des Gesetzes nicht ausreichend und substantiiert dargelegt wurde. Die unsubstantiierten Äußerungen des Angeschuldigten reichten dafür nicht aus. Dies führte zwar dazu, dass Rechtsanwältin S. nicht entpflichtet wurde. Es hinderte das Gericht aber nicht daran, eine weitere Verteidigerin beizuordnen, da dies auf einem anderen Recht des Angeschuldigten beruhte.

Im Ergebnis bedeutet dies: Der Angeschuldigte bekam seinen Wunschverteidiger beigeordnet, die bereits bestellte Anwältin blieb zur schnellen Verfahrensdurchführung ebenfalls an Bord, und das Gericht stellte sicher, dass die Rechte des Angeschuldigten auf Pflichtverteidigerwechsel und rechtliches Gehör gewahrt blieben.

Die Urteilslogik

Die richterliche Entscheidung beleuchtet grundlegende Prinzipien des Strafverfahrens, die den Schutz individueller Rechte und die Effizienz der Justiz sicherstellen.

  • Wirksame Zustellung: Ein Gerichtsschriftstück gilt erst dann als wirksam zugestellt, wenn der Empfänger dessen Inhalt tatsächlich zur Kenntnis nehmen kann, selbst wenn die formelle Übergabe bereits erfolgte.
  • Recht auf Wahlverteidigung: Ein Beschuldigter besitzt das Recht, seinen Pflichtverteidiger selbst zu bestimmen, insbesondere wenn sein rechtliches Gehör bei der ursprünglichen Bestellung unzureichend gewährleistet war.
  • Anforderungen an Entpflichtung: Ein Gericht entpflichtet einen Pflichtverteidiger nur, wenn das Vertrauensverhältnis zum Beschuldigten unwiderlegbar und konkret zerstört ist, nicht aufgrund bloßer Unzufriedenheit oder mangelndem Austausch.

Die Justiz sichert auf diese Weise die grundlegenden Rechte des Einzelnen und fördert gleichzeitig einen effektiven Verfahrensablauf.


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Das Urteil in der Praxis

Wie viel Barrierefreiheit benötigt die Justiz wirklich, um ein faires Verfahren zu gewährleisten und gleichzeitig die Effizienz zu sichern? Das Landgericht Trier liefert eine verblüffend pragmatische Antwort, die weit über den konkreten Fall hinausstrahlt. Es macht unmissverständlich klar, dass eine Zustellung ohne tatsächliche Kenntnisnahme durch den Beschuldigten – sei es aufgrund fehlender Sehhilfen oder Hörgeräte – wertlos ist und die Frist für den Pflichtverteidigerwechsel neu starten lässt. Noch bemerkenswerter ist jedoch die Entscheidung, einen zweiten Pflichtverteidiger beizuordnen, um das Verfahren trotz fehlender substantiierter Entpflichtungsgründe für den ersten Anwalt nicht zu verzögern. Dieses Urteil ist ein Lehrstück über die Balance zwischen dem individuellen Recht auf Wahlverteidigung, dem Schutz vulnerabler Beschuldigter und der Notwendigkeit einer zügigen Strafverfolgung – ein Spagat, den das Gericht hier bravourös meistert.


Symbolische Grafik zu FAQ - Häufig gestellte Fragen aus dem Strafrecht" mit Waage der Gerechtigkeit und Gesetzbüchern im Hintergrund

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Unter welchen Voraussetzungen kann ein Pflichtverteidiger in einem Strafverfahren gewechselt werden?

Ein Wechsel des Pflichtverteidigers in einem Strafverfahren ist grundsätzlich möglich, aber an bestimmte gesetzliche Voraussetzungen und Fristen gebunden. Dies sichert das Recht der beschuldigten Person auf eine angemessene und vertrauensvolle Verteidigung.

Man kann sich das wie bei der Besetzung einer wichtigen Position in einem Team vorstellen: Hat das Team die Möglichkeit, bei der Auswahl mitzuwirken und wird diese nicht ausreichend berücksichtigt, gibt es eine kurze Frist, um einen gewünschten Kandidaten vorzuschlagen. Danach braucht es jedoch einen triftigen Grund für einen Wechsel.

