Skip to content

Kraftfahrzeugrennen – Begriff des Rennens bei einzigem Kraftfahrzeug

LG Aachen – Az.: 60 Qs 1/21 – Beschluss vom 11.02.2021

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Aachen vom 29.12.2020 wird der bezogen auf den Angeschuldigten zu 1. (XXX) ergangene Nichteröffnungsbeschluss des Amtsgerichts Monschau vom 22.12.2020 aufgehoben.

Die Anklage der Staatsanwaltschaft Aachen vom 12.11.2020 wird insoweit mit der Maßgabe zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht Monschau – Strafrichterin – eröffnet, dass eine Verurteilung wegen Teilnahme an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen (§ 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB) in Betracht kommt.

Gründe

I.

Am 10.09.2019 führten Beamte des Polizeipräsidiums Aachen (Verkehrskommissariat 2 und Verkehrsdienst) eine gezielte Überwachung der B266 in Höhe des Wohnheims XXX durch. Die Überwachung diente der Bekämpfung des Phänomens „Illegale Motorradrennen in der Eifel“. Die eingesetzten Beamten führten hierbei zielgerichtet Messungen von verdächtigen Motorrädern durch, wobei Video- und Fotoaufnahmen gefertigt wurden. Gemessen wurden u.a. die „Rundenzeiten“ der „Kleinen Eifelrunde“. Diese geht von XXX (B266) über die L166 bis XXX, sodann weiter über die L128 bis zur Einmündung auf die B266 bei XXX und diese wieder bis zur Einmündung auf die L166. Wegen der Einzelheiten über den Streckenverlauf wird auf den zur Akte genommenen Kartenausdruck Bezug genommen (Bl. 5 GA). Auf der Strecke bestehen Geschwindigkeitsbeschränkungen von 50 km/h, 70 km/h sowie 100 km/h.

Beamte des Verkehrskommissariats fuhren die vorgenannte Strecke an einem nicht bekannten Tag im Vorfeld der Kontrolle vom 10.09.2019 in einem Dienstfahrzeug ab und erfassten durch Ablesen eine Streckenlänge von 12 km. Die Beamten ermittelten ferner eine Fahrtzeit von 11 Minuten und 21 Sekunden bei günstigsten Bedingungen; hiernach errechneten sie eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 63,44 km/h.

Um 17:53:38 Uhr stellten die im Rahmen der Überwachung eingesetzten Polizeibeamten ein von dem in XXX wohnhaften Angeschuldigten zu 1. gesteuertes Kraftrad der Marke BMW Typ S1000RR mit dem amtlichen Kennzeichen XXX fest, das im Kurvenbereich mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit überholte. Da das Kraftrad die Messstelle innerhalb der folgenden 10 Minuten nicht mehr passierte, wurde die von den Beamten durchgeführte Messung abgebrochen.

Um 18:17:30 Uhr wurde das von dem Angeschuldigten zu 1. geführte Kraftrad erneut im Bereich der Messstelle festgestellt. Direkt hinter dem Kraftrad befand sich das von dem in XXX wohnhaften ehemaligen Angeschuldigten zu 2. geführte Kraftrad der Marke Ducati Typ Panigale V4 mit dem amtlichen Kennzeichen XXX. Beide Krafträder fielen den Beamten durch die hohe gefahrene Geschwindigkeit im dortigen Kurvenbereich auf. Nach den Feststellungen der Beamten durchfuhren beide Krafträder den Kurvenbereich mit extremer Schräglage unmittelbar hintereinander. Um 18:24:08 Uhr passierten beide Krafträder in gleicher Reihenfolge und erneut mit deutlich erhöhter Geschwindigkeit und Drehzahl die Messstelle wiederum unmittelbar hintereinander. Um 18:31:04 Uhr passierte der Angeschuldigte zu 1. mit dem von ihm geführten Kraftrad erneut die Messstelle. Der ehemalige Angeschuldigte zu 2. passierte die Messstelle mit dem von ihm geführten Kraftrad etwa vier Sekunden vorher. Die Beamten errechneten aus den vorgenannten Messungen „Rundenzeiten“ des von dem Angeschuldigten zu 1. geführten Kraftades von 6 Minuten und 38 Sekunden sowie 6 Minuten und 56 Sekunden und eine Durchschnittsgeschwindigkeit von über 108 km/h sowie etwa 103 km/h. Für das von dem ehemaligen Angeschuldigten zu 2. geführte Kraftrad errechneten die Beamten „Rundenzeiten“ von 6 Minuten und 38 Sekunden sowie 6 Minuten und 52 Sekunden und eine Durchschnittsgeschwindigkeit von über 108 km/h sowie etwa 103 km/h.

Die Beamten fertigten von beiden Krafträdern im Bereich der Messstelle jeweils Video- und Fotoaufnahmen (Bl. 11-31, 46-65 GA).

Die Beamten PHK XXX und POK XXX forderten beide Kraftradfahrer an der Einmündung B266/L166 zum Anhalten auf. Nach erfolgter Belehrung gaben der Angeschuldigte zu 1. und der ehemalige Angeschuldigte zu 2. gegenüber den Beamten an, gar nicht auf der „Runde“ gewesen, sondern gerade aus XXX gekommen zu sein. Der Beamte PHK XXX ordnete die Sicherstellung beider Motorräder mit den jeweiligen Zulassungsbescheinigungen mit dem Ziel der Einziehung an. Die von dem Angeschuldigten zu 1. und dem ehemaligen Angeschuldigten zu 2. getragenen Schutzhelme wurden zur Beweissicherung sichergestellt. Von den jeweils getragenen Motorradbekleidungen wurden Lichtbilder angefertigt (Bl. 32, 66 GA). Der Führerschein des ehemaligen Angeschuldigten zu 2. wurde ebenfalls sichergestellt, der Angeschuldigte zu 1. führte keinen Führerschein mit.

Kraftfahrzeugrennen - Begriff des Rennens bei einzigem Kraftfahrzeug
(Symbolfoto: Von ognennaja/Shutterstock.com)

Mit einem undatierten Vermerk (Bl. 76 d.A.) nahm der Beamte POK XXX ein auf einem USB-Stick befindliches Youtube-Video zur Akte (inzwischen der Verfahrensakte vorgeheftet), auf dem zu sehen sein soll, wie ein unbekannter Motorradfahrer die „Rurseerunde“ (Anmerkung: gemeint ist offenkundig die o.g. „Kleine Eifelrunde“) in nahezu identischer Rundenzeit wie die Angeschuldigten durchfahren haben soll.

Mit Verfügung vom 14.09.2020 (Bl. 77-78 GA) hat die Staatsanwaltschaft Aachen bei dem Amtsgericht Aachen beantragt, dem Angeschuldigten zu 1. und dem ehemaligen Angeschuldigten zu 2. gemäß § 111a StPO die Fahrerlaubnis vorläufig zu entziehen bzw. die Beschlagnahme des bereits sichergestellten Führerscheins des ehemaligen Angeschuldigten zu 2. zu bestätigen sowie die Beschlagnahme der beiden Krafträder anzuordnen.

Mit Vermerk vom 15.09.2020 (Bl. 86-87 GA) teilte der Beamte XXX mit, ihm sei bei der Sicherstellung und Verladung des Kraftrades des ehemaligen Angeschuldigten zu 2. aufgefallen, dass die Reifen des Kraftrades starke thermische Abnutzungserscheinungen aufgewiesen hätten. Diese träten bei Motorradreifen durch starke Überlastung (extremes Beschleunigen und Bremsen sowie Schräglagenfahrt bei hohen Geschwindigkeiten) auf. Die extremen Abnutzungserscheinungen seien nicht nur auf der Mittellauffläche, sondern auch bis in den extremen Randbereich des Reifens aufgetreten. Die im „Normalbetrieb“ üblicherweise bestehende „Angstrille“ (ungenutzte Lauffläche am äußersten rechten und linken Rand des Reifens) sei faktisch nicht mehr vorhanden gewesen. Da der ehemalige Angeschuldigte zu 2. zuvor angegeben habe, dass sein Motorrad erst wenige Monate alt und erst etwa 5.000 Kilometer gelaufen sei, habe er den ehemaligen Angeschuldigten zu 2. hierauf angesprochen, der daraufhin angegeben habe, dass dies bereits der dritte Reifensatz sei. Unter Berücksichtigung des abgelesenen Kilometerstands („XXX“) ergebe dies eine durchschnittliche Reifensatzlebensdauer von etwa 2.000 Kilometer pro Reifensatz. Das gesamte Reifenbild weise auf eine permanente Fahrweise hin, die mit den Regeln und Geschwindigkeitsbegrenzungen des Straßenverkehrs kaum vereinbar sei.

Mit Schriftsatz vom 15.09.2020 bestellte sich Herr Rechtsanwalt XXX zum Verteidiger des ehemaligen Angeschuldigten zu 2. und teilte mit, dass die Voraussetzungen des § 315d StGB nicht ansatzweise vorlägen. Zudem stehe das Kraftrad nicht im Eigentum des ehemaligen Angeschuldigten zu 2.

Mit Schriftsatz vom 22.09.2020 beantragte der Verteidiger des ehemaligen Angeschuldigten zu 2., den Antrag der Staatsanwaltschaft Aachen vom 14.09.2020 abzulehnen und führte u.a. aus, dass sich die berechtigte Frage stelle, ob vorliegend überhaupt zutreffend gemessen und das Messgerät geeicht gewesen sei. Darüber hinaus stelle sich die berechtigte Frage, welche Zeit bei Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzung benötigt worden wäre. Auch stelle sich die Frage, ob eine lückenlose Überwachung stattgefunden habe, um auszuschließen, dass nicht eine andere Möglichkeit genutzt worden sei, um zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Es könne auch nicht die Rede davon sein, dass die volle Motorleistung mit dem Ziel einer höchstmöglichen Geschwindigkeit ausgenutzt worden sein solle. Dies belege, dass die Staatsanwaltschaft Aachen bzw. das Amtsgericht Aachen nicht ansatzweise eine Idee davon hätten, welche Motorleistung zu welcher Geschwindigkeit mit den geführten Fahrzeugen zu erzielen sei.

Mit Schriftsatz vom 22.09.2020 bestellte sich Herr Rechtsanwalt XXX zum Verteidiger des Angeschuldigten zu 1. und erhob inhaltlich übereinstimmende Einwendungen wie in dem vorgenannten Schriftsatz von Herrn Rechtsanwalt XXX.

Mit Beschlüssen vom 01.10.2020 (Bl. 99-100, 103-104 GA) ordnete das Amtsgericht Aachen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnisse der Angeschuldigten an.

Mit gleichlautenden Schriftsätzen vom 05.10.2020 teilten die Verteidiger mit, dass in einem „identischen Parallelverfahren“ (Az.: 510 Js 554/19) ein Beschluss nach § 111a StPO auf die Beschwerde der Verteidigung aufgehoben worden sei. Im anschließenden Hauptverhandlungstermin sei der dortige Angeklagte vom Vorwurf des § 315d StGB freigesprochen worden, wobei ein Sachverständiger hinzugezogen worden sei, der auch ausgeführt habe, dass nicht von einem „illegalen Rennen“ ausgegangen werden könne. Aus den in der Akte befindlichen Lichtbildern ergebe sich zudem, dass überwiegend eine aufrechte Sitzposition eingenommen worden sei. Dies spreche nicht für das Erstreben einer höchstmöglichen Geschwindigkeit und spreche erst recht nicht dafür, die „Kleine Eifelrunde“ schnellstmöglich zu durchfahren. Noch immer stehe nicht fest, welche Strecke wo und wann zu welcher Zeit gefahren worden sei.

