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Trunkenheit im Verkehr –  bei Blutalkoholgehalt von 0,65 Promille

Blutalkoholgehalt allein reicht nicht: Oberlandesgericht hebt Trunkenheitsurteil auf

Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein hat das Urteil des Amtsgerichts Eutin aufgehoben, welches einen Angeklagten wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt hatte, da die Beweisführung lückenhaft war und die vorliegenden Beweise einen Rauschzustand durch 0,65 Promille Blutalkohol nicht hinreichend belegen. Die Sache wurde zur erneuten Prüfung und Entscheidung zurück an das Amtsgericht verwiesen, um möglicherweise durch ein Sachverständigengutachten die Alkoholwirkung beim Angeklagten spezifisch zu klären.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 Ss 152/13 (8/14) >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein hat das erste Urteil wegen Trunkenheit im Verkehr aufgrund unzureichender Beweisführung und lückenhafter Begründung aufgehoben.
  2. Eine Verurteilung konnte nicht aufrecht erhalten werden, da der Blutalkoholgehalt von 0,65 Promille allein keinen eindeutigen Rauschzustand beweist.
  3. Der Angeklagte wurde von keinem medizinischen oder polizeilichen Zeugen als deutlich alkoholisiert wahrgenommen.
  4. Es fehlten im Urteil konkrete Feststellungen, die den behaupteten Fahrfehler des Angeklagten auf Alkoholeinfluss zurückführten.
  5. Die Staatsanwaltschaft räumte ein, dass die Entscheidung des ersten Gerichts an Darstellungs- und Begründungsmängeln litt.
  6. Für die neuerliche Verhandlung könnte ein Sachverständigengutachten in Betracht gezogen werden, um die individuelle Alkoholverträglichkeit des Angeklagten zu bewerten.
  7. Die Revision des Angeklagten hatte vorläufig Erfolg, und es muss eine neue Verhandlung beim Amtsgericht Eutin stattfinden.
  8. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird ebenfalls beim erneuten Verfahren behandelt.

Trunkenheit im Straßenverkehr – Risiken und rechtliche Folgen

Der Konsum von Alkohol vor oder während der Teilnahme am Straßenverkehr ist in Deutschland strafbewehrt. Bereits bei geringen Blutalkoholkonzentrationen können die Fahrtüchtigkeit und die Wahrnehmung der Verkehrsteilnehmer beeinträchtigt sein. Dies stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar – für den Fahrzeugführer selbst sowie für alle anderen Verkehrsteilnehmer.

Die Strafen bei einer Trunkenheitsfahrt richten sich nach der konkreten Blutalkoholkonzentration und können von einem Bußgeld bis hin zu einer Freiheitsstrafe reichen. Zusätzlich kann der Führerschein entzogen werden. Allgemein ist die Rechtslage komplex, sodass bei Bedarf eine Beratung durch einen Fachanwalt angeraten ist.

➜ Der Fall im Detail


Fallbeschreibung der Trunkenheit im Verkehr

In einem bemerkenswerten Rechtsfall, der beim Oberlandesgericht Schleswig-Holstein verhandelt wurde, geht es um einen Angeklagten, dem vorgeworfen wird, im Zustand der Trunkenheit ein Fahrzeug geführt zu haben.

Trunkenheit im Verkehr
(Symbolfoto: LightField Studios /Shutterstock.com)

Der spezifische Vorwurf beruhte auf einem Blutalkoholgehalt von 0,65 Promille zum Zeitpunkt des Vorfalls. Der Fall erreichte das Oberlandesgericht nach einer ersten Verurteilung durch das Amtsgericht Eutin, welches den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilte. Die Verteidigung legte Revision ein, da sie eine Verletzung materiellen Rechts geltend machte, insbesondere wurde kritisiert, dass der angegebene Blutalkoholwert alleine nicht ausreichte, um die behaupteten Fahrfehler, die zum Unfall führten, schlüssig zu begründen.

Juristische Bewertung und Ersturteil

Die erste juristische Bewertung und das daraus resultierende Urteil des Amtsgerichts Eutin stellten fest, dass der Angeklagte unter Alkoholeinfluss stand und dadurch verkehrswidrig agierte. Diese Entscheidung basierte primär auf dem festgestellten Alkoholwert. Allerdings wurden keine weiteren Beweise, wie Zeugenaussagen oder medizinische Gutachten, die den Zustand des Angeklagten zum Unfallzeitpunkt belegen könnten, in die Urteilsfindung mit einbezogen. Dies führte zu einer rechtlichen Auseinandersetzung über die Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts, da der Verteidigung zufolge der Blutalkoholgehalt allein nicht ausreicht, um einen direkten Rauschzustand nachzuweisen.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts

Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein hob in seiner Entscheidung das Urteil des Amtsgerichts auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück an das Amtsgericht, allerdings an eine andere Abteilung. Die Richter des Oberlandesgerichts stimmten mit der Revision überein, dass das Urteil an wesentlichen Darstellungs- und Begründungsmängeln litt. Insbesondere fehlten im ursprünglichen Urteil klare Feststellungen, die einen direkten Zusammenhang zwischen dem Alkoholkonsum und den angeblichen Fahrfehlern schlüssig darlegen.

