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Wann darf der Staat Betrugsgeld einziehen, selbst wenn es nur kurz auf dem Konto war?

Ein Kontoinhaber sollte nach einem Betrugsdelikt 15.430 Euro an den Staat zahlen – eine Summe, die lediglich digital auf sein Bankkonto geflossen war. Er wehrte sich gegen die angeordnete Einziehung von Wertersatz, da er das Betrugsgeld nach seiner Ansicht nur kurzzeitig verwaltet und nicht wirklich „erlangt“ hatte. Doch reichten private Ausgaben von diesem Konto und eine verzögerte Weiterleitung der Gelder aus, um die Rückzahlung an den Staat zu erzwingen?

Zum vorliegenden Urteil Az.: 206 StRR 224/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Urteil in 30 Sekunden

  • Das Problem: Ein Mann wurde wegen Betrugs verurteilt. Das Gericht forderte, dass er das illegal erhaltene Geld an den Staat zurückzahlt, was er ablehnte.
  • Die Frage: Gilt Geld als „erhalten“, sobald es auf dem Bankkonto gutgeschrieben wird, auch wenn es nur durchgeschleust werden sollte?
  • Die Antwort: Ja. Das Gericht urteilte, dass der Mann das Geld wirklich kontrolliert hatte. Er hatte es für private Zwecke genutzt und nicht sofort weitergegeben.
  • Das bedeutet das für Sie: Wer illegal erhaltenes Geld auf dem Konto hat und es selbst nutzt oder nicht sofort weitergibt, muss dafür geradestehen. Es ist dann sein Geld im Sinne des Gesetzes.

Die Fakten im Blick

  • Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
  • Datum: 18. Juli 2025
  • Aktenzeichen: 206 StRR 224/25
  • Verfahren: Revisionsverfahren
  • Rechtsbereiche: Strafrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Ein Angeklagter, der wegen Betruges verurteilt wurde. Er wollte, dass die gegen ihn angeordnete Einziehung von Geld als Wertersatz aufgehoben wird.
  • Beklagte: Das Landgericht München II, das den Angeklagten zuvor verurteilt hatte. Es verteidigte seine Entscheidung, Geld vom Angeklagten einzuziehen.

Worum ging es genau?

  • Sachverhalt: Der Angeklagte hatte durch Betrug Geld erlangt. Das Landgericht verurteilte ihn und ordnete an, dass er einen bestimmten Wert an Geld an den Staat zahlen muss.

Welche Rechtsfrage war entscheidend?

  • Kernfrage: Wann gilt Geld, das aus einer Straftat stammt und auf ein Konto überwiesen wurde, als vom Täter „erlangt“, sodass der Staat es einziehen darf, besonders wenn mehrere Personen beteiligt waren?

Entscheidung des Gerichts:

  • Urteil im Ergebnis: Die Revision des Angeklagten wurde abgewiesen.
  • Zentrale Begründung: Das Gericht bestätigte die Einziehung, weil der Angeklagte das betrügerisch erlangte Geld nicht nur kurzfristig auf seinem Konto hatte, sondern es auch privat nutzte und nicht sofort weiterleitete.
  • Konsequenzen für die Parteien: Der Angeklagte muss die Kosten für sein Rechtsmittel tragen und die Einziehung des Geldes bleibt bestehen.

Der Fall vor Gericht


Wie kam es dazu, dass jemand für eine Betrugstat persönlich haften sollte?

Im Zentrum dieses Falles stand die Frage, wann und unter welchen Umständen jemand die finanziellen Erträge aus einer Straftat tatsächlich „erlangt“ hat. Diese Frage ist entscheidend, wenn Gerichte anordnen, dass diese Erträge oder ihr Wert dem Staat zustehen. Ein Mann, den wir den Kontoinhaber nennen wollen, fand sich genau in dieser Situation wieder. Er war von einem Münchner Landgericht wegen eines Betruges verurteilt worden, bei dem es um digital überwiesenes Geld, sogenanntes Buchgeld, ging.

