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Wohnungsdurchsuchung wegen Anstiftung: Wann ist sie rechtmäßig?

Eine Mutter fuhr 90 Kilometer zum Arzt, um einen falschen Masern-Impfeintrag zu erhalten, woraufhin eine Wohnungsdurchsuchung wegen Anstiftung stattfand. Die Ermittler suchten nach Beweisen für das unrichtige Gesundheitszeugnis, doch entscheidend für die Rechtmäßigkeit war lediglich das ungewöhnliche Fahrtmotiv der Frau.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 12 Qs 33/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Nürnberg-Fürth, Beschwerdekammer
  • Datum: 27.10.2025
  • Aktenzeichen: 12 Qs 33/25
  • Verfahren: Beschwerde gegen eine Wohnungsdurchsuchung
  • Rechtsbereiche: Strafprozessrecht, Strafrecht

  • Das Problem: Eine Mutter legte Beschwerde gegen die Durchsuchung ihrer Wohnung ein und forderte den sichergestellten Impfpass ihrer Tochter zurück. Ermittler verdächtigten sie, einen Arzt dazu angestiftet zu haben, falsche Masernimpfungen in den Impfpass einzutragen.
  • Die Rechtsfrage: Durften die Ermittler die Wohnung durchsuchen und den Impfpass beschlagnahmen, wenn nur der Verdacht besteht, die Mutter habe ihren Arzt zu den falschen Impfeinträgen angestiftet?
  • Die Antwort: Nein, die Beschwerde wurde abgewiesen. Das Gericht sah einen ausreichenden Verdacht für eine Straftat. Die große Entfernung der Mutter zur Praxis des Arztes und das gesetzliche Erfordernis des Masernschutzes sprachen für eine Anstiftung.
  • Die Bedeutung: Für die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung reichen schon geringe, aber plausible Anhaltspunkte aus, die auf eine mögliche Tatbeteiligung hindeuten. Das Gericht konnte über die Rückgabe des Impfpasses nicht entscheiden, weil die Mutter der Sicherstellung zugestimmt hatte.

Wann rechtfertigt der Verdacht auf falsche Impfeinträge eine Wohnungsdurchsuchung?

Ermittler durchsuchen die Wohnung einer Mutter und stellen den Impfausweis ihrer kleinen Tochter sicher. Der Vorwurf: Sie soll ihren Arzt angestiftet haben, Impfungen nur auf dem Papier zu bescheinigen, um die gesetzliche Masern-Impfpflicht zu umgehen. Eine solche Durchsuchung ist einer der schärfsten Eingriffe, die der Staat in die Privatsphäre eines Bürgers vornehmen darf. Doch wann ist die Beweislage stark genug, um diesen Schritt zu rechtfertigen? In einem Beschluss vom 27. Oktober 2025 hat das Landgericht Nürnberg-Fürth (Az.: 12 Qs 33/25) entschieden, welche Indizien für einen solchen Anfangsverdacht ausreichen und warum die Gesamtschau der Umstände entscheidender ist als jede einzelne Tatsache für sich.

Was genau war passiert?

Nahaufnahme eines Arztes, der einen Impfeintrag in den hellgelben Impfausweis schreibt, obwohl keine Impfung durchgeführt wurde.
Gericht prüft, wann Verdacht auf falsche Impfeinträge Wohnungsdurchsuchung rechtfertigt. | Symbolbild: KI

Im Zentrum des Geschehens stand ein niedergelassener Arzt, gegen den die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg bereits seit Längerem ermittelte. Der Verdacht lautete auf das gewerbsmäßige Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse nach § 278 des Strafgesetzbuches (StGB). Konkret wurde ihm vorgeworfen, in zahlreichen Fällen Impfungen in die Impfpässe von Kindern eingetragen zu haben, die er tatsächlich nie durchgeführt hatte.

