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Körperliche Untersuchung Beschuldigter – Blutentnahme bei Gefahr im Verzug

LG Landshut – Az.: 6 Qs 217/12 – Beschluss vom 30.08.2012

Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Erding vom 03.07.2012 wird kostenfällig als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Körperliche Untersuchung Beschuldigter – Blutentnahme bei Gefahr im Verzug
Symbolfoto: Von Olena Yakobchuk /Shutterstock.com

Gegen den Angeklagten wurde am 19.06.2012 ein Strafbefehl wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs tateinheitlich mit fahrlässiger Körperverletzung in vier tateinheitlichen Fällen erlassen. Es wurde gegen ihn eine Geldstrafe verhängt, die Fahrerlaubnis entzogen, der Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist von 14 Monaten verhängt. Nach rechtzeitiger Einspruchseinlegung erließ das Amtsgericht Erding am 03.07.2012 Beschluss gemäß §§ 111 a StPO, 69 StGB und ordnete die Durchsuchung der Person, der Wohnung, der Geschäftsräume, der Nebenräume und Fahrzeuge des Angeklagten zur Beschlagnahme des Führerscheins an. Hiergegen legte der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 18.07.2012 Beschwerde ein; auf dessen Begründung und die im Schriftsatz vom 13.08.2012 wird verwiesen.

Das Amtsgericht Erding half der Beschwerde mit Beschluss vom 16.08.2012 nicht ab. Die Staatsanwaltschaft Landshut hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die gemäß § 304 StPO zulässige Beschwerde erweist sich als unbegründet.

Die angefochtene Entscheidung ist nicht zu beanstanden. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Beschwerdekammer nach Überprüfung der Sach- und Rechtslage Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses und macht sich diese in vollem Umfang zu eigen.

Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen Folgendes auszuführen:

Der Ermittlungsrichter hat zu Recht die genommene Blutprobe verwertet. Ein Verwertungsverbot ist nicht anzunehmen.

Nach Aktenlage war – den Angaben der POM‘in … zufolge – eine richterliche Entscheidung aufgrund der Uhrzeit (Unfallzeitpunkt 21.30 Uhr) nicht erreichbar. Der richterliche Bereitschaftsdienst endet um 21.00 Uhr. Für diesen Fall stehen einer Anordnung der Blutentnahme durch die Polizeibehörde oder wie hier durch die Staatsanwaltschaft keine Bedenken entgegen.

Selbst wenn von vorneherein aufgrund der Uhrzeit es unterlassen worden wäre, eine richterliche Entscheidung zu erwirken, könnte noch nicht von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen werden. Nach einem Teil der Rechtsprechung genügt zwar die bei Taten im Zusammenhang mit Alkohol und Drogen typischerweise bestehende abstrakte Gefahr, dass durch den körpereigenen Abbau der Stoffe der Tatnachweis zur Tatbegehung erschwert oder gar verhindert wird, für sich allein nicht für die Annahme von Gefahr in Verzug, weshalb von einem Verwertungsverbot ausgegangen wird (vgl. OLG Oldenburg NJW 2009, 3591). Die Mehrheit der Rechtsprechung hat ein Beweisverwertungsverbot abgelehnt (vgl. OLG Bamberg NJW 2009, 2146; OLG Stuttgart NStZ 2008, 238; OLG Hamm NJW 2009, 242; OLG Karlsruhe Beschluss vom 02.06.2009, Aktenzeichen 1 Cc 183/08). Denn zunächst scheint bereits fraglich, ob die als Ausgangspunkt genommene und zur Wohnungsdurchsuchung ergangene neueste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (abgedruckt in NJW 2007, 1345) auf Blutentnahmen anwendbar ist; das Bundesverfassungsgericht hatte dies ausdrücklich offen gelassen.

