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Revision gegen Verwerfungsurteil: Unzulässig bei unentschuldigtem Fehlen

Weil ein Angeklagter in Bochum unentschuldigt zu seinem Gerichtstermin fehlte, wurde seine Berufung verworfen. Er kämpfte mit der Revision gegen das Verwerfungsurteil, scheiterte aber an der Frage, ob das nachträgliche Attest beachtet werden muss.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 ORs 22/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Hamm
  • Datum: 06.05.2025
  • Aktenzeichen: 2 ORs 22/25
  • Verfahren: Revision
  • Rechtsbereiche: Strafrecht, Strafprozessrecht

  • Das Problem: Die Berufung der Angeklagten wurde verworfen, weil sie unentschuldigt fehlte. Die Angeklagte behauptete in der Revision, sie sei krank gewesen und die Ladung sei unwirksam zugestellt worden.
  • Die Rechtsfrage: Kann eine Angeklagte ein Urteil kippen, indem sie erst in der Revision behauptet, sie sei krank oder fehlerhaft geladen worden?
  • Die Antwort: Nein. Das Gericht lehnte die Revision als unzulässig ab. Die Begründung der Angeklagten war unvollständig und zu ungenau dargelegt. Nachträglich vorgelegte Atteste sind in diesem Verfahren nicht verwertbar.
  • Die Bedeutung: Wer eine Entscheidung wegen unentschuldigten Fehlens anfechten will, muss dies sehr konkret begründen. Neue Beweise für Entschuldigungen sind grundsätzlich nur im gesonderten Wiedereinsetzungsverfahren zu prüfen.

Revision gegen Verwerfungsurteil: Wenn die Entschuldigung für den verpassten Gerichtstermin zu spät kommt

Ein Gerichtstermin ist angesetzt, doch der Platz der Angeklagten bleibt leer. Die Konsequenz im Berufungsverfahren ist oft drastisch: Das Gericht verwirft die Berufung, und das erstinstanzliche Urteil wird rechtskräftig. Was aber, wenn die Angeklagte gute Gründe für ihr Fehlen hatte – eine Krankheit oder eine fehlerhafte Ladung –, diese aber erst im Nachhinein geltend macht? Mit genau dieser Frage musste sich der Senat des Oberlandesgerichts Hamm in einem Beschluss vom 06. Mai 2025 (Az.: 2 ORs 22/25) auseinandersetzen. Der Fall entfaltet eine präzise Lektion über die strengen formellen Anforderungen des deutschen Strafprozessrechts und zeigt, warum der richtige Weg für eine Entschuldigung entscheidender ist als der Grund selbst.

Was genau war geschehen?

Ein Richter in Robe blickt über den Tisch auf einen leeren Stuhl in der Angeklagtenbank eines Gerichtssaals.
Fehlende Berufungstermine führen zur Verwerfung, wenn Entschuldigungen formal verspätet sind. | Symbolbild: KI

Die Geschichte beginnt mit einem Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 27. Mai 2024. Eine Frau wurde wegen Betrugs und unerlaubten Drogenbesitzes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Unzufrieden mit diesem Ergebnis, legte sie Berufung beim Landgericht Bochum ein, um eine neue Verhandlung zu erreichen. Doch zum entscheidenden Berufungstermin erschien sie nicht.

Für das Landgericht war die Sache klar: Die Ladung zum Termin war der Angeklagten ordnungsgemäß zugestellt worden, was eine Postzustellungsurkunde vom 05. Oktober 2024 belegte. Da sie weder erschienen war noch sich wirksam durch einen Anwalt hatte vertreten lassen und auch keine Entschuldigung vorlag, machte das Gericht von einer gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch: Es verwarf die Berufung mit einem sogenannten Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO). Damit war die Verurteilung des Amtsgerichts quasi bestätigt.

Erst Monate später, am 05. Februar 2025, meldete sich die Angeklagte über ihren Anwalt zurück. Sie beantragte eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Ihre Argumente: Sie habe die Ladung nie erhalten, da sie an die Anschrift ihres ehemaligen Lebensgefährten geschickt worden sei, der sie ihr nicht weitergeleitet habe. Zudem sei sie am Verhandlungstag krank gewesen, was eine neu ausgestellte ärztliche Bescheinigung belegen sollte. Das Landgericht Bochum ließ sich davon nicht überzeugen und wies den Antrag am 24. Februar 2025 zurück.

