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Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte: Freiheitsstrafe nach Flaschenwurf

Ein Mann warf während eines Aufzugs eine 0,5-Liter-Bierflasche auf einen Polizeibeamten, was als tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte gewertet wurde. Trotz der ausbleibenden Verletzung des Polizisten drohte dem Täter plötzlich die Umwandlung der Geldstrafe in sechs Monate Haft auf Bewährung.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 203 StRR 368/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
  • Datum: 06.10.2025
  • Aktenzeichen: 203 StRR 368/25
  • Verfahren: Revisionsverfahren
  • Rechtsbereiche: Strafrecht, Strafzumessung, Schutz von Vollstreckungsbeamten

  • Das Problem: Ein Mann warf bei einem Umzug eine Bierflasche gezielt in eine Polizeikette. Er wurde wegen versuchter Körperverletzung und tätlichen Angriffs auf Beamte verurteilt. Der Mann wehrte sich gegen die Umwandlung seiner Geldstrafe in eine Freiheitsstrafe zur Bewährung.
  • Die Rechtsfrage: Zählt das Werfen einer Flasche auf einen Beamten als tätlicher Angriff, obwohl der Polizist durch seine Schutzausrüstung nicht verletzt wurde? Durfte das Gericht die Strafe erhöhen und eine Freiheitsstrafe statt einer Geldstrafe verhängen?
  • Die Antwort: Nein, die Revision wurde als unbegründet abgewiesen. Ein tätlicher Angriff liegt bereits bei einer feindseligen, zielgerichteten Einwirkung auf den Körper vor. Die Richter durften eine Freiheitsstrafe aussprechen, um dem besonderen Schutz von Vollstreckungsbeamten Rechnung zu tragen.
  • Die Bedeutung: Der Schutz von Beamten steht im Strafrecht im Vordergrund. Für die Verurteilung wegen tätlichen Angriffs ist irrelevant, ob der Beamte verletzt wird oder eine Schutzausrüstung trägt. Richter dürfen bei solchen Taten von einer Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe wechseln.

Wann wird ein Flaschenwurf auf Polizisten zur Freiheitsstrafe?

Ein Wurf aus der Menge, eine Bierflasche, die auf einem Polizeieinsatzhelm zerschellt, und ein Beamter, der dank seiner Schutzausrüstung keine Schmerzen spürt. Was auf den ersten Blick wie ein glimpflich ausgegangener Angriff wirkt, führte für den Werfer zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung.

Eine halbvolle Glasbierflasche prallt auf den Schutzhelm eines uniformierten Polizisten.
Bierflaschenwurf auf Polizist: BayObLG legt Grenze bei tätlichem Angriff fest. | Symbolbild: KI

Dieser Fall, der vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht (BayObLG) am 06. Oktober 2025 unter dem Aktenzeichen 203 StRR 368/25 seinen Abschluss fand, wirft eine entscheidende Frage auf: Wo genau verläuft die Grenze zwischen einem bloßen Angriff und einer Straftat, die eine Haftstrafe rechtfertigt? Die Entscheidung des Gerichts liefert eine präzise und für viele überraschende Antwort darauf, wie der Gesetzgeber den Schutz von Einsatzkräften definiert und warum das Ergebnis eines Angriffs oft weniger wiegt als die Absicht dahinter.

Was genau war passiert?

Der Vorfall ereignete sich während eines öffentlichen Aufzugs. Ein Mann warf aus der Bewegung heraus eine halbvolle 0,5-Liter-Bierflasche über eine Distanz von sieben bis zehn Metern gezielt in eine Kette von Polizeibeamten. Die Flasche traf einen Beamten zuerst am Helm und prallte dann gegen seine Schulter. Der Polizist blieb unverletzt.

Das Amtsgericht Nürnberg verurteilte den Mann zunächst wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit – also als eine einzige Handlung zu wertend – mit einem tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte. Die Strafe: eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 40 Euro, insgesamt also 3.600 Euro.

