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Mehrfachverteidigung – angestellte Rechtsanwälte und Arbeitgeber ein Verteidiger?

LG Karlsruhe – Az.: 16 Qs 66/22 – Beschluss vom 05.09.2022

1. Die Arrestanordnung des Amtsgerichts Pforzheim vom 17.02.2022 gegen die Beschwerdeführer wird insoweit abgeändert, als der Vermögensarrest gegen die Beschwerdeführerin AM in Höhe von EUR 225.192,09 und gegen den Beschwerdeführer A in Höhe von EUR 14.400,- angeordnet wird.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet verworfen.

3. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache lediglich wegen der Höhe des Vermögensarrestes teilweise Erfolg, ist im Übrigen aber unbegründet.

I.

1. Das Amtsgericht Pforzheim – Familiengericht – (Familiengericht) bestellte die Beschwerdeführerin AM und den Beschwerdeführer A (gemeinsam Vormünder) durch Beschluss vom 06.02.2015 ursprünglich vollumfänglich zu Vormündern ihrer am 30.12.2008 geborenen Nichte (Geschädigte), Die Geschädigte war Begünstigte einer Lebensversicherung ihrer am 20.01.2015 verstorbenen Mutter und auch Erbin ihres Nachlasses.

Die Geschädigte lebt seit dem Todesfall ihrer Mutter bis heute mit den miteinander verheirateten Vormündern in häuslicher Gemeinschaft. Die Beziehung zwischen den Vormündern und der Geschädigten ist familiär und weist die den Charakter einer Pflegeelternschaft auf.

Seit dem 06.02.2015 bis heute unterließen es die Vormünder trotz zahlreicher Aufforderungen des Familiengerichts, ein vollständiges Vermögensverzeichnis über das Vermögen der Geschädigten nach § 1802 BGB vorzulegen, nach § 1840 BGB ordnungsgemäß Rechnung mit entsprechenden Nachweisen zu führen und für Transaktionen mit dem Vermögen der Geschädigten die nach den §§ 1806 ff. StGB erforderliche Zustimmung des Familiengerichts einzuholen.

Den verschiedenen Aufforderungen der wechselnden Sachbearbeiter beim Familiengericht zu einer ordnungsgemäßen Ausübung ihrer Vormundschaft leisteten die Vormünder letztlich keine Folge. Die Vormünder verstanden es dabei, ihre jeweiligen Ansprechpartner zunächst für einige Zeit von ihrer fortbestehenden Eignung als Vormund auch hinsichtlich der Vermögensfürsorge zu überzeugen.

Hierdurch verzögerten die Vormünder gemeinsam über Jahre den vom Familiengericht mehrfach vorgeschlagenen und schließlich erzwungenen Wegfall der Vermögensfürsorge für die Geschädigte mit offensichtlichen Ausflüchten, nicht eingehaltenen Zusagen und unterbliebenen Rückmeldungen. Die Vormünder zeigten sich erst mit einer Vermögensfürsorge für die Geschädigte durch Dritte einverstanden als diese ohnehin unvermeidbar geworden war und auch eine angestrebte Adoption der Geschädigten vorläufig erfolglos blieb.

Am 17.11.2020 entzog das Familiengericht schließlich den Vormündern gem. §§ 1837 Abs. 4, 1666, 1909 BGB die Vermögenssorge für die Geschädigte wegen Gefährdung des Vermögens der Geschädigten und ordnete insoweit Ergänzungspflegschaft an. Durch Beschluss vom 24.11.2020 bestallte das Familiengericht schließlich Herrn Rechtsanwalt O ordnungsgemäß als Ergänzungspfleger mit dem Wirkungskreis Vermögenssorge. Gegenüber Herrn Rechtsanwalt O verhielten sich die Vormünder ebenfalls nicht hinreichend kooperativ, um die Vermögenslage der Geschädigten aufzuklären.

2. Am 04.03.2021 übermittelte das Familiengericht die Akte schließlich zur Prüfung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen die Vormünder an die Staatsanwaltschaft Karlsruhe – Zweigstelle Pforzheim – (Staatsanwaltschaft).

Den Vormündern liegt nach den derzeitigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zur Last, gemeinschaftlich in mehreren Fällen Vermögen der Geschädigten von insgesamt mindestens EUR 231.592,09 aus der Erbschaft veruntreut zu haben.

Ein Betrag in Höhe von EUR 174.992,09 des vorgeworfenen Vermögensschadens entspricht der Valuta der Lebensversicherung der Mutter zu Gunsten der Geschädigten. Die Lebensversicherungsvaluta ließ sich die Beschwerdeführerin AM am 14.04.2016 auf ihr eigenes Girokonto gutschreiben anstatt den Betrag der Geschädigten zukommen zu lassen. Am 22.04.2016 überwies die Beschwerdeführerin AM davon EUR 170.000,- weiter auf ihr Tagesgeldkonto. Am 01.07.2016 überwies die Beschwerdeführerin AM wiederum EUR 75.000,- von ihrem Tagesgeldkonto auf ein Konto der Geschädigten. Diesen Betrag verwendete die Beschwerdeführerin AM dann jedoch wiederum, um gegen eine am 03.06.2016 geleistete Einmalzahlung in Höhe von EUR 75.000,- eine Hybridrentenversicherung mit sich selbst als Versicherungsnehmerin abzuschließen. Begünstigte der Hybridrentenversicherung mit Rentenbeginn zum 01.08.2028 war – allerdings jederzeit widerruflich – die Geschädigte. Die Beschwerdeführerin AM entnahm Mitte 2020 weitere rund EUR 100.000,- der ursprünglichen Lebensversicherungsvaluta von ihrem Konto, um am 27.07.2020 mit EUR 50.000,- an notariell beurkundetem Kaufpreis und rund EUR 50.000,- weiteren Zahlungen ein Ferienhaus in I für sich selbst zu erwerben. Gegenwärtig ist keine dieser Transaktionen zu Gunsten der Geschädigten rückabgewickelt worden.