Rechtliche Erwägungen und mögliche neue Beweise

In der juristischen Bewertung des Oberlandesgerichts wurde festgestellt, dass eine neuerliche Hauptverhandlung notwendig ist, um eventuell zusätzliche Beweise zu erheben, die den Zustand des Angeklagten während des Unfallzeitpunkts besser beschreiben können. Dies könnte unter anderem die Einholung eines Sachverständigengutachtens beinhalten, welches auf die physiologischen Besonderheiten des Angeklagten eingeht und möglicherweise seine spezifische Alkoholverträglichkeit bewertet.

Konsequenzen der gerichtlichen Entscheidung

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein hat zunächst zur Aufhebung der ursprünglichen Verurteilung geführt und die Notwendigkeit einer umfassenderen Beweisaufnahme unterstrichen. Bei der erneuten Verhandlung muss das Amtsgericht Eutin nun nicht nur den Fall neu bewerten, sondern auch über die Kosten des Revisionsverfahrens entscheiden. Dieser Fall betont die Wichtigkeit einer detaillierten Beweisführung und rechtlichen Begründung, insbesondere in Fällen, in denen die Schuldfrage wesentlich von technischen oder medizinischen Bewertungen abhängt.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Welche rechtlichen Grenzwerte für Alkohol im Straßenverkehr gelten in Deutschland?

In Deutschland gelten laut Straßenverkehrsgesetz (StVG) folgende Promillegrenzen für Alkohol am Steuer:

Für Fahranfänger in der Probezeit und Personen unter 21 Jahren gilt ein absolutes Alkoholverbot von 0,0 Promille. Selbst geringe Mengen Alkohol können hier zu einem Bußgeld von 250 Euro, einem Punkt in Flensburg, der Teilnahme an einem Aufbauseminar und einer Verlängerung der Probezeit führen.

Ab 0,3 Promille liegt eine „relative Fahruntüchtigkeit“ vor. Kommt es unter Alkoholeinfluss zu Fahrfehlern oder einem Unfall, drohen Geld- oder Freiheitsstrafen, Punkte in Flensburg, Führerscheinentzug und eine MPU (medizinisch-psychologische Untersuchung).

Die allgemeine Promillegrenze liegt bei 0,5 Promille. Ab diesem Wert begeht der Fahrer eine Ordnungswidrigkeit, die mit 500 Euro Bußgeld, 2 Punkten und 1 Monat Fahrverbot geahndet wird. Bei Wiederholungstätern erhöhen sich die Strafen.

Ab 1,1 Promille wird von einer „absoluten Fahruntüchtigkeit“ ausgegangen. Dies stellt eine Straftat dar, die Geld- oder Freiheitsstrafen, Punkte in Flensburg, den Entzug der Fahrerlaubnis und eine MPU nach sich zieht.

Besonders streng sind die Strafen ab 1,6 Promille. Zusätzlich zu den Konsequenzen ab 1,1 Promille muss der Führerschein hier in jedem Fall entzogen und eine MPU angeordnet werden.

Auch für Radfahrer gelten Promillegrenzen, wenn auch weniger streng als für Autofahrer. Ab 1,6 Promille macht sich ein Radler jedoch ebenfalls strafbar.

Die genauen Strafen und Maßnahmen hängen immer vom Einzelfall ab. Generell gilt: Je höher der Promillewert und je schwerwiegender die Folgen, desto härter fallen die Konsequenzen aus. Um Strafen und Gefahren zu vermeiden, sollte grundsätzlich auf Alkohol im Straßenverkehr verzichtet werden.

Was bedeutet Fahrlässigkeit im Kontext von Trunkenheit im Verkehr?

Im Kontext von Trunkenheit im Straßenverkehr bedeutet Fahrlässigkeit, dass der Fahrer zwar Alkohol getrunken hat, aber nicht erkennt, dass er aufgrund des Alkoholkonsums nicht mehr in der Lage ist, sicher ein Fahrzeug zu führen. Er handelt also leichtsinnig und unaufmerksam, indem er die notwendige Sorgfaltspflicht außer Acht lässt.

Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Fahrer weiß oder wissen kann, dass er Alkohol getrunken hat, aber fälschlicherweise davon ausgeht, noch fahrtüchtig zu sein. Typische Fälle sind Restalkohol vom Vorabend, eine Fehleinschätzung wieviel Alkohol zu welchem Promillewert führt oder der Irrtum, dass Fahren mit dem E-Scooter unter Alkohol nicht strafbar ist.

