Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Aggressives Fahrverhalten: Rechtsfolgen und Konsequenzen im Straßenverkehr
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Strafen drohen bei Nötigung und Beleidigung im Straßenverkehr?
- Was gilt rechtlich als Nötigung im Straßenverkehr?
- Welche Beweise werden bei Nötigung und Beleidigung im Straßenverkehr anerkannt?
- Wie wirkt sich ein Fahrverbot auf Beruf und Alltag aus?
- Welche Verteidigungsmöglichkeiten gibt es bei Vorwürfen der Nötigung im Straßenverkehr?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Amtsgericht München
- Datum: 19.05.2022
- Aktenzeichen: 943 Cs 412 Js 158569/21
- Verfahrensart: Strafverfahren
- Rechtsbereiche: Strafrecht, Verkehrsrecht
Beteiligte Parteien:
- G2. F. (Angeklagter): Der Angeklagte wurde aufgrund von Nötigung in Tateinheit mit Beleidigung verurteilt. Er bestritt den Vorfall im R.-St.-Tunnel und behauptete, zur Tatzeit woanders gewesen zu sein. Dennoch gestand er durch seinen Verteidiger, am 31.03.2021 mit dem besagten Fahrzeug gefahren zu sein.
- Zeugin (Geschädigte): Die Geschädigte schilderte, wie ihr Fahrzeug im Straßenverkehr bedrängt und abgebremst wurde. Sie erkannte das Fahrzeug des Angeklagten und bestätigte das Kennzeichen. Sie und ihre Tochter waren Zeugen der Beleidigung durch den Angeklagten in Form eines ausgestreckten Mittelfingers.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Am 31.03.2021 fuhr der Angeklagte G2. F. im R.-St.-Tunnel auf das vorausfahrende Fahrzeug der Zeugin dicht auf, überholte es und bremste es dann ohne verkehrsbedingten Anlass stark aus. Anschließend beleidigte er die Zeugin mit einer obszönen Geste.
- Kern des Rechtsstreits: Die Frage war, ob der Angeklagte die Tat vollzogen hat und ob sein Verhalten den Straftatbestand der Nötigung in Tateinheit mit Beleidigung erfüllt.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Der Angeklagte wurde für schuldig befunden und zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 30 Euro verurteilt. Zusätzlich wurde ihm ein dreimonatiges Fahrverbot auferlegt.
- Begründung: Das Gericht überzeugte die Aussage der Zeugin und stützte das Urteil auf diese sowie auf die in der Hauptverhandlung vorgelegten Beweise, einschließlich der Lichtbilder. Die Tat wurde als verwerflich eingestuft, da der Angeklagte absichtlich eine Gefährdung des Straßenverkehrs und eine Gesundheitsgefährdung für ein geringwertiges Ziel in Kauf nahm.
- Folgen: Der Angeklagte muss die Geldstrafe bezahlen und darf drei Monate lang keine Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr führen. Er trägt auch die Kosten des Verfahrens und seine eigenen Auslagen.
Aggressives Fahrverhalten: Rechtsfolgen und Konsequenzen im Straßenverkehr
Der Straßenverkehr ist ein Bereich, in dem Emotionen schnell hochkochen können. Aggressive Verhaltensweisen wie Nötigung und Beleidigung gehören leider zum Alltag vieler Verkehrsteilnehmer und stellen nicht nur ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar, sondern haben auch rechtliche Konsequenzen.
Die Rechtslage im Straßenverkehrsrecht macht deutlich, dass solche Verhaltensmuster keineswegs folgenlos bleiben. Verkehrsdelikte wie Nötigung oder Beleidigung können mit empfindlichen Strafen wie Geldstrafen, Punkten im Fahreignungsregister oder sogar Fahrverboten geahndet werden, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten und aggressives Fahrverhalten zu unterbinden.
Die folgenden Ausführungen beleuchten einen konkreten Gerichtsfall, der die rechtlichen Aspekte und möglichen Konsequenzen solcher Verkehrsstraftaten exemplarisch aufzeigt.