Die Ermittlungen basierten auf einem breiten Fundament aus Hinweisen. Mehrere Landratsämter hatten übereinstimmend gemeldet, dass Eltern, die sich zuvor weigerten, ihre Kinder impfen zu lassen, plötzlich Impfpässe mit Nachträgen von ebenjenem Arzt vorlegten. Zusätzlich untermauerten zwei Berichte eines verdeckten Ermittlers den Verdacht: Der Beamte hatte beobachtet, wie der Arzt an zwei Terminen Masern-Mumps-Röteln-Impfungen (MMR) bescheinigte, ohne eine Spritze zu setzen. Auffällig war auch die Abrechnungsstatistik des Mediziners, der als Allgemeinarzt innerhalb eines Zeitraums 620 MMR-Impfungen abgerechnet hatte – eine ungewöhnlich hohe Zahl, da es sich überwiegend um minderjährige Patienten handelte. Dokumentierte impfkritische Äußerungen des Arztes rundeten das Bild für die Ermittler ab.

In diesem Kontext geriet auch die Mutter eines im Mai 2022 geborenen Mädchens ins Visier der Behörden. Im Impfpass ihrer Tochter fanden sich zwei Masern-Impfeinträge dieses Arztes, datiert auf den 22. Februar und 9. April 2024. Das Besondere daran: Die Praxis des Arztes lag rund 90 Kilometer vom Wohnort der Familie entfernt, was eine einfache Fahrtzeit von etwa einer Stunde und zwanzig Minuten bedeutete. Für zwei kurze Impftermine erschien dieser Aufwand den Ermittlern unverhältnismäßig. Auf Grundlage dieser Indizienkette erwirkte die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Nürnberg einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung der Mutter.

Am 8. Juli 2025 wurde die Maßnahme vollstreckt. Die Beamten stellten dabei den Impfausweis der Tochter sicher. Die Mutter legte gegen die Durchsuchung und die Sicherstellung Beschwerde ein. Sie argumentierte, der Verdacht gegen sie sei unzureichend, und forderte die Herausgabe des Dokuments.

Welche Gesetze spielten hier die entscheidende Rolle?

Um die Entscheidung des Gerichts nachzuvollziehen, müssen Sie drei zentrale rechtliche Aspekte verstehen, die hier ineinandergreifen: die Voraussetzungen für eine Wohnungsdurchsuchung, die betreffenden Straftatbestände und das Motiv, das aus einer gesetzlichen Pflicht erwächst.

Die Durchsuchung bei einem Verdächtigen ist in § 102 der Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Sie ist zulässig, wenn die Vermutung besteht, dass die Maßnahme zur Auffindung von Beweismitteln führen wird. Die entscheidende Hürde hierfür ist der sogenannte Anfangsverdacht. Dieser liegt vor, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte die Möglichkeit nahelegen, dass eine verfolgbare Straftat begangen wurde. Vage Vermutungen oder reine Spekulationen genügen dafür nicht; es bedarf konkreter, objektivierbarer Fakten.

Im Zentrum der strafrechtlichen Vorwürfe stand der Verdacht auf das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse (§ 278 StGB) durch den Arzt. Dieser Tatbestand bestraft einen Mediziner, der wissentlich falsche Zeugnisse über den Gesundheitszustand eines Menschen ausstellt, damit diese bei einer Behörde oder Versicherung verwendet werden können. Da die Mutter laut Vorwurf den Arzt zu dieser Tat bewegt haben soll, kam für sie eine Strafbarkeit wegen Anstiftung (§ 26 StGB) in Betracht. Ein Anstifter wird grundsätzlich wie der Täter selbst bestraft.

Das entscheidende Puzzleteil zur Bewertung des Sachverhalts liefert das Infektionsschutzgesetz (IfSG). Seit der Einführung des Masernschutzgesetzes im Jahr 2020 müssen Kinder, die eine Gemeinschaftseinrichtung wie eine Kita oder Schule besuchen (§ 33 IfSG), einen Nachweis über einen vollständigen Masernschutz erbringen (§ 20 Abs. 9 IfSG). Ohne diesen Nachweis drohen Betretungsverbote und Bußgelder. Dieses Gesetz schafft einen erheblichen Anreiz, einen gültigen Impfnachweis vorzulegen – auch wenn die Impfung selbst abgelehnt wird.

Warum entschied das Gericht so – und nicht anders?