Ein konzentrierter Mann sichtet auf seinem Bildschirm digitale Tabellen, die die Einziehung von Wertersatz für auf ein Bankkonto geflossenes Buchgeld darstellen.
Im digitalen Zahlungsverkehr kann ein unerwarteter Geldzufluss schnell Fragen zur Rechtmäßigkeit aufwerfen. Wie sollten Kontoinhaber bei verdächtigen Transaktionen am besten reagieren? | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Das Gericht hatte nicht nur die Strafe ausgesprochen, sondern auch angeordnet, dass der Kontoinhaber einen Betrag von 15.430 Euro als Wertersatz an den Staat zahlen muss. Diese Anordnung, im juristischen Sprachgebrauch eine „Einziehung von Wertersatz“, bedeutet, dass der Staat den Wert des durch die Straftat erlangten Vermögens abschöpfen kann, selbst wenn das ursprüngliche Geld nicht mehr greifbar ist. Für den Kontoinhaber war das ein harter Schlag, und er legte deshalb Rechtsmittel ein, um das Urteil überprüfen zu lassen.

Was bedeutete die zentrale Frage nach dem „Erlangen“ der Betrugsgelder?

Das Herzstück der Auseinandersetzung drehte sich um das Wort „erlangen“. Juristisch gesehen ist das Erlangen von Taterträgen die Grundvoraussetzung dafür, dass der Staat ihren Wert einziehen darf. Der Kontoinhaber vertrat implizit die Ansicht, dass die reine Gutschrift des betrügerisch erlangten Geldes auf seinem Bankkonto noch nicht ausreichte, um von einem „Erlangen“ im Sinne des Gesetzes zu sprechen. Er argumentierte, dass er das Geld möglicherweise nur vorübergehend besessen habe, als eine Art Durchlaufposten, und somit keine echte, eigenständige Verfügungsmacht darüber gehabt hätte. Dieses vorübergehende Halten ohne tatsächliche Kontrolle wird juristisch als „transitorischer Besitz“ bezeichnet und würde im Falle seiner Anerkennung die Einziehung des Geldes unwirksam machen. Die Verteidigung des Kontoinhabers stellte damit die Rechtmäßigkeit der gegen ihn angeordneten Einziehung dieses finanziellen Ausgleichs infrage.

Wie hatte das Landgericht die Sache beurteilt?

Das erstinstanzliche Münchner Gericht sah die Sache relativ klar: Es ging davon aus, dass der Kontoinhaber das durch den Betrug erhaltene Geld bereits dann „erlangt“ hatte, als es auf seinem Bankkonto gutgeschrieben wurde. Für das Landgericht war die reine Ankunft des Geldes auf dem Konto des Mannes Beweis genug, um die Einziehung von 15.430 Euro anzuordnen. Die Staatsanwaltschaft, als Gegnerin im Rechtsmittelverfahren, verteidigte diese Auffassung des Landgerichts und sah die Einziehungsanordnung als völlig rechtmäßig an.

Welche Grundsätze legte das höchste Gericht für die Frage des „Erlangens“ fest?

Als der Fall das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG), das höchste bayerische Gericht, erreichte, prüfte der Senat die Entscheidung des Landgerichts. Er musste klären, wann genau bei einer Straftat, an der mehrere Personen beteiligt sind, ein Betrag als „erlangt“ gilt, sodass er eingezogen werden darf. Das Gericht legte hierfür mehrere wichtige Grundsätze zugrunde:

  • Tatsächliche oder wirtschaftliche Kontrolle ist entscheidend: Wenn mehrere Personen an einer Straftat beteiligt sind, reicht es nicht aus, dass das Geld nur kurz auf einem Konto landet. Vielmehr muss die Person, von der der Wertersatz eingezogen werden soll, eine tatsächliche oder wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über das Geld gehabt haben. Sie muss also die Möglichkeit gehabt haben, damit umzugehen, es zu nutzen oder zumindest zu steuern.
  • Abgrenzung zum „transitorischen Besitz“: Das Gericht machte klar, dass es einen Unterschied gibt zwischen echtem Erlangen und einem bloß „transitorischen Besitz“. Letzteres liegt vor, wenn jemand einen Gegenstand nur für eine sehr kurze Zeit in den Händen hält, lediglich um ihn sofort an jemand anderen weiterzuleiten, ohne dass er selbst über ihn verfügen kann.
  • Kriterien gegen bloß vorübergehendes Halten: Um zu beurteilen, ob es sich um echten Besitz oder nur um ein vorübergehendes Halten handelte, sind verschiedene Aspekte wichtig: Wie lange hatte die Person die Möglichkeit, über das Geld zu verfügen? Konnten andere Tatbeteiligte in dieser Zeit nicht auf das Geld zugreifen? Und gab es die Möglichkeit, dass die Hintermänner aufgrund ihrer Anwesenheit vor Ort die Kontrolle über das Geld des Kontoinhabers ausüben konnten, sodass seine Verfügungsgewalt tatsächlich eingeschränkt war? Wenn der Kontoinhaber das Geld über eine längere Zeit unter Ausschluss der anderen Tatbeteiligten faktisch kontrollierte, spricht das gegen einen bloß vorübergehenden Besitz.
  • Die Bedeutung des ersten Gerichts: Das Gericht betonte zudem, dass es die primäre Aufgabe des Landgerichts als „Tatgericht“ ist, die genauen Umstände zu klären und zu bewerten, ob diese eine tatsächliche Verfügungsgewalt belegen. Das Revisionsgericht überprüft diese Würdigung nur auf Rechtsfehler.

Wie wurden diese Grundsätze auf den konkreten Fall angewendet?

Angesichts dieser klaren Regeln nahm das Bayerische Oberste Landesgericht die Argumentation des Landgerichts noch einmal genau unter die Lupe. Es bestätigte zwar die Entscheidung, schränkte aber ein, dass es der Begründung des Landgerichts, das „Erlangen“ allein durch die Kontogutschrift zu bejahen, „nur eingeschränkt folgen“ könne. Das höchste Gericht erkannte an, dass eine bloße Gutschrift auf einem Konto unter Umständen tatsächlich auch bei einem bloß „transitorischen Besitz“ vorliegen könnte.

Entscheidend für die Bestätigung der Einziehungsanordnung waren stattdessen die weiteren, vom Landgericht zusätzlich festgestellten Tatsachen, die über die reine Gutschrift hinausgingen:

  • Der Kontoinhaber hatte von dem Konto, auf das die betrügerisch erlangten Gelder flossen, auch private Ausgaben getätigt. Das zeigte, dass er das Geld nicht nur durchschleuste, sondern es auch für eigene Zwecke nutzte.
  • Er hob die eingegangenen Beträge nicht sofort ab und leitete sie weiter, sondern tat dies „später“. Die Verzögerung bei der Weiterleitung deutete darauf hin, dass er für eine gewisse Zeit die tatsächliche Kontrolle über das Geld hatte, statt es nur als schnellen Durchlaufposten zu verwalten.

In der Zusammenschau dieser besonderen Umstände konnte der Senat des BayObLG der ursprünglichen Einschätzung des Landgerichts zustimmen. Die Verzögerung der Weiterleitung und die private Nutzung der Gelder belegten eindeutig, dass der Kontoinhaber über einen nicht unerheblichen Zeitraum hinweg eine tatsächliche Verfügungsgewalt über die Betrugsgewinne besaß und diese nicht lediglich kurzfristig als vorübergehender Empfänger verwaltete.

Gab es weitere Einwände gegen die Entscheidung des Landgerichts?