Der Fall vor Gericht
Kraftfahrer wegen gefährlicher Nötigung im Tunnel bestraft
![Aggressives Drängeln im Richard-Strauss-Tunnel: Ein Audi A5 folgt einem Fahrzeug dicht auf, Fahrer angespannt.](https://b2450221.smushcdn.com/2450221/wp-content/uploads/2025/01/noetigung-beleidigung-strassenverkehr-500x500.jpeg?lossy=1&strip=1&webp=1)
Das Amtsgericht München hat einen 31-jährigen Kaufmann wegen Nötigung und Beleidigung zu einer Geldstrafe von insgesamt 1.800 Euro verurteilt. Zusätzlich wurde ein dreimonatiges Fahrverbot gegen den bislang nicht vorbestraften Mann verhängt.
Gefährliches Ausbremsen im Münchner Tunnel
Der Vorfall ereignete sich am 31. März 2021 im Richard-Strauss-Tunnel in München. Der Angeklagte fuhr mit dem Audi A5 seiner Mutter einer VW Golf-Fahrerin so dicht auf, dass diese im Rückspiegel das Kennzeichen seines Fahrzeugs nicht mehr erkennen konnte. Mit diesem Verhalten wollte er die vor ihm fahrende Frau zum Spurwechsel oder zu schnellerem Fahren nötigen. Nachdem er sie überholt hatte, bremste er seinen Wagen ohne verkehrsbedingten Grund stark ab, sodass die Geschädigte ebenfalls eine Vollbremsung einleiten musste, um eine Kollision zu vermeiden. Anschließend zeigte er ihr noch den Mittelfinger.
Gericht überzeugt von Schuld des Angeklagten
Der Angeklagte bestritt über seinen Verteidiger die Vorwürfe teilweise. Er räumte lediglich ein, zum fraglichen Zeitpunkt mit dem Fahrzeug unterwegs gewesen zu sein, bestritt aber die Nötigungs- und Beleidigungshandlungen. Das Gericht sah seine Schuld jedoch aufgrund der Aussage des Opfers sowie Fotobeweisen als erwiesen an. Die Geschädigte, von Beruf Fotografin, hatte den Vorfall gemeinsam mit ihrer Tochter beobachtet. Sie konnte sich das Kennzeichen des Fahrzeugs merken und fotografierte den Wagen später an einer Ampel. Das von ihrer Tochter aufgenommene Foto des Fahrers wies deutliche Ähnlichkeiten mit dem Angeklagten auf.
Erhebliche Gefährdung als strafverschärfender Faktor
Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Gericht strafmildernd die fehlenden Vorstrafen des Angeklagten. Strafschärfend wurde dagegen gewertet, dass er durch sein Verhalten auf der vielbefahrenen zweispurigen Straße sowohl die Geschädigte als auch deren Tochter einer erheblichen Verletzungsgefahr aussetzte. Zudem verwirklichte er mit der Nötigung und Beleidigung gleich zwei Straftaten, die unterschiedliche Rechtsgüter verletzten.
Dreimonatiges Fahrverbot als zusätzliche Sanktion
Das Gericht setzte die Höhe der einzelnen Tagessätze entsprechend dem Nettoeinkommen des Angeklagten von 1.070 Euro auf jeweils 30 Euro fest. Das zusätzlich verhängte dreimonatige Fahrverbot begründete das Gericht damit, dass der rechtstreuen Bevölkerung ein derartiges Fehlverhalten im Straßenverkehr ohne Verkehrsspezifische Sanktion nicht zu vermitteln wäre. Die Maßnahme sei zur Einwirkung auf den Angeklagten und zur Verteidigung der Rechtsordnung erforderlich.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass aggressives Verhalten im Straßenverkehr wie dichtes Auffahren, gefährliches Ausbremsen und beleidigende Gesten als Nötigung und Beleidigung strafbar sind. Die Kombination dieser Vergehen führt zu empfindlichen Strafen – hier 60 Tagessätze Geldstrafe und 3 Monate Fahrverbot. Besonders schwer wiegt, dass die Taten beim Führen eines Kraftfahrzeugs begangen wurden und der Täter die andere Person vorsätzlich maßregeln wollte.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie im Straßenverkehr andere Verkehrsteilnehmer durch dichtes Auffahren oder plötzliches Abbremsen nötigen oder beleidigen, müssen Sie mit erheblichen Konsequenzen rechnen. Neben einer Geldstrafe, die sich nach Ihrem Einkommen richtet, droht ein mehrmonatiges Fahrverbot – auch wenn Sie bisher nicht vorbestraft sind. Dies kann massive Auswirkungen auf Ihre Mobilität und berufliche Situation haben. Besonders kritisch sehen Gerichte es, wenn Sie andere Verkehrsteilnehmer bewusst „erziehen“ oder maßregeln wollen. Die Strafe fällt dann in der Regel höher aus.