Doch der Staatsanwaltschaft war dieses Urteil nicht hart genug. Sie legte Berufung ein mit einem doppelten Ziel: Sie forderte nicht nur eine härtere Strafe, sondern wollte den Schuldspruch sogar von einer versuchten zu einer vollendeten gefährlichen Körperverletzung ändern lassen. Das Landgericht Nürnberg-Fürth als nächste Instanz folgte der Staatsanwaltschaft nur zum Teil. Es beließ es bei der versuchten Körperverletzung, verschärfte aber die Strafe erheblich: Statt der Geldstrafe verhängte es eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Gegen diese Umwandlung in eine Freiheitsstrafe wehrte sich nun der Angeklagte. Er legte Revision ein und brachte den Fall damit vor das Bayerische Oberste Landesgericht. Sein Ziel war klar: die Rückkehr zur ursprünglich verhängten Geldstrafe.

Welche Gesetze spielten hier die entscheidende Rolle?

Um die Entscheidung des Gerichts nachzuvollziehen, muss man zwei zentrale Straftatbestände und deren Zusammenspiel verstehen.

Im Mittelpunkt steht der tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte nach § 114 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB). Dieser Paragraph wurde 2017 verschärft, um Polizisten, Rettungskräfte und andere Beamte bei der Ausübung ihres Dienstes besser zu schützen. Ein „tätlicher Angriff“ ist dabei jede feindselige Handlung, die unmittelbar auf den Körper des Beamten zielt. Entscheidend ist hierbei nicht, ob der Beamte verletzt wird oder Schmerzen erleidet, sondern allein die aggressive, auf den Körper gerichtete Einwirkung.

Parallel dazu stand der Vorwurf der versuchten gefährlichen Körperverletzung nach §§ 223, 224, 22, 23 StGB. Eine Körperverletzung gilt als „gefährlich“, wenn sie beispielsweise mit einer Waffe oder einem anderen gefährlichen Werkzeug begangen wird – eine Glasflasche fällt eindeutig in diese Kategorie. Da der Beamte nicht verletzt wurde, blieb es beim Versuch.

Das Gericht musste beide Delikte im Rahmen der sogenannten Tateinheit (§ 52 StGB) bewerten. Das bedeutet: Wenn eine einzige Handlung (der Flaschenwurf) mehrere Gesetze verletzt, wird der Täter nicht für jede Verletzung einzeln bestraft. Stattdessen wird eine Gesamtstrafe gebildet, die sich am Strafrahmen des schwersten verletzten Gesetzes orientiert.

Warum entschied das Gericht so – und nicht anders?

Das BayObLG wies die Revision des Angeklagten als unbegründet zurück und bestätigte damit im Ergebnis die Freiheitsstrafe. Die Richter zerlegten die Argumentation Punkt für Punkt und schufen dabei Klarheit in mehreren entscheidenden Rechtsfragen.

Was ist ein „tätlicher Angriff“? Die weite Auslegung des Gerichts

Das Gericht stellte unmissverständlich klar, dass der Wurf der Flasche die Kriterien eines tätlichen Angriffs nach § 114 Abs. 1 StGB voll erfüllt. Es stützte sich dabei auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Demnach genügt für einen tätlichen Angriff jede Einwirkung, die mit feindseligem Willen unmittelbar auf den Körper des Beamten zielt.

Der Einwand, der Beamte habe durch seine Schutzausrüstung nichts gespürt, ließ das Gericht nicht gelten. Der Tatbestand des § 114 StGB soll nicht nur vor Verletzungen schützen, sondern bereits die feindselige Attacke auf den Repräsentanten des Staates unter Strafe stellen. Der „wuchtige Wurf“ der Flasche war zweifellos auf den Körper des Polizisten gerichtet und traf ihn auch. Dass Helm und Schutzkleidung eine Verletzung verhinderten, ändert nichts am Charakter der Handlung als gewalttätiger Angriff.

Warum wurde aus einer Geldstrafe eine Freiheitsstrafe?

Dies war der Kernpunkt der Revision. Das BayObLG befand jedoch, dass die Entscheidung des Landgerichts, eine Freiheitsstrafe zu verhängen, keinen Rechtsfehler aufwies. Die Richter begründeten dies mit dem klaren Willen des Gesetzgebers. Bei der Verschärfung des § 114 StGB im Jahr 2017 wurde explizit das Ziel verfolgt, Angriffe auf Vollstreckungsbeamte härter zu ahnden und eine abschreckende Wirkung zu erzielen (vgl. BT-Drs. 18/11161, S. 1).