Die Angeklagte gab nicht auf und zog vor die nächste Instanz, das Oberlandesgericht Hamm. Mit einer Revision focht sie sowohl das Verwerfungsurteil als auch die Ablehnung ihres Wiedereinsetzungsantrags an. In ihrer Begründung legte sie nach: Das Landgericht hätte aufgrund des Attestes weiter ermitteln müssen. Die Adresse, an die zugestellt wurde, sei nie ihr Wohnsitz gewesen. Vielmehr handle es sich bei der Adresse auf dem Attest um eine Postanschrift einer Anlaufstelle für wohnungslose Frauen. Die Generalstaatsanwaltschaft sah dies anders und beantragte, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

Welche Spielregeln gelten für einen verpassten Gerichtstermin?

Um die Entscheidung des Oberlandesgerichts zu verstehen, muss man die Werkzeuge kennen, die das Gesetz für solche Situationen bereithält. Hier prallen zwei unterschiedliche Rechtsmittel aufeinander, die für Laien leicht zu verwechseln sind, aber juristisch Welten trennen.

Das zentrale Instrument ist hier das Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO. Es erlaubt einem Berufungsgericht, eine Berufung ohne inhaltliche Prüfung zurückzuweisen, wenn ein Angeklagter unentschuldigt fehlt. Voraussetzung ist, dass er ordnungsgemäß geladen wurde. Das Gesetz will damit verhindern, dass Verfahren durch das Nichterscheinen von Angeklagten verschleppt werden.

Wenn ein Angeklagter jedoch ohne sein Verschulden verhindert war – zum Beispiel durch einen plötzlichen Unfall oder weil er nachweislich keine Kenntnis vom Termin hatte –, bietet das Gesetz einen Rettungsanker: den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 329 Abs. 7 StPO. Hier kann er die Gründe für sein Fehlen darlegen und Beweise (wie ein ärztliches Attest) vorlegen, um eine neue Chance auf eine Verhandlung zu bekommen. Dieser Weg stand der Angeklagten offen, wurde vom Landgericht aber bereits abgewiesen.

Die Revision, die sie danach einlegte, ist etwas völlig anderes. Sie ist keine dritte Tatsacheninstanz. Das Revisionsgericht prüft nicht erneut, ob der Angeklagte schuldig ist oder ob die Strafe angemessen war. Es kontrolliert ausschließlich, ob das vorinstanzliche Gericht, hier das Landgericht, bei seiner Entscheidung Rechtsfehler gemacht hat. Die Hürden dafür sind extrem hoch. Insbesondere bei einer Verfahrensrüge muss der Revisionsführer nach § 344 Abs. 2 StPO in seiner Begründung alle Tatsachen lückenlos vortragen, die den behaupteten Fehler belegen sollen. Das Revisionsgericht entscheidet allein auf Basis dieser schriftlichen Begründung.

Warum erklärte das Oberlandesgericht die Revision für unzulässig?

Das Oberlandesgericht Hamm wies die Revision der Angeklagten nicht als unbegründet, sondern bereits als unzulässig zurück. Das bedeutet, es kam gar nicht erst zu einer inhaltlichen Prüfung der Argumente, weil bereits die formale Art und Weise, wie die Revision begründet wurde, den gesetzlichen Anforderungen nicht genügte. Die Richter stützten ihre Entscheidung auf mehrere, voneinander unabhängige Pfeiler.

Die formale Hürde: Warum die Begründung der Revision nicht ausreichte

Der erste und entscheidende Grund war ein formaler Mangel. Eine Revision ist kein formloser Brief, in dem man sein Missfallen äußert. Das Gesetz verlangt in § 344 Abs. 2 S. 2 StPO eine präzise Darlegung, worin der Rechtsfehler des unteren Gerichts liegen soll. Der Vortrag muss so vollständig sein, dass das Revisionsgericht den Fall allein anhand der Begründungsschrift prüfen kann, ohne in den Akten nachforschen zu müssen.