Im Straßenverkehr richtig reagieren
Falsches Verhalten im Straßenverkehr kann schnell zu rechtlichen Konsequenzen führen, wie das Beispiel des 31-jährigen Kaufmanns zeigt. Aggressives Fahren und Beleidigungen werden nicht nur mit Bußgeldern geahndet, sondern können auch zu Geldstrafen und Fahrverboten führen. Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Rechte zu wahren und in schwierigen Verkehrssituationen richtig zu reagieren. Gerne helfen wir Ihnen, die rechtlichen Folgen von Verkehrsdelikten besser zu verstehen und Ihre Handlungsmöglichkeiten abzuwägen.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Strafen drohen bei Nötigung und Beleidigung im Straßenverkehr?
Strafen bei Nötigung im Straßenverkehr
Die Nötigung im Straßenverkehr wird nach § 240 StGB als Straftat verfolgt und kann folgende Konsequenzen nach sich ziehen:
- Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren
- Geldstrafe in Tagessätzen
- Fahrverbot zwischen einem und drei Monaten
- 3 Punkte in Flensburg
- Mögliche Entziehung der Fahrerlaubnis
In besonders schweren Fällen kann die Freiheitsstrafe sogar bis zu fünf Jahre betragen.
Strafen bei Beleidigung im Straßenverkehr
Bei Beleidigungen im Straßenverkehr drohen nach § 185 StGB:
- Geldstrafe in Tagessätzen
- Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr
- Bei tätlicher Beleidigung Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren
Die Höhe der Geldstrafe richtet sich nach dem persönlichen Einkommen. Ein Tagessatz wird berechnet, indem das Nettomonatseinkommen durch 30 geteilt wird. Die maximale Höhe eines Tagessatzes ist auf 30.000 Euro begrenzt.
Praktische Beispiele für Strafen
Wenn Sie im Straßenverkehr drängeln oder andere Verkehrsteilnehmer ausbremsen, kann dies als Nötigung gewertet werden. Das Oberlandesgericht Stuttgart definiert eine strafbare Nötigung als einen Vorgang von einiger Dauer und größerer Intensität.
Bei Beleidigungen wie dem Zeigen des Mittelfingers werden üblicherweise Geldstrafen zwischen 10 und 30 Tagessätzen verhängt. Ein konkretes Beispiel: Bei einer Anzeige wegen Zeigen des „Stinkefingers“ kann eine Geldstrafe von 4.000 Euro oder mehr fällig werden.
Zusätzliche Konsequenzen
Bei beiden Delikten können weitere Folgen eintreten:
- Schadensersatzansprüche bei nachweisbaren Schäden
- Schmerzensgeldzahlungen bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen
- Nutzungsausfall wenn das Fahrzeug nicht genutzt werden kann
Die Höhe der konkreten Strafe hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Schwere der Tat, den Tatumständen und eventuellen Vorstrafen.
Was gilt rechtlich als Nötigung im Straßenverkehr?
Eine Nötigung im Straßenverkehr liegt vor, wenn Sie einen anderen Verkehrsteilnehmer rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingen. Der Tatbestand ist in § 240 StGB geregelt und wird als Straftat eingestuft – nicht als bloße Ordnungswidrigkeit.
Voraussetzungen für eine strafbare Nötigung
Eine strafbare Nötigung setzt voraus, dass das Verhalten vorsätzlich erfolgt und der Täter gezielt Druck auf einen anderen Verkehrsteilnehmer ausübt. Die Einwirkung auf den anderen Verkehrsteilnehmer muss dabei nicht die bloße Folge, sondern der Zweck des verbotswidrigen Verhaltens sein.
Typische Erscheinungsformen
Als Nötigung gelten insbesondere folgende Verhaltensweisen:
- Dichtes Auffahren mit dauerhafter Lichthupenbetätigung, wodurch der Vordermann zum Spurwechsel gedrängt werden soll
- Absichtliches Ausbremsen durch grundloses Bremsen oder überraschenden Fahrbahnwechsel
- Überholbehinderung durch absichtliches Langsamfahren mit plötzlichem Ausscheren oder beharrliches Linksfahren bei freier rechter Spur
Abgrenzung zur Ordnungswidrigkeit
Nicht jedes verkehrswidrige Verhalten erfüllt den Straftatbestand. Ein einzelner Abstandsverstoß stellt zunächst nur eine Ordnungswidrigkeit dar. Von einer Nötigung spricht man erst, wenn das Verhalten mit besonderer Intensität oder Hartnäckigkeit erfolgt. Auch der Stinkefinger im Straßenverkehr ist keine Nötigung, sondern fällt unter den Tatbestand der Beleidigung.