Außerdem ergeben sich aus der Akte verschiedene Buchungen unmittelbar zu Lasten der Konten der Geschädigten durch die Vormünder von insgesamt EUR 56.600,-. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus:

  • EUR 42.200,- Gutschriften auf das Konto der Beschwerdeführerin AM,
  • EUR 6.400,- Gutschriften auf das Konto des Beschwerdeführers A und
  • EUR 8.000,- an Barabhebungen ohne bisherige Zuordnung zu einem der Vormünder.

Der Großmutter der Geschädigten mütterlicherseits liegt nach den derzeitigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zur Last, unter bewusster Duldung der Vormünder ab dem 01.02.2016 Mieteinnahmen in Höhe von mittlerweile insgesamt EUR 39.240,- aus einer zur Erbschaft der Geschädigten zugehörigen Immobilie in I rechtswidrig auf eines ihrer Konten vereinnahmt und anschließend jeweils selbst in bar abverfügt zu haben. Seit dem 29.10.2020 hat die Großmutter der Geschädigten die Beschwerdeführerin AM für dieses Konto umfassend bevollmächtigt. Die auf dem Konto eingegangenen Mieteinnahmen sind bis heute nicht der Geschädigten gutgeschrieben worden. Diese Summe ist indes bei der verfahrensgegenständlichen Arrestanordnung gegen die Vormünder nicht berücksichtigt.

Etwaige Nutzungen der Beschwerdeführer aus den ursprünglich erlangten Vermögenswerten der Geschädigten sind nach derzeitigem Ermittlungsstand nicht konkret zu beziffern.

3. Die Staatsanwaltschaft verfügte aktenmäßig vermerkt zum 06.05.2021 eine fernmündliche Vernehmung der Vormünder.

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(Symbolfoto: MR.Yanukit/Shutterstock.com)

Das Familiengericht bestellte mit Beschluss vom 11.05.2021 sodann Herrn Rechtsanwalt O auch zum Ergänzungspfleger mit einem zusätzlichen Wirkungskreis, der Strafanträge und weitere Erklärungen im Ermittlungsverfahren gegen die Vormünder erfasst. Sodann stellte Herr Rechtsanwalt O als Ergänzungspfleger ohne weitere inhaltliche Konkretisierung einen Strafantrag gegen die Vormünder mit Schreiben vom 19.05.2021 – schriftlich eingegangen am 20.05.2021. Diesen Strafantrag erweiterte Herr Rechtsanwalt O auf Anregung des ermittelnden Polizeibeamten um exemplarisch genannte weitere Straftatbestände durch Schreiben vom 26.05.2021 – schriftlich eingegangen am 27.05.2021.

Durch Beschluss vom 09.02.2022 erweiterte das Familiengericht wiederum den Wirkungskreis des Ergänzungspflegers Herrn Rechtsanwalt O am 09.02.2022 auch auf Stellung von Strafanträgen und weiteren Erklärungen im Strafverfahren gegen die Großmutter der Geschädigten. Herr Rechtsanwalt O stellte als Ergänzungspfleger sodann durch Schreiben vom 11.02.2022 – schriftlich eingegangen am 14.02.2022 – auch bezüglich der Vorwürfe gegen die Großmutter der Geschädigten einen Strafantrag.

4. Das Amtsgericht Pforzheim ordnete durch Beschlüsse vom 17.02.2022 – Az. 4 Gs 24/22 und 4 Gs 25/22 – den Vermögensarrest in das Vermögen der Vormünder über einen Betrag in Höhe von insgesamt EUR 231.592,09 (Arrestanordnung) sowie durch den ebenfalls am 17.02.2022 ergangenen Beschluss – Az. 4 Gs 26/22 – den Vermögensarrest in das Vermögen der Großmutter der Geschädigten in Höhe von EUR 39.240,- an. Das Amtsgericht Pforzheim begründete die Beschlüsse mit der von der Beschwerdeführerin AM selbst vereinnahmten Lebensversicherungsvaluta nebst Surrogaten hieraus sowie mit den von der Großmutter vereinnahmten Mieteinnahmen. Genaue Ausführungen zur Höhe des insgesamt arrestierten Betrags finden sich nicht.

5. Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Verteidiger der jeweils beschuldigten Beschwerdeführer. Die Verteidiger der Vormünder tragen im Wesentlichen vor, die Vormünder seien mit der Vermögensbetreuung schlichtweg überfordert gewesen und die Transaktionen hätten der Familie gedient, zu der auch die Geschädigte gehöre. Das Familiengericht hätte die Überforderung der Vormünder erkennen und hierauf schneller reagieren müssen. Es fehle den Vormündern auch deswegen an der subjektiven Tatseite der Untreue zu Lasten der Geschädigten.

Die Verteidiger der Vormünder sind zudem der Auffassung, die Staatsanwaltschaft könne eine etwaige Untreue vorliegend nur auf Grundlage eines hier bereits verspäteten Strafantrags verfolgen. Der am 24.11.2020 vom Familiengericht als Ergänzungspfleger für die Vermögensfürsorge bestallte Herr Rechtsanwalt O hätte im Anschluss an diese Bestallung innerhalb von drei Monaten Strafantrag stellen müssen. Eines separaten familiengerichtlichen Beschlusses zur Erweiterung der Pflegschaft zum Zwecke der Aufklärung strafrechtlicher Vorwürfe im Mai 2021 wegen der Vormünder und im Februar 2022 wegen der Großmutter der Geschädigten habe es für den Strafantrag nicht bedurft. Die Strafanträge des Ergänzungspflegers seien zudem nicht hinreichend bestimmt. Diesen sei nicht zu entnehmen, wegen welcher genauen Tat die Staatsanwaltschaft gegen die Vormünder jeweils ermitteln solle.