Ein Wechsel ist vor allem dann möglich, wenn das Gericht einen Pflichtverteidiger beigeordnet hat, der nicht dem Wunsch der beschuldigten Person entspricht. Ein solcher Antrag muss innerhalb von drei Wochen gestellt werden, nachdem die gerichtliche Entscheidung über die Beiordnung bekannt gegeben wurde. Dies gilt insbesondere, wenn das rechtliche Gehör der beschuldigten Person bei der anfänglichen Bestellung des Verteidigers nicht ausreichend gewahrt wurde, etwa weil sie die Entscheidung wegen fehlender Sehhilfen oder Hörgeräte nicht wirksam zur Kenntnis nehmen konnte. In solchen Fällen beginnt die Frist erst, sobald die Person tatsächlich Kenntnis vom Beschluss erlangen konnte.

Auch nach Ablauf dieser dreiwöchigen Frist kann ein Wechsel des Pflichtverteidigers beantragt werden. Dann ist jedoch eine besondere, konkrete Begründung erforderlich, die über bloße Meinungsverschiedenheiten hinausgeht und eine tiefergehende Problematik im Vertrauensverhältnis aufzeigen muss.

Diese Regelungen schützen das Vertrauen in faire Verfahren und ermöglichen der beschuldigten Person, Einfluss auf die Wahl ihres wichtigsten Beistandes zu nehmen.


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Welche Bedeutung hat das ‚Recht auf rechtliches Gehör‘ für die Wirksamkeit von gerichtlichen Entscheidungen und Fristen?

Das Recht auf rechtliches Gehör ist ein grundlegendes Prozessrecht und entscheidend für die Wirksamkeit gerichtlicher Entscheidungen und den Beginn von Fristen. Es stellt sicher, dass jede Person die Möglichkeit hat, sich zu einem Sachverhalt zu äußern und Entscheidungen zu verstehen, bevor sie wirksam werden.

Stellen Sie sich vor, Sie erhalten einen wichtigen Brief, können ihn aber wegen Blindheit nicht lesen oder wegen Taubheit die mündliche Erläuterung nicht verstehen. Ohne diese Möglichkeit kann der Inhalt des Briefes Ihnen nicht wirksam bekannt sein, und somit können auch keine Fristen zu laufen beginnen.

Im juristischen Kontext bedeutet dies, dass gerichtliche Entscheidungen nur dann wirksam zugestellt werden können, wenn die betroffene Person den Inhalt tatsächlich zur Kenntnis nehmen kann. Bei fehlendem Seh- oder Hörvermögen ohne entsprechende Hilfsmittel gilt eine Zustellung als unwirksam. Relevante Fristen, wie die für Rechtsmittel, beginnen in solchen Fällen erst gar nicht zu laufen.

Ein anfänglicher Zustellungsmangel wird jedoch geheilt, sobald die Person die tatsächliche Kenntnis von der Entscheidung erlangt, beispielsweise durch das Bereitstellen der benötigten Hilfsmittel. Erst zu diesem Zeitpunkt starten die Fristen. Diese Regelung schützt die fundamentalen Prozessrechte und stellt sicher, dass gerichtliche Verfahren fair und transparent ablaufen, indem die Möglichkeit zur Kenntnisnahme und Äußerung stets gewährleistet ist.


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Wann gilt ein Vertrauensverhältnis zwischen einem Beschuldigten und seinem Pflichtverteidiger als endgültig zerstört und führt zur Entpflichtung?

Ein Vertrauensverhältnis zwischen einem Beschuldigten und seinem Pflichtverteidiger gilt nur dann als endgültig zerstört, wenn dies aus Sicht eines verständigen Beschuldigten objektiv nachvollziehbar ist und konkret dargelegt wird. Die Hürden für eine Entpflichtung des Pflichtverteidigers sind dabei sehr hoch.

Man kann sich das wie die Zusammenarbeit zwischen einem erfahrenen Schiffskapitän und einem Reeder vorstellen: Nur weil der Reeder mit einzelnen Routenentscheidungen des Kapitäns unzufrieden ist oder sich eine andere Strategie wünscht, kann er den Kapitän nicht einfach entlassen. Es müssen handfeste Gründe vorliegen, die objektiv das Vertrauen in die Führung des Schiffes zerstören.

Die Gerichte legen strenge Maßstäbe an und fordern, dass die Zerstörung des Vertrauens mit konkreten und nachvollziehbaren Fakten untermauert wird. Das bedeutet, bloße Unzufriedenheit des Beschuldigten, Meinungsverschiedenheiten über die Verteidigungsstrategie, die Anzahl der Besuche oder unsubstantiierte, also unkonkret begründete, Vorwürfe reichen in der Regel nicht aus.