Das Landgericht hatte argumentiert, dass der erhebliche Unrechtsgehalt des Angriffs – ausgeführt aus einer Menschenmenge heraus – eine Geldstrafe nicht mehr als ausreichend erscheinen lasse. Das BayObLG bestätigte diese Einschätzung als vertretbare Strafzweckliche Wertung. Ein Revisionsgericht überprüft die Strafzumessung der Vorinstanz nur auf gravierende Rechtsfehler, nicht aber, ob es selbst vielleicht eine andere Strafe für angemessen gehalten hätte. Da das Landgericht alle relevanten Umstände gewürdigt hatte, gab es keinen Grund zur Beanstandung.

Der juristische Kniff: Ein Rechenfehler ohne Folgen?

Besonders interessant ist die Auseinandersetzung des Gerichts mit einem potenziellen Fehler bei der Strafrahmenberechnung. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte in ihrer Stellungnahme angemerkt, dass das Landgericht es möglicherweise versäumt hatte, den Strafrahmen wegen des nur versuchten Delikts nach § 23 Abs. 2 StGB zu mildern. Eine solche Milderung ist bei einem Versuch möglich, aber nicht zwingend.

Das BayObLG rechnete den Fall daraufhin akribisch durch. Es kam zu dem Ergebnis, dass die verhängte Strafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe sowohl innerhalb des vom Landgericht gewählten Strafrahmens als auch innerhalb des korrigierten, potenziell niedrigeren Rahmens lag. In beiden Szenarien begann die mögliche Mindeststrafe bei einem Monat. Da die konkrete Strafe von sechs Monaten also in jedem Fall im unteren Bereich der denkbaren Strafen lag, schloss der Senat aus, dass der mögliche Rechenfehler das Urteil tatsächlich beeinflusst hatte. Ein Fehler ohne praktische Auswirkung führt jedoch nicht zur Aufhebung eines Urteils.

Warum die Argumente des Angeklagten scheiterten

Die Revision des Angeklagten stützte sich auf eine sogenannte Allgemeine Sachrüge. Das ist eine Art Generalangriff auf das Urteil, ohne spezifische Rechtsfehler zu benennen. Ein solches Vorgehen hat nur dann Erfolg, wenn das Urteil an offensichtlichen und schwerwiegenden Mängeln leidet.

Diese lagen hier jedoch nicht vor. Die Definition des tätlichen Angriffs entsprach der gefestigten Rechtsprechung. Die Umwandlung der Geld- in eine Freiheitsstrafe war durch den Willen des Gesetzgebers gedeckt und lag im Ermessensspielraum des Berufungsgerichts. Und der mögliche Fehler bei der Strafzumessung hatte sich nicht auf das Ergebnis ausgewirkt. Damit war die Revision des Angeklagten chancenlos und wurde folgerichtig verworfen.

Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?

Über den konkreten Fall hinaus verdeutlicht die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts drei grundlegende Prinzipien im Umgang mit Gewalt gegen staatliche Einsatzkräfte.

Erstens: Das Strafrecht schützt bei Angriffen auf Beamte nicht erst den Erfolg, sondern bereits die Handlung. Der § 114 StGB stellt eine Art Schutzschild dar, das die körperliche Unversehrtheit und die Autorität des Staates verteidigt. Wer einen Polizisten tätlich angreift, kann sich nicht darauf berufen, dass die Schutzausrüstung eine Verletzung verhindert hat. Die feindselige Absicht, manifestiert in einer körperlichen Einwirkung, ist für die Strafbarkeit ausreichend.

Zweitens: Gerichte folgen dem verschärften politischen Willen zum Schutz von Einsatzkräften. Die Entscheidung, eine Geldstrafe in eine Freiheitsstrafe umzuwandeln, ist kein richterlicher Alleingang, sondern die konsequente Umsetzung einer gesetzgeberischen Vorgabe. Der Staat hat klargemacht, dass Angriffe auf seine Repräsentanten, insbesondere aus einer Gruppe heraus, nicht als Bagatelldelikte behandelt werden sollen. Urteile wie dieses senden das Signal, dass eine spürbare Sanktion die Regel und nicht die Ausnahme ist.

