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Terminsverlegung – rechtsfehlerhafte Ermessensausübung

LG Berlin – Az.: 531 Qs 73/21 – Beschluss vom 29.07.2021

In der Strafsache wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort hat die 31. allgemeine große Strafkammer des Landgerichts Berlin am 29.07.2021 beschlossen:

1. Auf die Beschwerde des Verteidigers des Angeklagten wird die Entscheidung des Amtsgerichts Tiergarten vom 05.07.2021 über den Antrag des Verteidigers auf Terminsverlegung aufgehoben.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers trägt die Landeskasse Berlin.

Gründe:

I.

Gegen den Angeklagten ist beim Amtsgericht Tiergarten ein Verfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort anhängig. Der Angeklagte hatte gegen den Strafbefehl vom 29.03.2021 Einspruch eingelegt, woraufhin das Amtsgericht Tiergarten zunächst einen Hauptverhandlungstermin für den 27.08.2021 anberaumte. Dieser Termin wurde aufgrund eines Terminsverlegungsantrags des Verteidigers, der angab sich vom 16.08.2021 bis 03.09.2021 im Urlaub zu befinden, auf den 08.09.2021 verlegt. Nunmehr beantragte der Verteidiger erneut Terminsverlegung unter Hinweis auf die Betreuung seines knapp einjährigen Kindes. Er trägt vor, dass die Kindsmutter ab dem 06.09.2021 wieder arbeiten geht und ein Kitaplatz erst ab dem 20.09.2021 zur Verfügung steht. Er schlägt nach dem 06.09.2021 Hauptverhandlungstermine Dienstags, Donnerstags oder Freitags vor.

Mit der angefochtenen Entscheidung vom 05.07.2021 lehnte der Richter des Amtsgerichts diesen Antrag ab, da nicht ersichtlich sei, dass die Kindesbetreuung am Terminstag anderweitig oder ausnahmsweise durch die Kindsmutter erfolgen könne, eine Terminsverlegung bereits durch den Verteidiger veranlasst worden sei und das Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung die Organisationsschwierigkeiten des Verteidigers überwiegen würde. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit der Beschwerde, der der Richter des Amtsgerichts nicht abhalf.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Zwar können nach der in § 305 Abs. 1 Satz 1 StPO getroffenen Regelung Verfügungen des Vorsitzenden des erkennenden Gerichts, durch die ein Termin zur Hauptverhandlung anberaumt, verlegt oder eine solche Verlegung abgelehnt wird, grundsätzlich nicht mit der Beschwerde angefochten werden (vgl. KG, Beschl. v. 27.11.2006 – 4 Ws 207/06). Jedoch ist eine Anfechtung ausnahmsweise zulässig, wenn eine in rechtsfehlerhafter Ermessensausübung getroffene Entscheidung für einen Angeklagten eine besondere selbstständige Beschwer beinhaltet, weil sein Recht, sich eines Verteidigers seines Vertrauens zu bedienen, beeinträchtigt worden ist, dies leicht zu vermeiden gewesen wäre und die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung offensichtlich ist (vgl. KG, Beschl. v. 06.10.2008 – 3 Ws 341/08, m.w.N.).

So liegt der Fall hier. Die Entscheidung des Richters des Amtsgerichts ist offensichtlich fehlerhaft, weil sie nicht alle für die Abwägung der Interessen des Angeklagten an einer Verteidigung durch den von ihm gewählten Verteidiger mit den Interessen der Strafrechtspflege bedeutsamen Gesichtspunkte erkennbar in Betracht zieht. Dies ist auch nicht im Rahmen der Nichtabhilfeentscheidung nachgeholt worden. Zum einen waren den Terminierungen keine Bemühungen um eine Abstimmung der Termine vorausgegangen, was hier unproblematisch bei einer Tagessache mit lediglich einem Verteidiger möglich gewesen wäre. Zum anderen wurde nicht berücksichtigt, dass der Verteidiger zum Zeitraum der Terminierung neue mögliche Termine vorschlägt. Des Weiteren findet sich keine Darlegung der Terminslage der Abteilung oder eine Begründung, warum dem Verfahren nunmehr ein besonderes Beschleunigungsinteresse zu teil wird (weder Haftsache noch Führerschein vorläufig beschlagnahmt).

2. Die Beschwerde ist auf Grund dieses Fehlers bei der Ermessensausübung auch begründet. Die Kammer hebt die angefochtene Entscheidung auf. Der Richter am Amtsgericht wird erneut über den Terminsaufhebungsantrag vom 29.06.2021 zu entscheiden haben. Insoweit kann die Kammer keine abschließende Entscheidung treffen, da es auch möglich erscheint, dass eine fehlerfreie Ermessensausübung zu demselben Ergebnis führt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers trägt die Landeskasse Berlin, weil sonst niemand dafür haftet.

 

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