Zudem sind die Verteidiger der Vormünder der Meinung, eine etwaige Untreuehandlung sei im Zeitpunkt verjährungshemmender Ermittlungsmaßnahmen am 06.05.2021 bereits verjährt gewesen. Denn für die Verjährung sei im Wesentlichen auf den Zeitpunkt der Auszahlung der Lebensversicherungsvaluta auf das ursprüngliche Konto der Beschwerdeführerin AM vom 14.04.2016 abzustellen.

Zuletzt trägt insbesondere die Verteidigerin des Beschwerdeführers A vor, vor allem im Hinblick auf dessen selbständige Tätigkeit sei der Vermögensarrest gegen diesen unverhältnismäßig.

Aus dem Kanzleibriefkopf der Verteidiger ergibt sich, dass der Verteidiger der Beschwerdeführerin AM der Arbeitgeber der beiden weiteren angestellten Verteidiger ist, welche den Beschwerdeführer A und die Großmutter der Geschädigten vertreten. Die Verteidiger verweisen wechselseitig auf ihre Beschwerdeschriften.

6. Das Amtsgericht Pforzheim half den Beschwerden durch Beschluss vom 05.08.2022 nicht ab. Die Staatsanwaltschaft Pforzheim beantragt, die Beschwerden aus den zutreffenden Gründen kostenpflichtig als unbegründet zu verwerfen. Der Kammer liegt die Beschwerde seit dem 15.08.2022 zur Entscheidung vor.

II.

Die Voraussetzungen der Arrestanordnung nach §§ 111e Abs. 1, 111j Abs. 1 StPO liegen vor. Der Höhe nach ist die Arrestanordnung allerdings auf den einziehungsfähigen Betrag beschränkt, den die jeweiligen Vormünder nach derzeitigem Ermittlungsstand auch tatsächlich erlangt haben.

1. Die Arrestanordnung ist formell rechtmäßig. Das hierfür nach § 111j Abs. 1 StPO zuständige Amtsgericht Pforzheim hat den Vermögensarrest durch Beschluss vom 17.02.2022 schriftlich mit Begründung angeordnet. Von der Anhörung der Vormünder war nach § 33 Abs. 4 StPO abzusehen. Die Vormünder haben bereits in der Vergangenheit erhebliche Vermögenssummen der Geschädigten verschoben. Eine vorherige Kenntnis von der Arrestanordnung hätte somit deren Zweck in Gestalt der Vermögenssicherung erkennbar gefährdet. Der Beschluss bezeichnet den zu sichernden Anspruch unter Angabe des Geldbetrags und setzt den Geldbetrag fest, durch dessen Hinterlegung die Vormünder die Vollziehung des Arrestes abwenden und die Aufhebung der Vollziehung verlangen können, § 111e Abs. 4 StPO.

2. Die Arrestanordnung ist hier gem. § 111e Abs. 1 Satz 2 StPO materiell rechtmäßig.

a) Es sind gem. § 111e Abs. 1 Satz 2 StPO dringende Gründe im Sinne einer hohen Wahrscheinlichkeit für die Annahme vorhanden, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz gem. §§ 73, 73c StGB gegen die Vormünder endgültig vorliegen.

Den Vormündern stand durch Beschluss vom 06.02.2015 die Vermögensfürsorge für die Geschädigte zu. Nach derzeitigem Ermittlungsstand bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Beschuldigten auf dieser Grundlage bis zur Arrestanordnung durch das Amtsgericht Pforzheim Verfügungen über das Vermögen der Geschädigten vornahmen, die auftragswidrig dem eigenen Vermögen zugutekamen. Dies geschah in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken beider Vormünder, um sich mit Hilfe der ihnen eingeräumten Vormundschaftsstellung zum Nachteil der Geschädigten zu bereichern.

Die Vormünder haben es trotz zahlreicher Aufforderungen des Familiengerichts über Jahre unterlassen, ein vollständiges Vermögensverzeichnis über das Vermögen der Geschädigten nach § 1802 BGB vorzulegen, nach § 1840 BGB ordnungsgemäß Rechnung mit entsprechenden Nachweisen zu führen und für Transaktionen mit dem Vermögen der Geschädigten die nach den §§ 1806 ff. StGB erforderliche Zustimmung des Familiengerichts einzuholen. Im Gegenteil bereicherten sich die beschuldigten Vormünder unter Verstoß gegen §§ 1804, 1805 BGB in erheblichem Umfang am Vermögen der Geschädigten.

Konkret kam es nach derzeitigem Ermittlungsstand zu folgenden Vermögensverfügungen, die den Vermögensinteressen der Geschädigten zuwiderliefen:

(1) Einen Betrag in Höhe von EUR 174.992,09 hätte der Geschädigten als Valuta der Lebensversicherung ihrer verstorbenen Mutter zugestanden. Diesen Betrag ließen die Vormünder stattdessen auf das Konto der Beschwerdeführerin AM gutschreiben. Anschließend verwendeten die Vormünder diesen Betrag weiter, um für die Beschwerdeführerin AM selbst eine Hybridrentenversicherung abzuschließen und ein Ferienhaus in I zu erwerben.

(2) Die Vormünder vereinnahmten vom Konto der Geschädigten rechtsgrundlos insgesamt EUR 56.600,- für sich selbst. Diesen Betrag schrieben sich die Vormünder teilweise auf eigene Konten gut und teilweise hoben sie Beträge in bar ab.

(3) Die Vormünder veranlassten, dass der Mieter einer Immobilie der Geschädigten den monatlichen Mietzins einem Konto ihrer Großmutter gutschrieb. Dort ist der Betrag von inzwischen insgesamt EUR 39.240,- dann in bar abverfügt worden, ohne dass die Geschädigte diesen jemals erhielt.