Genau das hatte die Angeklagte versäumt. Sie behauptete zwar, die Ladung sei fehlerhaft gewesen, erklärte aber nicht einmal, auf welche Art die sogenannte Ersatzzustellung erfolgt war – ob die Ladung einem Mitbewohner übergeben oder in den Briefkasten eingeworfen wurde. Dieser Unterschied ist juristisch relevant, da für jede Zustellungsart unterschiedliche Wirksamkeitsvoraussetzungen gelten. Ohne diese Information konnte das OLG die Rüge gar nicht erst prüfen. Die Begründung war schlicht unvollständig und damit formal unzulässig.

Der falsche Weg: Warum ein nachträgliches Attest nicht in die Revision gehört

Das Kernargument der Angeklagten war ihre Krankheit, belegt durch ein erst nach dem Termin ausgestelltes ärztliches Attest. Doch das OLG stellte klar, dass dieses Argument im Revisionsverfahren am falschen Platz war. Die Revision prüft, ob das Landgericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung einen Fehler gemacht hat. Als das Landgericht die Berufung verwarf, wusste es nichts von einer möglichen Erkrankung der Angeklagten. Es konnte also gar keinen Fehler machen, indem es einen ihm unbekannten Entschuldigungsgrund ignorierte.

Das Gericht folgte damit der ständigen Rechtsprechung: Nachträglich bekannt gewordene Entschuldigungsgründe sind der klassische Fall für einen Antrag auf Wiedereinsetzung. Diesen Weg hatte die Angeklagte bereits beschritten, war damit aber gescheitert. Sie versuchte nun, dasselbe Argument über den Umweg der Revision erneut ins Spiel zu bringen. Das Gesetz sieht diesen „zweiten Aufguss“ jedoch nicht vor. Die beiden Rechtsmittel – Wiedereinsetzung und Revision – dienen unterschiedlichen Zwecken und können nicht beliebig ausgetauscht werden.

Die unglaubwürdige Adresse: Warum das Gericht von einer wirksamen Ladung ausging

Auch das Argument der fehlerhaften Zustellung an die Adresse des Ex-Partners überzeugte die Richter nicht. Zwar behauptete die Angeklagte, dort nicht mehr gewohnt zu haben, doch diese bloße Behauptung stand im Widerspruch zu zahlreichen Fakten in der Gerichtsakte.

Das Gericht betonte, dass es für eine wirksame Zustellung nicht auf die offizielle Meldeadresse ankommt, sondern auf den tatsächlichen räumlichen Lebensmittelpunkt einer Person. Und es gab erdrückende Indizien dafür, dass sich dieser genau an der Adresse des Ex-Partners befand:

  • Polizeiliche Ermittlungen hatten sie dort angetroffen.
  • Sie selbst hatte diese Adresse in einer früheren Anhörung als ihre Wohnanschrift angegeben.
  • Die Mitteilung der Justizvollzugsanstalt nach ihrer Entlassung nannte dieselbe Adresse.
  • Eine Abfrage beim Einwohnermeldeamt ergab sogar, dass sie dort zum Tatzeitpunkt offiziell gemeldet war.

Angesichts dieser erdrückenden Faktenlage wog die Behauptung der Angeklagten, sie sei wohnungslos gewesen, für das Gericht nicht schwer genug. Die Postzustellungsurkunde hat eine starke Indizwirkung. Um diese zu erschüttern, hätte die Angeklagte einen schlüssigen und widerspruchsfreien Gegenbeweis antreten müssen, was ihr nicht gelang. Das Landgericht durfte daher davon ausgehen, dass die Ladung sie erreicht hatte.

Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?

Dieser Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm ist mehr als nur die Abweisung eines Rechtsmittels in einem Einzelfall. Er verdeutlicht grundlegende Prinzipien des deutschen Prozessrechts, die für jeden Bürger relevant sein können, der mit der Justiz in Kontakt kommt.

Die erste und wichtigste Lehre ist die strikte Trennung der Rechtswege. Das Rechtssystem ist kein flexibles Wunschkonzert, sondern ein System mit festen Regeln und klar definierten Werkzeugen für spezifische Probleme. Ein nachträglich aufgetauchter Entschuldigungsgrund, wie eine Krankheit, gehört in einen Antrag auf Wiedereinsetzung. Eine Revision hingegen dient ausschließlich der Korrektur von Rechtsfehlern des Gerichts. Der Versuch, diese Wege zu vermischen oder einen gescheiterten Versuch über einen anderen Weg zu wiederholen, ist zum Scheitern verurteilt. Es zeigt, wie entscheidend es ist, von Anfang an die richtige prozessuale Tür zu wählen.