Die Beschwerdekammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth wies die Beschwerde der Mutter als unbegründet zurück. Die Richter kamen nach sorgfältiger Prüfung zu dem Schluss, dass sowohl der Anfangsverdacht für eine Straftat vorlag als auch die Durchsuchung verhältnismäßig war. Ihre Argumentation folgte einer klaren Logik, die sich aus der Gesamtschau aller Indizien ergab.

Das Gesamtbild: Warum die Indizien gegen den Arzt ausreichten

Zunächst bestätigte das Gericht, dass ein solider Anfangsverdacht gegen den Arzt bestand. Die Richter sahen hier kein einzelnes, isoliertes Indiz, sondern ein Mosaik aus mehreren, sich gegenseitig stützenden Fakten. Die Meldungen der verschiedenen Landratsämter beschrieben ein wiederkehrendes Muster. Die konkreten Beobachtungen des verdeckten Ermittlers verliehen diesem Muster greifbare Substanz. Die ungewöhnlich hohen Abrechnungszahlen und die impfkritische Haltung des Arztes dienten als weitere Bausteine, die das Bild eines systematischen Vorgehens plausibel machten. Für das Gericht ergab diese Kombination ausreichend tatsächliche Anhaltspunkte, um von der Möglichkeit auszugehen, dass der Arzt in erheblichem Umfang falsche Impfeinträge vornahm.

Die Verbindung zur Mutter: Warum die weite Anfahrt zum entscheidenden Puzzleteil wurde

Auf dieser Grundlage bewertete das Gericht die spezifischen Umstände im Fall der Mutter. Für sich genommen wäre eine weite Fahrt zu einem Arzt noch kein Beweis für eine Straftat. Im Kontext des bereits bestehenden Verdachts gegen den Mediziner und der gesetzlichen Impfpflicht änderte sich die Bedeutung dieser Tatsache jedoch fundamental. Die Richter stellten eine einfache, aber bestechende Frage: Warum sollte eine Mutter für zwei Standardimpfungen ihres Kleinkindes einen Gesamtaufwand von über fünf Stunden Fahrtzeit auf sich nehmen, wenn es unzählige nähergelegene Praxen gibt?

Die Antwort fand das Gericht im Masernschutzgesetz. Die gesetzliche Pflicht, einen Impfnachweis für den Kitabesuch vorzulegen, lieferte ein starkes und nachvollziehbares Motiv für die Mutter, sich einen solchen Nachweis zu beschaffen, ohne die Impfung tatsächlich durchführen zu lassen. Die große Distanz wurde so vom Gericht nicht als Zufall, sondern als starkes Indiz dafür gewertet, dass die Mutter gezielt diesen Arzt aufgesucht hatte – eben weil er im Ruf stand, die gewünschten Eintragungen ohne Impfung vorzunehmen. Die Kombination aus dem konkreten Verdacht gegen den Arzt, der ungewöhnlichen Entfernung und dem klaren gesetzlichen Motiv bildete für das Gericht eine geschlossene Indizienkette, die den Anfangsverdacht einer Anstiftung gegen die Mutter begründete.

Der Einwand der Mutter: Warum eine alternative Erklärung nicht überzeugte

Die Mutter hatte argumentiert, dass die weiten Fahrten auch eine harmlose Erklärung haben könnten, etwa den Besuch bei der Großmutter in der Nähe der Praxis. Diesem Einwand folgte das Gericht jedoch nicht. Es verwies auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Maßgeblich für die Rechtmäßigkeit eines Durchsuchungsbeschlusses ist allein die Faktenlage, die dem Ermittlungsrichter zum Zeitpunkt seiner Entscheidung vorlag. Später vorgebrachte alternative Erklärungen können die ursprüngliche Entscheidung nicht rückwirkend rechtswidrig machen. Da dem Amtsgericht zum Zeitpunkt des Beschlusses keine solchen privaten Gründe bekannt waren, konnte dieser Einwand die auf den vorliegenden Indizien basierende Entscheidung nicht erschüttern.