Drittens: Ein Revisionsverfahren ist keine zweite Chance, sondern eine reine Rechtsprüfung. Dieser Fall zeigt eindrücklich die Grenzen dieses Rechtsmittels. Das Revisionsgericht prüft ein Urteil nicht auf seine „Gerechtigkeit“ im allgemeinen Sinne, sondern ausschließlich auf die korrekte Anwendung des Rechts. Solange eine Entscheidung – wie die Höhe der Strafe – im juristisch vertretbaren Rahmen liegt und nicht auf fundamentalen Fehlern beruht, wird sie Bestand haben, auch wenn eine andere Instanz vielleicht anders entschieden hätte.

Die Urteilslogik

Das Gesetz schützt Repräsentanten des Staates, indem es bereits die feindselige Gewalthandlung unter Strafe stellt, ungeachtet des eingetretenen Schadens.

  • Der Schutz wirkt sofort: Wer einen Amtsträger feindselig attackiert, begeht einen tätlichen Angriff, selbst wenn die Schutzausrüstung des Beamten Schmerz oder Verletzungen abwendet.
  • Der Wille des Gesetzgebers bindet: Gerichte setzen die Strafverschärfungen gegen Gewalt an Einsatzkräften konsequent um und wandeln Attacken, die aus einer Menschenmenge heraus geschehen, von einer Geld- in eine spürbare Bewährungsstrafe um.
  • Der Prozessfehler entscheidet nicht: Ein Revisionsgericht hebt ein Urteil wegen eines technischen Fehlers bei der Strafrahmenberechnung nur dann auf, wenn dieser Fehler die tatsächliche Höhe der verhängten Strafe kausal beeinflusst hat.

Urteile gegen Gewalt an Amtsträgern betonen die übergeordnete Bedeutung der Abschreckung und verteidigen die Autorität des Staates.


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Experten Kommentar

Ob die Flasche nun am Helm zerschellt oder ins Leere geht, ist für die Strafzumessung fast nebensächlich geworden. Dieses Urteil bestätigt eine klare rote Linie: Der Gesetzgeber verfolgt Angriffe auf Polizisten konsequent, um die Autorität des Staates zu schützen, nicht nur deren körperliche Unversehrtheit. Entscheidend für die Freiheitsstrafe ist der tätliche Angriff selbst, manifestiert durch den gezielten Wurf mit einem gefährlichen Werkzeug. Die Richter machten deutlich, dass wer diesen Schutzschirm durchbricht, auch ohne sichtbare Verletzungsfolge mit einer Bewährungsstrafe rechnen muss.


Symbolische Grafik zu FAQ - Häufig gestellte Fragen aus dem Strafrecht" mit Waage der Gerechtigkeit und Gesetzbüchern im Hintergrund

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann droht bei einem tätlichen Angriff auf Polizisten eine Freiheitsstrafe statt Geldstrafe?

Die Umwandlung von einer Geld- in eine Freiheitsstrafe erfolgt, wenn der Angriff den klaren gesetzgeberischen Willen zur Abschreckung verletzt. Entscheidend ist dabei, dass das Gericht den Unrechtsgehalt der Tat als erheblich bewertet. Dies ist die konsequente Umsetzung der Strafrechtsverschärfung, die seit 2017 für tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte gilt.

Die Regel: Gerichte sehen in der härteren Sanktion eine notwendige Verwirklichung des gesetzgeberischen Ziels. Der Gesetzgeber wollte explizit signalisieren, dass Angriffe auf Repräsentanten des Staates keine Bagatelldelikte darstellen. Wenn spezifische Umstände die Tat besonders schwerwiegend machen, etwa der Einsatz eines gefährlichen Werkzeugs oder die Tatausführung aus einer Menschenmenge, reicht eine Geldstrafe zur Abschreckung nicht aus. Die Schwelle zur Freiheitsstrafe wird überschritten, wenn das Gericht der Überzeugung ist, dass nur eine spürbare Sanktion die gebotene Generalprävention erfüllt.

