Nach dem Fund einer Cannabis-Plantage durch eine Hausdurchsuchung schien die Beweislage klar. Doch obwohl das Gericht die Durchsuchung für illegal erklärte, wurde der Angeklagte verurteilt – aber deutlich milder als erwartet.
Übersicht
- Das Urteil in 30 Sekunden
- Die Fakten im Blick
- Der Fall vor Gericht
- Warum führte ein Feuerwehreinsatz zu einem Strafverfahren wegen Cannabisanbaus?
- Wieso verurteilte das erste Gericht den Mann zu einer Bewährungsstrafe?
- Aus welchem Grund erklärte das Landgericht die Wohnungsdurchsuchung für rechtswidrig?
- Weshalb durften die Beweise aus der illegalen Durchsuchung nicht verwendet werden?
- Wie konnte der Mann trotz Beweisverbot verurteilt werden und warum fiel die Strafe milder aus?
- Welche Regelung traf das Gericht bezüglich der Verfahrenskosten?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Das Urteil in der Praxis
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Warum dürfen illegal erlangte Beweise nicht vor Gericht verwendet werden?
- Kann ich eine Hausdurchsuchung ohne richterlichen Beschluss ablehnen?
- Muss die Polizei für meine Hausdurchsuchung einen Richter kontaktieren?
- Wie kann ich trotz Beweisverbot noch verurteilt werden?
- Was tun, wenn meine Hausdurchsuchung durch die Polizei illegal war?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil 711 Ns 58/16 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Urteil in 30 Sekunden
- Das Problem: Ein Feuerwehreinsatz führte dazu, dass ein Polizist eine Marihuana-Plantage in einer Wohnung entdeckte. Daraufhin durchsuchte die Polizei die Wohnung des Mannes.
- Die Rechtsfrage: Durften die bei dieser Wohnungsdurchsuchung gefundenen Beweise im Gerichtsprozess verwendet werden?
- Die Antwort: Nein. Die Durchsuchung war illegal, weil die Polizei keine richterliche Genehmigung hatte und keine akute Gefahr bestand. Deshalb durften die gefundenen Beweise nicht für das Urteil genutzt werden.
- Die Bedeutung: Beweise, die durch schwere Rechtsverstöße erlangt wurden, dürfen in einem Gerichtsverfahren meist nicht verwertet werden. Dies schützt die verfassungsrechtlich garantierten Rechte von Bürgern vor willkürlichen staatlichen Eingriffen.
Die Fakten im Blick
- Gericht: Landgericht Hamburg
- Datum: 09.10.2017
- Aktenzeichen: 711 Ns 58/16
- Verfahren: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Strafprozessrecht, Betäubungsmittelstrafrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Die Staatsanwaltschaft. Sie hatte den Angeklagten wegen unerlaubten Anbaus und Besitzes von Betäubungsmitteln angeklagt und eine Freiheitsstrafe gefordert.
- Beklagte: Der Angeklagte. Er legte Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ein und rügte die Rechtswidrigkeit der Wohnungsdurchsuchung.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Der Angeklagte baute in seiner Wohnung Cannabispflanzen an. Dies wurde bei einem Feuerwehreinsatz entdeckt.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Dürften die Beweismittel aus der Wohnungsdurchsuchung im Prozess verwendet werden, wenn die Durchsuchung möglicherweise nicht rechtens war? Und wie ist die Tat des Angeklagten dann zu bewerten?
Entscheidung des Gerichts:
- Urteil im Ergebnis: Das Urteil der Vorinstanz wurde abgeändert, und der Angeklagte wurde zu einer Geldstrafe verurteilt.
- Zentrale Begründung: Die Wohnungsdurchsuchung war rechtswidrig, wodurch die dabei gefundenen Messergebnisse als Beweis nicht verwendet werden durften, aber das Geständnis und die Beobachtungen des Beamten reichten für eine Verurteilung aus.
- Konsequenzen für die Parteien: Der Angeklagte wurde zu einer Geldstrafe von 900 Euro verurteilt, die er in Raten zahlen darf, und muss einen Teil der Verfahrenskosten tragen.