Hierdurch haben die Vormünder bei der Geschädigten insgesamt einen Vermögensverlust großen Ausmaßes i.S.d. §§ 266 Abs. 2, 263 Abs. 2 Nr. 2 Var. 1 StGB herbeigeführt (vgl. zur Mindestgrenze von EUR 50.000 für das Regelbeispiel BGH, Urt. v. 07.10.2003 – 1 StR 274/03).

Nach den zahlreichen Hinweisen des Familiengerichts im Laufe der Jahre ist eine systematische Verweigerungs- und Verzögerungstaktik der Vormünder gegenüber dem Familiengericht erkennbar, welche bereits aus sich heraus auf das Vorliegen des subjektiven Tatbestands der Untreue bei der Vornahme der Vermögensverfügungen schließen lässt. Darüber hinaus vereinnahmten die Vormünder das Geld auch fortwährend gezielt zu ihren eigenen Gunsten und gaben auch genau derartige Transaktionen überwiegend nicht oder unrichtig gegenüber dem Familiengericht an. Das Vorbringen, das gegenständliche Vermögen sei „in der Familie verblieben“ und habe mittelbar jedenfalls auch den Interessen der Geschädigten gedient, vermag die Kammer nicht zu überzeugen. Das gegenständliche Vermögen haben die Vormünder letztlich nur sich selbst zugeführt und nicht der Familie.

Es verkehrt die Verantwortlichkeiten im vorliegenden Fall, wenn die Beschwerdeschrift den Vorwurf formuliert, das Familiengericht hätte den überforderten Vormündern zügiger die Vermögensfürsorge entziehen sollen. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die beschuldigten Vormünder gerade zielgerichtet darauf hinwirkten, die Vermögensfürsorge für die Geschädigte trotz der von ihnen selbst erkannten unsachgemäßen Handhabung zu behalten. Auch der Vortrag, dass die Vormünder auf den Vorschlag des Familiengerichts ernsthaft eingegangen wären, die Vermögensfürsorge einem professionellen Dritten zu überlassen, ist für die Kammer nicht nachzuvollziehen. Vielmehr verzögerten sie über Jahre den Entzug der Vermögensfürsorge mit offensichtlichen Ausflüchten, wiederkehrend nicht eingehaltenen Zusagen und dem Versuch einer Adoption der Geschädigten. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Vormünder aus echter Überforderung die erheblichen Summen selbst vereinnahmt haben sollen, etwa bei dem zielgerichteten Immobilienerwerb der Beschwerdeführerin AM in I noch Mitte 2020.

Dem Familiengericht ist daher allenfalls durch die Geschädigte selbst vorzuwerfen, den Vormündern nicht schnell genug Einhalt geboten zu haben. Die Vormünder verstanden es indes geschickt, über Jahre gegenüber wechselnden Sachbearbeitern des Familiengerichts, ihre jeweiligen Gesprächspartner zunächst von ihrer fortbestehenden Eignung zu überzeugen, um gleichzeitig weitere Vermögensverfügungen zu Lasten der Geschädigten tätigen zu können.

Das Familiengericht hatte zudem offensichtlich nicht nur die finanziellen Begebenheiten, sondern gleichzeitig auch das Kindeswohl der hier Geschädigten im Blick. Die Vormünder kümmerten sich ausweislich der Akte liebevoll und familiär um die verwaiste Geschädigte. Das ermöglichte es ihnen aber zugleich, das Familiengericht hinzuhalten und die letztlich getroffene Entscheidung der Entziehung der Vermögensfürsorge hinauszuzögern. Denn das Familiengericht berücksichtigte offenbar den Umstand, dass die Geschädigte im Haushalt der Vormünder lebt und die jetzt eingetretenen Auswirkungen der staatlichen Maßnahmen zu Lasten der Vormünder auf das Kindeswohl durchaus erheblich sein können. Denn die Lebensführung der Geschädigten ist in der vorliegenden Konstellation untrennbar mit der nunmehr erheblich beeinträchtigten Lebensführung der Vormünder selbst verknüpft.

b) Es ist für die zu beurteilende hohe Wahrscheinlichkeit einer späteren Einziehung unerheblich, ob die Untreuehandlungen der Vormünder bereits verjährt sind. Die selbständige Einziehungsanordnung ist nach §§ 76a Abs. 2 Satz 1 StGB, 435, 436 StPO selbst dann zulässig, wenn die Verfolgung der zugrundeliegenden Straftat verjährt wäre.

Die den Vormündern zur Last gelegte Untreuehandlung ist ohnehin nicht verjährt, insbesondere auch nicht wegen der bereits am 14.06.2016 durch die Beschwerdeführerin AM auf ihr eigenes Konto angewiesenen Lebensversicherungsvaluta in Höhe von EUR 174.992,09, die eigentlich der Geschädigten zugestanden hätte.

Die maßgebliche Verjährungsfrist beträgt nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB für die mit einem Höchstmaß bis fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohte Untreue gem. § 266 Abs. 1 StGB fünf Jahre. Dabei ist die gesetzlich normierte Möglichkeit einer Überschreitung dieses Strafmaßes durch Bildung einer Gesamtstrafe nach § 54 Abs. 1 StGB für die hier tatmehrheitlich begangenen drei Untreuehandlungen nicht zu berücksichtigen (Mitsch in MüKoStGB, 4. Aufl. 2020, § 78 Rn. 16). Nach § 78 Abs. 4 StGB hat für die Verjährungsfrist auch außer Betracht zu bleiben, dass der Strafrahmen hier wegen eines mit hoher Wahrscheinlichkeit verwirklichten Regelbeispiels erhöht ist.

