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Beweisverwertungsverbot bei polizeilicher Durchsuchung ohne richterliche Anordnung

LG Hamburg, Az.: 711 Ns 58/16, Urteil vom 09.10.2017

Auf die Berufung des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek vom 7.3.2016 wie folgt abgeändert:

Der Angeklagte wird wegen unerlaubten Anbaus von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt.

Ein Tagessatz wird auf 10 Euro festgesetzt. Dem Angeklagten wird gestattet, die Geldstrafe in Gesamthöhe von 900 Euro in monatlichen Raten von 25 Euro, beginnend am 15. des auf die Rechtskraft folgenden Monats zu zahlen. Diese Vergünstigung entfällt, wenn der Angeklagte mit einer Rate mehr als zwei Wochen in Rückstand gerät.

Der Angeklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens, jedoch wird die Gebühr um 1/2 ermäßigt. 1/2 der notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse, im Übrigen trägt sie der Angeklagte.

Angewendete Vorschriften: §§ 29 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 BtMG, 52 StGB

Gründe

abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO

I.

Das Amtsgericht Hamburg-Barmbek hat den Angeklagten mit Urteil vom 7. März 2016 wegen unerlaubten Anbaus von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe ist zur Bewährung ausgesetzt worden.

Gegen das Urteil richtet sich das form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel des Angeklagten das mangels näherer Bestimmung als Berufung durchzuführen gewesen ist.

Im tenorierten Umfang hat die Berufung Erfolg gehabt, ein weitergehender Erfolg ist ihr versagt geblieben.

II.

Beweisverwertungsverbot bei polizeilicher Durchsuchung ohne richterliche Anordnung
Symbolfoto: cendeced/Bigstock

Der am 11. Juli 1964 geborene und damit derzeit 53jährige Angeklagte ist deutscher Staatsangehöriger. Er ist ledig und kinderlos. Nach dem Schulabschluss machte er verschiedene Lehren. In Haft lernte er Schlosser, die Lehre wurde aber nicht anerkannt, so dass er von vorne beginnen musste, was er nicht tat. Bereits als Kind begann er Klebstoff zu schnüffeln und Alkohol zu trinken. Mit 22 Jahren konsumierte er erstmals Heroin. Er machte später eine Therapie. 1997 erlitt er einen Schlaganfall und war 1 1/2 Jahre auf den Rollstuhl angewiesen. 17 Jahre lang befand er sich in ergotherapeutischer Behandlung. Der Angeklagte ist immer noch erheblich in seiner Mobilität eingeschränkt und leidet an depressiven Verstimmungen. Er wird mit 6 mg Subutex substituiert. Nach dem Schlaganfall hatte er regelmäßig Marihuana konsumiert, derzeit konsumiert er kein Marihuana, versucht aber, sich dieses ärztlich zur Behandlung verschreiben zu lassen. Er geht regelmäßig zur Drogenhilfe und möchte seinen Gesundheitszustand weiter verbessern.

Wenngleich der Angeklagte früher wegen verschiedener Straftaten verurteilt wurde und auch Haft verbüßt hat, liegen diese Verurteilungen so lange zurück, dass sie getilgt wurden. Der Angeklagte ist damit nicht vorbestraft.

Die Feststellungen zur Person des Angeklagten beruhen auf seinen glaubhaften Angaben in der Hauptverhandlung als auch der verlesenen Auskunft des Bundeszentralregisters vom 5. Oktober 2017, der mit dem Angeklagten erörtert wurde.

III.

Auf Grund des Geständnisses des Angeklagten steht zur Überzeugung der Kammer der folgende Sachverhalt fest:

Der Angeklagte zog in seiner Wohnung im … in einem Grow-Zelt mindestens zwei Cannabispflanzen auf, die eine Gesamtmenge an Marihuana von mindestens 50 Gramm hatten bei einem Wirkstoffgehalt von 5%, die Gesamtmenge an THC betrug damit 2,5 Gramm. Der Angeklagte beabsichtigte, zur Linderung seiner Beschwerden das Marihuana selbst zu konsumieren.

IV.

Der Angeklagte hat eingeräumt, dass er eine Marihuanaplantage in seiner Wohnung zum Eigenkonsum betrieben hat. Dieses Geständnis wird durch die Angaben des Beamten K. gestützt, der in der Wohnung nicht nur sehr starken Marihuanageruch wahrgenommen hatte, sondern auch ein Grow-Zelt in der Wohnung im Rahmen eines Feuerweheinsatzes von außen gesehen hat.

Insoweit hat die Kammer geschätzt, dass mindestens zwei Pflanzen in dem Zelt waren, da für eine Pflanze alleine der Umstand nicht gemacht werden würde und zudem die Stärke des Geruches auch für eine größere Menge spricht. Die Kammer hat weiter die Erntemenge auf unterdurchschnittliche 25 Gramm pro Pflanze und einen unterdurchschnittlichen THC-Gehalt von 5% geschätzt. Hiergegen wurden vom Angeklagten keine Einwände erhoben.

Der Angeklagte hat sich damit des unerlaubten Anbauens sowie Besitzes von Betäubungsmitteln schuldig gemacht. Er handelte vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft.

V.

Soweit durch die erfolgte Durchsuchung die konkrete Menge an Marihuana als auch der konkrete Wirkstoffgehalt festgestellt wurden, konnten diese Beweismittel vorliegend nicht verwertet werden.