Mit Beschluss vom 22.10.2020 (Bl. 147-148 GA) ordnete das Amtsgericht Aachen die Beschlagnahme der Krafträder des Angeschuldigten zu 1. und des ehemaligen Angeschuldigten zu 2. an.

Mit Schriftsätzen vom 22.10.2020 legten die Verteidiger Beschwerde gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 01.10.2020 ein. Mit Beschlüssen vom 28.10.2020 half das Amtsgericht Aachen den vorgenannten Beschwerden nicht ab. Mit Beschlüssen vom 04.11.2020 hat die 4. große Strafkammer (Az.: 64 Qs 61/20) die vorgenannten Beschwerden vom 22.10.2020 als unbegründet verworfen. Zur Begründung wurde Folgendes ausgeführt:

„…Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss dem Beschwerdeführer zu Recht die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen (§ 111 a StPO), weil – auch nach Auffassung der Kammer – nach gegenwärtigem Erkenntnisstand ein dringender Tatverdacht hinsichtlich der Begehung einer Straftat des unerlaubten Kraftfahrzeugrennens gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 2 und Nr 3 StGB durch den Beschuldigten gegeben ist. Dringende Gründe rechtfertigen daher die Annahme, dass dem Beschuldigten demnächst mit Urteil die Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB endgültig entzogen werden wird.

Die Kammer schließt sich auch in der Begründung den zutreffenden Erwägungen des mit der Beschwerde angegriffenen Beschlusses an. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine dem Beschwerdeführer günstigere Entscheidung.

Bei Bewertung des gegenwärtigen Sach- und Streitstandes ist mit der im vorliegenden Verfahren gebotenen überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschuldigte und der Mitbeschuldigte XXX „die kleine Eifelrunde“ als faktische Wettbewerber eines nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennens befahren haben und dass der Beschuldigte dabei zugleich in der Absicht handelte, mit seinem Krad die höchstmögliche Geschwindigkeit auf der gefahrenen Rundstrecke zu erreichen. Das durch Messungen und Lichtbilder gut dokumentierte Fahrverhalten des Beschuldigten lässt sich mit einer bloßen – wenn auch erheblichen – Geschwindigkeitsüberschreitung aus Unachtsamkeit oder Gleichgültigkeit nicht mehr erklären. Entgegen der Auffassung des Verteidigers, wonach die gefertigten Lichtbilder überwiegend eine aufrechte Sitzposition abbilden würden, belegen gerade das Lichtbilder Bl. 17 und Bl. 24 d. A. dass jeweils beide Beschuldigte durch eine Verlagerung des Körperschwerpunktes seitlich ihrer Motorräder ein höchstmögliche Fahrgeschwindigkeit in Kurvenbereich zu erreichen versuchten. Das Lichtbild Bl. 16 d. A. zeigt beide Beschuldigte – das Krad des Beschuldigten XXX weist bezeichnenderweise sogar das Dekor einer Startnummer im Rennsport auf -, wie sie durch seitliches Abwinkelns des Beines ebenfalls versuchen, den Schwerpunkt ihres Motorrad im Kurvenbereich zur Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit zu verändern. Der gleichlautende pauschale Hinweis beider Verteidiger auf das Ergebnis eines „identischen Parallelverfahrens“ enthält keinen konkreten Sachvortrag und kann zu keiner dem Beschuldigten günstigeren Entscheidung führen, zumal es stets auf die Umstände des Einzelfalles ankommt…“.

Der Angeschuldigte zu 1. und der ehemalige Angeschuldigte zu 2. machten im Ermittlungsverfahren keine weitergehenden Angaben zur Sache.

Mit inhaltlich gleichlautenden Schriftsätzen vom 11.11.2020 haben die Verteidiger unter Bezugnahme auf die vorgenannten Beschlüsse der 4. großen Strafkammer des Landgerichts Aachen darauf hingewiesen, dass auch in der vorliegenden Sache voreilig einfach zu Lasten eines Angeschuldigten entschieden werde. Bereits in einem Parallelverfahren habe dieselbe Beschwerdekammer unter Mitwirkung derselben Richter eine Entscheidung getroffen, die sich nach Einholung eines Sachverständigengutachtens als vollkommen fehlerhaft herausgestellt habe. In vorliegender Sache liege der Verteidigung bereits (ein) Sachverständigengutachten vor. Dieses werde in einem Termin zur Durchführung der Hauptverhandlung zur Sprache kommen, so dass eine erneute Fehlentscheidung bislang getroffen wurde. Nur am Rande sei darauf hinzuweisen, dass die Argumentation in dem Beschluss abenteuerlich sei. Sie zeige, dass keiner der Kammermitglieder Erfahrungen mit Motorrädern habe. Die Kammer habe sich nicht im Geringsten damit beschäftigt, dass ein Sachverständigengutachten bereits in dem erwähnten Parallelverfahren, welches einfach hätte beigezogen werden können, ergeben habe, dass bei entsprechender Rundenzeit keinesfalls von einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen i.S. des § 315d StGB ausgegangen werden könne. Es würden Existenzen vernichtet, ohne sich dezidiert auch mit dem Einzelfall auseinanderzusetzen.

Mit Verfügung vom 12.11.2020 hat die Staatsanwaltschaft Aachen Anklage gegen den Angeschuldigten zu 1. sowie den ehemaligen Angeschuldigten zu 2. erhoben. Mit dieser wirft sie dem Angeschuldigten zu 1. vor, „jeweils a) im Straßenverkehr als Kraftfahrzeugführer an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen teilgenommen und b) sich im Straßenverkehr mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt zu haben, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen (§ 315d Abs. 1 Nr. 2, 3 StGB)“. Sie wirft ihm vor, die „Kleine Eifelrunde“ am 10.09.2019 gegen 18.17 Uhr befahren zu haben, um im Rahmen eines Geschwindigkeitswettbewerbs mit dem ehemaligen Angeschuldigten zu 2. die höchst mögliche Geschwindigkeit zu erreichen, wobei er im Kurvenbereich mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit und mit extremer Schräglage unmittelbar hintereinander gefahren sein soll.

Mit Urteil vom 21.09.2020 sprach das Amtsgericht Monschau – Strafrichterin – (Az.: 7 Ds-510 Js 554/19-74/20) den gesondert verfolgten Fahrer des Kraftrades mit dem amtlichen Kennzeichen XXX, den Herrn XXX, vom Vorwurf eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB frei. Dem Verfahren lag zugrunde, dass dem dortigen Angeklagten vorgeworfen worden war, die „Kleine Eifelrunde“ am 21.09.2019 zwischen 17:38 Uhr und 17:52 Uhr grob verkehrswidrig und rücksichtslos durchfahren zu haben, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen („Rundenzeiten“: 7 Minuten und 34 Sekunden sowie 7 Minuten und 4 Sekunden). Zur Begründung hat das Amtsgericht u.a. ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe nicht fest, dass der Angeklagte sich grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt habe. Grob verkehrswidrig sei danach ein besonders schwerer Verstoß gegen eine Verkehrsvorschrift, z.B. durch doppelte Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit u.Ä. Der Nachweis eines besonders schweren Verstoßes sei allein anhand der polizeilich dokumentierten „Rundenzeiten“ nicht möglich. Zunächst seien die polizeilich ermittelten Rundenzeiten um einen Toleranzabzug bzw. Toleranzabschlag von 10 % zu bereinigen, da es zum einen zu erheblichen Messungenauigkeiten gekommen sei und das Beschleunigungs- und Kurvenverhalten des Dienstfahrzeugs nicht mit dem des Motorrades des Angeklagten vergleichbar sei. Eine demnach feststellbar durchschnittliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 20-26 km/h bei einer auf dem überwiegenden Teil der Strecke gebotenen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h stelle indes keinen besonders schweren Verstoß gegen Verkehrsvorschriften dar. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass auf einigen Teilabschnitten der Strecke eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h vorgeschrieben sei, und dass einige besonders enge Kurven von dem Angeklagten keinesfalls mit 70 km/h, geschweige denn mit einer Geschwindigkeit von 90-96 km/h oder mehr ausgefahren worden sein könne, sei ein Tatnachweis dahingehend, der Angeklagte habe während der Fahrt die zulässige Höchstgeschwindigkeit um das Doppelte überschritten, nicht hinreichend sicher zu führen.

Mit Beschluss vom 06.11.2020 hat das Amtsgericht Monschau – Strafrichterin – in einem Verfahren gegen den gesondert verfolgten XXX (Az.: 7 Ds-510 Js 625/19-137/20) wegen des Vorwurfs des verbotenen Kraftfahrzeugrennens nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Nachweis eines besonders schweren Verstoßes gegen Verkehrsvorschriften allein anhand der dokumentierten „Rundenzeiten“ nicht möglich sei. Der von den Polizeibeamten beobachtete einmalige Überholvorgang im Bereich des XXXHeims stelle weder für sich noch in Zusammenschau mit der latenten, vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung einen besonders schweren Verstoß gegen Verkehrsvorschriften dar. Wegen einer möglicherweise von dem Angeschuldigten begangenen Ordnungswidrigkeit sei Verfolgungsverjährung eingetreten. Im Übrigen deckt sich die Begründung weitgehend mit den Ausführungen in dem Urteil vom 21.09.2020 gegen den gesondert verfolgten XXX. Gegen diesen Beschluss hat die Staatsanwaltschaft Aachen sofortige Beschwerde eingelegt. Das Beschwerdeverfahren ist bei der hiesigen Kammer (Az.: 60 Qs 60/20) noch anhängig.

Mit Verfügung vom 25.11.2020 hat die Strafrichterin bei dem Amtsgericht Monschau die Staatsanwaltschaft Aachen darauf hingewiesen, dass gegen die Eröffnung des vorliegenden Verfahrens dieselben Bedenken bestünden wie gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens in dem Verfahren 7 Ds-510 Js 625/19-137/20. Ferner ist Bezug genommen worden auf das – freisprechende – Urteil vom 21.09.2020 (Az.: 7 Ds-510 Js 554/19-74/20).

Die Staatsanwaltschaft Aachen hat mit Verfügung vom 17.12.2020 an dem Antrag auf Eröffnung des Hauptverfahrens festgehalten und u.a. ausgeführt, dass die durchgeführten Messungen und die daraus resultierende Durchschnittsgeschwindigkeit der Motorräder zwingend zu dem Ergebnis führten, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit zumindest teilweise um das doppelte überschritten worden sei. Dies allein begründe bereits einen hinreichenden Tatverdacht wegen eines sog. Alleinrennens, auch wenn im Detail unklar bleiben sollte, an welcher Stelle im Rahmen der Eifelrunde welche Geschwindigkeit gefahren worden sei.

Mit Beschluss vom 22.12.2020 hat das Amtsgericht Monschau – Strafrichterin – den Antrag auf Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Nachweis eines besonders schweren Verstoßes gegen Verkehrsvorschriften allein anhand der dokumentierten „Rundenzeiten“ nicht möglich sei. Wegen einer möglicherweise von dem Angeschuldigten zu 1. begangenen Ordnungswidrigkeit sei Verfolgungsverjährung eingetreten. Im Übrigen deckt sich die Begründung weitgehend mit den Ausführungen in dem Urteil vom 21.09.2020 gegen den gesondert verfolgten XXX.

Der vorgenannte Beschluss ist der Staatsanwaltschaft gemäß § 41 StPO am 28.12.2020 zugestellt worden. Am 29.12.2020 hat die Staatsanwaltschaft Aachen per Fax sofortige Beschwerde gegen den Beschluss bei dem Amtsgericht Monschau eingelegt.