Die zweite Erkenntnis betrifft die Beweiskraft von Fakten gegenüber bloßen Behauptungen. Die Angeklagte behauptete, an einem anderen Ort zu leben. Das Gericht hingegen stützte sich auf einen Berg von aktenkundigen Dokumenten und früheren Aussagen, die das Gegenteil belegten. In einem Rechtsstaat zählt, was nachweisbar ist. Eine einfache, unbelegte Behauptung reicht nicht aus, um die starke Indizwirkung offizieller Dokumente wie einer Postzustellungsurkunde zu entkräften. Der Fall mahnt zur Vorsicht: Was einmal in einer Akte steht, kann später entscheidendes Gewicht haben. Konsistenz und Nachweisbarkeit sind die Währungen, mit denen vor Gericht gehandelt wird.

Die Urteilslogik

Das Prozessrecht bewertet die strikte Einhaltung formaler Fristen und Wege höher als nachträglich vorgebrachte Entschuldigungsgründe.

  • Prozessuale Trennschärfe: Nachträglich bekannt gewordene Entschuldigungsgründe, die ein Fehlen entschuldigen sollen, erfordern stets einen Antrag auf Wiedereinsetzung und können nicht nachträglich über den Umweg einer Revision geltend gemacht werden.
  • Anforderung an die Revisionsbegründung: Wer einen Verfahrensfehler rügt, muss dem Revisionsgericht alle entscheidungserheblichen Tatsachen lückenlos und schlüssig darlegen, damit das Gericht allein anhand der Begründung eine Prüfung vornehmen kann.
  • Beweislast gegen Dokumente: Offizielle Dokumente wie die Postzustellungsurkunde besitzen eine hohe Indizwirkung; eine bloße unsubstantiierte Behauptung der Nichtkenntnis oder der falschen Adresse entkräftet diese nicht.

Der Erfolg eines Rechtsmittels hängt im Strafprozess wesentlich davon ab, den formal korrekten Weg zum richtigen Zeitpunkt zu wählen.


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Experten Kommentar

Wer einen Gerichtstermin verpasst, greift oft reflexartig zur Notbremse. Dieses Urteil hält klar fest: Die beste nachträgliche Entschuldigung, etwa ein ärztliches Attest, gehört zwingend in den Antrag auf Wiedereinsetzung und nicht in eine Revision gegen das Verwerfungsurteil. Das Landgericht kann schließlich keinen Fehler gemacht haben, als es einen Entschuldigungsgrund ignorierte, den es zum Zeitpunkt der Verwerfung gar nicht kennen konnte. Das ist eine konsequente Lektion: Wer die strengen formalen Anforderungen der Revisionsbegründung vergisst oder die Rechtsmittel vermischt, scheitert, bevor die inhaltliche Prüfung überhaupt beginnt.


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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was passiert, wenn ich meinen Berufungstermin unentschuldigt verpasse?

Wenn Sie unentschuldigt zu einem Berufungstermin vor dem Landgericht fehlen, wird das Verfahren ohne inhaltliche Prüfung der Schuldfrage beendet. Das Gericht spricht in diesem Fall ein Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO aus. Dies hat drastische Konsequenzen: Das Urteil der ersten Instanz (Amtsgericht) wird unmittelbar rechtskräftig, und die verhängte Strafe kann sofort vollstreckt werden.

Dieses formale Vorgehen dient dazu, die Verschleppung von Gerichtsverfahren zu verhindern. Die Verwerfung setzt voraus, dass Ihnen die Ladung ordnungsgemäß zugestellt wurde. Das Gericht prüft dann nicht mehr, ob die Verurteilung inhaltlich korrekt war, sondern stellt lediglich Ihr Nicht-Erscheinen fest. Das Verwerfungsurteil bestätigt somit das erstinstanzliche Urteil in seiner Endgültigkeit.

Ihr einziger gesetzlicher Rettungsanker gegen die sofortige Rechtskraft ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Diesen Antrag können Sie nur stellen, wenn Sie nachweisen, dass Ihr Fehlen absolut ohne Ihr Verschulden erfolgte. Ein Beispiel: Eine plötzliche schwere Krankheit, belegt durch ein umgehend vorgelegtes Attest, oder eine nachweislich fehlerhafte Zustellung der Ladung sind dafür geeignete Gründe.