Die Sicherstellung des Impfpasses: Warum das Gericht hier nicht entscheiden konnte

Auch den Antrag auf Herausgabe des Impfausweises lehnte das Gericht ab, allerdings aus rein verfahrenstechnischen Gründen. Ein Blick in das Sicherstellungsprotokoll zeigte, dass die Mutter mit der Mitnahme des Dokuments durch die Beamten einverstanden gewesen war. Juristisch gesehen handelte es sich damit um eine freiwillige Sicherstellung und nicht um eine zwangsweise Beschlagnahme, gegen die man Beschwerde einlegen könnte. Das Gericht erklärte, es sei daher im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens nicht zuständig, über die Rückgabe zu entscheiden. Es wies die Mutter darauf hin, dass sie sich direkt an die Staatsanwaltschaft wenden müsse, sollte sie geltend machen wollen, dass ihr Einverständnis doch nicht vorgelegen habe.

Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?

Dieser Fall beleuchtet eindrücklich die Funktionsweise des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und liefert drei zentrale Erkenntnisse, die über den konkreten Sachverhalt hinausweisen.

Die erste Lehre betrifft die Schwelle des Anfangsverdachts. Das Urteil macht deutlich, dass für eine Durchsuchung keine erdrückenden Beweise oder gar die Gewissheit einer Straftat erforderlich sind. Es genügt eine Kette von Indizien, die in ihrer Gesamtheit ein plausibles und stimmiges Bild ergeben. Ein einzelnes Indiz mag schwach sein, doch im Verbund mit anderen kann es an Gewicht gewinnen. Die Entscheidung zeigt, dass Gerichte gerade im Anfangsstadium von Ermittlungen bereit sind, auf der Grundlage eines solchen Indizien-Mosaiks zu handeln, um die Aufklärung möglicher Straftaten zu sichern.

Zweitens unterstreicht der Fall die immense Bedeutung von Kontext und Motiv. Eine Handlung wie eine 90 Kilometer lange Autofahrt zu einem Arzt ist für sich genommen neutral. Erst durch den rechtlichen Rahmen – hier das Masernschutzgesetz – erhält sie eine potenziell strafrechtliche Relevanz. Das Gericht interpretierte das Verhalten der Mutter nicht im luftleeren Raum, sondern im Licht des gesetzlichen Drucks, einen Impfnachweis erbringen zu müssen. Dies zeigt, dass Ermittler und Richter bei der Bewertung von Sachverhalten immer die Frage nach dem „Warum“ stellen und wie äußere Umstände das Verhalten von Menschen beeinflussen können.

Drittens wirft die Entscheidung ein Schlaglicht auf die entscheidende Rolle von prozessualen Formalien. Die Frage, ob der Impfpass „beschlagnahmt“ oder mit Einverständnis „sichergestellt“ wurde, erscheint wie eine juristische Spitzfindigkeit. Doch sie entschied darüber, ob das Gericht überhaupt über die Rückgabe des Dokuments befinden durfte. Dies ist eine wichtige Erinnerung daran, dass im Umgang mit Behörden jedes Detail zählt. Die Art und Weise, wie eine Maßnahme durchgeführt und protokolliert wird, bestimmt maßgeblich, welche rechtlichen Wege einem Betroffenen später offenstehen.

Die Urteilslogik

Die Rechtfertigung für den Eingriff in die Privatsphäre durch eine Wohnungsdurchsuchung hängt stets von der lückenlosen und schlüssigen Gesamtschau aller vorliegenden Indizien ab.

  • Die Gesamtschau der Indizien begründet den Anfangsverdacht: Ermittlungsbehörden benötigen für einen Anfangsverdacht keine Gewissheit der Tat, sondern lediglich eine geschlossene Indizienkette, bei der einzelne, für sich schwache Fakten erst im Verbund rechtliches Gewicht erlangen und die Möglichkeit einer Straftat nahelegen.
  • Das Motiv macht die Anstiftung plausibel: Eine objektiv neutrale Handlung, wie die weite Anreise zu einem Dienstleister, gewinnt strafrechtliche Relevanz, wenn sie im Kontext eines nachvollziehbaren gesetzlichen Drucks und eines bereits feststehenden systematischen Verdachts gegen Dritte interpretiert wird.
  • Die Protokollierung entscheidet über die Zuständigkeit: Der juristische Unterschied zwischen einer zwangsweisen Beschlagnahme und einer einvernehmlichen Sicherstellung bestimmt maßgeblich, welche Instanz (Gericht oder Staatsanwaltschaft) über die spätere Rückgabe von Beweismitteln entscheiden muss.