Mit an das Landgericht Aachen gerichteter und hier am 07.01.2021 eingegangener Verfügung vom 05.01.2021 hat die Staatsanwaltschaft Aachen zur Begründung der sofortigen Beschwerde ausgeführt, dass allein aufgrund der Durchschnittsgeschwindigkeit anzunehmen sei, dass die Höchstgeschwindigkeit streckenweise um das Doppelte überschritten worden sein müsse, ohne dass es darauf ankomme festzustellen, an welcher Stelle der „Kleinen Eifelrunde“ dies geschehen sei. Im Übrigen hat sie auf die Verfügung vom 17.12.2020 Bezug genommen. Darüber hinaus bestünden keine vernünftigen Zweifel daran, dass gerade die wiederholte gemeinsame Befahrung der Strecke einzig und allein dem Geschwindigkeitswettbewerb geschuldet sei. Mit einer Nichteröffnung des Hauptverfahrens aus den angeführten Gründen wäre einer „Umwidmung“ der in Rede stehenden Verkehrsstrecke Tür und Tor geöffnet.

Mit Verfügung vom 08.01.2021 hat die Kammer dem Verteidiger des Angeschuldigten zu 1. eine Kopie der Beschwerdeschrift nebst -begründung mit der Gelegenheit zur Gegenerklärung binnen 10 Tagen übersandt. Ferner hat sie die Verfahrensakte 7 Ds-510 Js 554/19-74/20 beigezogen.

Am 13.01.2021 ist ein Aktenvermerk des Verkehrskommissariats 2 zur Akte gereicht worden, dem ein USB-Stick beigefügt gewesen ist. Auf diesem befinden sich eine Lichtbildmappe der Geschwindigkeitsbeschränkungen, eine Excel-Tabelle mit den Abständen zwischen den Geschwindigkeitsbeschränkungen, ein Video zu den Abständen der Geschwindigkeitsbeschränkungen, eine Provida-Krad-Auswertung der Streckenlänge als Video, eine Auswertung über die gefahrene Rundenzeit bei Einhaltung der Geschwindigkeitsbeschränkungen als Video, Lichtbilder der Beschuldigten, zwei Videoaufnahmen der Beschuldigten sowie ein Youtube-Video der „Rurseerunde“. Durch den Beamten XXX sei mittels eines geeichten Kraftrades die „Rurseerunde“ abgefahren worden. Diese weise eine Länge von 12.263 Metern auf. Unter Berücksichtigung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit benötige man für diese Strecke eine Zeit von 670,73 Sekunden (11,178 Minuten).

Mit Schriftsatz vom 19.01.2021 hat der Verteidiger des Angeschuldigten zu 1. auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft erklärt, dass ihre Ausführungen zur Umwidmung als Rennstrecke polemisch seien. Eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit sei „jederzeit vorhanden“. Auch das gemeinsame Befahren der Strecke lasse keineswegs den Schluss darauf zu, dass dies nur geschehe, um einen „Geschwindigkeitswettbewerb“ auszutragen. Insoweit dürfte die Staatsanwältin nicht zu den Motorradfahrern gehören. Beim Motorradfahren sei es durchaus üblich, gemeinsam unterwegs zu sein. Hinsichtlich der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um das Doppelte und den erforderlichen Nachweis habe das Amtsgericht sich nun sehr ausführlich mit dieser Frage beschäftigt. Der pauschale Hinweis der Staatsanwaltschaft, die Verurteilung sei im Hinblick auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit und entsprechenden darauf gestützten Mutmaßungen möglich, reiche nicht.

Mit Beschluss vom 01.02.2021 hat die Kammer die gegen den ehemaligen Angeschuldigten zu 2. gerichtete sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen.

II.

1. Die gemäß § 210 Abs. 2 StPO statthafte sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Aachen ist bezogen auf den Angeschuldigten zu 1. form- und fristgerecht erhoben worden, sie ist darüber hinaus begründet. Das Amtsgericht hat zu Unrecht die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen abgelehnt.

a) Nach § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn der Angeschuldigte nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint. Hinreichender Tatverdacht ist anzunehmen, wenn die nach Maßgabe des Akteninhalts, nicht lediglich aufgrund der Anklageschrift, vorzunehmende vorläufige Tatbewertung ergibt, dass die Verurteilung des Angeschuldigten wahrscheinlich ist. Eine solche Wahrscheinlichkeit besteht, wenn unter erschöpfender Zugrundelegung des Ergebnisses der Ermittlungen und der daran anknüpfenden rechtlichen Erwägungen zum objektiven und subjektiven Tatbestand bei Einschätzung des mutmaßlichen Ausgangs der Hauptverhandlung mehr für eine Verurteilung als für einen Freispruch spricht. Dabei wird eine an Sicherheit grenzende Verurteilungswahrscheinlichkeit nicht gefordert. Auch wird nicht die gleiche Wahrscheinlichkeit verlangt wie beim dringenden Tatverdacht nach § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO. Die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung des Angeschuldigten muss aber so groß sein, dass es einer Entscheidung durch das erkennende Gericht in der Hauptverhandlung bedarf, um festzustellen, ob noch bestehende Zweifel gerechtfertigt sind. Für den strafrechtlichen Entscheidungsgrundsatz „in dubio pro reo“ ist bei der Prüfung des hinreichenden Tatverdachts zwar grundsätzlich noch kein Raum, jedoch kann hinreichender Tatverdacht mit der Begründung verneint werden, dass nach Aktenlage bei den gegebenen Beweismöglichkeiten am Ende wahrscheinlich das Gericht nach diesem Grundsatz freisprechen wird (vgl. zum Ganzen KK-StPO/Schneider, 8. Aufl. 2019, § 203 Rn. 3 ff.).

b) Unter Zugrundelegung dessen besteht ein hinreichender Tatverdacht i.S. des § 203 StPO dahingehend, dass sich der Angeschuldigte zu 1. am 10.09.2019 zwischen 18:17:30 Uhr und 18:31:04 Uhr der Teilnahme an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen nach § 315d StGB schuldig gemacht hat (vgl. zur Tenorierung jurisPK-Straßenverkehrsrecht/Weiland, Stand: 01.07.2019, § 315d StGB Rn. 123).

aa) Zunächst ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Staatsanwaltschaft Aachen in ihrer Anklageschrift vom 12.11.2020 und dem folgend auch das Amtsgericht in dem angegriffenen Beschluss von einer unzutreffenden rechtlichen Beurteilung der angeklagten Tat (vgl. § 264 Abs. 1 StPO) ausgehen.

Die Tatbestände des § 315d Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB erfassen Fälle nicht erlaubter Kraftfahrzeugrennen in der Variante der Ausrichtung oder Durchführung (Nr. 1) bzw. der Teilnahme (Nr. 2). Gemeinsame objektive Tatbestandsvoraussetzung ist das Vorliegen eines nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennens (vgl. Schulz-Merkel, NZV 2020, 397, 398), wobei beide Tatbestandsvarianten verwirklicht sein können, wenn etwa der Ausrichter eines nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennens an diesem auch selbst teilnimmt (zur – umstrittenen – konkurrenzrechtlichen Behandlung vgl. BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 79 m.w.Nachw.; SK-StGB/Ernemann, § 315d Rn. 24).

Ziel des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB ist demgegenüber die Erfassung auch derjenigen Fälle, in denen nur ein einziges Kraftfahrzeug objektiv und subjektiv ein Rennen gewissermaßen nachstellt (BT-Drs. 18/12936, S. 2; BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 31 m.w.Nachw.; Jansen, NZV 2019, 285 f.). Bei dem insofern in den Blick genommenen „Einzelraser“ liegt gerade kein wirkliches „Rennen“ vor (vgl. OLG Köln, Urt. V. 05.05.2020 – 1 RVs 45/20, NStZ-RR 2020, 224, juris Rn. 17; Ruhs, SVR 2018, 286, 288; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl. 2018, § 315d Rn. 2, 5). Daher ist die Einordnung der Vorschrift in § 315d StGB („Verbotene Kraftfahrzeugrennen“) auch systematisch verfehlt (vgl. hierzu Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl. 2019, § 315d Rn. 8). Die Bestimmung des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB kann jedoch als Auffangtatbestand für Fälle, in denen eine Subsumtion unter den Rennbegriff mangels Nachweises der wechselseitigen Übereinkunft nicht gelingt, verstanden werden.

Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen kann entgegen der der Anklageschrift zugrunde liegenden Rechtsauffassung nicht davon ausgegangen werden, dass zugleich (tateinheitlich) eine Teilnahme an einem unerlaubten Kraftfahrzeugrennen nach § 315 Abs. 1 Nr. 2 StGB und ein unerlaubtes „Einzelrasen“ nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB vorliegt. Vielmehr schließen sich die vorgenannten Tatbestände gegenseitig aus (vgl. Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl. 2018, § 315d Rn. 5). Fahren mehrere Kraftfahrzeugführer jeweils für sich – sei es auch „zusammen“ – ein „Einzelrennen“, weil eine wechselseitige Übereinkunft nicht vorliegt oder nicht nachgewiesen werden kann, ist ausschließlich Raum für § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB (vgl. BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 13; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl. 2018, § 315d Rn. 5; Preuß, NZV 2018, 537, 538). Einigen sich die Kraftfahrzeugführer demgegenüber (konkludent) auf ein „Rennen“, tritt § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB hinter § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB zurück (vgl. Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl. 2018, § 315d Rn. 5).

bb) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen besteht entgegen der Auffassung in dem angegriffenen Beschluss des Amtsgerichts ein hinreichender Tatverdacht dafür, dass sich der Angeschuldigte zu 1. als Führer des in der Anklageschrift genannten Kraftrades der Teilnahme an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB schuldig gemacht hat.

(1) Das Tatbestandsmerkmal des „Rennens“ geht auf § 29 Abs. 1 StVO a.F. zurück (vgl. nur Schulz-Merkel, NZV 2020, 397, 398; Kusche, NZV 2017, 414, 415). Rennen sind Wettbewerbe oder Teile eines Wettbewerbs sowie Veranstaltungen zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten oder höchsten Durchschnittsgeschwindigkeiten mit mindestens zwei teilnehmenden Kraftfahrzeugen, wobei es weder auf die Länge der gefahrenen Strecke ankommt noch einer vorherigen Absprache der Beteiligten bedarf (BT-Drucks. 18/12964, S. 5; LG Berlin, Beschl. v. 29.01.2019 – 511 Qs 126/18, BeckRS 2019, 7962 Rn. 25; LG Deggendorf, Urt. v. 22.11.2019 – 1 Ks 6 Js 5538/18, BeckRS 2019, 35102 Rn. 127; SK-StGB/Ernemann, § 315d Rn. 4; MüKo-StGB/Pegel, 3. Aufl. 2019, § 315d Rn. 7, 10; Schulz-Merkel, NZV 2020, 397, 398; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl. 2018, § 315d Rn. 3; Kusche, NZV 2017, 414, 415; BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 11; Schöne/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl. 2019, § 315d Rn. 3). Nach Auffassung des Gesetzgebers liegt eine strafbare Teilnahme an einem Kraftfahrzeugrennen dabei selbst dann vor, wenn die geltenden Verkehrsregeln eingehalten werden (BT-Drucks. 18/12964, S. 5; ebenso LG Berlin, Beschl. v. 29.01.2019 – 511 Qs 126/18, BeckRS 2019, 7962 Rn. 27; MüKo-StGB/Pegel, 3. Aufl. 2019, § 315d Rn. 10; Schöne/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl. 2019, § 315d Rn. 3; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl. 2018, § 315d Rn. 3; jurisPK-Straßenverkehrsrecht/Weiland, Stand: 01.07.2019, § 315d StGB Rn. 24; Preuß, NZV 2017, 105, 109; Zieschang, JA 2016, 721, 723; a.A. [Verkehrsverstoß notwendig] Kusche, NZV 2017, 414, 415; Schulz-Merkel, NZV 2020, 397, 398; Kubiciel/Hoven, NStZ 2017, 439, 445; Kusche, NZV 2017, 414, 415; BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 14; s. ferner OLG Köln, Urt. V. 05.05.2020 – III-1 RVs 42/20, NStZ-RR 2020, 323, 324 [„dem tatbestandsmäßigen Begriff des „Rennens“ [ist] die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten und damit auch die deutliche Überschreitung von Geschwindigkeitsbeschränkungen immanent“]; zweifelnd auch SK-StGB/Ernemann, § 315d Rn. 4). Jedenfalls begegnet die Verwendung des Begriffs „Rennens“ in § 315d Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz keinen Bedenken (zutreffend Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl. 2018, § 315d Rn. 1).