Der Sprung zur Haftstrafe hängt primär von der strafzwecklichen Wertung des Gerichts ab. Konkret: Das Landgericht Nürnberg-Fürth argumentierte in einem Fall, in dem eine Flasche auf Polizisten geworfen wurde, dass der Angriff aus einer Menschenmenge heraus erfolgte. Die Richter sahen hierin einen so erheblichen Unrechtsgehalt, dass die ursprüngliche Geldstrafe nicht mehr angemessen erschien. Die Attacke aus der Deckung einer Gruppe erhöht die Gefährlichkeit und rechtfertigte die sechsmonatige Haftstrafe auf Bewährung.

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Gilt ein Flaschenwurf auf Beamte als tätlicher Angriff, wenn der Polizist unverletzt bleibt?

Ja, der Flaschenwurf gilt in jedem Fall als tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte nach § 114 StGB, selbst wenn der Polizist dank Schutzausrüstung unverletzt bleibt. Das Gesetz schützt nicht primär den Erfolg – also die tatsächliche Verletzung – sondern bereits die aggressive, feindselige Handlung, die unmittelbar auf den Körper zielt. Die Unversehrtheit des Beamten ist daher für die Erfüllung des Tatbestands unerheblich.

Der Gesetzgeber hat den Tatbestand bewusst weit gefasst. Eine feindselige Einwirkung muss mit wuchtigem Willen auf den Körper des Beamten gerichtet sein. Sobald diese Aggression manifest wird und eine körperliche Einwirkung erfolgt, ist der Straftatbestand erfüllt. Der Charakter der Tat als gewalttätiger Angriff auf einen Repräsentanten des Staates wird durch das Tragen eines Helms oder einer Schutzkleidung nicht aufgehoben.

Eine Flasche zählt zudem als gefährliches Werkzeug im Sinne der versuchten gefährlichen Körperverletzung. Dies erhöht die Schwere der Tat enorm, da beide Delikte in Tateinheit verfolgt werden. Die Argumentation, der Angeklagte sei straffrei, weil ein Helm den Aufprall abfederte, wird von Gerichten konsequent zurückgewiesen. Sie stellen klar, dass der Tatbestand des § 114 StGB bereits die feindselige Attacke unter Strafe stellt.

Dokumentieren Sie alle Details zum Hergang, wie Wurfdistanz und Aufprallpunkt, da diese für die juristische Bewertung eines möglichen Versuchs relevant sein können.


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Wie kann ich mich gegen die Umwandlung einer Geld- in eine Freiheitsstrafe wehren?

Der primäre Rechtsweg nach einem verlorenen Berufungsverfahren ist die Revision. Dieses Rechtsmittel unterscheidet sich grundlegend von der Berufung, da es keine zweite Tatsacheninstanz darstellt. Revisionsgerichte überprüfen das vorinstanzliche Urteil ausschließlich auf Rechtsfehler, nicht darauf, ob sie selbst eine andere, mildere Strafe für angemessen halten würden. Eine Umkehrung der Strafe gelingt nur, wenn das Berufungsurteil auf gravierenden juristischen Mängeln beruht.

Richter haben bei der Strafzumessung einen weiten Ermessensspielraum. Nur wenn das Berufungsgericht diesen Spielraum willkürlich oder extrem überschritten hat, liegt ein relevanter Revisionsgrund vor. Fehler in der Strafzumessung können nur gerügt werden, wenn sie so gravierend sind, dass sie die gesamte Strafe in Frage stellen. Entscheidend ist, ob das Landgericht fundamentale Gesetze falsch angewendet oder grundlegende Verfahrensvorschriften verletzt hat.

Eine sogenannte allgemeine Sachrüge, die das Urteil pauschal als ungerecht kritisiert, ist meist chancenlos. Erfolgreicher ist die gezielte Suche nach spezifischen Mängeln im Urteil. Konkret: Selbst wenn ein technischer Berechnungsfehler im Strafrahmen vorliegt, wird das Urteil nicht zwingend aufgehoben. Dies geschieht nur, wenn die verhängte Strafe nicht auch im korrigierten, niedrigeren Rahmen der Revision liegt.

Lassen Sie Ihr Berufungsurteil detailliert von einem erfahrenen Anwalt auf Verfahrensfehler oder nicht gewürdigte mildernde Umstände prüfen.


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Welche Strafe droht mir für versuchte gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit § 114 StGB?