Die Verjährungsfrist beginnt gem. § 78a Satz 1 StGB, sobald die Tat beendet ist. Dies ist dann gegeben, wenn das tatbestandsmäßige Verhalten und die zum Tatbestand gehörenden Erfolge vollständig abgeschlossen, sowie alle übrigen Voraussetzungen der Strafbarkeit gegeben sind (BeckOK StGB/Dallmeyer, 53. Ed. 01.05.2022, § 78a Rn. 2).

Demnach hätte die Verjährungsfrist für keines der vorgeworfenen Delikte überhaupt begonnen. Denn die beschuldigten Vormünder führen ihre deliktische Tätigkeit aus den ursprünglichen Untreuehandlungen beruhend auf demselben Vorsatz nach wie vor fort, indem sie das eigentlich der Geschädigten zustehende Vermögen sowie die hieraus erlangten Surrogate als eigenes Vermögen verwalteten und durch weitere Transaktionen immer weiter verschleierten. Beispielsweise erwähnt seien an dieser Stelle lediglich die über Jahre andauernden Abverfügungen von Guthaben vom Konto der Geschädigten, das erst am 27.07.2020 erworbene Ferienhaus in I, die fortwährend zugeflossenen Mieteinnahmen aus der Immobilie und die erst am 01.08.2028 fälligen Hybridrentenansprüche.

Unabhängig davon ist die Tatbeendigung einer Untreue frühestens mit der endgültigen Schädigung eingetreten (BGH, Urt. v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, juris – dort Rn. 64). Die Tat war vorliegend somit keinesfalls beendet, bevor das aus der Lebensversicherung abverfügte Geld endgültig aus dem Zugriffsbereich der Vormünder gelangte. Dies war hinsichtlich der ersten größeren Abverfügung in Höhe von EUR 75.000,- erst der Fall als die Beschwerdeführerin AM diesen Betrag für ihre Hybridrentenversicherung am 03.08.2016 überwiesen hat. Anders als von der Beschwerdeführerin vorgetragen, hatte die Beschwerdeführerin AM diesen Betrag nicht bereits zum 22.04.2016 abverfügt, sondern lediglich auf ihr Tagesgeldkonto umgebucht und nach einer weiteren Zwischenüberweisung selbst zur Zahlung ihrer Hybridrentenversicherung am 03.08.2016 mit ihr als Versicherungsnehmerin verwendet.

Eine Verjährung der Strafverfolgung vor Ablauf des 03.08.2021 war damit ausgeschlossen. Durch die Anordnung der Staatsanwaltschaft zur Vernehmung der Vormünder ist vor Ablauf dieser Frist bereits zum 06.05.2021 die Verjährungsfrist gem. § 78c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 StGB unterbrochen und damit die fünfjährige Verjährungsfrist erneut ausgelöst worden.

Dem steht auch nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt der angeordneten Vernehmung der Vormünder noch überhaupt kein für die Verfolgung hier zwingend erforderlicher Strafantrag gestellt war. Die Verjährungsfrist wird auch bei Antragsdelikten nach § 78c StGB unterbrochen, selbst wenn der Antrag zu diesem Zeitpunkt noch nicht gestellt ist (vgl. BGH, Urt. v. 23.01. 1957 – 6 StR 66/56).

Unabhängig davon wurde der erforderlichen Strafantrag durch den Ergänzungspfleger der Geschädigten, Herrn Rechtsanwalt O, vorliegend gem. § 77b StGB rechtzeitig gestellt. Ein Strafantrag ist vorliegend wegen §§ 266 Abs. 2, 247 StGB unabdingbare Voraussetzung für das Strafverfahren. Dies gilt gem. § 76a Abs. 1 Satz 3 StGB auch für das selbständige Einziehungsverfahren. Eine Untreuehandlung wird nur auf Antrag verfolgt, wenn hierdurch ein Angehöriger oder eine mit dem Täter in häuslicher Gemeinschaft lebende Person verletzt ist. Beides ist hier der Fall. Die Vormünder sind bereits als Pflegeeltern der Geschädigten deren Angehörige i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) StGB und diese leben miteinander auch in einer häuslichen Gemeinschaft. Die Großmutter der Geschädigten ist gem. § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) StGB deren Angehörige.

Der Ergänzungspfleger, Herr Rechtsanwalt O, hat den Strafantrag innerhalb der gesetzlichen Dreimonatsfrist gestellt.

Nach § 77b Abs. 1 Satz 1 StGB wird eine Tat, die nur auf Antrag verfolgbar ist, nicht verfolgt, wenn der Antragsberechtigte es unterlässt, den Antrag bis zum Ablauf einer Frist von drei Monaten ab Kenntnis – hier des gesetzlichen Vertreters – von der Tat und der Person des Täters im Sinne von § 77b Abs. 2 BGB zu stellen. An einem Unterlassen der Antragstellung fehlt es indes, solange die Person des Antragsberechtigten aus rechtlichen Gründen gehindert war, den Strafantrag zu stellen (vgl. BGH, Urt. v. 06.12.1951 – 3 StR 131/51; OLG Hamm NJW 1970, 578; OLG Bremen NJW 1956, 392).

Dem Ergänzungspfleger Herrn Rechtsanwalt O war es rechtlich erst mit Beschluss des Familiengerichts vom 11.05.2021 möglich, wirksam gegen die Vormünder Strafantrag zu stellen. Dies hat er mit der ab dann laufenden Frist mit Eingang des schriftlichen Strafantrags zum 29.05.2021 getan. Zuvor hat er es als gesetzlicher Vertreter nicht unterlassen, Strafantrag zu stellen.