Ein Pflichtverteidiger ist ein unabhängiger Beistand, der dem Beschuldigten zur Seite gestellt wird. Er ist kein „Befehlsempfänger“, sondern ein juristischer Experte, der eigenständig handelt und die bestmögliche Verteidigung im Interesse des Beschuldigten führt. Unkonkret begründete Äußerungen sind nicht ausreichend, um einen Wechsel des Pflichtverteidigers zu erzwingen, der lediglich der Verfahrensverzögerung dienen könnte. Daher müssen Beschuldigte, die eine Entpflichtung ihres Pflichtverteidigers wünschen, ihre Gründe präzise und mit nachvollziehbaren Fakten untermauern, um eine Chance auf Erfolg zu haben.


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In welchen Fällen wird ein Pflichtverteidiger beigeordnet und welche Rechte hat der Beschuldigte bei dieser Bestellung?

Ein Pflichtverteidiger wird in bestimmten, vom Gesetz festgelegten Fällen (z.B. bei schweren Straftaten, Untersuchungshaft oder besonderer Komplexität des Falles) vom Gericht beigeordnet, um eine faire und ordnungsgemäße Verteidigung zu gewährleisten. Eine solche Beiordnung bedeutet nicht, dass eine Person sich keinen Anwalt leisten kann, sondern dass der Fall so gravierend ist oder die mögliche Strafe so hoch sein kann, dass eine anwaltliche Vertretung gesetzlich zwingend vorgeschrieben ist.

Dies ist beispielsweise der Fall, wenn es um schwere Straftaten (sogenannte Verbrechen) geht, der Beschuldigte in Untersuchungshaft ist, eine gerichtliche Anordnung zur vorläufigen Unterbringung (wie ein Unterbringungsbefehl) verkündet wird oder das gesamte Gerichtsverfahren als besonders schwierig gilt.

Bei der Bestellung eines Pflichtverteidigers hat der Beschuldigte wichtige Rechte. Man kann innerhalb von drei Wochen nach Bekanntgabe der gerichtlichen Entscheidung beantragen, einen selbst benannten Verteidiger als Pflichtverteidiger beizuordnen, falls ein anderer Anwalt bestellt wurde. Dieses Recht ist besonders stark, wenn das sogenannte rechtliche Gehör nicht ausreichend gewährt wurde und die gerichtliche Entscheidung nicht verstanden werden konnte. Der Wunsch nach einem Verteidiger der eigenen Wahl wird hier besonders berücksichtigt.

Diese Regelungen stellen sicher, dass auch in komplexen oder gravierenden Verfahren die Rechte des Beschuldigten auf eine angemessene und vertrauensvolle Verteidigung gewahrt bleiben und ein faires Verfahren stattfindet.


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Welche Rechte hat ein Beschuldigter während des Strafverfahrens, insbesondere im Hinblick auf die Verteidigung?

Ein Beschuldigter im Strafverfahren hat verschiedene wichtige Rechte, um eine faire Verteidigung zu gewährleisten, insbesondere das Recht auf rechtliches Gehör und die Möglichkeit, sich durch einen Rechtsanwalt verteidigen zu lassen. Dazu gehört auch das Recht, unter bestimmten Umständen einen selbst gewählten Pflichtverteidiger zu erhalten.

Stellen Sie sich vor, ein Fußballspiel wird gepfiffen und Sie sind der Spieler, der vom Schiedsrichter eine Entscheidung gegen sich bekommt. Ein Beschuldigter hat das Recht, die Entscheidung und die Gründe dafür zu verstehen, sich dazu zu äußern und einen „Team-Kapitän“ (Verteidiger) an seiner Seite zu haben, der seine Interessen vertritt und sicherstellt, dass die Regeln eingehalten werden.

Zu den grundlegenden Rechten zählt zunächst das Recht auf rechtliches Gehör. Dies bedeutet, dass ein Beschuldigter die Möglichkeit haben muss, die gegen ihn ergangenen Entscheidungen und Anordnungen zu verstehen und seine Sicht der Dinge darzulegen. Eine gerichtliche Zustellung – also die offizielle Aushändigung eines Schriftstücks – ist beispielsweise nur dann wirksam, wenn der Beschuldigte den Inhalt auch tatsächlich zur Kenntnis nehmen kann.

Darüber hinaus hat ein Beschuldigter das wichtige Recht auf einen Verteidiger, der ihn unterstützt. In bestimmten Fällen, etwa bei komplexen Vorwürfen oder drohenden hohen Strafen, wird dem Beschuldigten ein Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger zur Seite gestellt. Der Beschuldigte hat das Recht, innerhalb einer bestimmten Frist, meist drei Wochen nach Bekanntgabe der gerichtlichen Entscheidung, einen anderen als den ursprünglich bestellten Pflichtverteidiger zu benennen, wenn dieser seinem Wunsch entspricht und keine wichtigen Gründe dagegensprechen. Dies unterstreicht das Recht, einen Verteidiger seiner Wahl zu haben.