Handeln Sie schnellstmöglich und kontaktieren Sie einen Rechtsanwalt, um die kurze Frist für den formalen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu sichern.


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Ist Wiedereinsetzung statt Revision der richtige Weg gegen ein Verwerfungsurteil?

Die Revision ist formal das korrekte Rechtsmittel, um ein Verwerfungsurteil des Landgerichts anzufechten. Allerdings dienen die Rechtsmittel Wiedereinsetzung und Revision strikt unterschiedlichen Zwecken. Nachträglich bekannt gewordene Entschuldigungsgründe für das Fernbleiben beim Gerichtstermin gehören nicht in die Revision. Solche Tatsachen müssen Sie stets zuerst und ausschließlich über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geltend machen.

Die Revision ist keine dritte Tatsacheninstanz, sondern dient ausschließlich dazu, Rechtsfehler des Gerichts zu korrigieren. Sie prüft nicht erneut, ob Ihre Gründe für das Fehlen, wie etwa eine plötzliche Krankheit oder eine fehlerhafte Ladung, stichhaltig sind. Der klassische Weg für die nachträgliche Geltendmachung solcher Entschuldigungsgründe ist der Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 329 Abs. 7 StPO. Dieses Rechtsmittel ist dafür konzipiert, das ursprüngliche Urteil wegen fehlenden Verschuldens des Angeklagten wieder zur Verhandlung zu bringen.

Nehmen wir an, das Landgericht hat Ihren Antrag auf Wiedereinsetzung bereits abgelehnt. Wenn Sie nun in der Revisionsbegründung versuchen, dieselben Entschuldigungsgründe erneut vorzubringen, werten die Oberlandesgerichte dies als unzulässigen „zweiten Aufguss“. In diesem Fall müssen Sie die Revision dazu nutzen, den konkreten Rechtsfehler zu rügen, den das Gericht bei der Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrags begangen hat. Der Versuch, die Tatsachenfrage direkt im Revisionsverfahren zu klären, ist zum Scheitern verurteilt.

Prüfen Sie dringend, ob Sie fristgerecht Wiedereinsetzung beantragt haben; wurde diese abgelehnt, muss die Revision explizit den prozessualen Fehler dieser Ablehnung rügen.


 

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Wie widerlege ich die Zustellungsurkunde, wenn die Ladung an die falsche Adresse ging?

Die Postzustellungsurkunde (PZU) stellt im deutschen Prozessrecht eine sehr hohe Hürde dar. Sie besitzt eine starke Indizwirkung, welche die Richtigkeit der Zustellung rechtlich beweist. Eine bloße Behauptung, die Ladung sei nie angekommen oder die Adresse sei falsch gewesen, reicht deshalb nicht aus. Sie müssen einen schlüssigen, widerspruchsfreien und aktenfesten Gegenbeweis vorlegen, um die Gültigkeit der Urkunde zu erschüttern.

Gerichte prüfen bei Zweifeln an der Zustellung nicht nur die offizielle Meldeadresse. Entscheidend ist der tatsächliche räumliche Lebensmittelpunkt der geladenen Person. Die Regel: Der Gegenbeweis muss lückenlos und widerspruchsfrei die Unwirksamkeit der Zustellung belegen. Wer die angebliche Fehlzustellung rügt, muss dabei äußerst vorsichtig sein, da frühere eigene Angaben in der Gerichtsakte entscheidend sein können.

Nehmen wir an, Sie geben an, an Adresse A nicht mehr zu wohnen. Wenn jedoch in der Akte Dokumente – etwa polizeiliche Protokolle, Entlassungsmitteilungen der JVA oder frühere Anhörungen – existieren, in denen Sie selbst Adresse A als Wohnsitz genannt haben, wird Ihre aktuelle Behauptung unglaubwürdig. Solche Widersprüche erhöhen die Beweislast massiv. Das Gericht darf in diesem Fall von einer wirksamen Ladung ausgehen und die Berufung verwerfen.