Die Beurteilung einer solchen Tat erfolgt nach den Regeln der Tateinheit gemäß § 52 StGB. Dies bedeutet, dass die Gerichte zwar zwei verschiedene Straftatbestände prüfen, am Ende jedoch nur eine Gesamtstrafe verhängen. Diese Strafe orientiert sich stets am Gesetz mit dem härtesten Strafrahmen. Wegen der hohen Gefährlichkeit des Angriffs mit einem gefährlichen Werkzeug ist selbst für den Versuch oft eine Freiheitsstrafe realistisch.

Bei der Kombination von versuchter gefährlicher Körperverletzung und tätlichem Angriff (§ 114 StGB) dominiert in der Regel die Körperverletzung den Strafrahmen. Das liegt an der höheren Mindeststrafe dieses Delikts. Obwohl es sich nur um einen Versuch handelt, ist die automatische Strafrahmenmilderung nach § 23 Abs. 2 StGB nicht zwingend vorgeschrieben. Das Gericht kann die Milderung ablehnen, wenn der Unrechtsgehalt der Tat, etwa durch den Einsatz eines gefährlichen Werkzeugs, als besonders hoch bewertet wird.

Die Kombination mit dem aggressiven tätlichen Angriff nach § 114 StGB verschärft die Gesamtbewertung zusätzlich. Aufgrund dieser erschwerten Umstände ist selbst für einen Versuch oft eine Freiheitsstrafe die realistische Sanktion. Im konkreten Fall eines Flaschenwurfs auf Beamte verhängte das Gericht sechs Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung. Die Richter ordnen die Strafe damit häufig im unteren bis mittleren Bereich der möglichen Freiheitsstrafen an, was die ernste Natur der Tat unterstreicht.

Lassen Sie Ihren Verteidiger den potenziell milderen Strafrahmen nach Anwendung der Versuchsregelung exakt berechnen, um Ihre Minimalstrafe genau zu kennen.


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Warum werden tätliche Angriffe auf Einsatzkräfte von Gerichten heute strenger geahndet?

Die strengere Ahndung ist eine direkte Folge des politischen Willens zur Abschreckung und zum Schutz staatlicher Repräsentanten. Der Gesetzgeber verschärfte das Strafrecht durch die Novellierung des § 114 StGB im Jahr 2017 explizit. Gerichte setzen diese Vorgabe konsequent um, um klarzustellen, dass Angriffe auf Einsatzkräfte keine Bagatelldelikte sind. Die Justiz signalisiert damit die notwendige Autorität des Staates.

Das Hauptziel der Gesetzesverschärfung war es, Gewalttätern spürbare Sanktionen aufzuerlegen. Vor 2017 endeten viele Attacken noch mit milderen Geldstrafen, was die breite Öffentlichkeit als unzureichend empfand. Das aktuelle Strafrecht schützt bei tätlichen Angriffen auf Vollstreckungsbeamte nicht erst den Erfolg der Tat, etwa eine Verletzung. Es stellt bereits die feindselige Handlung unter Strafe, die sich unmittelbar gegen den Körper des Beamten richtet.

Konkret: Wenn ein Landgericht eine ursprüngliche Geldstrafe in eine Freiheitsstrafe umwandelt, handelt es sich nicht um einen Alleingang des Richters. Dies ist die konsequente Umsetzung der gesetzgeberischen Forderung nach härteren Urteilen. Besonders Angriffe, die aus einer Menschenmenge heraus erfolgen oder bei denen gefährliche Werkzeuge zum Einsatz kommen, werden als Taten mit erheblichem Unrechtsgehalt gewertet. Solche Verhaltensweisen führen regelmäßig zu spürbaren Sanktionen, wobei Bewährungsstrafen die Regel und nicht die Ausnahme sind.

Lassen Sie sich von Ihrem Anwalt die konkrete Gesetzesbegründung des Gesetzgebers erklären, um die aktuelle Risikoeinschätzung der Gerichte vollständig zu verstehen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Allgemeine Sachrüge

Bei der Allgemeinen Sachrüge handelt es sich um das spezifische Rechtsmittel in der Revision, mit dem der Angeklagte das gesamte Urteil der Vorinstanz pauschal auf Rechtsfehler überprüfen lässt. Dieser „Generalangriff“ auf das Urteil hat nur Erfolg, wenn das Urteil offensichtliche oder schwerwiegende juristische Mängel aufweist, da das Revisionsgericht keine neuen Beweise oder Tatsachen mehr prüft.