Insbesondere der vorhergehende Beschluss des Familiengerichts vom 17.11.2020, in welchem den Vormündern wegen Gefährdung des Vermögens des Mündels die Vermögenssorge gem. §§ 1837 Abs. 4, 1666 BGB entzogen wurde, löste keinen Fristlauf i.S.d. § 77b StGB aus. Denn der damalige Beschluss war bereits dem Tenor nach nicht für den Fall der Vertretung gegenüber Behörden aus Anlass eines Straftatverdachts gefasst. Insoweit liegt der vorliegende Fall genau umgekehrt zu den in der Beschwerdeschrift angeführten Quellen, bei denen die Pflegschaft gerade zur Aufdeckung von Untreuevorwürfen angeordnet sein muss, damit der Fristlauf nach § 77b StGB beginnt (so etwa bei BGH, Urt. v. 29.07.2014 – 5 StR 46/14 – juris, dort Rn. 12; bei Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 77 StGB ist Rn. 14a auf eine Bestellung gerade zur Aufdeckung von Untreuevorwürfen bezogen und bei Rn. 15 ist das Antragsrecht des Ergänzungspflegers eben auf den „Rahmen seines Geschäftsbereichs“ beschränkt).

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Gründe des Beschlusses des Familiengerichts bereits einzelnes Fehlverhalten der Vormünder aufgezeigt hatten, das auch Gegenstand des strafrechtlichen Verfahrens ist. Ebenfalls unbeachtlich ist, dass Herr Rechtsanwalt O die Vormünder nach seiner Bestallung auf strafrechtliche Bedenken hinwies. Entscheidend für den Beginn der Frist nach § 77b StGB für die Stellung eines Strafantrags ist allein, ob rechtliche Gründe einer Antragstellung durch den damals nur beschränkt bestellten Ergänzungspfleger noch entgegenstanden. Dies war der Fall.

c) Die Vormünder haben die Taterträge gem. § 73 Abs. 1 StGB durch die Tat erlangt oder als Surrogate für das ursprünglich Taterlangte erworben, § 73 Abs. 3 StGB.

d) Die Einziehung der genannten Taterträge selbst ist wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund vorliegend nicht möglich, § 73c Satz 1 StGB. Das Merkmal des Erlangens bestimmt sich dabei ohne Rücksicht auf die zivilrechtliche Wirksamkeit allein nach der tatsächlichen Verfügungsgewalt (BGH, Urt. v. 04.02.2009 – 2 StR 504/08; BGH Beschluss vom 30. 5. 2008 – 2 StR 174/08). Vorliegend kommt es daher nicht darauf an, ob die jeweiligen Transaktionen angesichts der Verstöße gegen familiengerichtliche Genehmigung oder als unzulässige Schenkungen der Vormünder an sich selbst nach §§ 1804 Satz 1, 1805 Satz 1, 134 BGB überhaupt wirksam sind.

3. Der Höhe nach war die ausgesprochene Arrestanordnung indes nicht rechtmäßig und deshalb in dem tenorierten Umfang anzupassen.

a) Der Wertersatz der Einziehung ist auf den Betrag beschränkt, den die einzelnen Beschwerdeführer jedenfalls ursprünglich tatsächlich erlangt haben. Erlangt ist ein Vermögensvorteil dann, wenn der Tatbeteiligte die Verfügungsgewalt über den Gegenstand erworben hat (BGH, Beschluss vom 09.02.2010 – 3 StR 17/10; BGH, Beschluss vom 12.05.2009 – 4 StR 102/09; BGH, Beschluss vom 13.12.2006 – 4 StR 421/06). Bei mehreren Beteiligten an einer Tat ist entscheidend, was der einzelne Beteiligte selbst tatsächlich erlangt hat (BGH, Urt. v. 5.6.2019 – 5 StR 670/18). Auch einem Mittäter kann die Gesamtheit des aus der Tat Erlangten mit der Folge einer gesamtschuldnerischen Haftung nur dann zugerechnet werden, wenn sich die Beteiligten einig sind, dass jedem die Mitverfügungsgewalt hierüber zukommen soll und er diese auch tatsächlich hatte (BGH, Urt. v. 28.10.2010 – 4 StR 215/10; BGH, Beschluss vom 8.12.2010 – 2 StR 372/10; BGH, Beschluss vom 12.5.2009 – 4 StR 102/09).

aa) Bei der Beschwerdeführerin AM ist nach diesen Maßstäben und zum derzeitigen Ermittlungsstand die Annahme eines einziehungsfähigen Betrags in Höhe von EUR 225.192,09 begründet.

Eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht nach derzeitigem Ermittlungsstand dafür, dass die Beschwerdeführerin AM einen Betrag in Höhe von EUR 174.992,09 aus der Lebensversicherung der Mutter der Geschädigten erhalten hat und die Surrogate hierfür – die Hybridrentenversicherung und das Ferienhaus in I – allein zu ihren Gunsten erhielt. Außerdem ergeben sich Verfügungen auf das Konto der Beschwerdeführerin AM zu Lasten der Geschädigten in Höhe von EUR 42.200,-.

Ebenso ist nach dem derzeitigen Ermittlungsstand anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin AM – ggfs. gemeinsam mit dem Beschwerdeführer A – die Verfügungsgewalt über die EUR 8.000,- an dem abgehobenen Bargeld zu Lasten der Geschädigten erlangt hat, sodass auch dieser Betrag zu berücksichtigen war.

Hinsichtlich der Vollmacht der Beschwerdeführerin AM für etwaige weitere verfahrensgegenständlicher Konten fehlt es derzeit an tatsächlichen Anhaltspunkten, dass diese durch die eingeräumte Vollmacht tatsächliche Verfügungsgewalt an unter Nutzung dieser Konten veruntreutem Vermögen erlangt hat. Dies gilt insbesondere auch für die erst am 29.10.2020 eingeräumte Vollmacht am Konto der Großmutter der Geschädigten, an welches der Mieter der Immobilie der Geschädigten ab dem 01.02.2016 den Mietzins überwiesen hat.

bb) Beim Beschwerdeführer A ist nach dem derzeitigen Ermittlungsstand die Annahme eines einziehungsfähigen Betrags in Höhe von EUR 14.400,- begründet. Dies setzt sich zusammen aus Verfügungen des Beschwerdeführers A vom Konto der Geschädigten auf sein Konto in Höhe von EUR 6.400,- sowie – ggfs. gemeinsam mit der Beschwerdeführerin A erlangter – Verfügungsgewalt über die EUR 8.000,- an dem abgehobenen Bargeld zu Lasten der Geschädigten.