Ziehen Sie unbedingt alle offiziellen Mitteilungen und Protokolle hinzu, um zu prüfen, ob die fälschlich zugestellte Adresse nicht durch Ihre eigenen früheren Angaben in der Akte legitimiert wurde.


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Was tun, wenn das Gericht meine Entschuldigung (Attest) als zu spät oder irrelevant ablehnt?

Wenn der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gescheitert ist, dient die darauf folgende Revision nicht der erneuten inhaltlichen Verteidigung Ihres Attestes. Sie dürfen im Revisionsverfahren nicht versuchen, das Gericht von den Tatsachen Ihrer Krankheit zu überzeugen. Stattdessen müssen Sie den konkreten Rechtsfehler des Landgerichts rügen, der zur Ablehnung Ihres Antrags führte.

Das Revisionsgericht fungiert niemals als dritte Tatsacheninstanz in der Strafsache. Seine Rolle ist streng darauf beschränkt, ausschließlich zu überprüfen, ob die Vorinstanz formelle Verfahrensregeln verletzt hat. Es interessiert sich nicht dafür, ob das ärztliche Attest medizinisch stichhaltig war oder ob die Krankheit tatsächlich vorlag. Der gerügte Mangel musste bereits im Moment der gerichtlichen Entscheidung über die Wiedereinsetzung existiert haben. Nachträglich bekannt gewordene Fakten oder Beweise dürfen in diesem fortgeschrittenen Verfahrensschritt nicht mehr eingeführt werden.

Der Angriffspunkt liegt daher im ablehnenden Beschluss des Landgerichts selbst. Sie müssen als Verfahrensrüge geltend machen, dass das Landgericht seine Aufklärungspflicht verletzte oder das vorgelegte Beweismittel fehlerhaft würdigte. Ein Beispiel hierfür ist die fehlerhafte Annahme, dass der Attestgrund nicht kausal für das Fernbleiben war. Wenn das Gericht den Antrag jedoch formal korrekt und gut begründet ablehnte, weil das Attest die fehlende Schuld nicht lückenlos belegte, ist eine erfolgreiche Anfechtung über die Revision nahezu unmöglich.

Analysieren Sie den ablehnenden Beschluss des Landgerichts Punkt für Punkt mit Ihrem Anwalt, um konkrete formale Mängel für die Verfahrensrüge zu identifizieren.


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Welche formalen Fehler machen meine Revisionsbegründung sofort unzulässig?

Die größte Gefahr liegt in der mangelhaften Darlegung der Rüge. Das Gesetz verlangt in § 344 Abs. 2 StPO, dass Sie alle Tatsachen lückenlos vortragen, die den behaupteten Rechtsfehler beweisen. Das Revisionsgericht prüft den Fall ausschließlich anhand Ihres Schriftsatzes. Es darf nicht selbst in der Akte nach weiteren Beweisen suchen, um die Revisionsbegründung nachträglich zu vervollständigen.

Die Revision ist keine Tatsacheninstanz, sondern korrigiert lediglich Rechtsfehler, die dem vorinstanzlichen Gericht unterlaufen sind. Wenn Sie eine Verfahrensrüge erheben, muss diese Begründung so vollständig sein, dass das Oberlandesgericht sofort die Fehlerhaftigkeit des Prozesses erkennen kann. Fehlen essenzielle Details zum Geschehensablauf, gilt die gesamte Revisionsbegründung als unzulässig. Diese strenge Anforderung dient der Verfahrensbeschleunigung und stellt sicher, dass nur klar definierte Rechtsfragen geprüft werden.

Ein typisches Scheitern betrifft Rügen wegen fehlerhafter Zustellung der Ladung. Konkret: Es genügt nicht, nur allgemein die Unwirksamkeit der Zustellung zu behaupten. Sie müssen präzise beschreiben, auf welche Weise die Ersatzzustellung erfolgt ist, beispielsweise ob die Ladung einem Mitbewohner übergeben oder in den Briefkasten eingeworfen wurde. Ohne diese genauen Angaben zur Zustellungsart kann das Gericht die Wirksamkeit der Ladung nicht nachvollziehen.

