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Ordnungsgeld wegen Sitzenbleiben zum Verhandlungsbeginn

OLG Jena – Az.: 1 Ws 230/18 – Beschluss vom 06.08.2018

Die sofortige Beschwerde gegen den Ordnungsmittelbeschluss des Landgerichts Erfurt vom 05.01.2018 wird auf Kosten der Angeklagten mit der Maßgabe verworfen, dass die für den Fall der nicht möglichen Beitreibung des Ordnungsgeldes bestimmte Ordnungshaft auf 1 Tag ermäßigt wird.

Gründe

Die sofortige Beschwerde gegen den am 05.01.2018, dem 4. Hauptverhandlungstag, gegen die Angeklagte erlassenen und verkündeten Ordnungsmittelbeschluss des Landgerichts Erfurt ist zulässig, hat aber – mit Ausnahme einer Herabsetzung der ersatzweise zu vollstreckenden Ordnungshaft – in der Sache keinen Erfolg. Zur Begründung nimmt der Senat auf die in der – vorab bekannt gegebenen – Stellungnahme der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft vom 27.06.2018 umfassend dargestellten zutreffenden Gründe Bezug, die durch die Erwiderung des Verteidigers im Schriftsatz vom 12.07.2018 nicht entkräftet werden.

Ergänzend ist auszuführen:

In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass das demonstrative Sitzenbleiben bei Betreten des Sitzungssaals durch das Gericht zu Beginn einer Sitzung, bei der Vereidigung von Zeugen oder Sachverständigen oder bei der Verkündung der Urteilsformel ein ungebührliches Verhalten darstellen kann, insbesondere wenn dies trotz mehrfacher Aufforderung des Vorsitzenden in der Absicht geschieht, das Gericht zu provozieren oder herabzusetzen (vgl. etwa OLG Celle, NStZ-RR 2012, 119; OLG Köln, NStZ 2016, 440; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 178n GVG Rdnr. 3).

Dass es der Angeklagten, die dieses Verhalten erst ab dem 3. Verhandlungstag der – nach Aussetzung erneut begonnenen – Berufungshauptverhandlung an den Tag legte und trotz mehrfacher Ermahnungen der Vorsitzenden einschließlich der Androhung von Ordnungsmitteln (sowie eines von dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft bereits am 3. Verhandlungstag gestellten entsprechenden Antrags) am Beginn des 4. Verhandlungstages fortsetzte, gerade darauf ankam, das Gericht einschließlich der ehrenamtlichen Richter zu provozieren bzw. eine nicht (mehr) bestehende Bereitschaft, diese Gerichtspersonen als solche zu respektieren, zu dokumentieren, wird nicht nur aus dem Vorbringen des Verteidigers in dem Erwiderungsschriftsatz vom 12.07.2018, sondern insbesondere auch aus dem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem für den 3. Verhandlungstag vorbereiteten und an diesem Tag verlesenen sowie als Anlage zum Protokoll vom 18.12.2018 genommenen Ablehnungsantrag deutlich. Darin wird aus einem näher beschriebenen Verhalten des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft am 2. Verhandlungstag ein vermeintlicher Befangenheitsgrund nicht nur gegenüber der Vorsitzenden, sondern bemerkenswerter Weise auch gegenüber den – an der Verhandlungsführung völlig unbeteiligten – Schöffen hergeleitet, den die Angeklagte durch das demonstrative Sitzenbleiben offenkundig unterstreichen wollte.

Ordnungsgeld wegen Sitzenbleiben zum Verhandlungsbeginn
(Symbolfoto: Von Rommel Canlas/Shutterstock.com)

Dass dies vorsätzlich und schuldhaft erfolgte, steht nach dem vollständig aus dem Verhandlungsprotokoll ersichtlichen und in seiner Gesamtheit zu würdigenden Geschehen außer Frage. Die in der Hauptverhandlung vom 05.01.2018 vorsorglich auch veranlasste Prüfung der Verhandlungs fähigkeit der Angeklagten beruhte erkennbar nicht auf konkreten Zweifeln des Gerichts, sondern auf entsprechendem Vortrag des Verteidigers in dem o. g. Ablehnungsantrag zu einer “ befürchteten“ Retraumatisierung „im Falle einer Fortsetzung der Hauptverhandlung mit auch nur einer der bislang beteiligten Richterpersönlichkeiten …“.

Anhaltspunkte dafür, dass die Angeklagte am Beginn des 4. Verhandlungstages aufgrund konkreter gesundheitlicher Beeinträchtigungen physischer oder psychischer Art gehindert war, sich bei Eintritt des Gerichts zu erheben, sind nicht ersichtlich und werden auch nicht vorgetragen. Dass die Angeklagte aufgrund der von dem Verteidiger thematisierten Persönlichkeitsstörung bzw. psychischen Belastung – im Sinne einer vollständig fehlenden Unrechtseinsicht bzw. Steuerungsfähigkeit – nicht in der Lage gewesen wäre, so einfache Zusammenhänge wie die Bedeutung des trotz mehrfacher Ermahnungen hartnäckig fortgesetzten, demonstrativen „Sitzenbleibens“ zu erfassen bzw. die entsprechende Ordnungsmittelandrohung zu verstehen und sich „gebührlich“, d. h. dem Ort und der Situation angemessen zu benehmen, ist angesichts des sonstigen Verhaltens der gerichtserfahrenen Angeklagten in der Verhandlung, in der sie wiederholt Rücksprache mit ihrem Verteidiger hielt, Angaben zu ihrem derzeitigen Gesundheitszustand machte und eine amtsärztliche Untersuchung verweigerte, was ihre Fähigkeit zu rationalen Handlungen an diesem Tag unterstreicht, auszuschließen.

Vielmehr stellt sich ihr Verhalten als demonstrative, das Gericht herabwürdigende Kundgabe von Nichtachtung und als zielstrebig vorgenommene Unterstreichung des zuvor gestellten Befangenheitsgesuchs dar, mit dem selbst die Schöffen für ein vermeintliches Fehlverhalten des Staatsanwalts verantwortlich gemacht werden sollen.

Bei der gegebenen Sachlage, insbesondere vor dem Hintergrund der mehrfachen Ermahnungen und Androhungen vor der – trotz anschließend fortgesetzter Ungebühr nur einmal vorgenommenen – Verhängung von Ordnungsmitteln ist auch der Vorwurf einer „schematischen“ Handhabung durch das Gericht fernliegend und nicht gerechtfertigt.

Die Höhe des maßvoll festgesetzten Ordnungsgeldes ist nicht zu beanstanden.

Allerdings erschien dem Senat mit Blick auf die konkret zugrunde liegende Ungebühr eine ersatzweise Ordnungshaft von 1 Tag als ausreichend.

4.

Die Kostenentscheidung hat wegen der ganz überwiegenden Erfolglosigkeit des Rechtsmittels ihre Grundlage in § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

 

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