Die Bewertung von Verhalten im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erfordert immer die Berücksichtigung des konkreten Kontexts und der zugrundeliegenden gesetzlichen Pflichten.


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Experten Kommentar

Wer meint, ein Verdacht sei nur dann stark genug für eine Hausdurchsuchung, wenn es direkte Beweise gibt, irrt sich gewaltig. Dieses Urteil liefert die klare rote Linie: Die Ermittlungsbehörden ziehen aus dem Masernschutzgesetz ein starkes Motiv und nutzen dann scheinbar harmlose Details, wie die weite Anfahrt zu einem verdächtigen Arzt, als entscheidenden Beweisbaustein. Für die Praxis bedeutet das, dass die Justiz jede Handlung im Licht des gesetzlichen Zwangs bewertet – die gezielte Suche nach einem „Impf-Ausweg“ wird so selbst zum Hauptverdacht der Anstiftung. Damit wird klar, dass eine Kette indirekter Indizien in ihrer Gesamtschau schnell ausreicht, um den schärfsten Eingriff in die Privatsphäre zu rechtfertigen.


Symbolische Grafik zu FAQ - Häufig gestellte Fragen aus dem Strafrecht" mit Waage der Gerechtigkeit und Gesetzbüchern im Hintergrund

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Mache ich mich strafbar, wenn ich falsche Impfeinträge beim Arzt anstifte?

Ja, die Anstiftung zu falschen Impfeinträgen ist eine Straftat und kein Kavaliersdelikt. Nach dem Strafgesetzbuch (§ 26 StGB) wird der Anstifter juristisch wie der unmittelbare Täter behandelt – Sie stehen strafrechtlich auf einer Stufe mit dem Arzt. Wer einen Mediziner vorsätzlich dazu bestimmt, unrichtige Gesundheitszeugnisse auszustellen, muss mit existenzbedrohenden Konsequenzen rechnen, die weit über ein mögliches Bußgeld hinausgehen.

Die Haupttat, das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse, ist in § 278 StGB geregelt. Dieser Straftatbestand liegt vor, wenn das gefälschte Dokument zur Vorlage bei einer Behörde bestimmt ist, beispielsweise bei einer Kita oder dem Landratsamt zur Erfüllung des Masernschutzgesetzes. Da Sie den Arzt vorsätzlich zu dieser illegalen Haupttat bewegen, wird Ihre Beteiligung als Anstiftung gewertet. Dies bedeutet, dass Sie die volle strafrechtliche Verantwortung für die gesamte Tat tragen, nicht nur für eine Beihilfe.

Ein großes Risiko bei den Ermittlungen liegt in der Beweislage, da das Gericht Ihr Motiv leicht nachvollziehen kann. Das Masernschutzgesetz liefert den Ermittlern ein starkes Indiz: Der gesetzliche Druck, einen Impfnachweis vorlegen zu müssen, macht es plausibel, dass Sie gezielt einen Arzt aufgesucht haben. Dieses Motiv verstärkt die Indizienkette gegen Sie. Vermeiden Sie es daher, sich informell über Ihr Motiv (etwa den Kitabesuch) zu äußern, da dies vor Gericht als entscheidendes Indiz herangezogen werden kann.

Dokumentieren Sie sofort alle Umstände (wie reguläre Arztwechsel oder Besuchsgründe), die die Wahl dieses Arztes unschuldig erklären, um die Indizienkette der Ermittler zu entkräften.


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Welche Rechte habe ich bei einer Wohnungsdurchsuchung durch die Ermittler?

Der schärfste Eingriff in die Privatsphäre erfordert präzises Handeln. Ihr wichtigstes Recht ist das Recht auf Schweigen zu den Vorwürfen. Bestehen Sie sofort auf der Hinzuziehung eines auf Strafrecht spezialisierten Anwalts. Verweigern Sie zudem ausdrücklich die Zustimmung zur freiwilligen Sicherstellung von Beweismitteln.

