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Urkundenunterdrückung – vollständiges Überklebens eines Kfz-Kennzeichenschildes

OLG Frankfurt – Az.: 3 Ss 350/19 – Beschluss vom 28.01.2020

Das angefochtene Urteil wird im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte der Urkundenunterdrückung in 5 Fällen, jeweils in Tateinheit mit versuchtem Betrug sowie der Urkundenunterdrückung in 2 weiteren Fällen, jeweils in Tateinheit mit versuchtem Betrug, schuldig ist.

Im Rechtsfolgenausspruch wird das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Limburg zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Stadt3 verurteilte den Angeklagten am XX.XX.2019 wegen „gewerbsmäßigen Betruges in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Urkundenfälschung in fünf Fällen unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Stadt1 vom XX.XX.2018 – … – und unter Auflösung der dortigen Gesamtfreiheitsstrafe“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 8 Monate sowie wegen „gewerbsmäßigen Betruges in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Urkundenfälschung“ in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten.

Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Limburg an der Lahn mit Urteil vom 06.08.2019 unter Verwerfung der Berufung im Übrigen und unter Abänderung und Neufassung des angefochtenen Urteils den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchtem Betrug in 5 Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Stadt1 vom XX.XX.2018 – … – nach Auflösung der dortigen Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten sowie wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchtem Betrug in 2 Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten verurteilt.

Hiergegen hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers am 13.08.2019 fristgerecht Revision eingelegt und diese nach Zustellung des Urteils am 04.09.2019 ebenfalls form- und fristgerecht am 02.10.2019 begründet. Mit der Revision rügt er die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Die zulässige Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie jedoch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, da die Nachprüfung des Urteils insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

Urkundenunterdrückung - vollständiges Überklebens eines Kfz-Kennzeichenschildes
(Symbolfoto: Von aSuruwataRi/Shutterstock.com)

1. Allerdings war der Schuldspruch wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchtem Betrug in insgesamt 7 Fällen dahingehend abzuändern, dass der Angeklagte der Urkundenunterdrückung in 7 Fällen, jeweils in Tateinheit mit versuchtem Betrug, schuldig ist. Ausweislich der Feststellungen des angefochtenen Urteils ist der Angeklagte bei den Manipulationen seines Pkw-Kennzeichens im Vorfeld der von ihm begangenen (versuchten) Tankbetrügereien nämlich wie folgt vorgegangen:

„Dem Angeklagten war ferner bewusst, dass die besagten Tankstellen in der Regel über eine Videoüberwachung verfügen und er somit bei der Verwendung des auf sein Fahrzeug ausgestellten Kennzeichens alsbald als Täter überführt zu werden drohte. Um einen solchen Rückschluss zu vermeiden, fasste er den Entschluss, das Kennzeichen seines Fahrzeuges vor jeder Tatausführung mit gelber Folie und schwarzen Buchstaben zu überkleben, um so für Dritte den Anschein eines in Holland oder Großbritannien von den dort zuständigen Behörden ordnungsgemäß zugelassenen Fahrzeugs zu erwecken. Soweit nachfolgend von Anbringen eines verfälschten Kennzeichens die Rede ist, bezeichnet dies das geschilderte Überkleben des Kennzeichens mit mehrfarbiger Folie. … Für jeden Tankvorgang schuf der Angeklagte dabei neue Pseudokennzeichen.“

Zwar bildet das Kfz-Kennzeichenschild zusammen mit dem Dienststempel der Zulassungsbehörde und dem Fahrzeug eine zusammengesetzte Urkunde (vgl. BGH, Beschluss vom 21.09.1999 – 4 StR 71/99; Fischer, Strafgesetzbuch, 66. Auflage 2019, § 267 Rn. 7). Diese hat der Angeklagte durch das Überkleben aber weder gemäß § 267 Abs. 1 Var. 2 StGB verfälscht, noch hat er eine unechte Urkunde hergestellt, § 267 Abs. 1 Var. 1 StGB und demgemäß auch keine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, § 267 Abs. 1 Var. 3 StGB, wie von der Strafkammer angenommen. Denn durch das jeweilige Überkleben des Kfz-Kennzeichenschildes hat der Angeklagte auch den Dienststempel der Zulassungsbehörde, mithin den Aussteller unkenntlich gemacht, so dass die auf diese Weise manipulierten Kfz-Kennzeichen keine Urkunden mehr im Sinne des § 267 StGB darstellen; sie suggerieren zwar, dass der Pkw in den Niederlanden oder Großbritannien zugelassen wurde, lassen aber keinen Aussteller erkennen. Ein Verfälschen einer echten Urkunde scheidet deshalb aus, weil hierfür eine Veränderung der gedanklichen Erklärung dergestalt erforderlich ist, dass der geänderte Inhalt nicht mehr von dem scheinbaren Aussteller herrührt (Fischer a.a.O. Rn. 33), mithin auch hier ein Aussteller erkennbar sein muss.

Durch das jeweilige Überkleben des Kfz-Kennzeichenschildes hat der Angeklagte aber eine Urkundenunterdrückung gemäß § 274 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 StGB begangen, denn er hat der beweisführungsberechtigten Behörde – bei amtlichen Kfz-Kennzeichen besteht kein ausschließliches Beweisführungsrecht des Pkw-Halters, da er mit der Teilnahme am Straßenverkehr auf seine alleinige Verfügungsbefugnis verzichtet und die Benutzung der Urkunde zudem nicht allein im Interesse des Halters erfolgt (Schönke/Schröder/Heine/Schuster, 30. Aufl. 2019, StGB § 274 Rn. 5) – die Benutzung des Kfz-Kennzeichenschildes als Beweismittel jeweils für einen mehr als nur unerheblichen Zeitraum entzogen.