Die Gegenmeinung, die für einen eigenständigen strafrechtlichen Begriff des „Rennens“ plädiert (so Blanke-Roeser, JuS 2018, 18, 19 f.) führt in der Praxis zu keinen abweichenden Ergebnissen, da sie inhaltlich im Wesentlichen an dieselben Kriterien anknüpft wie die an § 29 Abs. 1 StVO a.F. orientierte Auffassung (vgl. MüKo-StGB/Pegel, 3. Aufl. 2019 § 315d Rn. 11; jurisPK-Straßenverkehrsrecht/Weiland, Stand: 01.07.2019, § 315d StGB Rn. 25.1).

Prägend für ein Rennen im Rechtssinne sind demnach zwei Komponenten (vgl. hierzu SK-StGB/Ernemann, § 315d Rn. 4):

Zum einen der Wettbewerbscharakter, der die Beteiligung von mindestens zwei Teilnehmern und das subjektive Element eines Kräftemessens voraussetzt (vgl. SK-StGB/Ernemann, § 315d Rn. 4; Kusche, NZV 2017, 414, 415; BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 13). Die Ermittlung eines Siegers ist kein konstitutives Element (LG Deggendorf, Urt. v. 22.11.2019 – 1 Ks 6 Js 5538/18, BeckRS 2019, 35102 Rn. 128 ff.; BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 13.6; Schönke/Schröder/Hecker, 30. Auf. 2019, § 315d Rn. 3; MüKo-StGB/Pegel, 3. Aufl. 2019, § 315d Rn. 8; a.A. Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 315d Rn. 6; Rinio, NZV 2018, 478; Blanke-Roeser, JuS 2018, 18, 20; Preuß, NZV 2018, 537, 538; jurisPK-Straßenverkehrsrecht/Weiland, Stand: 01.07.2019, § 315d StGB Rn. 24). Ausreichend ist insbesondere, dass der Versuch des Erreichens der Höchstgeschwindigkeit der gegenseitigen Leistungsprüfung dient, ohne dass die Teilnehmer miteinander im Wettbewerb stehen (vgl. OLG Köln, Urt. V. 05.05.2020 – III-1 RVs 42/20, NStZ-RR 2020, 323, 324; KG, Beschl. v. 20.12.2019 – (3) 161 Ss 134/19 (75/19), BeckRS 2019, 35362 Rn. 13; BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 13.6; Schöne/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl. 2019, § 315d Rn. 3). Auch wenn es nach dem oben Gesagten einer Absprache im Sinne einer vorbereitenden ausdrücklichen Verabredung über Zeit, Ort oder Regeln nicht bedarf, ist – nicht zuletzt im Hinblick auf die notwendige Abgrenzung zum sog. Einzelrasen i.S. des § 315d Nr. 3 StGB – erforderlich, dass die Teilnehmer – sei es spontan, sukzessiv und/oder konkludent – die Abrede zu einem beiderseitigen Rennen treffen (vgl. OLG Köln, Urt. V. 05.05.2020 – III-1 RVs 42/20, NStZ-RR 2020, 323, 324; Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 315d Rn. 7; Rinio, NZV 2018, 478; BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 13, 13.1; jurisPK-Straßenverkehrsrecht/Weiland, Stand: 01.07.2019, § 315d StGB Rn. 24.1; s. ferner OLG Hamburg, Beschl. v. 13.03.2018 – 5 RB 2/18, BeckRS 2018, 13170 Rn. 5, 7 zu § 29 Abs. 1 StVO a.F.: „gemeinsame Zwecksetzung“). Die Feststellung eines Kraftfahrzeugrennens bedarf grundsätzlich einer umfassenden tatrichterlichen Gesamtwürdigung aller Umstände im Einzelfall (jurisPK-Straßenverkehrsrecht/Weiland, Stand: 01.07.2019, § 315d StGB Rn. 126). Als Indizien für das Vorliegen eines Wettbewerbs i.S. eines organisierten Rennens kann insbesondere auf gemeinsame Etappen-, Ziel- oder Startorte, besondere Kennzeichnungen der beteiligten Fahrzeuge, Zeitnahmen und etwaige Verbindungen zwischen den einzelnen Teilnehmern untereinander oder mit dem Veranstalter (z.B. per Funk), einen riskanten Fahrstil oder einen zeitgleichen Start mehrerer Fahrzeuge abgestellt werden (BT-Drucks. 18/12964, S. 5; Kusche, NZV 2017, 414, 415; SK-StGB/Ernemann, § 315d Rn. 4; MüKo-StGB/Pegel, 3. Aufl. 2019, § 315d Rn. 12; BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 13.3). Andererseits liegt es im Charakter eines nicht genehmigten Rennens, dass typische Elemente eines genehmigten Rennens bei einem solch „wilden“, also nicht organisierten (Spontan-)Rennens gerade nicht vorliegen werden (BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 13.3; jurisPK-Straßenverkehrsrecht/Weiland, Stand: 01.07.2019, § 315d StGB Rn. 126). Weitere Anhaltspunkte für das Vorliegen eines „Rennens“ sind insoweit die Teilnahme „renntypischer“, d. h. hochmotorisierter bzw. getunter Fahrzeuge, das Vorhandensein von Publikum und die Austragung an „szenebekannten Orten“ (vgl. Stam, StV 2018, 464, 465; Preuß, NZV 2018, 537, 538; Jansen, NZI 2017, 214, 216), ferner die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit und das Ausmaß der Überschreitung einer Geschwindigkeitsbeschränkung (jurisPK-Straßenverkehrsrecht/Weiland, Stand: 01.07.2019, § 315d StGB Rn. 126).

Des Weiteren erforderlich ist das Moment der Geschwindigkeit (BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 11; MüKo-StGB/Pegel, 3. Aufl. 2019, § 315d Rn. 8). Entgegen der Auffassung der Verteidigung kommt es dabei aber nicht auf die Erzielung einer absoluten Höchstgeschwindigkeit an. Der Wille, gemeinsam möglichst schnell zu fahren, erfüllt den Rennbegriff ebenso. Ausschlaggebend ist das Streben nach einer höheren Geschwindigkeit (vgl. LG Berlin, Beschl. v. 29.01.2019 – 511 Qs 126/18, BeckRS 2019, 7962 Rn. 25; BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 13.6; SK-StGB/Ernemann, § 315d Rn. 4; Jansen, NZV 2017, 214, 216). Ebenso ausreichend ist, dass die betroffenen Kraftfahrzeugführer das Beschleunigungspotential ihrer Gefährte vergleichen (vgl. LG Berlin, Beschl. v. 29.01.2019 – 511 Qs 126/18, BeckRS 2019, 7962 Rn. 25; LG Arnsberg, Urt. v. 20.01.2020 – 2 Ks 15/19, BeckRS 2020, 11984 Rn. 254; BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 12; MüKo-StGB/Pegel, 3. Aufl. 2019, § 315d Rn. 8; Rinio, NZV 2018, 478). Unter Berücksichtigung dessen kommt es entgegen der Auffassung der Verteidigung nicht darauf an, welche Höchstgeschwindigkeiten mit den in Rede stehenden Krafträdern auf der hier in Rede stehenden Strecke erzielbar gewesen wären. Ebenso neben der Sache liegen die Ausführungen der Verteidigung zu der Frage, ob und inwieweit die an diesem Verfahren beteiligten Richter/innen und Staatsanwälte/Staatsanwältinnen über Kenntnisse oder Erfahrungen mit Motorrädern verfügen oder „eine Idee davon haben, welche Motorleistung zu welcher Geschwindigkeit mit den geführten Fahrzeugen zu erzielen ist“.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts in dem angegriffenen Beschluss sowie der Verteidigung kommt es für die Frage, ob ein Kraftfahrzeugrennen i.S. des § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB vorliegt, nicht darauf an, mit welcher Geschwindigkeit genau der Angeschuldigte zu 1. die Strecke befahren hat. Die für die Ermittlung bzw. Schätzung von Geschwindigkeiten im Ordnungswidrigkeitenrecht maßgeblichen Kriterien der Länge der Messstrecke und des Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug sowie insbesondere der Ansatz eines deutlichen Toleranzabzugs zur Berücksichtigung von Ablese- und Eigenfehlern des (unjustierten) Tachometers sollen die zutreffende, den Grundsatz „in dubio pro reo“ wahrende Einordnung eines Geschwindigkeitsverstoßes in das System der Regelbußen und des Regelfahrverbots der Bußgeldkatalog-Verordnung ermöglichen. Darum geht es bei § 315b Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB gerade nicht. Entsprechende Feststellungen sind hier auch ohne genauere Bestimmung der gefahrenen Geschwindigkeit möglich (so ausdrücklich OLG Köln, Urt. v. 05.05.2020 – III-1 RVs 42/20, NStZ-RR 2020, 323, 324; Steinert, SVR 2020, 473).

(2) Nach Aktenlage kann unter Zugrundlegung dessen ein hinreichender Tatverdacht nicht verneint werden.