Der Fall vor Gericht
Warum führte ein Feuerwehreinsatz zu einem Strafverfahren wegen Cannabisanbaus?
Ein Mann in einer norddeutschen Großstadt stand plötzlich im Mittelpunkt polizeilicher Ermittlungen, obwohl der Auslöser ein ganz anderer war: ein Feuerwehreinsatz in seiner Wohnung. Als die Einsatzkräfte eintrafen, begleitete sie ein Polizeibeamter. Während die Feuerwehr ihre Arbeit verrichtete, bemerkte der Beamte einen intensiven und unverkennbaren Geruch, der aus der Wohnung drang – der Geruch von Marihuana. Ein Blick durch die bereits geöffnete Tür offenbarte zudem ein sogenanntes Grow-Zelt, eine spezielle Ausrüstung für den Pflanzenanbau in Innenräumen. Diese Beobachtungen reichten aus, um einen Anfangsverdacht für eine Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz zu begründen.
Der Beamte informierte umgehend das zuständige Landeskriminalamt (LKA) und wartete vor der Wohnungstür, bis seine Kollegen eintrafen. Dieser Moment war der Ausgangspunkt für ein Gerichtsverfahren, das sich über zwei Instanzen erstrecken und eine grundlegende Frage des Strafprozessrechts aufwerfen sollte.
Wieso verurteilte das erste Gericht den Mann zu einer Bewährungsstrafe?
Das Amtsgericht Hamburg-Barmbek sah den Fall zunächst als klar an. Auf Basis der polizeilichen Ermittlungen, die auf die Entdeckung in der Wohnung folgten, wurde Anklage erhoben. Die Ermittler hatten die Wohnung durchsucht und eine Cannabis-Plantage sichergestellt. Die genaue Menge der Pflanzen, das geerntete Marihuana und der Wirkstoffgehalt (THC) wurden im Labor analysiert. Diese Beweismittel zeichneten ein detailliertes Bild vom Umfang des illegalen Anbaus.
Vor Gericht legte der Angeklagte, ein Mann mit einer langen Sucht- und Krankheitsgeschichte, der sich in einer Substitutionsbehandlung befand, ein Geständnis ab. Er gab zu, das Cannabis für den Eigenbedarf angebaut zu haben, um seine gesundheitlichen Beschwerden zu lindern. Das Amtsgericht wertete die Tat als unerlaubten Anbau und Besitz von Betäubungsmitteln. Aufgrund der sichergestellten Menge verurteilte es den Mann zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das bedeutet, er musste nicht ins Gefängnis, solange er sich in der Bewährungszeit nichts zuschulden kommen ließ. Mit diesem Urteil war der Angeklagte jedoch nicht einverstanden und legte Berufung ein. Damit ging der Fall in die nächste Instanz, zum Landgericht Hamburg.
Aus welchem Grund erklärte das Landgericht die Wohnungsdurchsuchung für rechtswidrig?
Das Landgericht nahm den Fall vollständig neu in den Blick und konzentrierte sich auf eine zentrale Frage: War die Durchsuchung der Wohnung überhaupt rechtmäßig? Das Gericht kam zu einem klaren Ergebnis: Nein, die Durchsuchung verstieß gegen fundamentale rechtliche Prinzipien. Dafür gab es drei entscheidende Gründe.
Erstens lag kein richterlicher Durchsuchungsbeschluss vor. In Deutschland ist die Wohnung durch das Grundgesetz besonders geschützt. Die Polizei darf sie nicht einfach betreten und durchsuchen. Dafür benötigt sie grundsätzlich die Erlaubnis eines unabhängigen Richters. Diesen Grundsatz nennt man Richtervorbehalt. Er soll die Bürger vor willkürlichen Eingriffen des Staates schützen. Im vorliegenden Fall hatten die LKA-Beamten keinen Richter kontaktiert, um einen solchen Beschluss zu beantragen.