Im Gegensatz dazu handelt der Fahrer vorsätzlich, wenn er sich bewusst ist, zu viel getrunken zu haben und nicht mehr fahrtüchtig zu sein, sich aber trotzdem ans Steuer setzt. Er nimmt die Gefahr dann billigend in Kauf.

Die Unterscheidung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit hat Auswirkungen auf das Strafmaß und die Sperrfrist für den Führerschein. Bei Vorsatz fallen diese in der Regel höher aus. Zudem übernimmt die Rechtsschutzversicherung oft nicht die Kosten, wenn vorsätzliches Handeln vorliegt.

Gerichte orientieren sich bei der Bewertung häufig an der Höhe des Promillewertes, was aber allein nicht ausschlaggebend ist. Letztlich liegt es im Ermessen des Gerichts, ob im konkreten Fall Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorliegt.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

§ 316 StGB – Trunkenheit im Verkehr
Beschreibt die Strafbarkeit des Führens eines Fahrzeugs unter Alkohol- oder Drogeneinfluss. Im vorliegenden Fall ist der Blutalkoholgehalt von 0,65 Promille zentral, da dieser Wert rechtliche Konsequenzen im Rahmen dieses Paragraphen nach sich ziehen kann.

§ 315c StGB – Gefährdung des Straßenverkehrs
Ergänzt § 316 StGB, indem er das gefährliche Verhalten im Verkehr unter Einfluss berauschender Mittel unter Strafe stellt, insbesondere wenn dadurch Menschen gefährdet werden. Relevant, da im Urteil auf das Fahrverhalten des Angeklagten eingegangen wird.

§ 267 StPO – Urteilsgründe
Fordert, dass jedes Urteil eine Begründung enthält, die die entscheidenden Tatsachen und Schlussfolgerungen darlegt. Dies ist besonders wichtig, da das Oberlandesgericht das ursprüngliche Urteil aufgrund von Begründungsmängeln aufhob.

§ 24 StPO – Ablehnung eines Richters
Betrifft die Verweisung des Falls an eine andere Abteilung des Amtsgerichts aufgrund möglicher Befangenheit oder anderer wichtiger Gründe. Dies gewährleistet ein faires Verfahren, was im vorliegenden Fall zur Anwendung kam.

§ 354 StPO – Zurückverweisung der Sache
Ermöglicht es höheren Gerichtsinstanzen, einen Fall zur erneuten Verhandlung an die niedrigere Instanz zurückzuverweisen, wie hier vom Oberlandesgericht praktiziert.

Gutachterliche Stellungnahme zur Alkoholverträglichkeit
Kein spezifischer Gesetzestext, aber relevant für die Beweisführung und Beurteilung der Schuldfähigkeit im Kontext der Trunkenheit im Verkehr. Gutachten können entscheidend sein, um individuelle physiologische Reaktionen auf Alkohol zu klären.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 1 Ss 152/13 (8/14) – Beschluss vom 17.01.2014

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Eutin zurückverwiesen.

Gründe

Die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten hat – vorläufig – Erfolg. Die Gründe des angefochtenen Urteils sind lückenhaft und tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen fahrlässiger (erst recht nicht, wie es im Rubrum heißt, wegen vorsätzlicher) Trunkenheit im Verkehr nicht.

Die Staatsanwaltschaft bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht hat hierzu in ihrer an den Senat gerichteten Zuschrift vom 14. Januar 2014 u. a. ausgeführt:

„Mit der Sachrüge ist das Rechtsmittel ordnungsgemäß ausgeführt. In der Sache hat es vorläufigen Erfolg. Das Urteil leidet an einem Darstellungs- und Begründungsmangel. Das Urteil enthält keine Feststellungen, die den Schluss auf den vom Tatgericht angenommenen rauschbedingten Fahrfehler zulassen. Allein der mit 0,65 Promille angegebene Blutalkoholwert des Angeklagten zur Tatzeit (wobei der Zeitpunkt des Trinkendes im Urteil nicht angegeben wird) erlaubt einen solchen Rückschluss nicht, zumal der Angeklagte weder von dem die Blutprobe entnehmenden Arzt noch den zum Unfallort herbeigerufenen Polizeibeamten als merklich alkoholisiert beschrieben wurde. Insoweit ist nicht auszuschließen, dass das zum Unfall führende verkehrswidrige Fahrverhalten des Angeklagten auf anderen Ursachen als einer alkoholbedingten Berauschung fußte.

Es ist aber nicht auszuschließen, dass in einer neuerlichen Hauptverhandlung Feststellungen zur Ursache des Fahrfehlers getroffen werden können. Diesbezüglich wäre insbesondere an ein Sachverständigengutachten zu denken, das unter Berücksichtigung der physiologischen Besonderheiten des Angeklagten Auskunft über dessen Alkoholverträglichkeit geben könnte.“

Dem tritt der Senat bei.

Bei der erneuten Verhandlung wird die andere Abteilung des Amtsgerichts Eutin auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

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