Die Regel: Machen Sie keinerlei Angaben zur Sache, zu Indizien oder Ihrem Motiv, da sämtliche Aussagen sofort protokolliert und gegen Sie verwendet werden können. Bestehen Sie auf der Aushändigung des Durchsuchungsbeschlusses und rufen Sie parallel Ihren Strafverteidiger an. Die Beamten müssen ihm Zeit geben, vor Ort zu erscheinen oder zumindest die Durchsuchung telefonisch zu begleiten. Bleiben Sie ruhig und kooperativ, aber geben Sie keine Rechte vorschnell auf.

Die größte prozessuale Falle lauert bei der Mitnahme von Dokumenten. Wenn Beamte Unterlagen wie einen Impfpass mitnehmen möchten, verhindern Sie eine „freiwillige Sicherstellung“. Unterschreiben oder erklären Sie keinesfalls Ihr Einverständnis, da dies spätere Beschwerdemöglichkeiten ausschließt. Fordern Sie stattdessen eine zwangsweise Beschlagnahme. Nur wenn die Mitnahme zwangsweise protokolliert wird, können Sie die Maßnahme nachträglich gerichtlich überprüfen lassen und die Rückgabe der Dokumente beantragen.

Treffen Sie im Schockmoment keine Entscheidungen unter Druck, sondern lassen Sie alle Handlungen der Ermittler sofort durch Ihren Rechtsbeistand dokumentieren und anfechten.


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Welche Indizien begründen den Anfangsverdacht für eine Hausdurchsuchung?

Die Schwelle für einen Anfangsverdacht ist niedriger, als viele erwarten. Eine Hausdurchsuchung erfordert keine Gewissheit der Schuld, sondern lediglich zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine mögliche Straftat (§ 102 StPO). Ermittler stützen sich dabei selten auf einen einzigen Beweis, sondern auf eine geschlossene Kette von Indizien. Die Beurteilung erfolgt immer durch die juristisch entscheidende Gesamtschau der Umstände.

Die Indizienkette gegen einen Angestifteten baut oft auf einem bereits gesicherten Verdacht gegen den Haupttäter auf. Im Fall der mutmaßlichen Falschbescheinigung reichten die Indizien gegen den Arzt – etwa ungewöhnlich hohe Abrechnungszahlen und konkrete Beobachtungen durch verdeckte Ermittler – aus, um den Verdacht zu begründen. Dieser Verdacht wird dann auf diejenigen übertragen, die den Arzt aufgesucht haben. Die Ermittlungsbehörden suchen aktiv nach Mustern, die das systematische Vorgehen aller Beteiligten bestätigen.

Neutrale Fakten gewinnen erst durch das strafrechtliche Motiv an Gewicht. Konkret: Die weite Anfahrt von 90 Kilometern zu einer Arztpraxis ist an sich unschuldig. Durch den gesetzlichen Druck, einen Impfnachweis erbringen zu müssen, wird die Distanz jedoch zum plausiblen Indiz. Dieses Motiv macht es wahrscheinlich, dass die betreffende Person gezielt einen Arzt aufsuchte, der zur Fälschung bereit war. Die Indizienkette wird geschlossen, wenn der Kontext das ungewöhnliche Verhalten schlüssig erklärt.

Analysieren Sie die „unschuldigen“ Fakten in Ihrer Situation und finden Sie schriftliche Beweise, die eine alternative, nicht-strafbare Erklärung für die ungewöhnlichen Umstände liefern können.


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Wie kann ich die Rückgabe meines sichergestellten Impfpasses beantragen?

Die Zuständigkeit für die Rückgabe Ihres Dokuments hängt entscheidend davon ab, ob die Maßnahme als zwangsweise Beschlagnahme oder als freiwillige Sicherstellung protokolliert wurde. Nur bei einer zwangsweisen Mitnahme steht Ihnen der Rechtsweg über das zuständige Gericht offen. Wurde das Dokument mit Ihrem Einverständnis sichergestellt, müssen Sie Ihren Antrag direkt an die Staatsanwaltschaft richten. Das Gericht kann in diesem Fall nicht über die Herausgabe entscheiden.