Zweitens hatte der Angeklagte der Durchsuchung nicht wirksam zugestimmt. Zwar widersetzte er sich der Maßnahme nicht aktiv, aber bloßes Dulden ist keine Einwilligung. Eine rechtlich wirksame Zustimmung muss freiwillig und unmissverständlich erklärt werden. Die Richter stellten fest, dass der Mann in einer Drucksituation war und die Beamten ihn lediglich belehrt, aber keine explizite Zustimmung eingeholt hatten. Das passive Hinnehmen der Durchsuchung reichte dem Gericht nicht.
Drittens lag auch keine Gefahr im Verzug vor. Das ist eine der wenigen Ausnahmen vom Richtervorbehalt. Sie erlaubt der Polizei, ohne richterlichen Beschluss zu handeln, wenn jede Verzögerung den Ermittlungserfolg gefährden würde, etwa weil Beweismittel vernichtet werden könnten. Das Gericht sah hier aber keine solche Eile. Die Wohnung war bereits durch den ersten Polizeibeamten vor Ort gesichert. Der Angeklagte wartete gemeinsam mit dem Beamten rund eine halbe Stunde auf das Eintreffen des LKA. In dieser Zeit, so die Richter, wäre es ohne Weiteres möglich gewesen, telefonisch einen richterlichen Eildienst oder die Staatsanwaltschaft zu erreichen. Die Situation war stabil, es bestand keine unmittelbare Gefahr, dass Beweise verschwinden.
Zusammengefasst: Die Polizei hätte einen Richter anrufen müssen. Da sie dies unterließ, ohne dass eine Notsituation es rechtfertigte, war die gesamte Durchsuchung illegal.
Weshalb durften die Beweise aus der illegalen Durchsuchung nicht verwendet werden?
Die Feststellung, dass die Durchsuchung rechtswidrig war, führte zur nächsten entscheidenden Frage: Was passiert mit den Beweismitteln, die dabei gefunden wurden – also den Cannabispflanzen, dem geernteten Marihuana und den Laborergebnissen zum THC-Gehalt? Das Landgericht entschied, dass diese Beweise einem Beweisverwertungsverbot unterliegen.
Ein Beweisverwertungsverbot bedeutet, dass Beweise, die durch einen schweren Rechtsverstoß gewonnen wurden, im Gerichtsverfahren nicht berücksichtigt werden dürfen. Es ist, als ob es sie nie gegeben hätte. Dieses Instrument dient dazu, die Einhaltung der Verfahrensregeln durch die Ermittlungsbehörden sicherzustellen. Wenn die Polizei weiß, dass illegal beschaffte Beweise unbrauchbar sind, soll sie davon abgehalten werden, die Rechte von Beschuldigten zu verletzen.
Die Entscheidung für ein solches Verbot ist immer das Ergebnis einer Abwägung. Das Gericht muss das Interesse der Öffentlichkeit an einer effektiven Strafverfolgung gegen das Recht des Einzelnen auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren abwägen. In diesem Fall bewerteten die Richter den Verstoß der Polizei als schwerwiegend. Das bewusste Ignorieren des Richtervorbehalts, obwohl Zeit für einen Anruf gewesen wäre, verletzte den verfassungsrechtlich garantierten Schutz der Wohnung erheblich. Daher überwog der Schutz der Grundrechte des Angeklagten. Im Ergebnis durften die konkrete Menge an Cannabis und der exakte Wirkstoffgehalt aus den sichergestellten Proben nicht mehr zur Grundlage des Urteils gemacht werden.
Wie konnte der Mann trotz Beweisverbot verurteilt werden und warum fiel die Strafe milder aus?
Obwohl die entscheidenden Beweismittel aus der Wohnung nicht mehr verwertbar waren, sprach das Gericht den Mann nicht frei. Für eine Verurteilung reichten zwei andere, rechtmäßig erlangte Beweisquellen aus: das Geständnis des Angeklagten und die ursprünglichen Beobachtungen des ersten Polizisten. Der Beamte hatte den Marihuana-Geruch und das Grow-Zelt legal wahrgenommen, bevor die rechtswidrige Durchsuchung stattfand. Zusammen mit dem Geständnis des Mannes stand für das Gericht zweifelsfrei fest, dass er Cannabis angebaut und besessen hatte.