Neben der zentralen Frage des „Erlangens“ wurden auch noch andere Punkte erörtert, die der Kontoinhaber, wenn auch nur implizit, als fehlerhaft hätte rügen können:

Zum einen war aufgefallen, dass das Landgericht den einzuziehenden Betrag mit 15.430 Euro festgesetzt hatte, obwohl der korrekte Betrag, basierend auf den Tatumständen, eigentlich 16.180 Euro betragen hätte. Das höchste bayerische Gericht stellte dazu fest, dass dieser Fehler den Kontoinhaber nicht belastete. Da der festgesetzte Betrag niedriger war als der tatsächlich korrekte, lag kein Rechtsfehler zu seinen Ungunsten vor, der eine Aufhebung des Urteils gerechtfertigt hätte.

Zum anderen stellte sich die Frage, ob die Mittäter des Kontoinhabers, die ebenfalls für den Betrag haften könnten, namentlich im Urteil hätten genannt werden müssen. Das BayObLG stellte jedoch klar, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht notwendig ist, die neben dem Verurteilten als Gesamtschuldner haftenden Mittäter im Urteilstenor namentlich aufzuführen.

Schließlich hatte das Landgericht auch versäumt, die für die Rechtsfolgen maßgebenden besonderen Vorschriften, insbesondere die Paragrafen zur Einziehung von Wertersatz (§§ 73 ff. StGB), in die abschließende Liste der angewendeten Gesetze aufzunehmen. Dies stellte zwar einen formellen Mangel dar. Das BayObLG konnte diesen Fehler jedoch selbst im Urteilstenor korrigieren, ohne dass dies die inhaltliche Richtigkeit der Einziehungsanordnung beeinträchtigte.

Angesichts dieser umfassenden Prüfung wies das BayObLG die Revision des Kontoinhabers als unbegründet zurück und bestätigte damit die Einziehung des Wertersatzes.

Die Urteilslogik

Gerichte prüfen genau, ob jemand kriminell erlangtes Geld tatsächlich kontrolliert hat, bevor der Staat es einzieht.

  • Verfügungsgewalt zählt: Nicht jede bloße Gutschrift auf einem Konto bedeutet, dass jemand kriminell erlangtes Geld tatsächlich kontrolliert oder darüber verfügen kann.
  • Transitorischer Besitz reicht nicht: Wer Geld nur kurz empfängt, um es sofort ohne eigene Nutzungsabsicht weiterzuleiten, erlangt es nicht im Sinne einer staatlichen Einziehung.
  • Indizien für tatsächliche Nutzung: Das Verwenden von illegal erworbenen Geldern für private Zwecke oder eine verzögerte Weiterleitung zeigt, dass eine Person tatsächlich über die Mittel verfügen konnte.

Entscheidend für die Einziehung krimineller Gewinne bleibt stets die gründliche Beurteilung der tatsächlichen Verfügungsmacht über das Geld.


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Das Urteil in der Praxis

Das Bayerische Oberste Landesgericht seziert mit dieser Entscheidung die Praxis der Vermögensabschöpfung und setzt der Ausrede des „transitorischen Besitzes“ im Bereich digitaler Betrügereien einen deutlichen Riegel vor. Es ist eben nicht allein entscheidend, dass Gelder nur kurz auf einem Konto eingehen. Vielmehr beleuchtet das Urteil messerscharf, welche zusätzlichen Indizien – wie private Nutzung oder verzögerte Weiterleitung – die tatsächliche Verfügungsgewalt und damit das „Erlangen“ unwiderlegbar belegen. Für „Finanzagenten“ oder andere Mittäter bedeutet dies eine deutliche Verschärfung der persönlichen Haftung: Wer sich nicht als reiner Durchlaufposten beweisen kann, dem droht die harte Hand der Einziehung. Dieses Urteil stärkt die Strafverfolgungsbehörden erheblich im Kampf gegen die Abschöpfung von Erträgen aus Online-Betrug und sendet ein klares Signal an alle Beteiligten.