Beispiel: Da der Angeklagte in diesem Fall nur eine Allgemeine Sachrüge vorbrachte und keine spezifischen Verfahrensfehler benannte, war seine Revision vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht chancenlos.

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Strafzumessung

Juristen bezeichnen mit der Strafzumessung den Akt der konkreten Festlegung der Höhe einer Strafe innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens. Das Gericht wägt dabei alle relevanten Umstände – wie die Schwere der Schuld, die Motive des Täters und die strafzweckliche Wertung – ab, um eine gerechte und abschreckende Sanktion zu finden.

Beispiel: Das Bayerische Oberste Landesgericht stellte fest, dass die Strafzumessung durch das Landgericht, welches die Geldstrafe in eine sechsmonatige Freiheitsstrafe umwandelte, im vertretbaren juristischen Ermessensspielraum lag.

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Strafzweckliche Wertung

Die strafzweckliche Wertung ist die richterliche Einschätzung, welche Strafe notwendig ist, um die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele, insbesondere Generalprävention und Abschreckung, zu erreichen. Diese Bewertung dient als Begründung dafür, warum in einem konkreten Fall eine besonders harte oder milde Sanktion gewählt wurde, und ist eng mit dem politischen Willen zum Schutz bestimmter Rechtsgüter verbunden.

Beispiel: Die strafzweckliche Wertung des Landgerichts führte zur Annahme, dass der erhebliche Unrechtsgehalt des Flaschenwurfs aus einer Menschenmenge heraus nur durch eine spürbare Freiheitsstrafe angemessen gesühnt werden konnte.

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Tateinheit

Tateinheit nach § 52 StGB liegt vor, wenn eine einzelne Handlung des Täters – wie der Flaschenwurf – gleichzeitig mehrere verschiedene Strafgesetze verletzt. Das Gesetz regelt, dass der Täter in diesem Fall nicht für jedes Delikt einzeln bestraft wird; stattdessen wird eine Gesamtstrafe gebildet, die sich nach dem Strafrahmen des schwersten verletzten Gesetzes richtet.

Beispiel: Im vorliegenden Fall verletzte der Angeklagte mit dem Flaschenwurf das Gesetz über den tätlichen Angriff und das Gesetz über die versuchte gefährliche Körperverletzung, weshalb das Gericht Tateinheit annahm.

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Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte

Der Tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte (§ 114 StGB) ist eine Straftat, die jede feindselige Handlung unter Strafe stellt, die unmittelbar auf den Körper eines Amtsträgers während dessen Dienstausübung zielt. Dieser Tatbestand schützt nicht nur vor tatsächlichen Verletzungen, sondern bereits die Autorität des Staates, indem die aggressive Attacke gegen seine Repräsentanten geahndet wird.

Beispiel: Das Gericht stellte klar, dass der wuchtige Wurf der Bierflasche die Kriterien eines Tätlichen Angriffs voll erfüllte, selbst wenn der getroffene Polizist dank seiner Schutzausrüstung unverletzt blieb.

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Versuch der gefährlichen Körperverletzung

Als Versuch der gefährlichen Körperverletzung gilt das gezielte Ansetzen zur Verletzung einer Person, wobei die Tat mit einem gefährlichen Werkzeug ausgeführt wird, die Verletzung aber ausbleibt. Das Gesetz bewertet den Versuch als strafwürdig, weil der Täter den Entschluss zur Tat bereits gefasst und die Rechtsgutverletzung unmittelbar angestrebt hat.

Beispiel: Weil der Angeklagte eine Glasflasche, die als gefährliches Werkzeug gilt, auf den Beamten warf, blieb es beim Versuch der gefährlichen Körperverletzung, da der Polizist dank Helm und Schutzkleidung keine körperlichen Schmerzen erlitt.

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Das vorliegende Urteil


BayObLG – Az.: 203 StRR 368/25 – Beschluss vom 06.10.2025


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