Unter Zugrundelegung der nach Aktenlage von den eingesetzten Polizeibeamten getroffenen Feststellungen hat der Angeschuldigte zu 1. am Tattag ein Kraftrad der Marke BMW TYP S100RR geführt. Ausweislich der Angaben in der in Kopie zur Akte genommenen Zulassungsbescheinigung Teil I (Bl. 9 GA) hat das Kraftrad eine Nennleistung von 146 kW (199 PS), die Höchstgeschwindigkeit beträgt 299 km/h (Werksangabe). Es handelt sich um ein Motorradmodell der Klasse „Superbike/Supersportler“, also um ein Straßenmotorrad, das im Hinblick auf die Fahrleistung und den Fahrkomfort mehr Renn- als Straßenmaschine ist. Auf der rechten Seite des Kraftrades befindet sich am Rahmen ein Aufkleber mit der Bezeichnung „BMW Motorrad Motorsport“ (Lichtbild Bl. 34 GA). Der Angeschuldigte zu 1. hat mit diesem Kraftrad vom Bereich des XXXHeims aus die „Kleine Eifelrunde“ zwischen 18:17:30 Uhr und 18:24:08 Uhr sowie nochmals zwischen 18:24:08 Uhr und 18:31:04 Uhr befahren. Der ehemalige Angeschuldigte zu 2. fuhr dabei mit dem von ihm geführten Kraftrad der Marke Ducati Typ Panigale V4 unmittelbar hinter dem Angeschuldigten zu 1. Ausweislich der Angaben in der in Kopie zur Akte genommenen Zulassungsbescheinigung Teil I (Bl. 71 GA) hat das letztgenannte Kraftrad eine Nennleistung von 158 kW (215 PS), die Höchstgeschwindigkeit beträgt 299 km/h (Werksangabe). Es handelt sich um ein Motorradmodell der Klasse „Superbike“. Auf den zur Akte genommenen Lichtbildern (Bl. 15, 16, 21-23, 27, 28, 47, 52-54, 60-62, 67 GA) ist zu sehen, dass sich auf der Frontverkleidung ein Startnummernaufkleber („23“) befindet. Beide Krafträder sind den eingesetzten Polizeibeamten erstmals zusammen gegen 18:17 Uhr im Bereich der überwachten Strecke durch die hohe Geschwindigkeit und Drehzahl im dortigen Kurvenbereich aufgefallen. Ferner haben beide Krafträder den Kurvenbereich in „extremer Schräglage“ unmittelbar hintereinander befahren. Weiter haben die eingesetzten Polizeibeamten festgestellt, dass beide Krafträder in gleicher Reihenfolge und erneut mit erhöhter Geschwindigkeit und Drehzahl die Messstelle passiert haben. Sodann passierte der ehemalige Angeschuldigte zu 2. um 18:31:00 Uhr etwa vier Sekunden vor dem Angeschuldigten zu 1. die Messstelle. Die Fahrweisen sind von den eingesetzten Polizeibeamten videografisch festgehalten worden (USB-Stick Bl. 243 GA). Die geschilderte Schräglage des Kraftrades des Angeschuldigten zu 1. ist auch auf den zur Akte genommenen Lichtbildern zu sehen (Bl. 19, 20, 23 GA). Auf den Lichtbildern Bl. 17 und 24 GA ist zu sehen, dass der Angeschuldigte zu 1. und der ehemalige Angeschuldigte zu 2. ihren Körperschwerpunkt seitlich ihrer Motorräder verlagert haben, wie es auch bei Motorradrennen typisch ist, um eine höchstmögliche Fahrgeschwindigkeit im Kurvenbereich zu erreichen. Auf dem Lichtbild Bl. 16 GA ist zu sehen, dass der Angeschuldigte zu 1. durch ein seitliches Abwinkeln seines rechten Beins versucht, seinen Schwerpunkt im Kurvenbereich zu verlagern, um im Kurvenbereich die Fahrgeschwindigkeit erhöhen zu können. Die vorgenannten Techniken sind typisch für die Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit im Kurvenbereich insbesondere im Motorsport („Hanging off“ sowie „Knieschleifen/Kneeslide/Kneedown“). Unter Berücksichtigung der von den Polizeibeamten ermittelten „Rundenzeiten“ sowie der Streckenlänge ergeben sich demnach Durchschnittsgeschwindigkeiten von etwa 108 km/h sowie 103 km/h. Nach dem oben Gesagten kommt es dabei nicht auf etwaige Messungenauigkeiten an, jedenfalls hat auch ein Abfahren der „Kleinen Eifelrunde“ mit einem geeichten Provida-Kraftrad durch den Beamten XXX ergeben, dass sich die Streckenlänge auf 12,263 km beläuft. Zum Durchfahren der Strecke unter Berücksichtigung der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten wurde eine Zeit von 11,178 Minuten benötigt. Auch unter Zugrundelegung dessen ergeben sich keine wesentlichen Abweichungen zu den von den am Tattag eingesetzten Beamten getroffenen Feststellungen.

Unter Berücksichtigung der vorstehend aufgeführten Feststellungen ist wahrscheinlich, dass der Angeschuldigte zu 1. wegen Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB verurteilt werden wird. Schon die durch die eingesetzten Polizeibeamten ermittelten „Rundenzeiten“ belegen nach Auffassung der Kammer ohne weiteres, dass der Angeschuldigte zu 1. und der ehemalige Angeschuldigte zu 2. die „Kleine Eifelrunde“ mehrfach unter permanenter, jedenfalls mehrfach hintereinander erfolgter erheblicher Überschreitung der jeweils nach § 3 Abs. 1 StVO angemessenen Geschwindigkeit durchfahren haben müssen. In diesem Zusammenhang kommt es gerade nicht darauf an, ob sie dabei die „zulässige Höchstgeschwindigkeit“ um das Doppelte überschritten haben. Ob mit der oben dargestellten, dem Willen des Gesetzgebers folgenden herrschenden Meinung davon ausgegangen werden kann, dass ein Kraftfahrzeugrennen selbst bei Einhaltung sämtlicher Verkehrsregeln gegeben sein kann, bedarf dabei vorliegend keiner Entscheidung, denn nach dem Gesagten ist davon auszugehen, dass der Angeschuldigte zu 1. und der ehemalige Angeschuldigte zu 2. dauerhaft, jedenfalls mehrfach und fortgesetzt (erheblich) gegen die geltenden Geschwindigkeitsbegrenzungen verstoßen haben. Zwar konnten keine weitergehenden Feststellungen dazu getroffen werden, wann und wo genau der Angeschuldigte zu 1. und der ehemalige Angeschuldigte zu 2. zusammengetroffen sind. Als der Angeschuldigte zu 1. den eingesetzten Beamten gegen 17:53 Uhr erstmals aufgrund seiner Fahrweise aufgefallen ist, war er alleine. Dass es zwischen dem Angeschuldigten zu 1. und dem ehemaligen Angeschuldigten zu 2. zu der für ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen erforderlichen Rennabrede gekommen ist, folgt nach Auffassung der Kammer gleichwohl aus den im Übrigen getroffenen Feststellungen, insbesondere aus dem Umstand, dass der Angeschuldigte zu 1. und der ehemalige Angeschuldigte zu 2. die „Kleine Eifelrunde“ über die Messstelle am XXXHeim mindestens zwei Mal hintereinander befahren haben, sie also über einen längeren Zeitraum und über eine längere Strecke hinweg zusammengeblieben sind. Als beide die Messstelle zum zweiten Mal passierten, fuhr der ehemalige Angeschuldigte zu 2. dabei – anders als bei der Runde zuvor – etwa vier Sekunden vor dem Angeschuldigten zu 1. durch die Messstelle, es muss also zuvor zu einem Überholen gekommen sein. Dies spricht deutlich dafür, dass der Angeschuldigte zu 1. und der ehemalige Angeschuldigte zu 2. die Strecke im Wettbewerb zueinander stehend befahren haben, jedenfalls folgt hieraus nach Auffassung der Kammer deutlich der Versuch des Erreichens der Höchstgeschwindigkeit zur gegenseitigen Leistungsprüfung.

Schließlich wird im Rahmen des § 261 StPO zu berücksichtigen sein, dass es sich bei beiden beteiligten Krafträdern um leistungsstarke Maschinen handelt, die im Hinblick auf die Fahrleistung und den Fahrkomfort mehr Renn- als Straßenmaschinen sind. Zudem haben sowohl der Angeschuldigte zu 1. als auch der ehemalige Angeschuldigte zu 2. nach den getroffenen Feststellungen im Bereich der Messstelle Fahrweisen an den Tag gelegt, wie sie für den Rennsport typisch sind. Darüber hinaus wird zu berücksichtigen sein, dass der Angeschuldigte zu 1. und der ehemalige Angeschuldigte zu 2. offenbar von ihren mehrere Kilometer entfernten Wohnorten (XXX und XXX) in die Eifel gefahren sind, um dort mehrfach hintereinander fahrend die „Kleine Eifelrunde“ zu befahren. Auch dies stellt nach Auffassung der Kammer ein gewichtiges Indiz für die Annahme dar, dass es dem Angeschuldigten zu 1. und dem ehemaligen Angeschuldigten zu 2. allein darum gegangen ist, die Strecke zum Kräftemessen zu befahren. Ob der Angeschuldigte zu 1. und der ehemalige Angeschuldigte zu 2. sich erst vor Ort getroffen und dort die Rennabrede – sei es ausdrücklich, sei es konkludent, ggf. auch während des Befahrens der Strecke – getroffen haben, ist nach dem oben Gesagten für die Verwirklichung des Tatbestandes unerheblich. Schließlich wird zu berücksichtigen sein, dass die „Kleine Eifelrunde“ häufig zur Durchführung verbotener Kraftfahrzeugrennen genutzt wird, da die in Rede stehende Überwachung der B266 durch die eingesetzten Beamten gerade zur Bekämpfung des Phänomens „Illegale Motorradrennen in der Eifel“ durchgeführt worden ist.

Anhaltspunkte dafür, dass der Angeschuldigte zu 1. die Fahrstrecke von (gut) 12 km tatsächlich nicht vollständig zurückgelegt, sondern etwa eine Abkürzung benutzt hat, liegen nicht vor. Abgesehen davon, dass dieser nach den von den Polizeibeamten getroffenen Feststellungen die Kontrollstelle bei dem XXXHeim bereits mehrfach passiert hatte, ist nicht ersichtlich, dass es überhaupt eine Möglichkeit zur Nutzung einer Abkürzung auf der Fahrstrecke gibt. Ohne greifbare Anhaltspunkte hierfür ist das Amtsgericht nicht gehalten, diese rein theoretische und im Übrigen auch lebensfremde Möglichkeit auszuschließen. Unter Berücksichtigung dessen kommt es entgegen der Verteidigung auch nicht maßgeblich darauf an, dass eine lückenlose Überwachung der „Kleinen Eifelrunde“ durch die eingesetzten Beamten nicht stattgefunden hat.

Soweit der Angeschuldigte zu 1. und der ehemalige Angeschuldigte zu 2. gegenüber den Beamten PHK XXX und POK XXX vor Ort angegeben haben, sie seien gar nicht auf der „Runde“ gewesen, man sei gerade aus XXX gekommen, ist dies im Hinblick auf die oben im Einzelnen dargelegten Feststellungen als offensichtliche Schutzbehauptung zu werten.

Soweit sich die Verteidigung auf ein Sachverständigengutachten berufen hat, das in dem „Parallelverfahren“ (Az.: 510 Js 554/19) erstattet worden sein soll, dringt sie hiermit nicht durch. Abgesehen davon, dass in dem vorgenannten Verfahren ausschließlich eine Strafbarkeit des dortigen Angeklagten nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB in Rede stand, ist schon nicht ersichtlich, wie es Aufgabe eines Sachverständigen sein könnte, Aussagen darüber zu treffen, ob ein „verbotenes Kraftfahrzeugrennen“ i.S. des § 315d Abs. 1 StGB gegeben ist. Hierbei handelt es sich um eine Rechtsfrage, die das Gericht und nicht der Sachverständige zu beurteilen hat. Nach dem oben Gesagten bedarf es zur Feststellung der für das Vorliegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens i.S. des § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB der Einholung eines Sachverständigengutachtens auch nicht, insbesondere kommt es nicht auf eine doppelte Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit an. Es kommt daher auch nicht maßgeblich darauf an, ob ein Sachverständiger hierzu noch Feststellungen treffen könnte. Entsprechend fehl geht der Hinweis der Verteidigung auf ein ihr vorliegendes Sachverständigengutachten bezogen auf die hier in Rede stehende Tat.