Die Nötigung im Straßenverkehr wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet. Zusätzlich drohen ein Fahrverbot von einem bis zu sechs Monaten und drei Punkte in Flensburg.
Welche Beweise werden bei Nötigung und Beleidigung im Straßenverkehr anerkannt?
Zeugenaussagen als primäres Beweismittel
Bei Vorfällen im Straßenverkehr ist Ihre eigene Aussage bereits ein wichtiges Beweismittel. Besonders wertvoll sind Aussagen unbeteiligter Zeugen wie Mitfahrer oder andere Verkehrsteilnehmer, die den Vorfall beobachtet haben. Die Glaubwürdigkeit der Aussage des Geschädigten wird von den Strafverfolgungsbehörden zunächst höher eingestuft als die des Beschuldigten.
Technische Beweismittel
Dashcam-Aufnahmen können als Beweismittel vor Gericht verwendet werden, auch wenn sie zunächst einen Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen darstellen. Der Bundesgerichtshof hat in einem Grundsatzurteil vom 15. Mai 2018 die Verwertbarkeit von Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel bestätigt.
Dokumentation des Vorfalls
Für eine erfolgreiche Strafverfolgung ist eine genaue Dokumentation des Vorfalls wichtig. Dazu gehören:
- Eine detaillierte Beschreibung des Tathergangs
- Das Kennzeichen des beteiligten Fahrzeugs
- Eine Beschreibung des Fahrers oder der Fahrerin
- Ort, Datum und Uhrzeit des Vorfalls
Beweislast und Beweiswürdigung
In vielen Fällen steht Aussage gegen Aussage. Wichtig ist: Sie benötigen nicht zwingend Beweise oder Zeugen, um Anzeige zu erstatten. Die Staatsanwaltschaft muss jedoch für eine Verurteilung zweifelsfrei nachweisen, dass eine Nötigung oder Beleidigung stattgefunden hat. Ohne eindeutige Beweise wie Fotos, Videos oder Zeugenaussagen wird ein Verfahren häufig eingestellt.
Besonderheiten bei der Täteridentifizierung
Das Fahrzeugkennzeichen allein reicht nicht als Beweis, da der Halter nicht zwangsläufig auch der Fahrer zum Tatzeitpunkt war. Für eine erfolgreiche Strafverfolgung ist eine eindeutige Identifizierung des Täters erforderlich, etwa durch eine präzise Personenbeschreibung oder Zeugenaussagen.
Wie wirkt sich ein Fahrverbot auf Beruf und Alltag aus?
Ein Fahrverbot kann zwischen einem und drei Monaten dauern und erstreckt sich grundsätzlich auf alle Kraftfahrzeuge. Die Auswirkungen sind besonders im beruflichen Bereich gravierend, wenn der Führerschein für den Arbeitsweg oder die Arbeitsausübung unverzichtbar ist.
Berufliche Konsequenzen
Bei einem erstmaligen Fahrverbot können Betroffene den Beginn innerhalb einer 4-Monatsfrist selbst bestimmen. Dies ermöglicht eine Anpassung an die berufliche Situation, etwa durch Verlegen des Fahrverbots in den Urlaub. Besonders betroffen sind Berufskraftfahrer, Lieferanten und Außendienstmitarbeiter, die zwingend auf ihr Fahrzeug angewiesen sind.
Ausnahmeregelungen
In bestimmten Härtefällen sind Ausnahmen vom Fahrverbot möglich:
- Beschränkung auf bestimmte Fahrzeugklassen: Insbesondere für landwirtschaftliche Fahrzeuge der Klassen T und L können Ausnahmen gewährt werden.
- Mofa-Nutzung: In Einzelfällen kann das Fahren mit dem Mofa trotz Fahrverbot erlaubt werden.
Praktische Folgen
Ein erschwerter Arbeitsweg allein rechtfertigt keine Ausnahme vom Fahrverbot. Allerdings können alternative Lösungen genutzt werden:
Für den Arbeitsweg kommen öffentliche Verkehrsmittel, Fahrgemeinschaften oder temporäre Übernachtungen am Arbeitsort in Frage. Bei beruflicher Nutzung ist in Härtefällen eine Umwandlung des Fahrverbots in eine höhere Geldstrafe möglich.