Der erste und wichtigste Schritt ist die genaue Prüfung des Sicherstellungs- oder Beschlagnahmeprotokolls. Dieses juristische Detail definiert den korrekten Ansprechpartner für Ihren Herausgabeantrag. Wenn Sie der Mitnahme des Impfpasses zugestimmt haben, gilt dies als freiwillige Sicherstellung. Gerichte erklären sich im Rahmen von Beschwerdeverfahren als nicht zuständig, wenn das Beweismittel ohne Zwang übergeben wurde.

Lag eine zwangsweise Beschlagnahme ohne Ihr Einverständnis vor, können Sie nach § 98 der Strafprozessordnung (StPO) formelle gerichtliche Beschwerde einlegen. Bei der freiwilligen Sicherstellung hingegen stellen Sie den Antrag auf Herausgabe formlos bei der zuständigen Staatsanwaltschaft (StA). Versuchen Sie, ohne vorherige Prüfung des Protokolls sofort eine formelle gerichtliche Beschwerde einzulegen, wenn Sie zugestimmt haben, wird das Gericht diese als unzulässig ablehnen.

Suchen Sie sofort das Protokoll heraus und unterstreichen Sie handschriftlich den Abschnitt, der Ihr Einverständnis oder dessen Fehlen dokumentiert, um den korrekten Ansprechpartner zu identifizieren.


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Mit welcher Strafe muss ich bei der Anstiftung zu falschen Impfeinträgen rechnen?

Die Anstiftung zum Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse (§ 278 StGB) kann ernste strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Für das Grunddelikt drohen Ihnen als Anstifter eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren. Entscheidend ist jedoch die juristische Bewertung der Haupttat des Arztes: Ist dieser Fall als Gewerbsmäßig eingestuft, steigt der maximale Strafrahmen für alle Beteiligten erheblich.

Als Anstifter werden Sie juristisch wie der Haupttäter behandelt, da Sie den Arzt vorsätzlich zur Fälschung des Gesundheitszeugnisses bestimmt haben. Wenn der Arzt die Fälschungen systematisch vornahm und die Absicht hatte, damit dauerhaft Einnahmen zu erzielen, handelt er gewerbsmäßig. Dieses Vorgehen verschärft die Tat und erhöht den Strafrahmen für den Arzt und Sie als Anstifter auf bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe.

Nehmen wir den beschriebenen Fall: Da der Arzt auf das gewerbsmäßige Ausstellen vieler falscher Einträge verdächtigt wurde, betrifft dieser höhere Strafrahmen automatisch alle Angestifteten. Die Staatsanwaltschaft prüft dabei, inwieweit die Schwere Ihrer Schuld der des Arztes gleichkommt, insbesondere in Bezug auf die Gewerbsmäßigkeit. Verlassen Sie sich daher keinesfalls darauf, dass Ermittlungen gegen Sie nur mit einer geringen Geldstrafe enden.

Suchen Sie schnellstmöglich einen spezialisierten Anwalt auf, um Ihre Fallbeteiligung und den spezifischen Strafrahmen klären zu lassen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Anfangsverdacht

Anfangsverdacht bezeichnet die notwendige Mindestschwelle im Strafverfahren, ab der Ermittlungsbehörden überhaupt tätig werden und Zwangsmaßnahmen wie eine Durchsuchung einleiten dürfen.
Das Gesetz verlangt zureichende tatsächliche Anhaltspunkte, die die Möglichkeit einer verfolgbaren Straftat nahelegen, denn reine Spekulationen oder vage Vermutungen berechtigen den Staat nicht zum Eingriff in Grundrechte.

Beispiel: Der Landgerichtsbeschluss bestätigte, dass die ungewöhnlich hohe Anzahl abgerechneter MMR-Impfungen in Kombination mit der weiten Anfahrt zum Arzt einen Anfangsverdacht auf die Fälschung von Impfausweisen begründete.

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Anstiftung

Anstiftung (§ 26 StGB) liegt vor, wenn eine Person einen anderen vorsätzlich dazu bestimmt, eine konkrete rechtswidrige Tat, die sogenannte Haupttat, zu begehen.
Juristen behandeln den Anstifter wie den eigentlichen Täter, weil die strafrechtliche Verantwortung für die gesamte Tat bei der Person liegt, die den Tatentschluss erst hervorgerufen hat.