Die Herausforderung für das Gericht bestand nun darin, die Strafhöhe ohne die exakten Messwerte festzulegen. Da die Laborergebnisse tabu waren, musste die Kammer die Menge schätzen. Dabei wandte sie den Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ an und ging von sehr konservativen Werten aus. Sie schätzte:
- Mindestens zwei Pflanzen, da der intensive Geruch nicht von einer einzelnen Pflanze stammen konnte.
- Eine unterdurchschnittliche Erntemenge von 25 Gramm pro Pflanze, also insgesamt 50 Gramm Marihuana.
- Einen ebenfalls unterdurchschnittlichen THC-Gehalt von 5 %, was einem Gesamtwirkstoffgehalt von 2,5 Gramm THC entspricht.
Diese geschätzte Menge reichte zwar immer noch für eine Verurteilung nach dem Betäubungsmittelgesetz (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BtMG), war aber deutlich geringer als die ursprünglich im Raum stehenden Werte. Auf dieser neuen, schmaleren Beweisgrundlage änderte das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts grundlegend ab. Anstelle der Bewährungsstrafe verurteilte es den Mann zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10 Euro, also insgesamt 900 Euro. Ein Tagessatz ist eine Einheit, deren Höhe sich am Nettoeinkommen des Verurteilten orientiert.
Bei der Festlegung der Strafhöhe berücksichtigte das Gericht zudem eine Reihe mildernder Umstände:
- Das umfassende Geständnis.
- Die Tat lag bereits über zwei Jahre zurück.
- Der Mann befand sich auf einem guten Weg und hatte keine relevanten Vorstrafen mehr.
- Das Cannabis war ausschließlich für den Eigenbedarf zur Leidenslinderung bestimmt.
Die Freiheitsstrafe war damit vom Tisch. Die deutlich mildere Geldstrafe, die zudem in Raten gezahlt werden durfte, war die direkte Folge des schweren Verfahrensfehlers der Polizei.
Welche Regelung traf das Gericht bezüglich der Verfahrenskosten?
Das Berufungsverfahren war für den Angeklagten ein Teilerfolg. Er wurde zwar nicht freigesprochen, erreichte aber eine wesentlich mildere Strafe. Dies spiegelte sich auch in der Kostenentscheidung des Gerichts wider. Normalerweise muss der Verurteilte die gesamten Kosten des Verfahrens tragen. Da der Angeklagte hier aber in einem zentralen Punkt Recht bekommen hatte, traf das Gericht eine geteilte Regelung.
Er musste zwar die Kosten des Berufungsverfahrens übernehmen, die Gerichtsgebühr wurde jedoch um die Hälfte reduziert. Darüber hinaus wurde festgelegt, dass die Staatskasse die Hälfte seiner notwendigen Auslagen – also im Wesentlichen die Anwaltskosten – zu tragen hat. Diese Kostenaufteilung nach § 473 StPO ist üblich, wenn eine Berufung weder vollständig erfolgreich noch vollständig erfolglos ist.
Die Urteilslogik
Das Urteil unterstreicht, wie der Schutz grundlegender Verfahrensrechte das Ergebnis eines Strafverfahrens maßgeblich beeinflusst.
- Schutz der Wohnung: Polizei darf Wohnungen nur mit richterlicher Anordnung durchsuchen, es sei denn, es besteht eine unmittelbare Gefahr für den Ermittlungserfolg oder eine explizite, freiwillige Zustimmung liegt vor.
- Unverwertbarkeit illegaler Beweise: Beweismittel, die durch schwerwiegende Verletzungen der Grundrechte gewonnen wurden, dürfen vor Gericht nicht verwendet werden, um die Einhaltung rechtsstaatlicher Verfahren durchzusetzen.
- Einfluss auf die Strafzumessung: Selbst wenn eine Verurteilung durch andere, rechtmäßig erlangte Beweise möglich bleibt, führt die Unverwertbarkeit illegal beschaffter Bewismittel oft zu einer milderen Bestrafung, da Gerichte zu Gunsten des Angeklagten schätzen müssen.
Diese Prinzipien sichern die rechtsstaatliche Integrität des Verfahrens und schützen die Rechte von Beschuldigten umfassend.