Symbolische Grafik zu FAQ - Häufig gestellte Fragen aus dem Strafrecht" mit Waage der Gerechtigkeit und Gesetzbüchern im Hintergrund

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet „Erlangen“ von Taterträgen im Strafrecht?

Im Strafrecht bedeutet „Erlangen“ von Taterträgen, dass eine Person eine tatsächliche oder wirtschaftliche Verfügungsgewalt über einen Vermögenswert erworben hat. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass der Staat illegale Gewinne aus einer Straftat abschöpfen kann.

Man kann es sich vorstellen wie bei einem Bankkonto: Es reicht nicht, dass das Geld nur kurz darauf erscheint. Vielmehr muss man die Möglichkeit haben, es abzuheben, damit zu bezahlen oder es an jemand anderen zu überweisen – man muss also die Kontrolle darüber haben, um es tatsächlich „erlangt“ zu haben.

„Erlangen“ meint somit mehr als nur das kurzzeitige physische Halten eines Gutes oder eine bloße Gutschrift auf einem Konto. Entscheidend ist die Fähigkeit, über den Wert zu verfügen, ihn zu nutzen oder weiterzugeben. Es geht nicht darum, ob jemand einen Gegenstand nur für eine sehr kurze Zeit in den Händen hält, um ihn sofort an jemand anderen weiterzuleiten, was juristisch als „transitorischer Besitz“ bezeichnet wird. Vielmehr muss die Person die tatsächliche oder wirtschaftliche Kontrolle über den Vermögenswert besitzen.

Diese genaue Abgrenzung stellt sicher, dass der Staat nur dann illegal erlangte Vermögenswerte, wie sie in den Paragrafen zur Vermögensabschöpfung (§§ 73 ff. StGB) beschrieben sind, einziehen kann, wenn die Person wirklich über sie verfügen konnte.


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Wann gilt eine Kontogutschrift als „erlangt“ im Sinne der Vermögensabschöpfung?

Eine bloße Kontogutschrift allein reicht in der Regel nicht aus, damit Geld als „erlangt“ im Sinne der Vermögensabschöpfung gilt. Entscheidend ist vielmehr, ob eine Person tatsächliche oder wirtschaftliche Verfügungsgewalt über das gutgeschriebene Geld besitzt.

Stellen Sie sich vor, jemand erhält ein Päckchen, das er sofort und ungeöffnet an eine dritte Person weitergeben soll. Obwohl das Päckchen kurz in den Händen des Empfängers war, hatte dieser keine tatsächliche Kontrolle über den Inhalt. Ähnlich verhält es sich mit Buchgeld: Erst wenn eine Person die Möglichkeit hat, über das Geld frei zu verfügen – es zu nutzen oder zu steuern –, gilt es als erlangt.

Das höchste Gericht hat hierfür klargestellt, dass es nicht allein auf die Gutschrift ankommt, sondern auf die „tatsächliche oder wirtschaftliche Verfügungsgewalt“ über das Geld. Dies bedeutet, dass eine Person die Möglichkeit haben muss, die Beträge zu nutzen, zu steuern oder andere vom Zugriff auszuschließen. Konkrete Anzeichen für eine solche Verfügungsgewalt sind beispielsweise, wenn das Geld für private Ausgaben verwendet wird oder die Weiterleitung des Geldes verzögert wird. Eine bloße Durchleitung von Geldern ohne eigene Entscheidungsmöglichkeit, auch „transitorischer Besitz“ genannt, gilt hingegen nicht als Erlangen.

Diese Unterscheidung stellt sicher, dass eine Vermögensabschöpfung nur dann erfolgt, wenn eine Person tatsächlich über die Erträge einer Straftat bestimmen konnte.


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Welche Rolle spielt die tatsächliche Verfügungsgewalt bei der Einziehung von Taterträgen?