Diese Rechte sind entscheidend, um die Verteidigung des Beschuldigten sicherzustellen und eine faire Behandlung im Strafverfahren zu gewährleisten.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Entpflichtung

Entpflichtung bedeutet, dass ein gerichtlich bestellter Pflichtverteidiger von seinem Auftrag entbunden und aus dem Verfahren abberufen wird.
Dies geschieht nur unter strengen Voraussetzungen, insbesondere wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem Anwalt endgültig und objektiv nachvollziehbar zerstört ist. Der Zweck ist es, die Verteidigung im Interesse des Beschuldigten zu gewährleisten, ohne dass es zu willkürlichen Anwaltswechseln kommt.
Beispiel: Der Angeschuldigte beantragte die Entpflichtung von Rechtsanwältin S., weil sie sich seiner Meinung nach nicht ausreichend um ihn gekümmert habe. Das Gericht lehnte dies jedoch ab, da seine Begründung für die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses nicht ausreichend substantiiert war.

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Pflichtverteidiger (Beiordnung)

Ein Pflichtverteidiger ist ein Rechtsanwalt, der einem Beschuldigten vom Gericht beigeordnet wird, weil der Fall gesetzlich eine anwaltliche Vertretung zwingend vorschreibt, unabhängig davon, ob die Person sich selbst einen Anwalt leisten könnte.
Die „Beiordnung“ ist der Akt, durch den das Gericht diesen Anwalt offiziell bestellt. Dies soll sicherstellen, dass auch in komplexen oder gravierenden Verfahren die Rechte des Beschuldigten auf eine angemessene und faire Verteidigung gewahrt bleiben.
Beispiel: Dem Angeschuldigten wurde Rechtsanwältin S. als notwendige Verteidigerin beigeordnet, nachdem ein Unterbringungsbefehl verkündet wurde, was eine zwingende Beiordnung erforderlich machte.

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Rechtliches Gehör

Das rechtliche Gehör ist ein grundlegendes Prozessrecht, das besagt, dass jede Person die Möglichkeit haben muss, sich zu einem Sachverhalt zu äußern und gerichtliche Entscheidungen zu verstehen, bevor sie wirksam werden.
Dieses Prinzip stellt sicher, dass niemand von Entscheidungen überrascht wird und alle Beteiligten die Möglichkeit haben, ihre Sicht der Dinge darzulegen und die Entscheidungsgrundlagen nachzuvollziehen. Ohne die Gewährung des rechtlichen Gehörs können Fristen nicht wirksam zu laufen beginnen.
Beispiel: Dem Angeschuldigten wurde das rechtliche Gehör nicht ausreichend gewährt, als ihm der Beschluss zur Beiordnung ohne Brille und Hörgerät ausgehändigt wurde, da er den Inhalt nicht verstehen konnte.

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Sofortige Beschwerde

Die sofortige Beschwerde ist ein spezielles Rechtsmittel im deutschen Recht, mit dem gegen bestimmte gerichtliche Entscheidungen vorgegangen werden kann, die das Verfahren betreffen, aber noch keine endgültige Hauptsachenentscheidung sind.
Sie dient dazu, eilige oder bestimmte prozessuale Anordnungen des Gerichts schnell von einer höheren Instanz überprüfen zu lassen, um Rechtsfehler zu korrigieren.
Beispiel: Der Angeschuldigte wurde über sein Recht auf sofortige Beschwerde gegen den Beiordnungsbeschluss informiert, legte aber später keine sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung seiner Entpflichtung ein.

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Unterbringungsbefehl

Ein Unterbringungsbefehl ist eine gerichtliche Anordnung, die die vorläufige Unterbringung einer Person in einer bestimmten Einrichtung, meist einer psychiatrischen Klinik, anordnet.
Diese Maßnahme dient oft dazu, die Person zu begutachten oder eine Gefahr abzuwenden, bevor über eine dauerhafte Unterbringung oder andere rechtliche Konsequenzen entschieden wird. Die Verkündung eines solchen Befehls macht die Beiordnung eines Pflichtverteidigers zwingend.
Beispiel: Anlässlich der Verkündung eines Unterbringungsbefehls wurde dem Angeschuldigten am 11. Februar 2025 eine Rechtsanwältin als notwendige Verteidigerin beigeordnet.