Rechtliche Folgen bei Missachtung
Fahren trotz Fahrverbot ist eine Straftat und kann mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden. Zusätzlich droht eine Verlängerung des Fahrverbots oder ein Führerscheinentzug.
Welche Verteidigungsmöglichkeiten gibt es bei Vorwürfen der Nötigung im Straßenverkehr?
Bestreitung des Vorsatzes
Bei einem Vorwurf der Nötigung im Straßenverkehr lässt sich häufig der Vorsatz bestreiten. Wenn Sie nachweisen können, dass Ihr Verhalten nicht darauf abzielte, andere Verkehrsteilnehmer zu nötigen, sondern aus einer anderen Verkehrssituation heraus erfolgte, kann dies ein erfolgreicher Verteidigungsansatz sein.
Verwerflichkeitsprüfung
Eine weitere Verteidigungsmöglichkeit liegt in der Prüfung der Verwerflichkeit. Nicht jedes aggressive oder rücksichtslose Verhalten erfüllt automatisch den Tatbestand der Nötigung. Einfache Vorfahrtsverletzungen oder kurzfristiges nahes Auffahren werden von der Rechtsprechung nicht als verwerflich eingestuft.
Beweislage und Identifizierung
In vielen Fällen steht Aussage gegen Aussage, da meist nur zwei Beteiligte involviert sind und objektive Beweise fehlen. Die Staatsanwaltschaft muss zweifelsfrei nachweisen, dass:
- Sie tatsächlich der Fahrer waren
- Eine Zwangswirkung von gewisser Dauer vorlag
- Die Handlung verwerflich war
Rechtfertigungsgründe
In bestimmten Situationen können Rechtfertigungsgründe vorliegen. Außerhalb geschlossener Ortschaften ist beispielsweise die Ankündigung eines Überholvorgangs durch kurze Betätigung der Lichthupe nach § 5 Abs. 5 StVO ausdrücklich erlaubt. Auch Notwehr oder Notstand können in seltenen Fällen ein Verhalten rechtfertigen, etwa wenn Sie sich in einer echten Gefahrensituation befanden.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Nötigung im Straßenverkehr
Eine Form der Nötigung, bei der ein Verkehrsteilnehmer einen anderen durch gefährliche Fahrmanöver zu einem bestimmten Verhalten zwingt. Dies kann durch dichtes Auffahren, plötzliches Abbremsen oder aggressives Schneiden geschehen. Nach § 240 StGB wird Nötigung mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Im Straßenverkehr kommt oft noch eine Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB hinzu. Beispiel: Ein Autofahrer fährt extrem dicht auf, um den Vordermann zum Spurwechsel zu zwingen.
Fahreignungsregister
Früher als „Verkehrszentralregister“ oder „Punktekonto in Flensburg“ bekannt. Es ist ein vom Kraftfahrt-Bundesamt geführtes Register, in dem Verkehrsverstöße und deren Punktebewertung erfasst werden. Bei Erreichen bestimmter Punktzahlen drohen Ermahnung (4-5 Punkte), Verwarnung (6-7 Punkte) oder Führerscheinentzug (ab 8 Punkte). Geregelt in §§ 28-30 StVG. Die Punkteeinträge bleiben je nach Schwere des Verstoßes 2,5 bis 10 Jahre gespeichert.
Tagessatz
Berechnungseinheit bei Geldstrafen im Strafrecht, die sich aus der Anzahl der Tagessätze (Strafhöhe) und der Höhe des einzelnen Tagessatzes (abhängig vom Nettoeinkommen) zusammensetzt. Geregelt in § 40 StGB. Die Anzahl der Tagessätze richtet sich nach der Schwere der Schuld, die Höhe nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters. Beispiel: 60 Tagessätze zu je 30 Euro ergeben eine Geldstrafe von 1.800 Euro.
Strafzumessung
Der richterliche Prozess der Festlegung der konkreten Strafe innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens. Dabei werden nach § 46 StGB verschiedene Faktoren berücksichtigt: Schuld des Täters, Vor- und Nachteile für den Täter, persönliche/wirtschaftliche Verhältnisse sowie strafmildernde (z.B. Geständnis) und strafschärfende Umstände (z.B. mehrere Straftaten). Die Strafzumessung muss für jeden Einzelfall individuell erfolgen und begründet werden.