Die tatsächliche Verfügungsgewalt ist das entscheidende Kriterium dafür, ob jemand persönlich für die Einziehung von Erträgen aus Straftaten haftet. Sie bezeichnet die Möglichkeit, frei und eigenständig über Geld oder Gegenstände zu bestimmen, sie zu nutzen oder ihr Schicksal zu lenken. Ohne diese Kontrolle kann keine Einziehung erfolgen.

Man kann es sich vorstellen wie bei einem Kurierdienst: Ein Paketbote transportiert ein Päckchen von A nach B. Er hat das Päckchen zwar in seinen Händen (Besitz), kann aber nicht über seinen Inhalt bestimmen, ihn nutzen oder an jemand anderen als den Empfänger weitergeben. Nur derjenige, der das Paket tatsächlich öffnen und über den Inhalt verfügen kann, hat die entscheidende „Verfügungsgewalt“.

Es reicht also nicht aus, dass Geld kurzfristig auf einem Konto landet. Vielmehr muss die Person die Möglichkeit gehabt haben, damit umzugehen, es zu nutzen oder zumindest zu steuern. Dies unterscheidet sich deutlich von einem bloß vorübergehenden Halten (juristisch „transitorischer Besitz“), bei dem man etwas nur kurzzeitig in den Händen hält, um es sofort weiterzuleiten, ohne selbst darüber bestimmen zu können. Anzeichen für eine tatsächliche Verfügungsgewalt sind beispielsweise, wenn eine Person das Geld für eigene Zwecke verwendet oder es nicht sofort weiterleitet, sondern für eine gewisse Zeit kontrolliert, während andere keinen Zugriff haben.

Diese Regelung stellt sicher, dass nur Personen für die Einziehung von Taterträgen herangezogen werden, die tatsächlich die Kontrolle über die unrechtmäßig erlangten Werte besaßen und diese nutzen konnten, um so faire Verfahren zu gewährleisten.


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Was ist „transitorischer Besitz“ und welche Bedeutung hat er für die Einziehung von Vermögen?

„Transitorischer Besitz“ beschreibt das bloß vorübergehende Halten eines Gegenstands oder Geldes, ohne dass die Person eine echte, eigene Kontrolle darüber hat. Für die Einziehung von Vermögenswerten bedeutet dies, dass ein solch flüchtiger Besitz meist nicht als „erlangt“ im Sinne des Gesetzes zählt.

Man kann es sich vorstellen wie einen Staffelstab bei einem Staffellauf: Der Läufer hält ihn kurz fest, um ihn sofort weiterzugeben, aber er kann ihn nicht für eigene Zwecke nutzen oder behalten. Er ist lediglich ein „Durchlaufposten“.

Juristisch gesehen ist für die Einziehung von Vermögen entscheidend, ob eine Person die tatsächliche oder wirtschaftliche Verfügungsmacht über einen Wert hatte. Beim transitorischen Besitz fehlt diese eigenständige Kontrolle. Eine Person nimmt den Wert lediglich entgegen, um ihn unmittelbar an eine andere Person weiterzuleiten. Die Dauer der Verfügungsbefugnis, die Möglichkeit, das Geld zu steuern, und ob andere Tatbeteiligte darauf zugreifen konnten, sind dabei wichtige Kriterien zur Abgrenzung vom echten „Erlangen“.

Diese Unterscheidung schützt Personen davor, für Vermögenswerte zur Rechenschaft gezogen zu werden, über die sie nie wirklich verfügen konnten.


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Welche Konsequenzen drohen, wenn unrechtmäßig erlangtes Geld auf dem eigenen Bankkonto landet?

Landet unrechtmäßig erlangtes Geld auf einem Bankkonto, kann der Staat dessen Wert einziehen, auch wenn das ursprüngliche Geld nicht mehr vorhanden ist. Dies bezeichnet man als „Einziehung von Wertersatz“.