Unerheblich ist dabei, dass der Angeklagte durch das Überkleben (lediglich) jeweils einen Gegenstand ohne Beeinträchtigung der Substanz des Kfz-Kennzeichenschildes hinzugefügt hat. Denn hierdurch wird die Funktion der Beweisführung (in Bezug auf die Zulassung) vereitelt und deshalb die „Beweiseinheit“ als Urkunde unterdrückt (MüKo StGB/Freund, 3. Aufl. 2019, § 274 Rn. 49). Der diesbezüglichen Verwendung des Plurals im letzten oben aus den Urteilsgründen zitierten Satz und dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnimmt der Senat, dass der Angeklagte jeweils sowohl das vordere als auch das rückwertige, mit einem Stempel versehene Kennzeichen überklebt hat.

Der Angeklagte handelte auch mit der erforderlichen Nachteilszufügungsabsicht, für die direkter Vorsatz genügt (Schönke/Schröder/Heine/Schuster, a.a.O. Rn. 15). Diese wird zwar nicht durch die bloße Vereitelung des staatlichen Strafanspruchs begründet, da insoweit kein „anderer“ benachteiligt wird (BGH, Beschluss vom 27. März 1990, BGHR StGB § 274 Nachteil 2; BayObLG, NZV 1999, 213, 214). Dadurch, dass der Angeklagte durch das jeweilige Überkleben des Kfz-Kennzeichenschildes nicht als Täter der (versuchten) Tankbetrügereien überführt werden wollte, wollte er aber zugleich die Realisierung zivilrechtlicher Ansprüche der verschiedenen Tankstelleninhaber vereiteln, diesen mithin Nachteil zufügen, wobei der zu Benachteiligende auch nicht Eigentümer der Urkunde bzw. mit dem Beweisführungsberechtigten identisch zu sein braucht (BGH NStZ-RR 2011, 277; Fischer a.a.O. § 274 Rn. 9a; Schönke/Schröder/Heine/Schuster a.a.O. Rn. 17).

Der Senat ändert daher den Schuldspruch von sich aus. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte gegen den geänderten Vorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

2. Zudem war die Rechtsfolgenentscheidung mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben.

Zum einen führt die Korrektur des Schuldspruchs zu einem milderen Strafrahmen. Denn die Strafkammer hat den besonders schweren Fall des § 267 Abs. 3 StGB zu Grunde gelegt, der Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht. § 274 StGB kennt hingegen keinen besonders schweren Fall und sieht Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor. Mit den unterschiedlichen Möglichkeiten der Strafrahmenbildung beim „Versuch des besonders schweren Falles“ des Betruges (vgl. Fischer a.a.O. § 46 Rn. 103 f.) hat sich die Strafkammer (auf Basis ihrer rechtlichen Bewertung folgerichtig) nicht befasst. Dies nötigt zur Aufhebung der verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafen.

Zum anderen wertet das Landgericht sowohl bei der Bemessung der Einzelstrafen als auch bei der Bildung der beiden Gesamtstrafen – gegen die Bildung einer A- und einer B-Strafe ist aufgrund der Zäsurwirkung durch das im Tenor der angefochtenen Entscheidung zitierte Urteil des Amtsgerichts Stadt1 vom XX.XX.2018 nichts zu erinnern – und schließlich auch bei der Frage der Strafaussetzung zur Bewährung jeweils zu Lasten des Angeklagten, dass er die Taten unter laufender Bewährung begangen habe. Dieser Umstand kann aber den Ausführungen zu den Vorstrafen nicht entnommen werden. Zwar wurde der Angeklagte mit Urteil des Amtsgerichts Stadt2 vom XX.XX.2013, rechtskräftig am gleichen Tage (vgl. Ziff. 19 der im angefochtenen Urteil zitierten Auskunft des Bundesamts für Justiz vom 29.05.2019), zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung für 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde, und die erst mit Wirkung vom 15.06.2018 erlassen wurde. Allerdings liegen die vom Landgericht festgestellten Taten im Zeitraum vom 26.10.2017 bis 21.03.2018 und damit nach Ablauf der mit Entscheidung des Amtsgerichts Stadt2 vom XX.XX.2013 festgesetzten Bewährungszeit von 3 Jahren. Ob diese nachträglich verlängert wurde, ist weder der zitierten Auskunft des Bundesamts für Justiz noch an anderer Stelle der angefochtenen Entscheidung zu entnehmen. Es bedarf daher diesbezüglich weiterer Aufklärung. Sonstige Vorstrafen, die zu einer laufenden Bewährung zum Zeitpunkt der abgeurteilten Taten geführt hätten, ergeben sich aus dem Urteil des Landgerichts nicht.

Schließlich hat es das Landgericht versäumt, die Strafzumessungserwägungen des Urteils des Amtsgerichts Stadt1, dessen Einzelstrafen gemäß § 55 StGB in die hiesige Entscheidung mit einbezogen wurden, mitzuteilen, was den Bestand der Entscheidung gefährdet (vgl. BGH, Beschluss vom 11.06.1997 – 2 StR 134/97; Fischer a.a.O. § 55 Rn. 17).

Das Urteil war vor diesem Hintergrund im tenorierten Umfang im Schuldspruch abzuändern und im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen auf die Sachrüge hin aufzuheben und an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Limburg zurückzuverweisen.

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