Überprüfen Sie jeden Abschnitt Ihrer Revisionsbegründung daraufhin, ob er Tatsachenbehauptungen klar von der Benennung des konkreten formalen Rechtsfehlers trennt.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Ersatzzustellung

Ersatzzustellung ist eine juristische Methode der Zustellung von Gerichtsdokumenten, die dann angewendet wird, wenn die adressierte Person nicht persönlich angetroffen wird. Das Gesetz regelt diese Form der Zustellung präzise, um die Funktionsfähigkeit der Justiz zu gewährleisten und sicherzustellen, dass Verfahren trotzdem zügig vorankommen.
Beispiel: Ohne die genaue Angabe, ob die Ersatzzustellung durch Einwurf in den Briefkasten oder Übergabe an den Ex-Partner erfolgte, konnte das Revisionsgericht die behauptete fehlerhafte Zustellung nicht prüfen.

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Indizwirkung (starke)

Juristen nennen das die starke Indizwirkung, wenn einem Beweismittel, wie einer offiziellen Urkunde, ein besonders hoher Beweiswert beigemessen wird. Dieses Prinzip bewirkt, dass das Gericht die Richtigkeit des Inhalts als wahr annimmt, bis das Gegenteil lückenlos und schlüssig bewiesen wird. Solche Dokumente schaffen damit hohe Rechtssicherheit im Verfahrensrecht.
Beispiel: Die Postzustellungsurkunde hatte eine starke Indizwirkung, die die Angeklagte durch ihre bloßen Behauptungen zu ihrem angeblichen Wohnsitz nicht erschüttern konnte.

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Postzustellungsurkunde (PZU)

Eine Postzustellungsurkunde (PZU) ist ein amtliches Dokument, das die ordnungsgemäße und fristgerechte Übergabe wichtiger Gerichtsschreiben an den Adressaten rechtlich bezeugt. Diese Urkunde dient dem Gericht als formaler Beweis dafür, dass eine Ladung oder ein Beschluss den Empfänger erreicht hat, was für die Wirksamkeit von Terminen zentral ist. Die PZU ist damit ein zentrales Werkzeug für die Verfahrenssicherheit.
Beispiel: Obwohl die Angeklagte behauptete, die Ladung nie erhalten zu haben, belegte die Postzustellungsurkunde vom 05. Oktober 2024 die korrekte formelle Zustellung der Berufungsladung.

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Verfahrensrüge

Eine Verfahrensrüge ist ein spezieller Bestandteil der Revisionsbegründung, mit dem moniert wird, dass das vorinstanzliche Gericht einen formalen prozessualen Fehler begangen hat. Im Gegensatz zur Sachrüge zielt die Verfahrensrüge auf Mängel im Ablauf des Prozesses ab, wie die Verletzung von Formvorschriften oder der Aufklärungspflicht. Sie muss extrem detailliert und lückenlos nach § 344 Abs. 2 StPO dargelegt werden.
Beispiel: Um die Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrags anzufechten, musste die Angeklagte in der Revision eine präzise Verfahrensrüge erheben, welche die konkrete Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht belegte.

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Verwerfungsurteil

Ein Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO ist die gerichtliche Entscheidung, mit der eine eingelegte Berufung ohne inhaltliche Prüfung des Sachverhalts zurückgewiesen wird. Gerichte nutzen dieses strenge Instrument, wenn der Angeklagte dem Termin unentschuldigt fernbleibt, obwohl er ordnungsgemäß geladen wurde, um die Verfahrensbeschleunigung zu sichern.
Beispiel: Nachdem die Angeklagte dem Berufungstermin beim Landgericht fernblieb und keine Entschuldigung vorlag, verwarf das Gericht ihre Berufung mit einem Verwerfungsurteil.

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Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ein juristischer Rettungsanker, der es ermöglicht, eine versäumte Frist oder einen verpassten Gerichtstermin ohne eigenes Verschulden nachträglich zu heilen. Dieses Rechtsmittel stellt sicher, dass niemand Nachteile erleidet, wenn er unverschuldet verhindert war, weshalb der Antrag schnellstmöglich gestellt und der fehlende Schuldgrund nachgewiesen werden muss.
Beispiel: Die Angeklagte beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, als sie Monate nach dem Verwerfungsurteil ihre Krankheit als unverschuldeten Grund für ihr Fehlen geltend machen wollte.

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Das vorliegende Urteil


Oberlandesgericht Hamm – Az.: 2 ORs 22/25 – Beschluss vom 06.05.2025


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