Im Rahmen der vorzunehmenden notwendigen Einzelfallbeurteilung sind Art des Verbots und Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen in die Abwägung einzustellen (vgl. OLG Oldenburg a. a. O.). Dem Angeklagten liegt fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung tateinheitlich mit vier tateinheitlichen Fällen der fahrlässigen Körperverletzung zur Last, nachdem er auf der Kreisstraße … bei Kilometer … Abschnitt … mit dem entgegenkommenden von … gesteuerten Fahrzeug zusammengestoßen ist. Die vier Insassen des gegnerischen Fahrzeugs wurden schwer verletzt (wie auch der Angeklagte). Es bestand daher eine konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer in erheblichem Maße, nachdem ein Teil der Insassen des gegnerischen Fahrzeugs ausweislich der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen schwer verletzt wurde. Zwar ist demgegenüber die abstrakte Gefährdung für den Straßenverkehr mit der am 06.04.2012 um 1.13 Uhr durch die Blutentnahme festgestellten mittleren Blutalkoholkonzentration von 0,72 Promille grundsätzlich als eher geringer zu bewerten. Jedoch stellt die Sicherheit des Straßenverkehrs ein schwerwiegendes öffentliches Interesse dar. Die Polizeibeamten sind grundsätzlich bei fehlendem Einverständnis gehalten, eine richterliche Entscheidung gemäß § 81 Abs. 2 StPO herbeizuführen. Trotzdem ist im konkreten Fall nicht von willkürlicher Missachtung der Gesetzeslage auszugehen. Die Situation liegt jedenfalls anders als in den Entscheidungen, die als Ergebnis zu einem Beweisverwertungsverbot gelangten. Die Polizeibeamtin war sich ausweislich ihrer schriftlichen Niederlegungen der grundsätzlichen Notwendigkeit einer richterlichen Entscheidung bewusst, da sie nicht in eigener Entscheidung gehandelt hat, sondern die Entscheidung der Staatsanwaltschaft angetragen hat.

Weitere Versuche der Polizeibeamtin oder der Staatsanwaltschaft, zu einem späteren Zeitpunkt einen Richter zu erreichen, also frühestens in den frühen Morgenstunden, hätten eine erhebliche Zeitverzögerung bewirkt. Die zeitliche Komponente war im Hinblick auf die wegen der starken Medikation des Angeklagten nicht feststellbare Alkoholisierung von maßgebender Bedeutung. Im Falle einer weiteren Zeitverzögerung bestand die Gefahr, dass eine Blutalkoholkonzentration überhaupt nicht mehr festgestellt hätte werden können. Demgegenüber bedeutet die Blutentnahme einen relativ geringfügigen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit.

Im Ergebnis ist daher nicht von einer groben Verkennung der Rechtslage durch die die Anordnung treffende Staatsanwaltschaft auszugehen. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass eine Eilanordnung durch die Polizei bzw. durch die Staatsanwaltschaft durch die einfach gesetzliche Regelung nicht schlechterdings verboten bzw. ausgeschlossen ist, sondern gesetzlich sogar vorgesehen (so auch OLG Hamburg StraFO 2008, 158; LG Itzehoe Beschluss vom 03.04.2008, Aktenzeichen 2 Qs 60/08). Nachdem zusehends in der Rechtsprechung auch die Auffassung vertreten wird, dass bereits der konkrete BAK-Abbau bei Trunkenheitsfahrten Gefahr im Verzug begründet, kann insoweit von einer willkürlichen Missachtung des Richtervorbehalts seitens der Staatsanwaltschaft bei Annahme von Gefahr in Verzug nicht gesprochen werden. In der Folge scheitert ein Beweisverwertungsverbot damit an der fehlenden Willkürlichkeit der Vornahme der Maßnahme ohne richterliche Anordnung und damit bewusstem Ignorieren des Richtervorbehalts oder gleichwertiger gröblicher Missachtung (vgl. BHG NJW 2007, 2269).

Darüber hinaus ist nach Aktenlage nicht davon auszugehen, dass die festgestellte Blutalkoholkonzentration durch die medikamentöse Versorgung des Angeklagten (überwiegend) entstanden ist. Nach der bereits durchgeführten Hauptverhandlung ergibt sich aus der Aussage des Krankenhausarztes …, dass auszuschließen ist, dass der Angeklagte im Krankenhaus Medikamente erhalten hat, welche die später festgestellte Blutalkoholkonzentration hätten erhöhen können. Auch eine messbare Beeinflussung der Blutalkoholkonzentration durch die in der Klink im Schockraum äußerlich möglicherweise verwendeten Desinfektionsmittel ist nach Aussage des Arztes auszuschließen. Die Verursachung der festgestellten Blutalkoholkonzentration von immerhin 0,72 Promille in erheblichem Umfang durch Medikamente, die der Notarzt verabreicht hat, ist nach Aktenlage und der bisherigen Beweisaufnahme fernliegend. Der Arzt … äußerte sich in der Hauptverhandlung auch zu den durch den Notarzt verabreichten Medikamenten.

Nach den Angaben der Zeugen … und … kam das Fahrzeug des Angeklagten auf ihre Fahrbahn, wo es dann mit ihrem Fahrzeug kollidierte. Der Angeklagte hat an den Unfall keine Erinnerung mehr.

Aufgrund der vorgenannten Gesichtspunkte bestehen in der Gesamtschau dringende Gründe für die Annahme, dass dem Angeklagten in der Hauptverhandlung die Fahrerlaubnis endgültig entzogen werden wird.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

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