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Vertrauensverhältnis (Zerstörung des)

Die Zerstörung eines Vertrauensverhältnisses zwischen Beschuldigtem und Pflichtverteidiger liegt vor, wenn aus Sicht eines verständigen Beschuldigten die Zusammenarbeit endgültig und objektiv unzumutbar geworden ist, sodass eine sinnvolle Verteidigung nicht mehr möglich ist.
Die Gerichte stellen hier sehr hohe Anforderungen: Bloße Unzufriedenheit oder Meinungsverschiedenheiten reichen nicht aus; die Gründe müssen konkret und nachvollziehbar dargelegt („substantiiert“) werden, um einen Anwaltswechsel nicht zur Verfahrensverzögerung zu missbrauchen.
Beispiel: Das Amtsgericht lehnte die Entpflichtung von Rechtsanwältin S. ab, weil das Vertrauensverhältnis nicht ausreichend dargelegt worden sei, da die Äußerungen des Angeschuldigten nicht substantiiert waren.

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Zustellungsmangel (Heilung des)

Ein Zustellungsmangel bezeichnet einen Fehler bei der amtlichen Aushändigung eines gerichtlichen Schriftstücks, der dazu führt, dass die Zustellung unwirksam ist und Fristen nicht zu laufen beginnen.
Die „Heilung“ eines solchen Mangels tritt ein, sobald die empfangende Person den Inhalt des Schriftstücks tatsächlich zur Kenntnis nehmen kann, selbst wenn die ursprüngliche Zustellung fehlerhaft war. Ab diesem Moment gelten die Fristen als wirksam in Gang gesetzt. Dies dient der Rechtssicherheit und dem Schutz des Empfängers.
Beispiel: Die Zustellung des Beiordnungsbeschlusses war ursprünglich ein Zustellungsmangel, da der Angeschuldigte den Inhalt ohne Brille und Hörgerät nicht verstehen konnte; dieser Mangel wurde jedoch geheilt, als er später seine Lesebrille erhielt und den Inhalt tatsächlich zur Kenntnis nahm.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Recht auf einen anderen Pflichtverteidiger (§ 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StPO)

    Diese Regel ermöglicht es einem Beschuldigten, einen anderen als den ursprünglich bestellten Pflichtverteidiger zu erhalten, besonders wenn er bei der ersten Bestellung seinen Wunsch nicht äußern konnte.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Da dem Angeschuldigten wegen fehlender Sehhilfe und Hörgerät bei der ersten Anordnung nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt wurde, erhielt er später die Möglichkeit, fristgerecht seine Wunschverteidigerin T. zu benennen.

  • Wirksamkeit der Zustellung und Heilung von Mängeln (§ 166 Abs. 1 ZPO, § 189 ZPO i.V.m. § 37 Abs. 1 StPO)

    Gerichtsentscheidungen sind nur dann wirksam zugestellt, wenn der Empfänger sie auch tatsächlich zur Kenntnis nehmen kann; ein Fehler dabei wird aber geheilt, sobald er später Kenntnis erlangt.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die ursprüngliche Zustellung des Beschlusses war unwirksam, weil der Angeschuldigte ihn ohne Brille und Hörgerät nicht verstehen konnte; der Mangel wurde aber geheilt, als er später Kenntnis erlangte, wodurch die Frist für seinen Wunschverteidiger dann erst zu laufen begann.

  • Entpflichtung eines Pflichtverteidigers bei zerstörtem Vertrauensverhältnis (§ 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO)

    Ein Pflichtverteidiger kann nur entpflichtet werden, wenn das Vertrauensverhältnis zum Beschuldigten unwiederbringlich und nachvollziehbar zerstört ist.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die bereits bestellte Rechtsanwältin S. wurde nicht entpflichtet, weil die Begründung des Angeschuldigten für die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses nicht konkret genug dargelegt wurde.

  • Beiordnung mehrerer Verteidiger (§ 144 Abs. 1 StPO)

    Das Gericht kann in komplexen Fällen oder zur Beschleunigung des Verfahrens mehrere Verteidiger gleichzeitig für einen Beschuldigten bestellen.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl dem Angeschuldigten seine Wunschverteidigerin T. beigeordnet wurde, blieb die bereits eingearbeitete Rechtsanwältin S. ebenfalls im Verfahren, um eine zügige und effektive Durchführung des Prozesses sicherzustellen.


Das vorliegende Urteil


LG Trier – Az.: 1 Ks 8032 Js 5325/25 – Beschluss vom 07.07.2025


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