Hinsichtlich der Vollmacht des Beschwerdeführers A für etwaige weitere verfahrensgegenständliche Konten fehlt es derzeit an tatsächlichen Anhaltspunkten, dass dieser durch die eingeräumte Vollmacht tatsächliche Verfügungsgewalt an unter Nutzung dieser Konten veruntreutem Vermögen erlangt hat. Dies gilt hier trotz etwaiger Vollmachten für Konten der Beschwerdeführerin AM oder der Geschädigten.

§ 73 Abs. 1 StGB verlangt für die Einziehung, dass der Tatbeteiligten „durch eine rechtswidrige Tat oder für sie“ etwas erlangt. Dem Tatbeteiligten muss insofern aus der Tat etwas in sein Vermögen einfließen (vgl. MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl. 2020, StGB § 73 Rn. 30). Durch die rechtmäßig eingeräumte, bloß potenzielle Zugriffsmöglichkeit als Bevollmächtigter auf das Konto eines anderen ist dem Vermögen des jeweils Bevollmächtigten noch nichts i.S.d. Einziehungsvorschriften zugeflossen. Dies gilt jedenfalls, soweit der Bevollmächtigte selbst Beträge nicht von dem Konto abverfügt und das Konto auch nicht gerade dazu bestimmt ist, dem Bevollmächtigten Zugriff auf die Erträge aus Straftaten zu ermöglichen.

cc) Es obliegt der weiteren gerichtlichen Aufklärung, ob und in welchem Umfang die Vormünder Nutzungen aus dem Erlangten gezogen haben, die etwa nach § 73 Abs. 2 StGB ebenfalls einzuziehen wären. Nach derzeitigem Ermittlungsstand sind entsprechende Nutzungen nicht konkret bezifferbar und daher vorliegend außer Betracht geblieben.

b) Abzuziehende Positionen nach § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB sind nicht ersichtlich. Insbesondere zu etwaigen Aufwendungen durch die Tätigkeit als Vormund gem. §§ 1835, 1835a BGB verhält sich die Beschwerdeschrift nicht.

c) Die Einziehung ist nicht nach § 73e StGB ausgeschlossen. Soweit aus der Tat Ansprüche des Verletzten auf Rückgewähr oder Wertersatz erwachsen sind, sind diese nicht erloschen.

4. Es besteht zudem ein Sicherungsbedürfnis für die künftige Vollstreckung einer Einziehungsanordnung.

Der Vermögensarrest muss stets der Sicherung der Vollstreckung dienen und das ist immer nur dann der Fall, wenn die Besorgnis besteht, die künftige Vollstreckung werde ohne Anordnung eines Arrestes vereitelt oder wesentlich erschwert (OLG Oldenburg StraFo 2009, 283; LG Hamburg NStZ-RR 2004, 215). Diese Besorgnis kann sich aus der Person des Betroffenen, dem Vor- und Nachtatverhalten, seinen Lebensumständen sowie der Art und Weise der Tatbegehung ergeben.

Das sich aus dem Tatvorwurf ergebende, auf Verschleierung gerichtete Verhalten ist dann ausreichend, wenn es mit einem über die Bestreitung des allgemeinen Lebensunterhalts hinausgehenden Verbrauch der aus der Tat erlangten Vermögenswerte einhergeht (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.01.2008, Az. 2 Ws 328/07, LG Stuttgart, Beschluss vom 26.01.2015 – 6 KLs 34 Js 2588/10).

Wie die bisherigen Ermittlungen gezeigt haben, wurde das Mündelvermögen bereits in erheblichem Umfang abverfügt, durch weitere Transaktionen verschleiert und zusätzlich dazu verwendet, ein Ferienhaus in I zu Gunsten der Beschwerdeführerin AM zu erwerben. Diese Transaktionen gehen über den zu bestreitenden allgemeinen Lebensunterhalt erkennbar weit hinaus. Es ist mithin davon auszugehen, dass angesichts dieses Verhaltens die zukünftige Vollstreckung des Einziehungsbetrags ohne die Arrestanordnung mindestens wesentlich erschwert würde.

5. Der Vermögensarrest ist auch insgesamt verhältnismäßig. Mildere, gleich effektive Maßnahmen sind nicht ersichtlich. Insbesondere nach den fruchtlosen jahrelangen Appellen des Familiengerichts an die Vormünder wäre weiteres Zuwarten nicht sachgerecht. Es bliebe neben der Hinterlegung eines Geldbetrags in Höhe des jeweils arrestierten Betrags im Übrigen auch möglich, sich um eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bankbürgschaft in Höhe des arrestierten Betrags zu bemühen und anschließend die Aufhebung der Vollziehung des Arrests zu beantragen, §§ 111e Abs. 4, 111g Abs. 1 StPO, 108 Abs. 1 ZPO.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.

Den Vormündern waren hier auch nach Abwägung aller Billigkeitsgesichtspunkte und des teilweisen Erfolgs der Beschwerde im Hinblick auf die Höhe der Arrestanordnung die Kosten in voller Höhe und ohne Ermäßigung der Gebühren aufzuerlegen.