Im Übrigen kann im weiteren Verlauf des Verfahrens auch der ehemalige Angeschuldigte zu 2. als Zeuge vernommen werden. Nachdem die Kammer die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Nichteröffnungsbeschluss insoweit mit Beschluss vom 01.02.2021 als unzulässig verworfen hat, kann sich dieser nicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen und ist verpflichtet, wahrheitsgemäße Angaben zur Sache zu machen. Ein Auskunftsverweigerungsrecht könnte dem ehemaligen Angeschuldigten zu 2. allenfalls dann zustehen, wenn er noch an weiteren vergleichbaren Taten beteiligt gewesen wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 01.09.2009 – 1 StR 399/09, StraFo 2009, 520, juris Rn. 13), wofür nach derzeitiger Sachlage indes keine hinreichenden Anhaltspunkte bestehen.

c) Sollten sich nach dem Ergebnis der durchzuführenden Beweisaufnahme die für die Annahme der Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen erforderlichen Voraussetzungen, insbesondere das Zustandekommen einer (konkludenten) Rennabrede zwischen dem Angeschuldigten zu 1. und dem ehemaligen Angeschuldigten zu 2., nicht nachweisen lassen, werden die Voraussetzungen für ein sog. Einzelrasen gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB zu prüfen sein, wobei das Amtsgericht den Angeschuldigten zu 1. hierauf ggf. gemäß § 265 Abs. 1 StPO gesondert hinzuweisen haben wird, da die Erwähnung dieser Strafbestimmung in der vorliegenden Entscheidungen einen solchen Hinweis nicht ersetzt (vgl. Löwe-Rosenberg/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl. 2012, § 265 Rn. 22) und die Staatsanwaltschaft Aachen in der Anklageschrift nach dem oben Gesagten von einer rechtlich unzutreffenden Einordnung der angeklagten Tat ausgegangen ist.

aa) Die gegen die Strafnorm des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. hierzu AG Villingen-Schwenningen, Beschl. v. 16.01.2020 – 6 Ds 66 Js 980/19, DAR 2020, 218; kritisch auch Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 315d Rn. 12, 14, 18; Schulz-Merkel, NZV 2020, 397, 399; SSW/Ernemann, StGB, 5. Aufl. 2020, § 315d Rn. 15; Stam, StV 2018, 464, 467 f.; offenlassend OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.05.2020 – 1 OLG 2 Ss 34/20, juris Rn. 19) teilt die Kammer nicht (s. hierzu KG, Beschl. v. 20.12.2019 – (3) 161 Ss 134/19 (75/19), DAR 2020, 149 = BeckRS 2020, 2019, 35362 Rn. 10; OLG Köln, Beschl. v. 05.05.2020 – 1 RVs 45/20, NStZ-RR 2020, 224, juris Rn. 13). Der Straftatbestand ist bei der gebotenen einschränkenden Auslegung auch mit Blick auf das Tatbestandsmerkmal der „Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“, nicht zu unbestimmt und damit nicht verfassungswidrig. Der Anwendungsbereich des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB wird vor allem durch seine Struktur, die gesetzgeberischen Motive und die zu dieser Vorschrift bereits ergangene Rechtsprechung in ausreichender, vorhersehbarer Weise begrenzt. Die Rechtsprechung genügt den Anforderungen der Verfassung überdies durch eine restriktive Auslegung des Tatbestandes, die sich an dem Willen des Gesetzgebers sowie der obergerichtlichen Rechtsprechung orientiert (zutreffend KG, Beschl. v. 20.12.2019 – (3) 161 Ss 134/19 (75/19), DAR 2020, 149 = BeckRS 2020, 2019, 35362 Rn. 10 ff.; OLG Köln, Beschl. v. 05.05.2020 – 1 RVs 45/20, NStZ-RR 2020, 224, juris Rn. 13; Quarch, NZV 2020, 436; vgl. auch Müller/Rebler, SVR 2020, 245, 246).

bb) Es besteht entgegen der Auffassung des Amtsgerichts in dem angegriffenen Beschluss jedenfalls ein hinreichender Tatverdacht dafür, dass der Angeschuldigte zu 1. die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB verwirklicht hat. Der Gesetzgeber wollte mit dem Tatbestand Fälle erfassen, „in denen nur ein einziges Fahrzeug ein Kraftfahrzeugrennen objektiv und subjektiv nachstellt“ (vgl. BT-Drs. 18/12964, S. 5; KG, Beschl. v. 20.12.2019 – (3) 161 Ss 134/19 (75/19), DAR 2020, 149 = BeckRS 2020, 2019, 35362 Rn. 12). Von einem nach der vorgenannten Bestimmung strafbaren „Einzelrasen“ ist auszugehen, wenn kumulativ vier Tatbestandsmerkmale vorliegen:

(1) Erforderlich ist zunächst ein Fahren mit nicht angepasster Geschwindigkeit. Mit nicht angepasster Geschwindigkeit bewegt sich der Kraftfahrzeugführer fort, wenn er Geschwindigkeitsbegrenzungen verletzt oder mit einer den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung nicht angepassten Geschwindigkeit fährt (vgl. KG, Beschl. v. 20.12.2019 – (3) 161 Ss 134/19 (75/19), DAR 2020, 149 = BeckRS 2020, 2019, 35362 Rn. 16; BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 35; MünchKomm-StGB/Pegel, 3. Aufl. 2019, § 315d Rn. 24; Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 315d Rn. 14; SSW/Ernemann, StGB, 5. Aufl. 2020, § 315d Rn. 13). Dies setzt entsprechende Feststellungen im Urteil sowohl über die angemessene als auch die gefahrene Geschwindigkeit voraus, wobei ggf. eine Schätzung statthaft ist (BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 35). Die schlichte Geschwindigkeitsübertretung – mag sie auch erheblich sein, wollte der Gesetzgeber nicht erfasst wissen (vgl. BT-Drs. 18/12964, S. 6; KG, Beschl. v. 20.12.2019 – (3) 161 Ss 134/19 (75/19), DAR 2020, 149 = BeckRS 2020, 2019, 35362 Rn. 14; OLG Köln, Beschl. v. 05.05.2020 – 1 RVs 45/20, NStZ-RR 2020, 224, juris Rn. 18; MünchKomm-StGB/Pegel, 3. Aufl. 2019, § 315d Rn. 24); die Überschreitung der vorgegebenen Höchstgeschwindigkeit ist jedoch ein Indiz (KG, Beschl. v. 20.12.2019 – (3) 161 Ss 134/19 (75/19), DAR 2020, 149 = BeckRS 2020, 2019, 35362 Rn. 16; MünchKomm-StGB/Pegel, 3. Aufl. 2019, § 315d Rn. 24; Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 315d Rn. 14; Jansen, NZV 2019, 285, 286; Kusche, NZV 2017, 414, 417; weitergehend [„maßgebliches Indiz“] BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 35; noch weitergehend [jede Überschreitung der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit begründet die Annahme einer nicht angepassten Geschwindigkeit] Stam, StV 2018, 464, 467; Zieschang, NZV 2020, 489, 490).

Nach dem Gesagten kommt es nicht allein maßgeblich darauf an, welche Geschwindigkeitsbegrenzung auf der hier in Rede stehenden Fahrtstrecke („Kleine Eifelrunde“) besteht (vgl. Zieschang, NZV 2020, 489, 490; Jansen, NZV 2019, 285, 286). Maßgeblich ist vielmehr, welche Geschwindigkeit als „den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung“ angepasst anzusehen ist (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO). Die insoweit maßgeblichen Feststellungen insbesondere zu den am Tattag herrschenden Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen lassen sich durch eine Vernehmung der eingesetzten Polizeibeamten feststellen. Sollten die Zeugen keine hinreichenden Angaben dazu machen können, welche Geschwindigkeit als diesen Verhältnissen „angepasst“ anzusehen ist, werden sich die hierfür erforderlichen Feststellungen jedenfalls durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens treffen lassen, insbesondere auch zu den maßgeblichen Eigenschaften des von dem Angeschuldigten zu 1. genutzten Kraftrades.

Die darüber hinaus erforderlichen Feststellungen zu der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit werden sich nach Aktenlage ebenfalls durch eine Vernehmung der eingesetzten Polizeibeamten treffen lassen. Diese haben zwar keine direkte Geschwindigkeitsmessung durchgeführt. Jedoch haben die Beamten zum einen die Länge der Fahrstrecke ausgemessen, zum anderen haben sie eine Zeitmessung vorgenommen und festgestellt, wie lange das Kraftrad benötigt hat, um die Fahrstrecke zu bewältigen. Schon unter Zugrundelegung der auf diese Weise von den Polizeibeamten nach Aktenlage ermittelten Zeit von lediglich 6 Minuten und 38 Sekunden bzw. 6 Minuten und 56 Sekunden für die Bewältigung der Fahrstrecke von 12 km, deren zum Teil kurvenreicher Verlauf auf dem in der Verfahrensakte befindlichen Schaubildern (Bl. 5, 42 GA) ersichtlich ist, und der so errechneten Durchschnittsgeschwindigkeit vom über 108 km/h bzw. etwa 103 km/h ergäbe sich selbst unter Berücksichtigung des von dem Amtsgericht wegen etwaiger Messungenauigkeiten vorgenommenen „Toleranzabschlags“ von 5 %, dass ein hinreichender Tatverdacht für ein Fahren mit nicht angepasster Geschwindigkeit durch den Angeschuldigten zu 1. besteht. Insbesondere handelte es sich gerade nicht um eine „schlichte Geschwindigkeitsüberschreitung“, da nach Einschätzung der Kammer bei einer Fahrtstrecke von 12 km permanent, jedenfalls aber mehrfach und fortgesetzt mit einer (deutlich) überhöhten Geschwindigkeit gefahren worden sein muss, um die festgestellten „Rundenzeiten“ zu erreichen. Zumindest ließen sich – insbesondere auf der Grundlage der nachträglich zur Akte gereichten Videodokumentationen sowie Messungen (Bl. 243 GA) – die insoweit erforderlichen Feststellungen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens treffen, ebenso wie die Frage, ob und in welcher Höhe die von den eingesetzten Polizeibeamten ermittelten Messergebnisse einem Toleranzabzug unterliegen.

(2) Darüber hinaus muss sich der Kraftfahrzeugführer grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt haben. Das Gesetz orientiert sich dabei bewusst an § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB und der dazu entwickelten Rechtsprechung (vgl. BT-Drs. 18/12964, S. 5; KG, Beschl. v. 20.12.2019 – (3) 161 Ss 134/19 (75/19), DAR 2020, 149 = BeckRS 2020, 2019, 35362 Rn. 20), wobei sich die vorgenannten Tatbestandsmerkmale auf das Fortbewegen mit nicht angepasster Geschwindigkeit beziehen (Kusche, NZV 2017, 414, 417; Ruhs, SVR 2018, 286, 288). Dadurch wird erreicht, dass nur solche Verkehrsverstöße erfasst werden, die objektiv und subjektiv aus der Menge der bußgeldbewehrten Verkehrszuwiderhandlungen herausragen (vgl. Schönke/Schröder/Hecker, StGB, § 315c Rn. 26, § 315d Rn. 8).