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Das Urteil in der Praxis
Für jeden Ermittler in Deutschland sollte dieses Urteil als deutliche Mahnung dienen: Es unterstreicht gnadenlos, dass der Richtervorbehalt kein bloßes Formular, sondern ein unantastbares Bollwerk unserer Rechtsstaatlichkeit ist. Wer Grundrechte missachtet und auf gut Glück durchsucht, riskiert, dass selbst eindeutige Beweise im Strafverfahren wertlos werden. Dieser Fall beweist eindrücklich, wie ein fundamentaler Verfahrensfehler der Polizei eine potenzielle Bewährungsstrafe in eine marginale Geldstrafe verwandeln kann – ein Pyrrhussieg für die Strafverfolgung. Die Botschaft ist klar: Verfahrensfehler haben Konsequenzen, die weit über das Aktenzeichen hinausgehen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Warum dürfen illegal erlangte Beweise nicht vor Gericht verwendet werden?
Gerichte nutzen illegal erlangte Beweise oft nicht, weil grundlegende Rechte wichtiger sind als die reine Beweisbeschaffung. Dieses Prinzip, das Beweisverwertungsverbot, schützt die Bürger vor staatlicher Willkür, selbst bei einem Verbrechen. Es ist ein zentraler Eckpfeiler des Rechtsstaats, der die Einhaltung fairer Verfahren garantieren soll.
Warum diese strenge Haltung? Das Gesetz macht hier klare Vorgaben. Der Grund: Behörden sollen davon abgehalten werden, Rechtsbrüche zu begehen, nur um vermeintlich effizient Beweise zu sammeln. Stellen Sie sich vor, ein wichtiges Spiel wird manipuliert – das Ergebnis zählt dann nicht, egal wie gut die Spieler eigentlich waren. Ähnlich ist es vor Gericht: Sind die Regeln der Beweissammlung verletzt, ist das Ergebnis oft unbrauchbar.
Die Hamburger Richter waren unerbittlich, als sie in einem Fall von Cannabisanbau entschieden. Die Polizei hatte die Wohnung durchsucht, obwohl kein richterlicher Beschluss vorlag, keine „Gefahr im Verzug“ bestand und der Bewohner nicht wirksam zugestimmt hatte. Juristen nennen das einen schweren Verfahrensfehler. Der verfassungsrechtlich garantierte Schutz der Wohnung wog in diesem Fall schwerer als das Interesse des Staates, das Cannabis zu verwerten. Die illegal gesammelten Beweismittel waren damit tabu.
Jeder Verstoß gegen Verfahrensregeln kann die gesamte Ermittlungsarbeit wertlos machen.
Kann ich eine Hausdurchsuchung ohne richterlichen Beschluss ablehnen?
Eine Hausdurchsuchung ohne richterlichen Beschluss können Sie grundsätzlich ablehnen. Das Gesetz macht klare Vorgaben zum Schutz Ihrer Wohnung, die als unverletzlich gilt. Nur bei Gefahr im Verzug oder wenn Sie ausdrücklich zustimmen, darf die Polizei ohne richterliche Anordnung handeln. Ihr Zuhause ist heilig.
Der Grund: Ihre Wohnung steht unter besonderem Schutz des Grundgesetzes. Artikel 13 der Verfassung garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Deshalb ist eine polizeiliche Durchsuchung ohne einen richterlichen Befehl die absolute Ausnahme. Juristen nennen das Richtervorbehalt. Er schützt Bürger vor staatlicher Willkür.
Stellen Sie sich vor, die Polizei steht vor Ihrer Tür, wie im Fall des Mannes mit der Cannabis-Plantage. Sie dürfen die Beamten fragen, ob ein solcher richterlicher Beschluss vorliegt. Zeigen die Polizisten keinen gerichtlichen Befehl, müssen Sie Ihre Wohnung nicht öffnen. Bloßes Dulden reicht nicht als Zustimmung. Das Landgericht Hamburg betonte: Eine wirksame Einwilligung erfordert Freiwilligkeit und eine unmissverständliche Erklärung.