Nach § 473 Abs. 4 StPO hat das Gericht bei teilweisem Erfolg des Rechtsmittels die Gebühren zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligte damit zu belasten. Neben der Frage nach dem Maß des Teilerfolgs kommt es für eine Billigkeitsentscheidung nach § 473 Abs. 4 StPO darauf an, ob die Rechtsmittelführer die angefochtene Entscheidung hingenommen hätte, wenn sie entsprechend der neuen Entscheidung ausgefallen wäre (Niesler, in BeckOK, StPO, 44. Edition Stand: 01.07.2022, § 473 Rn. 17 m.w.N.).

Vorliegend ist es nicht unbillig, die Beteiligten in vollem Umfang mit den Kosten und Auslagen des Beschwerdeverfahrens zu belasten. Die Vormünder hätten die angefochtene Entscheidung vorliegend nicht hingenommen. Die Beschwerdeschrift greift die Arrestanordnung ausschließlich dem Grunde nach an, ohne sich überhaupt zur durch die Kammer allein abgeänderten Höhe des arrestierten Betrags einzulassen. Dem Grunde nach ist die Arrestanordnung rechtmäßig.

IV.

Lediglich ergänzend bemerkt die Kammer, dass im Rahmen des weiteren Verfahrens seitens des zuständigen Amtsgerichts zu prüfen sein wird, inwiefern ein Verstoß gegen §§ 146 StPO, 43a Abs. 4 BRAO, 3 Abs. 1 und 2 BORA vorliegen könnte.

Nach § 146 StPO kann ein Verteidiger nicht gleichzeitig mehrere derselben Tat Beschuldigte verteidigen.

Der Verteidiger der beschuldigten Beschwerdeführerin AM ist ausweislich des Kanzleibriefkopfs der Arbeitgeber ebenjener beiden bei ihm angestellten Rechtsanwälte, welche die weiteren derselben Tat mitbeschuldigten Beschwerdeführer vertreten. Zusätzlich verweisen die jeweils am selben Tag eingereichten Schriftsätze der Verteidiger im Wesentlichen aufeinander. Alle Verteidiger sind hierfür scheinbar wechselseitig von der Schweigepflicht entbunden (vgl. §§ 43a Abs. 2 BRAO, 203 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 StGB).

Ob angestellte Rechtsanwälte und ihr Arbeitgeber als „ein Verteidiger“ im Sinne des § 146 StPO anzusehen sind und damit von der Verteidigung mehrerer Beschuldigter in derselben Sache ausgeschlossen wären, ist bisher nicht höchstrichterlich entschieden (ablehnend Stehmann, Beschäftigungsverhältnisse unter Rechtsanwälten, Dissertation, Köln 1989, Abschnitt E.I.).

Mehrere als Verteidiger tätige Mitglieder einer Sozietät sind nicht als „ein Verteidiger“ anzusehen, da die Norm sich schon sprachlich nicht auf Personenvereinigungen bezieht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.10.1976 – 2 BvR 23/76; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.10.1998 – 2 Ws 243/98). Angestellte Rechtsanwälte sind indes gerade nicht als Partner oder Mitgesellschafter strukturell gleichberechtigte Mitglieder einer Sozietät, sondern einem Kanzleisozius untergeordnet (a.A. zum Sozietätsbegriff LG Kiel, Beschluss vom 03.06.2016 – 1 Qs 41/16).

Nach dem allgemeinen Sprachverständnis schließt das bloß als generischer Singular verwendete Tatbestandsmerkmal „ein Verteidiger“ jedenfalls nicht aus, § 146 StPO auf Fälle wie den vorliegenden anzuwenden, bei dem ein Verteidiger auftritt, für den weitere zugelassene Rechtsanwälte als Angestellte tätig sind. Der Gesetzgeber verwendet regelmäßig den generischen Singular, ohne dass die jeweiligen Normen eine Zurechnung weiterer Personen ausschließen.

Der Regelungszweck des § 146 StPO liegt darin, dass ein Verteidiger seiner Beistandsfunktion gegenüber mehreren Beschuldigten nicht gerecht werden kann, wenn der eine Beschuldigte, um sich zu entlasten oder eine mildere Strafe zu erhalten, den anderen belastet oder belasten müsste (BVerfG, Urt. v. 11.03.1975 – 2 BvR 135-139/75). Dieser Interessenkonflikt besteht auch bei mehreren Beschuldigten, die ein Verteidiger als Arbeitgeber gemeinsam mit seinen separat bevollmächtigten Angestellten vertritt.

Angestellte Rechtsanwälte unterliegen jedenfalls im Grundsatz den Weisungen des Arbeitgebers und sämtliche Gebühren für die Verteidigung der Beschuldigten fließen diesem zu. Es erscheint praktisch kaum denkbar, dass ein angestellter Verteidiger sich Vorgaben seines einen Mitbeschuldigten vertretenden Arbeitgebers zu Gunsten eines anderen Beschuldigten entgegenstellt. Verteidiger aller Beschuldigten ist in solchen Fällen faktisch der Arbeitgeber (vgl. Rübenstahl, ZWH 2019, 265 (273)).

Dadurch unterscheidet sich eine Vertretung durch angestellte Rechtsanwälte grundlegend von der mit § 146 StPO vereinbaren Vertretung durch gleichberechtigte Sozien oder durch eine Bürogemeinschaft selbständiger Rechtsanwälte (vgl. zu diesem Fall auch LG Frankfurt, Beschluss vom 04.04.08 – 5/26 Qs 9/08).

Einen Einfluss auf das Verfahren hat dies jedoch erst, sofern das zuständige Gericht einen Verteidiger wegen Verstoßes gegen § 146 StPO nach § 146a Abs. 1 StPO unanfechtbar zurückweist. Bis zu einer Zurückweisung sind die bisherigen Prozesserklärungen des Verteidigers gem. § 146a Abs. 2 StPO wirksam. Das Beschwerdegericht hatte über eine Zurückweisung im Beschwerdeverfahren nicht zu entscheiden.

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