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Schätzung des monatlichen Nettoeinkommens des Angeklagten

Überprüfung der Einkommensschätzung in Strafprozessen

In einem spannenden Fall aus dem Verkehrsstrafrecht, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Köln kürzlich über eine Revision, die sich gegen die Höhe der festgesetzten Geldstrafe eines Angeklagten richtete. Der Fall betraf eine Person, die wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr verurteilt wurde. Das Hauptproblem in diesem Fall lag darin, wie die Höhe des Tagessatzes, der zur Berechnung der Geldstrafe verwendet wird, genau bestimmt werden sollte. In solchen Verfahren wird der Tagessatz üblicherweise auf Grundlage des monatlichen Nettoeinkommens des Angeklagten geschätzt.

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Revision führt zur Neubewertung der Tagessatzhöhe

Das OLG Köln führte in seinem Beschluss eine umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils durch und deckte keinen die Angeklagte belastenden Rechtsfehler auf. Allerdings hob das Gericht das Urteil hinsichtlich der Höhe des Tagessatzes auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Kerpen.

Die Rolle der Schuld und des Einkommens bei der Festsetzung des Tagessatzes

Das Gericht stellte klar, dass die Festsetzung der Höhe des Tagessatzes in Übereinstimmung mit dem Schuldspruch und der festgestellten Nebenstrafe stehen muss. Der Tagessatz wird unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten festgelegt, was auch das Nettoeinkommen einschließt.

Revisionsrecht und die Beurteilung der Strafzumessung

Interessanterweise legt das OLG Köln fest, dass die Bestimmung der Höhe des Tagessatzes gemäß § 40 Abs. 2 StGB Teil der Strafzumessung ist und somit in der ureigensten Zuständigkeit des Tatrichters liegt. Es wird jedoch klargestellt, dass das Revisionsgericht eingreifen darf, wenn die Erwägungen zur Strafzumessung fehlerhaft sind.

Die Notwendigkeit einer angemessenen Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse

Der Fall unterstreicht die Wichtigkeit einer sorgfältigen und fairen Ermittlung des Einkommens und der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Angeklagten bei der Festsetzung der Höhe von Tagessätzen in Strafprozessen. Er wirft auch Licht auf die subtilen Nuancen und Herausforderungen, die mit der ordnungsgemäßen Durchführung solcher Berechnungen verbunden sind.


Das vorliegende Urteil

OLG Köln – Az.: III-1 RVs 50/21 – Beschluss vom 23.03.2021

Unter Verwerfung des weitergehenden Rechtsmittels wird das angefochtene Urteil im Ausspruch über die Höhe des Tagessatzes mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Kerpen zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Kerpen hat die Angeklagte am 14. September 2020 wegen Fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu der Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40,– EUR verurteilt und ihr (deklaratorisch) verboten, für die Dauer von sechs Monaten im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Angeklagten, mit der diese die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

II.

Das Zulässigkeitsbedenken nicht unterliegende Rechtsmittel erzielt einen Teilerfolg; es führt zur Höhe des Tagessatzes gemäß §§ 353, 354 Abs. 2 StPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

1.

Zum Schuldspruch, zur Tagessatzzahl und zu der angeordneten Nebenstrafe hat die gebotene umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils anhand der Revisionsrechtfertigung keinen die Angeklagte belastenden Rechtsfehler aufgedeckt (§ 349 Abs. 2 StPO).

Ergänzend zum Verwerfungsantrag der Generalstaatsanwaltschaft merkt der Senat lediglich an, dass die sich im Wege einer – im angefochtenen Urteil unterlassenen – Rückrechnung ergebende Blutalkoholkonzentration von 1,93 Promille zur Tatzeit dem Tatgericht zwar – jedenfalls auch in Ansehung der sonstigen Tatumstände – Anlass zu der Prüfung und Erörterung einer evtl. Einschränkung der Schuldfähigkeit der Angeklagten nach Maßgabe des § 21 StGB hätte geben müssen. Der Senat vermag indes angesichts der äußerst moderaten und milden Bemessung der Geldstrafe von 30 Tagessätzen auszuschließen, dass die Rechtsfolge insoweit auf einem etwaigen Erörterungs- oder sonstigen Rechtsfehler beruht.

2.

Hingegen hält die Festsetzung der Tagessatzhöhe unter Berücksichtigung der hierzu getroffenen Feststellungen materiell-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a.