Man kann sich das wie bei einem Fundsachenbüro vorstellen: Wenn dort ein gestohlener Gegenstand abgegeben wird, versucht das Büro nicht nur, den Gegenstand zurückzugeben, sondern kann auch dessen Wert vom Dieb einfordern, wenn der Gegenstand selbst nicht mehr greifbar ist. Hier geht es darum, dem Täter den finanziellen Vorteil aus der Straftat zu entziehen.

Entscheidend für eine solche Einziehung ist, ob die Person, auf deren Konto das Geld gelangt, dieses auch tatsächlich „erlangt“ hat. Eine bloße Gutschrift auf dem Konto allein genügt dafür nicht immer. Vielmehr muss die Person eine tatsächliche oder wirtschaftliche Verfügungsgewalt über das Geld gehabt haben. Dies bedeutet, dass die Möglichkeit bestand, damit umzugehen, es zu nutzen oder zu steuern. Gerichte prüfen dafür genau, wie lange die Person über das Geld verfügen konnte und ob sie es möglicherweise sogar für eigene Zwecke nutzte, statt es nur sofort weiterzuleiten. Eine Verzögerung bei der Weiterleitung oder private Ausgaben deuten auf eine tatsächliche Verfügungsgewalt hin.

Daher ist es entscheidend, bei unerwarteten oder verdächtigen Geldeingängen auf einem Konto äußerst vorsichtig zu sein. Um nicht selbst in die Situation zu geraten, für unrechtmäßig erlangtes Geld haften zu müssen, sollte man über solche Beträge keinesfalls verfügen oder sie weiterleiten, insbesondere wenn die Herkunft unklar ist. Diese Regelung stellt sicher, dass niemand aus einer Straftat einen finanziellen Vorteil behält.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Einziehung von Wertersatz

Die Einziehung von Wertersatz ist eine Maßnahme im Strafrecht, bei der der Staat den finanziellen Vorteil abschöpft, den jemand durch eine Straftat erlangt hat, selbst wenn das ursprüngliche Vermögen nicht mehr vorhanden ist. Das Prinzip dahinter ist, dass sich niemand durch eine Straftat bereichern soll. Der Staat nimmt dem Täter den Wert dessen weg, was er unrechtmäßig erhalten hat, um Gerechtigkeit herzustellen und künftige Straftaten unattraktiver zu machen.

Beispiel: Im vorliegenden Fall wurde dem Kontoinhaber auferlegt, 15.430 Euro als Einziehung von Wertersatz zu zahlen, weil dies dem Wert des Geldes entsprach, das er aus dem Betrug erlangt hatte und das nun dem Staat zustehen sollte.

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Erlangen

Im Strafrecht bedeutet „Erlangen“ von Taterträgen, dass eine Person tatsächliche oder wirtschaftliche Kontrolle über einen Vermögenswert erworben hat. Dies ist die grundlegende Voraussetzung dafür, dass der Staat illegale Gewinne aus einer Straftat abschöpfen darf. Es geht darum, dass der Täter die Möglichkeit hatte, über den Wert zu verfügen und ihn zu nutzen, nicht nur um ihn kurzzeitig zu besitzen.

Beispiel: Die zentrale Frage des Falles war, wann der Kontoinhaber das betrügerisch erlangte Buchgeld „erlangt“ hatte, um die Anordnung der Einziehung zu rechtfertigen, da dies die Voraussetzung für die Abschöpfung des Geldes durch den Staat ist.

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Tatsächliche oder wirtschaftliche Verfügungsgewalt

Tatsächliche oder wirtschaftliche Verfügungsgewalt beschreibt die Fähigkeit einer Person, frei und eigenständig über einen Vermögenswert zu bestimmen, ihn zu nutzen oder zu steuern. Dieses Konzept ist entscheidend für die Frage, ob jemand wirklich einen finanziellen Vorteil aus einer Straftat gezogen hat und somit für die Einziehung von Wertersatz haftet. Es geht darum, ob die Person eine echte Kontrolle über den Wert besaß, nicht nur einen flüchtigen Kontakt.