(a) Die „grobe Verkehrswidrigkeit“ meint ein objektiv besonders schweres, also typischerweise besonders gefährliches, gegen eine Verkehrsvorschrift verstoßendes Verhalten, das nicht nur die Sicherheit des Straßenverkehrs erheblich beeinträchtigt, sondern auch schwerwiegende Folgen zeitigen kann (KG, Beschl. v. 20.12.2019 – (3) 161 Ss 134/19 (75/19), DAR 2020, 149 = BeckRS 2020, 2019, 35362 Rn. 21). Eine nicht angepasste Geschwindigkeit allein genügt insoweit nicht, da anderenfalls dem Tatbestandsmerkmal keine eigene Bedeutung zukäme. Indes kann das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung die grobe Verkehrswidrigkeit begründen (vgl. hierzu OLG Köln, Beschl. v. 05.05.2020 – 1 RVs 45/20, NStZ-RR 2020, 224, juris Rn. 26; LG Berlin, Urt. v. 04.12.2018 – (562) 236 AR 157/18 Ns (65/18), BeckRS 2018, 42829 Rn. 35; BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 36; Jansen, jurisPR-StrafR 20/2019 Anm. 4; a.A. AG Düsseldorf, Urt. v. 27.03.2019 – 127 Cs-30 Js 592/18-812/18, juris Rn. 14, das jedoch den Deliktscharakter als abstraktes Gefährdungsdelikt verkennt; differenzierend Kusche, NZV 2017, 414, 417: „besonders schwerwiegend erscheinende Missachtung der angemessenen Geschwindigkeit erforderlich“; ähnlich Stam, StV 2018, 464, 468 [„erhebliche Überschreitung“]). Die zusätzliche Verwirklichung der in § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB aufgeführten „Todsünden“ ist dabei nicht notwendig (so aber SSW/Ernemann, StGB, 5. Aufl. 2020, § 315d Rn. 14), stellt aber ein gewichtiges Indiz dar (BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 36; MünchKomm-StGB/Pegel, 3. Aufl. 2019, § 315d Rn. 25). Darüber hinaus ist ein gewisses zeitliches und räumliches Andauern, in der sich die grobe Verkehrswidrigkeit und die „Geschwindigkeitsjagd“ entfalten, erforderlich (BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 37).

(b) Die „Rücksichtslosigkeit“ stellt auf die subjektive Tatseite ab und meint ein sich aus eigensüchtigen oder gleichgültigen Gründen über die bewusste Pflicht zur Vermeidung unnötiger Gefährdungen anderer hinwegsetzendes Verhalten. Die Annahme rücksichtslosen Verhaltens kann dabei nicht allein mit dem objektiven Geschehensablauf begründet werden, sondern verlangt ein sich aus zusätzlichen Umständen ergebendes Defizit, das – geprägt von Leichtsinn, Eigennutz oder Gleichgültigkeit – weit über das hinausgeht, was normalerweise jedem – häufig aus Gedankenlosigkeit oder Nachlässigkeit – begangenen Verkehrsverstoß innewohnt. Maßgeblich ist die konkrete Verkehrssituation unter Einschluss der Vorstellungs- und Motivlage des Täters (vgl. KG, Beschl. v. 20.12.2019 – (3) 161 Ss 134/19 (75/19), DAR 2020, 149 = BeckRS 2020, 2019, 35362 Rn. 22; BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 39).

(c) Ein hinreichender Tatverdacht für ein grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Verhalten des Angeschuldigten zu 1. kann vorliegend nicht verneint werden.

Nach Auffassung der Kammer kommt es nicht darauf an, ob ein Nachweis dahingehend geführt werden kann, dass der Angeschuldigte während der Fahrt die „zulässige Höchstgeschwindigkeit um das Doppelte überschritten“ hat. Zum einen kommt es nach dem oben Gesagten gerade nicht auf die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der Fahrstrecke, sondern auf die jeweils den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung angepasste Geschwindigkeit (§ 3 Abs. 1 StVO) an. Zum anderen kann nicht nur bei einer doppelten Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit von einer groben Verkehrswidrigkeit ausgegangen werden, eine solche stellt lediglich einen Anwendungsfall dar (vgl. Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 315c Rn. 13; Schönke/Schröder/Hecker, StGB, § 315c Rn. 27), erforderlich ist nach dem oben Gesagten stets eine Bewertung des konkret in Rede stehenden Verkehrsverstoßes.

Das für eine Tatbestandsverwirklichung erforderliche grob verkehrswidrige und rücksichtslose Verhalten des Angeschuldigten zu 1. wird sich nach Aktenlage wahrscheinlich mit der erforderlichen Sicherheit beweisen lassen. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass der zur Beurteilung stehende Sachverhalt insoweit eine Besonderheit aufweist, als – nach derzeitiger Aktenlage – keine weitergehenden Erkenntnisse zu dem konkreten Fahrverhalten des Angeschuldigten zu 1. auf der Fahrstrecke vorliegen. Dies steht jedoch der Annahme eines hinreichenden Tatverdachts nicht von vorneherein entgegen. Insbesondere ist nicht erforderlich, dass es während der Fahrt zu einer konkreten Gefährdung anderer gekommen ist. Die Formulierung des Tatbestandes nimmt zwar Bezug auf § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB, stellt also auf einen konkreten Bezug des Täterverhaltens zur „Rücksicht“ auf andere Verkehrsteilnehmer ab. Diese müssen indes nicht tatsächlich anwesend oder gar konkret gefährdet sein, vielmehr zielt § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB auf eine abstrakte Rücksichtslosigkeit ab, die sich subjektiv manifestiert (vgl. Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 315d Rn. 15; unzutreffend daher AG Düsseldorf, Urt. v. 27.03.2019 – 127 Cs-30 Js 592/18-812/18, juris Rn. 14, das eine konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer für erforderlich erachtet).

Nach Auffassung der Kammer bestehen nach Aktenlage hinreichend tatbezogene Indizien, aus denen sich wahrscheinlich ausreichende Rückschlüsse auf das Fahrverhalten des Angeschuldigten während der Fahrt auf der „Kleinen Eifelrunde“ ziehen lassen. Wie bereits dargelegt, sind insoweit durch die eingesetzten Polizeibeamten hinreichende Feststellungen nicht nur zu der Länge der Strecke, sondern auch zu den von dem Angeschuldigten zu 1. gefahrenen „Rundenzeiten“ getroffen worden. Hieraus lässt sich rechnerisch ohne weiteres zunächst die gefahrene Durchschnittsgeschwindigkeit ermitteln. Schon hiernach ergibt sich nach Auffassung der Kammer, dass der Angeschuldigte zu 1. nicht lediglich auf Teilen der nur 12 km langen Strecke, sondern durchgehend, jedenfalls aber wiederholt und fortgesetzt die nach § 3 Abs. 1 StVO gebotene Höchstgeschwindigkeit erheblich überschritten haben muss. Nach Einschätzung der Kammer lassen sich die von den eingesetzten Polizeibeamten ermittelten „Rundenzeiten“ nur so erklären, dass der Angeschuldigte zu 1. die geraden Teilen der Strecke mit der höchstmöglichen Geschwindigkeit befahren und sodann vor den jeweiligen Kurvenbereichen die Geschwindigkeit erheblich reduziert hat, um gleichwohl auch die Kurvenbereiche mit der höchstmöglichen Geschwindigkeit zu durchfahren. Anders ist nicht zu erklären, wie der Angeschuldigte zu 1. den (gut) 12 km langen „Rundkurs“ in einer Zeit von lediglich 6 Minuten und 38 Sekunden bzw. 6 Minuten und 56 Sekunden statt der von den eingesetzten Polizeibeamten – unter günstigen Bedingungen – ermittelten 11 Minuten und 21 Sekunden – bzw. der durch den Beamten XXX mittels eines Provida-Kraftrades ermittelten 11 Minuten und 18 Sekunden – absolvieren konnte. Das vorgenannte Fahrverhalten stellt ein objektiv besonders schweres, also typischerweise besonders gefährliches, gegen eine Verkehrsvorschrift verstoßendes Verhalten dar, das nicht nur die Sicherheit des Straßenverkehrs erheblich beeinträchtigt, sondern auch schwerwiegende Folgen zeitigen kann. Insbesondere führt es dazu, dass der Angeschuldigte zu 1. das von ihm geführte Kraftrad nicht ständig beherrschen kann (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 StVO). Vor allem kann auf Hindernisse oder Verunreinigungen auf der Fahrbahn, langsam fahrende Fahrzeuge oder Gespanne, Fahrradfahrer oder Fußgänger nicht rechtzeitig und auch nicht mit der gebotenen Sicherheit reagiert werden (vgl. KG, Beschl. v. 20.12.2019 – (3) 161 Ss 134/19 (75/19), DAR 2020, 149 = BeckRS 2020, 2019, 35362 Rn. 32 a.E.). Bei der Notwendigkeit, andere Fahrzeuge zu überholen, kann bei einer derartigen Fahrweise gerade nicht übersehen werden, ob während des ganzen Überholvorganges jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 StVO). Sie zwingt vielmehr zu waghalsigen Überholmanövern, die eine erhebliche Gefährdung sowohl des Überholten als auch des Gegenverkehrs sowie des nachfolgenden Verkehrs (vgl. § 5 Abs. 4 StVO) zur Folge haben kann mit schwerwiegenden Folgen, insbesondere durch Frontalkollisionen oder dem Abkommen von der Fahrbahn infolge von Ausweichbewegungen. Ferner werden – auch sehr scharfe – Kurven mit extremer, also über das bei dem Befahren einer Kurve mit einem Motorrad stets notwendige Maß deutlich hinausgehender Schräglage befahren, was aufgrund der daraus resultierenden Instabilität und Sturzgefahr ebenfalls zu einer erheblichen Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer führt (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 05.12.2018 – 9 U 76/18, juris Rn. 18; OVG Münster, Beschl. v. 06.06.2019 – 8 B 821/18, NVwZ-RR 2020, 17, juris Rn. 37). Unter Berücksichtigung dessen kann nach Auffassung der Kammer kein Zweifel an der Strafwürdigkeit eines solchen Verhaltens bestehen, auch wenn beim „Einzelrasen“ die Gruppendynamik und eine mögliche Ablenkung durch Mitbewerber fehlen mag (vgl. BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 31.2; Ruhs, SVR 2018, 286, 287; nicht überzeugend daher Schulz-Merkel, NZV 2020, 397, 398). Darüber hinaus können auch bei einem „Einzelrasen“ Elemente der Gruppendynamik etwa durch Mitfahrer in einem Pkw (vgl. hierzu LG Berlin, Urt. v. 04.12.2018 – (562) 236 AR 157/18 Ns (65/18), BeckRS 2018, 42829 Rn. 36) vorliegen, ebenso dann, wenn – wie hier – noch andere Kraftradfahrer die Fahrstrecke befahren, wenn auch ohne die Voraussetzungen des § 315d Abs. 1 Nr. 1 oder 2 StGB zu verwirklichen. Ob es zu einer konkreten Gefährdung Anderer etwa in Form von Überholmanövern tatsächlich gekommen ist, ist nach dem oben Gesagten unerheblich. Bei § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Bei einer konkreten Gefährdung greift der Qualifikationstatbestand des § 315d Abs. 2 StGB bzw. die Erfolgsqualifikation des § 315d Abs. 5 StGB. Darüber hinaus stellt sich das vorgenannte Fahrverhalten als rücksichtslos dar, weil die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer in Kauf genommen wird, um einen „Rundkurs“ innerhalb einer möglichst kurzen Zeit zu absolvieren. Letztlich wird dadurch – worauf die Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerdebegründung sachlich zutreffend hingewiesen hat – der öffentliche Verkehrsraum vergleichbar einer Rennstrecke genutzt, um die Grenzen der eigenen Fahrfähigkeiten auszuloten. Nach Auffassung der Kammer kann nicht zweifelhaft sein, dass ein solches Fahrverhalten genau den Sachverhalt verwirklicht, den der Gesetzgeber mit dem neugeschaffenen § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB unter Strafe stellen wollte (vgl. hierzu auch MünchKomm-StGB/Pegel, 3. Aufl. 2019, § 315d Rn. 22; s. ferner KG, Beschl. v. 15.04.2019 – (3) 161 Ss 36/19 (25/19), StraFo 2019, 342).