Eine Ausnahme bildet nur die sogenannte Gefahr im Verzug. Besteht der dringende Verdacht, dass Beweismittel vernichtet werden oder eine Person gefährdet ist und keine Zeit für einen Richteranruf bleibt, dürfen Beamte ausnahmsweise ohne Beschluss handeln. Doch diese Hürde ist hoch. Das Landgericht Hamburg sah in unserem Fall keine solche Eile; die Situation war stabil.
Dokumentieren Sie stets die Situation und widersprechen Sie einer Wohnungsdurchsuchung ohne richterliche Anordnung klar und deutlich.
Muss die Polizei für meine Hausdurchsuchung einen Richter kontaktieren?
Ja, für eine Hausdurchsuchung muss die Polizei grundsätzlich einen Richter kontaktieren. Dieser Richtervorbehalt ist ein grundlegendes Prinzip zum Schutz Ihrer Wohnung als höchstpersönlichen Bereich. Nur bei Gefahr im Verzug, wenn jede Verzögerung den Ermittlungserfolg gefährdet, dürfen Beamte ausnahmsweise ohne richterlichen Beschluss handeln.
Ihre Wohnung ist ein geschützter Ort. Das Grundgesetz garantiert diesen Schutz vor willkürlichen staatlichen Eingriffen. Deshalb entscheidet ein Richter, ein unabhängiger Schiedsrichter, ob eine Durchsuchung wirklich notwendig und verhältnismäßig ist. Polizei und Staatsanwaltschaft haben Ermittlungsinteressen; der Richter balanciert diese mit Ihren Rechten aus.
Gerichte nehmen diesen Schutz ernst. Das Landgericht Hamburg verhandelte jüngst einen Fall, in dem die Polizei trotz einer beobachteten Cannabis-Plantage den Richtervorbehalt ignorierte. Obwohl die Beamten eine halbe Stunde Zeit hatten, einen richterlichen Eildienst anzurufen, verzichteten sie auf den Beschluss. Ihre Annahme, „Gefahr im Verzug“ liege vor, scheiterte vor Gericht. Das Ergebnis? Die durch die illegale Hausdurchsuchung gewonnenen Beweise durften nicht verwertet werden. Klingt paradox? Es ist der Preis für Rechtsstaatlichkeit.
Jeder Bürger hat das Recht auf ein faires Verfahren. Eine Missachtung dieses Rechts kann schwerwiegende Konsequenzen für die Ermittler haben. Dokumentieren Sie stets jeden Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Hausdurchsuchung.
Wie kann ich trotz Beweisverbot noch verurteilt werden?
Trotz eines Beweisverwertungsverbots ist eine strafrechtliche Verurteilung durchaus möglich, solange das Gericht auf andere, legal erlangte Beweismittel zurückgreifen kann, die unabhängig von dem rechtswidrig beschafften Material existieren. Juristen nennen das „isolierte Betrachtung“ der Beweismittel. Dies bedeutet, dass nicht die gesamte Beweiskette zerbricht, sondern nur einzelne, unzulässig gewonnene Glieder herausgenommen werden.
Der Grund: Die Rechtsordnung verlangt, dass die Justiz zwar Rechte schützt, aber auch Straftaten verfolgt. Verbotene Beweise werden ignoriert. Doch bleiben genügend untadelige Informationen übrig, um die Schuld zweifelsfrei zu belegen, ist ein Freispruch ausgeschlossen. Stellen Sie sich vor, ein wichtiges Puzzleteil fehlt, doch das Gesamtbild ist trotzdem klar erkennbar.
Im Fall des Cannabis-Anbaus in Hamburg zeigte sich das deutlich: Der erste Polizeibeamte bemerkte den eindeutigen Marihuana-Geruch und sah ein Grow-Zelt. Diese Beobachtungen – die sogenannte „Erstbeobachtung“ – erfolgten rechtmäßig, noch bevor die illegale Durchsuchung begann. Später legte der Angeklagte zudem ein umfassendes Geständnis ab. Beide Informationen waren von der fehlerhaften Durchsuchung völlig unberührt und reichten dem Landgericht für eine Verurteilung aus, wenn auch mit deutlich milderer Strafe.