Beispiel: Das Bayerische Oberste Landesgericht betonte, dass der Kontoinhaber eine tatsächliche oder wirtschaftliche Verfügungsgewalt über das Geld gehabt haben muss, um die Einziehung zu rechtfertigen, was sich beispielsweise durch private Ausgaben oder eine verzögerte Weiterleitung belegen ließ.

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Transitorischer Besitz

Transitorischer Besitz bedeutet das bloß vorübergehende Halten eines Gegenstands oder Geldes, bei dem die Person keine eigene, echte Verfügungsmacht darüber hat, sondern es nur als Durchlaufposten weiterleitet. Dieses Konzept ist wichtig, um abzugrenzen, wann jemand tatsächlich einen Tatertrag „erlangt“ hat und wann nicht. Wer nur transitorischen Besitz hat, soll in der Regel nicht für die Einziehung von Vermögenswerten herangezogen werden, da ihm die eigenständige Kontrolle fehlt.

Beispiel: Der Kontoinhaber argumentierte implizit, dass er das Geld möglicherweise nur als „transitorischen Besitz“ gehabt habe und somit keine echte Verfügungsmacht bestand, was die Einziehung des Geldes unwirksam machen würde.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Einziehung von Wertersatz (§ 73 StGB, § 73a StGB)

    Diese Vorschrift erlaubt dem Staat, den Wert von Vermögensvorteilen abzuschöpfen, die jemand durch eine Straftat erlangt hat, wenn das ursprüngliche Vermögen nicht mehr vorhanden ist.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht ordnete die Einziehung von 15.430 Euro Wertersatz an, weil der Kontoinhaber diesen Betrag durch Betrug erlangt haben sollte, um die durch die Straftat entstandenen Vorteile rückgängig zu machen.

  • Definition des „Erlangens“ von Taterträgen (Auslegung von § 73 Abs. 1 StGB)

    „Erlangen“ bedeutet im rechtlichen Sinne, dass eine Person tatsächliche oder wirtschaftliche Verfügungsgewalt über die durch eine Straftat erzielten Vermögenswerte erlangt.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die zentrale Frage war, ob die reine Gutschrift des Betrugsgeldes auf dem Konto des Mannes bereits als „Erlangen“ im Sinne dieser Definition ausreichte oder ob er darüber hinaus tatsächliche Kontrolle hatte.

  • Abgrenzung zum „Transitorischen Besitz“ (Rechtsgrundsatz)

    Ein bloß „transitorischer Besitz“ liegt vor, wenn jemand Geld nur kurzzeitig erhält, um es sofort an Dritte weiterzuleiten, ohne selbst über die Beträge verfügen zu können.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Kontoinhaber argumentierte implizit, dass er das Geld möglicherweise nur vorübergehend besaß und somit keine eigenständige Verfügungsmacht hatte, was die Einziehung unwirksam gemacht hätte.

  • Kompetenz des Tatgerichts zur Tatsachenfeststellung (Prozessprinzip)

    Das Gericht, das den Fall in erster Instanz verhandelt, ist dafür zuständig, die genauen Umstände eines Sachverhalts zu ermitteln und zu beurteilen, während ein höheres Gericht diese Bewertung nur auf Rechtsfehler überprüft.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Bayerische Oberste Landesgericht bestätigte die Einziehung, weil das Landgericht als „Tatgericht“ zusätzliche Fakten (private Ausgaben, verzögerte Weiterleitung) festgestellt hatte, die eine tatsächliche Verfügungsgewalt des Kontoinhabers über das Geld belegten.


Das vorliegende Urteil


BayObLG – Az.: 206 StRR 224/25 – Beschluss vom 18.07.2025


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