Darüber hinaus liegen nach Aktenlage weitere Indizien vor, die Rückschlüsse auf ein entsprechendes Fahrverhalten des Angeschuldigten zu 1. und seine Motivlage zulassen. Zunächst kommt insoweit der der Verfahrensakte vorgehefteten Videoaufzeichnung zumindest eine Indizwirkung zu. Die Videoaufzeichnung zeigt das Befahren der hier in Rede stehenden Fahrstrecke mit einem Kraftrad aus der Fahrerperspektive, wobei die oben bereits beschriebenen Fahrweisen zu sehen sind, namentlich das Befahren gerader Teilstrecken mit erheblicher Geschwindigkeit (zum Teil bis zu 225 km/h), riskante Überholmanöver mehrerer Fahrzeuge jeweils unter Verletzung des § 5 Abs. 1, Abs. 4 StVO, Abbremsen vor Kurvenbereichen und Durchfahren der Kurven in extremer Schieflage, bei langgezogenen Kurven teilweise mit bis zu 168 km/h, bei scharfen Kurven teilweise mit bis zu 122 km/h, bei sehr scharfen Kurven mit bis zu 58 km/h, gefolgt jeweils von einer starken Beschleunigung nach Durchfahren des Kurvenscheitelpunktes. Ausweislich des auf der Videoaufzeichnung zu sehenden Kilometerzählers wird eine Strecke von 12 km in einer Zeit von sechs Minuten zurückgelegt. Auch wenn diese Videoaufzeichnung nicht die hier in Rede stehende Fahrt des Angeschuldigten zu 1. zeigt, sondern von einer unbekannten Person in das Videoportal YouTube eingestellt worden ist, stellt sie insoweit ein Indiz dar, als es Rückschlüsse auf die Fahrweise zulässt, die für die Bewältigung der Strecke in den hier in Rede stehenden Fahrzeiten an den Tag gelegt werden muss. Darüber hinaus haben die eingesetzten Polizeibeamten beobachtet, dass der Angeschuldigte zu 1. im Bereich der Kurve XXX mit deutlich erhöhter Geschwindigkeit und Drehzahl sowie im Kurvenbereich mit extremer Schräglage gefahren ist. Auch diese Fahrmanöver stellen ein starkes Indiz für das vorangegangene bzw. das nachfolgende Fahrverhalten dar. Ebenso ein starkes Indiz stellt es dar, dass die eingesetzten Polizeibeamten bei dem Angeschuldigten zu 1. bereits um 17:53:38 Uhr festgestellt haben, wie er in Höhe des XXXHeims mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit überholte.

Jedenfalls lassen sich nach Auffassung der Kammer die für die Annahme eines grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Fortbewegens nach dem oben Gesagten erforderlichen Feststellungen durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens treffen. Insbesondere lassen sich nach Einschätzung der Kammer unter Berücksichtigung der vorhandenen Anknüpfungstatsachen, insbesondere der von den Polizeibeamten gemessenen Fahrzeit sowie der – ggf. durch den Sachverständigen (erneut) auszumessenden – zurückgelegten Fahrstrecke und der Feststellungen zu der oben dargelegten und foto- sowie videographisch festgehaltenen Fahrweise hinreichende Aussagen zu dem Fahrverhalten des Angeschuldigten zu 1. während der angeklagten Tat treffen, insbesondere im Hinblick auf den konkreten Verlauf der Fahrtstrecke und der Leistung des in Rede stehenden Kraftrades. Auch insoweit ergibt sich aus dem „Parallelverfahren“ (Az.: 510 Js 554/19) nichts Abweichendes, insbesondere da es unter Zugrundelegung der vorstehenden rechtlichen Ausführungen weder auf den Nachweis einer Überschreitung der „zulässigen Höchstgeschwindigkeit um das Doppelte“ noch auf die Grundsätze zur Ermittlung bzw. Schätzung von Geschwindigkeiten im Ordnungswidrigkeitenrecht ankommt (vgl. OLG Köln, Urt. v. 05.05.2020 – III-1 RVs 42/20, NStZ-RR 2020, 323, 324; Steinert, SVR 2020, 473).

(3) Schließlich ist als sog. überschießende Innentendenz im Sinne eines dolus directus ersten Grades erforderlich, dass sich der Kraftfahrzeugführer auf die vorgenannte Weise fortbewegt hat, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Auf diese Weise sollen der nachgestellte Renncharakter manifestiert, bloße Geschwindigkeitsüberschreitungen hingegen nicht von der Strafbarkeit umfasst werden, auch wenn sie erheblich sind (vgl. BT-Drs. 18/12964, S. 6; BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 41).

Nach Auffassung der Kammer lassen sich auch insoweit die erforderlichen konkreten Feststellungen zum Vorstellungsbild des Täters (vgl. hierzu KG, Beschl. v. 20.12.2019 – (3) 161 Ss 134/19 (75/19), DAR 2020, 149 = BeckRS 2020, 2019, 35362 Rn. 14; BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 41.1) treffen. Im Schrifttum wird allerdings zu Recht auf zahlreiche Beweisschwierigkeiten im Zusammenhang mit diesem Tatbestandsmerkmal hingewiesen (vgl. Quarch, NZV 2020, 210; Ruhs, SVR 2018, 286, 290; Stam, StV 2018, 464, 468; Jansen, NZV 2019, 285, 288 m.w.Nachw.). Insbesondere reicht die bloße Absicht, möglichst schnell voranzukommen, nicht aus (LG Berlin, Beschl. v. 14.08.2020 – 538 KLs 12/20, juris Rn. 8 a.E., 9; Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 315d Rn. 18; Schulz-Merkel, NZV 2020, 397, 399). Erforderlich ist, dass der Fahrer „rast um des Rasens willen“ (vgl. hierzu Ruhs, SVR 2018, 286, 289). Durch das Erfordernis einer dahingehenden überschießenden Innentendenz wird insbesondere eine Abgrenzung zum – ebenfalls subjektiven – Merkmal der Rücksichtslosigkeit erreicht: Das Handeln in der Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen führt stets auch zur Annahme rücksichtslosen Verhaltes; demgegenüber begründet nicht jedes rücksichtslose Handeln die für § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB erforderliche „Raserabsicht“ (nicht überzeugend daher Kusche, NZV 2017, 414, 418; Ruhs, SVR 2018, 286, 289). Zugleich bietet diese Gesetzesauslegung eine hinreichend klare, dem Bestimmtheitsgrundsatz Rechnung tragende Abgrenzung zwischen Straftat und Ordnungswidrigkeit (zutreffend Quarch, NZV 2020, 436; nicht überzeugend demgegenüber Ruhs, SVR 2018, 286, 290).

Die vorgenannten Beweisschwierigkeiten bestehen nach Auffassung der Kammer vorliegend indes nicht. Der Angeschuldigte zu 1. hat nach Aktenlage die sog. „Kleine Eifelrunde“ (mindestens) drei Mal absolviert, davon ab 18:17:30 Uhr zweimal hintereinander. Dabei ist der Angeschuldigte zu 1. – wie auf einer Rennstrecke – im Kreis gefahren, also gerade nicht von einem Ort zum anderen (zur Verneinung des Renncharakters für einen Pizzaboten vgl. KG, Beschl. v. 20.12.2019 – (3) 161 Ss 134/19 (75/19), DAR 2020, 149 = BeckRS 2020, 2019, 35362 Rn. 34 f.; Quarch, NZV 2020, 210). Dabei hat er für die Absolvierung der Runden ähnlich niedrige Zeiten benötigt, was ein deutliches Indiz für die erforderliche Absicht ist, die relativ höchstmögliche Geschwindigkeit zu erzielen (vgl. hierzu KG, Beschl. v. 20.12.2019 – (3) 161 Ss 134/19 (75/19), DAR 2020, 149 = BeckRS 2020, 2019, 35362 Rn. 29; KG, Beschl. v. 15.04.2019 – (3) 161 Ss 36/19 (25/19), StraFo 2019, 342; OLG Stuttgart, Beschl. v. 04.07.2019 – 4 Rv 28 Ss 103/19, NJW 2019, 2787, juris Rn. 10; BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 42; Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 315d Rn. 17; MünchKomm-StGB/Pegel, 3. Aufl. 2019, § 315d Rn. 26; Schulz-Merkel, NZV 2020, 397, 399), wobei dem Angeschuldigten zu 1. schon aufgrund des ersten Durchfahrens der Strecke um 17:53:38 Uhr die entsprechenden Verhältnisse zum Streckenverlauf und die insoweit jeweils erreichbaren Geschwindigkeiten bekannt gewesen sind, weshalb wahrscheinlich ist, dass der Angeschuldigte zu 1. sich bewusst im Geschwindigkeitsgrenzbereich bewegt hat (vgl. hierzu KG, Beschl. v. 20.12.2019 – (3) 161 Ss 134/19 (75/19), DAR 2020, 149 = BeckRS 2020, 2019, 35362 Rn. 34). Jedenfalls ließen sich auch insoweit die notwendigen Feststellungen zum Geschwindigkeitsgrenzbereich durch Einholung eines Sachverständigengutachtens treffen (vgl. BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 42; Quarch, NZV 2020, 210). Dass es sich vorliegend um ein rein subjektives Merkmal handelt, ist unerheblich, da – wie auch sonst bei subjektiven Tatbestandsmerkmalen – aus dem objektiv feststellbaren Geschehensablauf Rückschlüsse auf die Absicht des Täters gezogen werden können (zutreffend Ruhs, SVR 2018, 286, 290; nicht überzeugend daher Zieschang, NZV 2020, 489, 491). Nicht erforderlich ist, dass der Angeschuldigte zu 1. die von ihm erzielten „Rundenzeiten“ ermittelt hat (vgl. LG Deggendorf, Urt. v. 22.11.2019 – 1 Ks 6 Js 5538/18, juris Rn. 148 f.; BeckOK-StGB/Kulhanek, Stand: 01.11.2020, § 315d Rn. 13.6). Es wird daher wahrscheinlich ausgeschlossen werden können, dass es dem Angeschuldigten zu 1. lediglich darum gegangen ist, möglichst schnell an ein bestimmtes Ziel zu kommen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Angeschuldigte zu 1. im Tatzeitpunkt in XXX wohnhaft war. Vom Wohnort des Angeschuldigten zu 1. bis zu der von ihm befahrenen Strecke bei XXX beträgt die Entfernung gut 60 km. Bei dieser Sachlage ist wahrscheinlich, dass dem Angeschuldigten zu 1. die erforderliche Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, nachzuweisen sein wird. Nach Aktenlage ist kein anderer Grund dafür ersichtlich, weshalb der Angeschuldigte zu 1. sich von seinem Wohnort nach XXX begeben haben sollte, um dort (mindestens) drei Mal die „Kleine Eifelrunde“ zu befahren. Insbesondere wird wahrscheinlich ausgeschlossen werden können, dass es dem Angeschuldigten zu 1. lediglich um den „Spaß am Fahren“ gegangen ist.

d) Nach dem Gesagten war der angegriffene Beschluss des Amtsgerichts Monschau aufzuheben und die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Aachen mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe zur Hauptverhandlung zuzulassen.

Anlass gemäß § 210 Abs. 3 Satz 1 StPO zu bestimmen, dass die Hauptverhandlung vor einer anderen Abteilung des Amtsgerichts (vgl. Löwe-Rosenberg/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl. 2018, § 210 Rn. 33) stattzufinden hat, besteht nach Auffassung der Kammer nicht.

3. Eine Entscheidung der Kammer über die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Beteiligten ist nicht veranlasst. Die Kosten- und Auslagentragung im Beschwerdeverfahren folgt vielmehr jener in der Hauptsache.

4. Gegen diesen Beschluss findet eine weitere Beschwerde nicht statt (vgl. § 310 StPO).

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Strafrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Strafrecht und Verkehrsstrafrecht. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Strafrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!