LG Dessau-Roßlau – Az.: 7 Ns 593 Js 21502/10 – Urteil vom 22.03.2011
Auf die Berufung des Angeklagten wird unter Verwerfung seiner weitergehenden Berufung und der Berufung der Staatsanwaltschaft das Urteil des Amtsgerichts Köthen vom 06.12.2010 (5 Cs 593 Js 21502/10 (251/10)) dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 20,- € verurteilt wird.
Die Gebühr für das Berufungsverfahren wird um ¾ ermäßigt. ¾ der notwendigen Auslagen des Angeklagten im Berufungsverfahren trägt die Landeskasse. ¼ der Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Angeklagte.
Angewendete Vorschriften: § 316 Abs. 1 und 2 StGB
Gründe
(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)
I.
Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Köthen – Strafrichter – vom 06.12.2010 (Aktz.: 5 Cs 593 Js 21502/10 (251/10)) wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 30,- € verurteilt.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch anwaltlichen Schriftsatz vom 13.12.2010, eingegangen beim Amtsgericht Köthen am selben Tag, form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Ziel seiner Berufung war die Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer niedrigeren Strafe. Zudem hat die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau mit Schreiben vom 10.12.2010, eingegangen beim Amtsgericht am selben Tag, ebenfalls form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese mit Schreiben vom 21.01.2011 auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.
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II.
Die Berufung des Angeklagten hatte in aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, die Berufung der Staatsanwaltschaft war erfolglos.
III.
Hinsichtlich der Person des Angeklagten wird zunächst auf die diesbezüglichen Ausführungen unter Ziffer I. des angegriffenen Urteils vom 06.12.2010 verwiesen (Bl. 2 des Urteils, bzw. Bl. 57 der Akten).
Ergänzend hierzu hat die Kammer im Rahmen der Berufungshauptverhandlung auf Grund der Einlassung des Angeklagten festgestellt:
Das Nettoeinkommen des Angeklagten beträgt ca. 1100,- € monatlich, lediglich im August erhält er aufgrund zusätzlicher Zahlungen des Arbeitgebers ca. 1200,- €. Die Ehefrau des Angeklagten ist seit Juli 2010 arbeitslos. Sie verfügt über kein eigenes Einkommen, so dass der Angeklagte für ihren Lebensunterhalt aufkommen muss. An sein nichtehelichen Sohn zahlt er Kindesunterhalt in Höhe von 291,- € monatlich.
IV.
Im Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Kammer zum Tatgeschehen folgende Feststellungen getroffen:
Am 20.08.2010 hielt sich der Angeklagte in den Abendstunden auf dem Stadtfest in Aken auf und konsumierte dort in erheblichem Umfang alkoholische Getränke. Gegen 23.15 Uhr verließ der Angeklagte das Stadtfest und fuhr mit seinem Fahrrad mit einem Blutalkoholgehalt in Höhe von 1,82 %o und somit im Zustand alkoholbedingter absoluter Fahruntüchtigkeit, die er bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt auch hätte erkennen können und müssen, vom Marktplatz aus kommend die beleuchtete B.-S.traße in Aken – eine Durchgangsstraße – entlang. Aufgrund seiner alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit fuhr er mit einem ausladenden Schlenker an einem am Straßenrand stehenden Polizeiwagen vorbei und folgte anschließend in Schlangenlinien weiter dem Straßenverlauf. Nachdem er durch PK … angehalten und kontrolliert worden war, reagierte er nicht schuldbewusst, sondern wirkte eher aufgebracht.
V.
Durch den festgestellten Sachverhalt hat sich der Angeklagte wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 und 2 StGB schuldig gemacht.
Eine vorsätzliche Begehensweise konnte dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden. Zwar spricht die bei dem Angeklagten festgestellte hohe Blutalkoholkonzentration dafür, dass er sich der Möglichkeit seiner alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit bewusst gewesen sein könnte. Allerdings kann nicht allein aufgrund des Blutalkoholgehaltes auf vorsätzliches Handeln geschlossen werden. Vielmehr müssen hierfür weitere Indizien herangezogen werden. Vorliegend haben sich jedoch keine weiteren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Angeklagte vorsätzlich gehandelt hat. Er ist bisher weder strafrechtlich in Erscheinung getreten, noch durch besonders vorsichtige Fahrweise oder das Benutzen von Schleichwegen aufgefallen. Stattdessen ist er vom Stadtfest aus kommend mit seinem Fahrrad – und nicht mit einem PKW – eine gut beleuchtete Durchgangsstraße entlanggefahren. Dabei fuhr er in Schlangenlinien direkt auf den deutlich sichtbaren, am Straßenrand stehenden Polizeiwagen zu, anstatt vom Fahrrad abzusteigen oder umzudrehen. Zudem trat er gegenüber den Polizeibeamten nicht schuldbewusst oder reumütig auf, sondern wirkte eher aufgebracht. Aufgrund dieser Umstände ist die Kammer trotz des hohen Blutalkoholgehaltes davon ausgegangen, dass der Angeklagte lediglich fahrlässig und nicht vorsätzlich gehandelt hat.
VI.
Innerhalb des Strafrahmens des § 316 Abs.1 und 2 StGB hat die Kammer – ebenso wie das Amtsgericht – auf eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen erkannt. Diese Strafe erschien nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkten tat- und schuldangemessen, auch wenn nunmehr von einer nur fahrlässigen Begehensweise ausgegangen wird. Die Höhe des Tagessatzes wurde gemäß § 40 Abs. 2 StGB entsprechend des monatlichen Nettoeinkommens des Angeklagten und unter Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Ehefrau und seinem Sohn auf 20,- € festgesetzt.
VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 StPO.
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