Beispiel: Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen die Mutter wegen Anstiftung, da sie den Arzt gezielt dazu bewegt haben soll, die Masern-Impfnachweise ohne tatsächliche Durchführung der Spritze zu bescheinigen.

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Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse

Das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse (§ 278 StGB) bestraft Mediziner oder andere autorisierte Berufsgruppen, wenn sie wissentlich falsche Dokumente über den Gesundheitszustand zur Vorlage bei einer Behörde oder Versicherung anfertigen.
Dieses Gesetz schützt die Sicherheit des Rechtsverkehrs und die Verlässlichkeit von offiziellen Dokumenten, insbesondere im Hinblick auf lebenswichtige Schutzvorschriften wie die gesetzliche Impfpflicht.

Beispiel: Der Arzt stand im Zentrum der Ermittlungen wegen gewerbsmäßigem Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse, weil er Impfeinträge in Kinderpässe bescheinigte, obwohl die Kinder die Spritze nie erhalten hatten.

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Beschlagnahme

Eine Beschlagnahme ist die zwangsweise Sicherstellung von Beweismitteln durch staatliche Organe gegen den ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Betroffenen.
Diese Zwangsmaßnahme ermöglicht den Strafverfolgungsbehörden die Sicherung entscheidender Unterlagen, obwohl die Eigentumsrechte des Bürgers dadurch temporär und gerichtlich anfechtbar eingeschränkt werden.

Beispiel: Nur wenn die Mitnahme des Impfausweises als zwangsweise Beschlagnahme protokolliert worden wäre, hätte die Mutter formell gerichtliche Beschwerde gegen die Maßnahme einlegen können.

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Gesamtschau der Umstände

Die Gesamtschau der Umstände ist ein juristisches Bewertungsprinzip, bei dem Richter nicht einzelne Beweise isoliert betrachten, sondern alle vorliegenden Indizien zusammenfassen, um ein stimmiges Gesamtbild der Beweislage zu erhalten.
Dieses Vorgehen verhindert, dass schwache Einzelindizien unbeachtet bleiben, und erlaubt es dem Gericht, die strafrechtliche Relevanz von Handlungen im Kontext des gesetzlichen Rahmens zu bewerten.

Beispiel: Das Landgericht Nürnberg-Fürth begründete den Anfangsverdacht gegen die Mutter explizit durch die Gesamtschau der Indizienkette, in der die weite Anreise und das gesetzliche Impfmotiv zusammenflossen.

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Gewerbsmäßig

Juristen sprechen von einer gewerbsmäßigen Tatbegehung, wenn der Täter die Absicht hat, sich durch die wiederholte Begehung der Straftat eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen.
Dieses Tatbestandsmerkmal führt regelmäßig zu einer erheblichen Strafschärfung, weil Täter, die Straftaten zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts nutzen, eine höhere kriminelle Energie zeigen.

Beispiel: Da der Arzt verdächtigt wurde, die falschen Impfeinträge in zahlreichen Fällen systematisch vorgenommen zu haben, wertete die Staatsanwaltschaft die Haupttat als gewerbsmäßig, was den möglichen Strafrahmen für die Anstifterin erheblich erhöhte.

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Sicherstellung

Die Sicherstellung beschreibt die Mitnahme von Beweismitteln durch Ermittler, die im Gegensatz zur Beschlagnahme mit dem freiwilligen Einverständnis des Betroffenen erfolgt.
Juristisch ist dieser Unterschied entscheidend, denn bei einer freiwilligen Sicherstellung entfällt die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung im Beschwerdeverfahren, da kein Zwang vorlag.

Beispiel: Die Beamten protokollierten die Mitnahme des Impfpasses als Sicherstellung, da die Mutter ihrer Mitnahme zugestimmt hatte, weshalb das Landgericht die Zuständigkeit für die gerichtliche Rückgabe ablehnte.

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Das vorliegende Urteil


LG Nürnberg-Fürth – Az.: 12 Qs 33/25 – Beschluss vom 27.10.2025


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