Das eigene Geständnis kann selbst stichhaltige Beweisverbote überwinden.
Was tun, wenn meine Hausdurchsuchung durch die Polizei illegal war?
Ihre Wohnung ist heilig, vom Grundgesetz geschützt. Wurde diese Schutzmauer durch eine rechtswidrige Hausdurchsuchung der Polizei verletzt, zählt jede Minute: Suchen Sie umgehend anwaltliche Hilfe. Ein spezialisierter Anwalt prüft die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung und kann ein sogenanntes Beweisverwertungsverbot für die dabei gefundenen Gegenstände beantragen. Das ist Ihr stärkstes Schwert.
Die Regel ist klar: Für eine Wohnungsdurchsuchung braucht die Polizei einen richterlichen Beschluss. Juristen nennen das Richtervorbehalt. Dieser schützt Bürger vor willkürlichen staatlichen Eingriffen. Ohne diese richterliche Anordnung ist eine Durchsuchung nur unter extrem engen Bedingungen erlaubt – etwa bei „Gefahr im Verzug“ oder mit Ihrer ausdrücklichen, freiwilligen Zustimmung. Was viele Beamte übersehen: Bloßes Dulden ist keine Einwilligung. Oder die angebliche „Gefahr im Verzug“ hält einer gerichtlichen Prüfung nicht stand, weil die Situation gar nicht so eilig war und ein Richter hätte erreicht werden können.
Der größte Trumpf bei einem Verfahrensfehler ist ein Beweisverwertungsverbot. Das bedeutet: Alles, was die Polizei illegal gefunden hat, muss das Gericht ignorieren. Klingt einfach? Gerichte wägen hier das öffentliche Interesse an Strafverfolgung gegen Ihr Grundrecht auf ein faires Verfahren ab. Bei schweren Verstößen – wie dem Ignorieren des Richtervorbehalts, obwohl Zeit war – überwiegt Ihr Schutz. Dann sind die Beweise für die Katz.
Warten Sie keinen Tag. Nur ein Rechtsbeistand kann Ihre Rechte nach einer rechtswidrigen Durchsuchung effektiv durchsetzen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Beweisverwertungsverbot
Beweisverwertungsverbot: Juristen bezeichnen so die Situation, wenn das Gericht Beweise, die mit einem schweren Rechtsverstoß erlangt wurden, im Verfahren nicht nutzen darf, als ob sie nie existiert hätten. Dieses Prinzip soll sicherstellen, dass staatliche Ermittler sich an die Gesetze halten und die Rechte der Bürger respektieren, denn illegale Beweismittel sind für das Urteil wertlos.
Beispiel: Das Landgericht entschied, dass die bei der illegalen Wohnungsdurchsuchung gefundenen Cannabispflanzen einem Beweisverwertungsverbot unterlagen, weil die Polizei bewusst den Richtervorbehalt ignorierte.
Gefahr im Verzug
Eine akute Notlage, in der eine sofortige Handlung unumgänglich ist, weil jede Verzögerung den Erfolg einer polizeilichen Maßnahme unwiderruflich gefährden würde, nennen Juristen Gefahr im Verzug. Diese Ausnahme erlaubt es Ermittlungsbehörden, auch ohne richterlichen Beschluss zu handeln, wenn beispielsweise Beweismittel unmittelbar vernichtet werden könnten und keine Zeit für eine richterliche Entscheidung bleibt.
Beispiel: Obwohl die Polizei Gefahr im Verzug annahm, befand das Landgericht, dass im Fall des Cannabisanbaus keine solche Eile bestand, da die Wohnung bereits gesichert war und ein Richter hätte kontaktiert werden können.
Geständnis
Erkennt ein Beschuldigter oder Angeklagter eine Tat im Strafverfahren an, nennen Juristen dies ein Geständnis, welches erhebliche Beweiskraft besitzt. Dieses Schuldeingeständnis kann den Sachverhalt aufklären und zur Verfahrensökonomie beitragen, muss aber stets freiwillig und ohne Zwang erfolgen.
Beispiel: Trotz des Beweisverwertungsverbots konnte der Mann verurteilt werden, da sein umfassendes Geständnis und die ursprünglichen Beobachtungen des Polizisten als legal erlangte Beweismittel ausreichten.