Verkehrsspezifische Sanktion
Besondere Strafen und Maßnahmen, die sich speziell auf die Teilnahme am Straßenverkehr beziehen, wie Fahrverbote, Führerscheinentzug oder Punkteeinträge. Diese ergänzen die allgemeinen strafrechtlichen Sanktionen bei Verkehrsdelikten. Geregelt in verschiedenen Vorschriften des StVG und der StVO. Sie dienen der Verkehrssicherheit und sollen verkehrswidriges Verhalten speziell präventiv ahnden.
Vollbremsung
Eine sehr starke Verzögerung eines Fahrzeugs bis zum Stillstand unter Ausnutzung der maximal möglichen Bremskraft. Im rechtlichen Kontext oft relevant bei der Beurteilung von Gefährdungssituationen nach § 315c StGB. Eine erzwungene Vollbremsung kann eine konkrete Gefährdung darstellen und bei einer Nötigung strafschärfend wirken. Beispiel: Ein Autofahrer muss eine Vollbremsung durchführen, um einen Auffahrunfall zu vermeiden.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 240 StGB – Nötigung: Dieser Paragraph des Strafgesetzbuches definiert die Nötigung als das rechtswidrige Erzwingen einer Handlung, Duldung oder Unterlassung durch Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel. Ziel ist es, den Willen einer anderen Person zu beeinflussen und deren Handlungsspielraum einzuschränken. Nötigung kann in verschiedenen Kontexten auftreten, sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich.
Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte versucht, die Fahrweise der Geschädigten durch dichtes Auffahren und abruptes Bremsen zu beeinflussen. Dieses Verhalten stellt eine rechtswidrige Beeinflussung dar, die den Tatbestand der Nötigung erfüllt.
- § 185 StGB – Beleidigung: Nach diesem Gesetzestext ist die Beleidigung die Kundgabe der Missachtung oder des geringsten Respekts gegenüber einer anderen Person. Dies kann verbal, schriftlich oder durch Gesten erfolgen. Eine Beleidigung muss geeignet sein, das Ansehen des Betroffenen zu beeinträchtigen.
Der Angeklagte zeigte der Geschädigten den Mittelfinger, was als beleidigende Geste gewertet wird. Diese Handlung erfüllt den Tatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB.
- § 5 StVO – Abstandregeln im Straßenverkehr: Diese Vorschrift regelt den Mindestabstand, den Fahrzeuge zueinander einhalten müssen, um sichere Überholvorgänge zu gewährleisten und Auffahrunfälle zu vermeiden. Der Abstand muss stets so bemessen sein, dass das Bremsen noch rechtzeitig möglich ist, ohne andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden.
Der Angeklagte fuhr der Geschädigten so dicht auf, dass diese das Kennzeichen nicht mehr erkennen konnte. Dieses Verhalten verstößt gegen die Abstandsvorschriften der StVO und gefährdet die Verkehrssicherheit.
- § 1 StVG – Fahrerlaubnisrecht, Fahrverbot: Das Straßenverkehrsgesetz regelt unter anderem die Voraussetzungen für den Erwerb und den Entzug der Fahrerlaubnis. Ein Fahrverbot kann bei schweren Verkehrsverstößen verhängt werden, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen und den Verkehrsteilnehmer zur Einhaltung der Regeln zu bewegen.
Aufgrund des wiederholten Verkehrsverstoßes und der gefährlichen Fahrweise wurde dem Angeklagten ein Fahrverbot von drei Monaten auferlegt, um ähnliche Verstöße in der Zukunft zu verhindern.
- § 37 StGB – Maß der Geldstrafe (Tagessätze): Dieses Gesetz legt fest, wie Geldstrafen bemessen werden. Die Strafe wird in Tagessätzen definiert, die sich nach dem Einkommen des Täters richten. Jeder Tagessatz entspricht einem bestimmten Geldbetrag, der in Relation zum monatlichen Einkommen steht.
Der Angeklagte wurde zur Zahlung von 60 Tagessätzen à 30 € verurteilt. Diese Bemessung basiert auf seinem monatlichen Einkommen und spiegelt die Schwere der begangenen Straftaten wider.
Das vorliegende Urteil
AG München – Az.: 943 Cs 412 Js 158569/21 – Urteil vom 19.05.2022
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