Die Bestimmung der Höhe eines Tagessatzes gemäß § 40 Abs. 2 StGB ist Teil der Strafzumessung (BGHSt 27, 212, 214). Sie ist daher ureigenste Aufgabe des Tatrichters, ihr Ergebnis vom Revisionsgericht bis an die Grenze des Vertretbaren hinzunehmen. Das Revisionsgericht darf freilich eingreifen, wenn die Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind (SenE v. 22.11.2013 – III-1 RVs 244/13). Das ist der Fall, wenn der Tatrichter von unvollständigen oder unrichtigen Erwägungen ausgegangen ist oder sonst von seinem Ermessen in rechtsfehlerhafter Weise Gebrauch gemacht hat (SenE v. 18.05.2001 – Ss 102/01 – = NJW 2001, 3491 [3492]; SenE v. 10.07.2001 – Ss 150/01 -; SenE v. 04.04.2003 – Ss 124/03 B -; SenE v. 18.03.2003 – Ss 105/03 -). Die Schätzungsbefugnis des § 40 Abs. 3 StGB ist nur dann eröffnet, wenn der Angeklagte zu seinen Einkommensverhältnissen keine oder ersichtlich unzutreffende Angaben macht (vgl. SenE v. 22.08.2014 – III-1 RVs 141/14 – ). Bei einer solchen Schätzung hat das Tatgericht in den Urteilsgründen darzulegen, auf welchen Einzelumständen sie beruht (Schätzungsgrundlage), und welche Maßstäbe ihr zugrunde liegen. Die Darlegung hat in einem solchen Umfang zu erfolgen, dass sie einer Überprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich ist (vgl. SenE v. 22.08.2014 – III-1 RVs 141/14 -; SenE v. 03.11.2017 – III-1 RVs 270/17 -; OLG Saarbrücken StraFo 2012, 109; OLG Hamm, StraFo 2001, 19; OLG Düsseldorf StV 1997, 460). Dabei kann durchaus von einem sicher festgestellten Lebenszuschnitt auf ein hiermit (jedenfalls) korrelierendes Nettoeinkommen zurückgeschlossen werden (vgl. OLG Hamm B. v. 05.08.2002 – 2 Ss 498/02 = BeckRS 2002 30276424).

b.

Daran fehlt es hier: Die tatrichterlichen Erwägungen zur Begründung der Tagessatzhöhe sind in revisionsrechtlich bedeutsamer Weise unvollständig.

Das Tatgericht hat den Tagessatz im Wege der Schätzung auf 40,- EUR festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, dass die Angeklagte „immerhin Halterin eines Kraftfahrzeuges“ sei, „was den Schluss auf ein Einkommen von mindestens 1.200,- EUR netto gestatte“.

Selbst wenn man annimmt, dass der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, namentlich der Umstand, dass die über Funk informierten Polizeibeamtinnen die Angeklagte „in der Nähe der ermittelten Halteranschrift“ fahrend in ihrem Kleinwagen angetroffen haben, hinreichend tragfähig belegt, dass die Angeklagten tatsächlich die Halterin des bzw. eines Kraftfahrzeuges ist, rechtfertigt dies nicht ohne jegliche weitere Angaben den Schluss auf ein monatliches Nettoeinkommen von mindestens 1.200,- EUR. Die bloße Angabe, dass die Angeklagte Halterin eines – im Übrigen nicht näher bezeichneten – Kraftfahrzeuges ist, ist ohne nähere Feststellungen zum Umfang ihres Lebenszuschnitts als Schätzgrundlage unzureichend.

3.

Da die im Rahmen Rechtsfolgenausspruchs grundsätzlich anzunehmende Wechselwirkung von Haupt- und Nebenstrafe (vgl. dazu nur SenE v. 10.10.2000 – Ss 393/00; SenE v. 10.06.2003 – Ss 200/03; SenE v. 01.08.2014 – III-1 RVs 130/14) besteht zwar ggf. zwischen der Festsetzung der Tagessatzanzahl und der Anordnung des Fahrverbotes, nicht aber im Verhältnis zu der hier allein der Aufhebung unterliegenden Tagessatzhöhe. Da das für sich genommen rechtfehlerfrei erkannte (deklaratorische) Fahrverbot erkennbar Art und Höhe der neu festzusetzenden Tagessatzhöhe nicht zu beeinflussen vermag, ist es aufrechtzuerhalten.

 

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