Richtervorbehalt
Richtervorbehalt: Dieses fundamentale Prinzip legt fest, dass bestimmte, intensive staatliche Eingriffe in Grundrechte, wie eine Wohnungsdurchsuchung, grundsätzlich nur von einem unabhängigen Richter angeordnet werden dürfen. Dieses verfassungsrechtliche Prinzip schützt die Bürger vor willkürlichen Eingriffen von Polizei oder Staatsanwaltschaft, indem ein unabhängiger Dritter die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit prüft.
Beispiel: Die Polizei hatte im vorliegenden Fall keinen richterlichen Durchsuchungsbeschluss eingeholt und damit den Richtervorbehalt missachtet, obwohl keine Gefahr im Verzug vorlag.
Tagessatz
Bei Geldstrafen nutzen Gerichte den Tagessatz als eine flexible Einheit, deren Höhe sich nach dem täglichen Nettoeinkommen des Verurteilten richtet. Dieses System ermöglicht es Gerichten, die Strafe an die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters anzupassen, sodass eine reiche Person für dieselbe Anzahl Tagessätze eine höhere Geldsumme zahlt als eine arme Person.
Beispiel: Anstelle einer Bewährungsstrafe verurteilte das Landgericht den Mann zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10 Euro, was sein Einkommen widerspiegelte und die Strafe milderte.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Richtervorbehalt und Schutz der Wohnung (Art. 13 GG, § 102 StPO)
Jede Durchsuchung einer Wohnung erfordert grundsätzlich einen richterlichen Beschluss, um Bürger vor willkürlichen staatlichen Eingriffen zu schützen.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Polizei hätte vor der Durchsuchung der Wohnung des Mannes die Erlaubnis eines unabhängigen Richters einholen müssen, um dessen grundrechtlich geschützten Wohnbereich zu respektieren. - Gefahr im Verzug (§ 105 Abs. 1 StPO)
Wenn es aufgrund dringender Eile unmöglich ist, einen Richter zu erreichen, darf die Polizei eine Durchsuchung auch ohne richterlichen Beschluss durchführen, um eine Gefahr abzuwenden oder Beweismittel zu sichern.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellte fest, dass keine akute Gefahr bestand, die eine sofortige Durchsuchung ohne richterliche Genehmigung gerechtfertigt hätte, da die Wohnung bereits gesichert war und genug Zeit für einen Anruf beim Richterdienst vorhanden gewesen wäre. - Beweisverwertungsverbot (Allgemeiner Rechtsgedanke im Strafverfahren)
Beweise, die durch einen schwerwiegenden Rechtsverstoß gewonnen wurden, dürfen in einem Gerichtsverfahren nicht zur Urteilsfindung herangezogen werden.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Da die Durchsuchung der Wohnung illegal war, durften die dabei gefundenen Cannabis-Pflanzen und die daraus gewonnenen Laborergebnisse im Gerichtsverfahren nicht als Beweismittel gegen den Mann verwendet werden. - Im Zweifel für den Angeklagten (In dubio pro reo)
Gerichte müssen bei unklaren Sachverhalten oder Zweifeln bezüglich der Schuld oder des Umfangs einer Tat stets zugunsten des Angeklagten entscheiden.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Da die genaue Menge des angebauten Cannabis aufgrund des Beweisverwertungsverbots nicht feststand, schätzte das Gericht die Menge und den Wirkstoffgehalt zugunsten des Angeklagten auf das unterste mögliche Maß. - Unerlaubter Anbau und Besitz von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BtMG)
Das Gesetz verbietet grundsätzlich den Anbau, die Herstellung und den Besitz von Cannabis und anderen Betäubungsmitteln.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Trotz des Beweisverwertungsverbots wurde der Mann aufgrund seines Geständnisses und der ursprünglichen Beobachtungen des Polizisten wegen des unerlaubten Anbaus und Besitzes von Cannabis verurteilt.
Das vorliegende Urteil
LG Hamburg, Az.: 711 Ns 58/16, Urteil vom 09.10.2017
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