Der Beamte K. hatte im Rahmen eines Feuerwehreinsatzes in der Wohnung des Angeklagten sowohl olfaktorisch als auch optisch wahrgenommen, dass sich dort eine Marihuana-Plantage befand. Insoweit informierte er das zuständige LKA über den Fund. Er wartete rund eine Stunde vor der geöffneten Tür, davon eine halbe Stunde gemeinsam mit dem Angeklagten, bis die Beamten des LKA kamen. Diese belehrten den Angeklagten und teilten ihm mit, dass sie die Wohnung durchsuchen würden. Es schloss sich eine Durchsuchung an.

Die erfolgte Durchsuchung war rechtswidrig. Eine Durchsuchung darf nur mit Zustimmung des Betroffenen oder nach §§ 102, 105 StPO nach richterlichem Beschluss oder bei Gefahr im Verzuge durchsucht werden. Vorliegend haben die handelnden Beamten keine Zustimmung des Angeklagten eingeholt. Das bloße Dulden einer Durchsuchung stellt keine konkludente Zustimmung zur Durchsuchung dar (vgl. Urteil des OLG Köln vom 27.10.2009, 81 Ds 65/09). Es lag auch keine Gefahr im Verzug vor, da ein Beweismittelverlust nicht zu befürchten war. Der Beamte K. hatte die Wohnung bereits eine Stunde lang gesichert. Es ist nicht ersichtlich, warum nicht gleich zu Beginn die Staatsanwaltschaft und das Gericht eingeschaltet wurden. Auch Abends ist in Hamburg ein Eildienst in der Regel telefonisch gut zu erreichen, so dass von einer weiteren erheblichen Verzögerung nicht ausgegangen werden kann.

Alleine die Tatsache, dass die Tür auf Grund einer vermuteten Gefahrenlage geöffnet worden war, gab den Beamten nicht das Recht, nunmehr die Wohnung ohne richterlichen Beschluss zu betreten. Die Gefahrenlage war offensichtlich beendet, so dass ein Betreten nach dem HmbSOG nicht erforderlich war. Die Wohnung verliert auch ihren Schutz nicht dadurch, dass die Tür aufgebrochen wurde.

Das Fehlen einer richterlichen Durchsuchungsanordnung führt im vorliegenden Fall auch zu einem Beweisverwertungsverbot. Im Einzelfall muss auf Grund einer umfassenden Abwägung des Interesses der Allgemeinheit nach einer wirksamen Strafverfolgung mit dem Interesse des Betroffenen an der Einhaltung der Verfahrensvorschriften geprüft werden. Dabei ist ein Beweisverwertungsverbot zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen geboten (vgl. Urteil des BGH vom 6.10.2016 mwN, NStZ 2017, S. 367ff.). Ein solcher schwerwiegender Verfahrensverstoß lag vor. In der vorgenannten Entscheidung hat der BGH es für einen schwerwiegenden Verstoß ausreichen lassen, dass die Staatsanwältin nach einem Kontakt mit dem Eildienstrichter, der die Akte wollte, Eilbedürftigkeit angenommen hat. Vorliegend aber hatten die Beamten noch nicht einmal die Staatsanwaltschaft, geschweige denn das Gericht überhaupt mit der Sache befasst. Die Tatsache, dass die Tür zuvor gewaltsam geöffnet worden war, mag nachvollziehbar machen warum vorliegend versäumt wurde, dies zu tun, ändert aber nichts an einem schwerwiegenden Verstoß. Insoweit kommt es auch auf die Tatsache, dass bei einem hypothetisch rechtmäßigen Ermittlungsverlauf mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Durchsuchungsbeschluss erlassen worden wäre, nicht an.

VI.

Bei der Strafzumessung ist die Kammer vom Strafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG ausgegangen.

Ein besonders schwerer Fall im Sinne des § 29 Abs. 3 BtMG lag ersichtlich nicht vor. Auch die geringe Menge des § 29 Abs. 5 BtMG war überschritten.

Bei der konkreten Strafzumessung hat die Kammer in der gebotenen Gesamtabwägung zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass dieser geständig war, die Tat über zwei Jahre zurück liegt, er eine positive Entwicklung genommen hat und nicht vorbestraft ist und es sich um eine weiche Droge handelt, die er zum Eigenbedarf angebaut und besessen hat. Zudem hat der Angeklagte auf die Rückgabe der sichergestellten Gegenstände verzichtet.

Zu seinen Lasten war hingegen zu sehen, dass es sich insgesamt um eine Menge von mindestens 2,5 Gramm THC handelte, er also eine Vielzahl von Konsumeinheiten besessen hat.

Danach war auf eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu erkennen. Die Höhe des Tagessatzes wurde angesichts der finanziellen Verhältnisse des Angeklagten auf 100 Euro festgesetzt. Darüber hinaus waren ihm auch Ratenzahlungen einzuräumen, da der Angeklagte ansonsten kaum Geld zur Bestreitung des Lebensunterhaltes hat.

Eine Verwarnung mit Strafvorbehalt kam dagegen nicht in Betracht, da vorliegend das Gesamtunrecht trotz der geplanten Verwendung zum Eigengebrauch so groß war, dass eine Verurteilung erforderlich war, zumal die geständige Einlassung auch erstmals im letzten Wort des Angeklagten erfolgte.

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

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