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Jugendstrafverfahren – Voraussetzungen zum Anschluss als Nebenkläger

Messerstich-Opfer erkämpft sich Nebenklage im Jugendstrafverfahren: Gericht sieht Möglichkeit eines versuchten Totschlags. Kammergericht Berlin stärkt Opferrechte und stellt klar: Auch bei jugendlichen Tätern kann Nebenklage zulässig sein. Entscheidung könnte wegweisend für zukünftige Fälle werden.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Das Landgericht Berlin hatte ursprünglich den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung als Nebenkläger abgelehnt.
  • Der Beschwerdeführer legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein.
  • Der Beschwerdeführer wurde während einer Auseinandersetzung schwer verletzt und erlitt eine lebensgefährliche Verletzung.
  • Das Kammergericht Berlin entschied, dass der Beschwerdeführer das Recht hat, sich als Nebenkläger der Anklage anzuschließen.
  • Es ist rechtlich möglich, dass der Angeklagte wegen versuchten Totschlags verurteilt wird.
  • Die Nebenklageberechtigung im Jugendstrafverfahren ist restriktiver als im allgemeinen Strafrecht, jedoch in diesem Fall gegeben.
  • Der Beschwerdeführer hat aufgrund seiner Verletzung eine besondere Opferbetroffenheit, was die Zulassung als Nebenkläger rechtfertigt.
  • Ein Rechtsanwalt wurde dem Nebenkläger als Beistand bestellt.
  • Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers trägt die Landeskasse Berlin.
  • Das Gericht berücksichtigte bei seiner Entscheidung den Schutz der Opferrechte im Jugendstrafverfahren.

Jugendlicher Straftäter: Opferrechte und Resozialisierung im Fokus

Das Jugendstrafverfahren ist ein komplexer Bereich des Strafrechts, der besondere Anforderungen an die Verfahrensweise stellt. Im Zentrum steht das Wohl des jungen Menschen, der sich einer Straftat verdächtigt oder schuldig gemacht hat. Neben der Strafverfolgung und der Ahndung des Verbrechens geht es vor allem darum, dem jungen Menschen eine Chance zur Resozialisierung zu geben. Ein wichtiger Bestandteil im Jugendstrafverfahren ist das Recht der Nebenklage. Dies ermöglicht es bestimmten Personen, die von der Straftat betroffen waren, sich aktiv am Verfahren zu beteiligen und ihre Interessen zu vertreten.

Besonders im Kontext von jugendlichen Beschuldigten, bei denen das öffentliche Interesse am Schutz und an der Resozialisierung des Jugendlichen im Vordergrund steht, kann die Zulässigkeit der Nebenklage jedoch schwierig sein. Verschiedene Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit die Nebenklage zugelassen wird. Dazu gehören unter anderem die Feststellung eines Rechtsgüterschadens, ein berechtigtes Interesse an der Strafverfolgung und die Vermeidung von Doppelbelastungen für den Beschuldigten. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Nebenklage im Jugendstrafverfahren sind daher komplex und werden durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Neben dem Schutz der Opferrechte steht das Recht des jugendlichen Täters im Vordergrund. In den kommenden Abschnitten werden wir uns einem konkreten Fall widmen und die juristischen Aspekte des gesetzlich geregelten Rechts auf Nebenklage im Jugendstrafverfahren näher beleuchten.

Ihr Recht auf Gerechtigkeit im Jugendstrafverfahren

Wurden Sie oder eine Ihnen nahestehende Person Opfer einer Straftat durch einen Jugendlichen? Die Komplexität des Jugendstrafrechts kann überwältigend sein. Wir verstehen das. Unsere Kanzlei verfügt über umfassende Erfahrung im Bereich des Jugendstrafrechts und der Nebenklage. Lassen Sie uns Ihre Situation in einem unverbindlichen Gespräch prüfen und Ihnen die bestmögliche Vorgehensweise aufzeigen. Ihre Rechte sind wichtig – wir setzen uns dafür ein. Kontaktieren Sie uns noch heute.

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Der Fall vor Gericht


Nebenklage im Jugendstrafverfahren: Messerstich-Opfer erhält Zulassung

Der Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 10. November 2021 (Az. 4 Ws 97/21) befasst sich mit einem wichtigen Fall zur Zulässigkeit der Nebenklage im Jugendstrafverfahren. Ein Mann, der bei einer Auseinandersetzung durch einen Messerstich verletzt wurde, hat erfolgreich Beschwerde gegen die Ablehnung seines Antrags auf Zulassung als Nebenkläger eingelegt.

Der Fall dreht sich um eine gewalttätige Auseinandersetzung, bei der der Beschwerdeführer vom Angeklagten durch einen Messerstich in den Unterbauch verletzt wurde. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten gefährliche Körperverletzung zum Nachteil des Beschwerdeführers sowie Totschlag zum Nachteil einer weiteren Person vor. Das Landgericht Berlin hatte zunächst den Antrag des Verletzten auf Zulassung als Nebenkläger abgelehnt. Begründet wurde dies damit, dass keine Straftat vorliege, die nach dem Jugendgerichtsgesetz eine Nebenklage rechtfertige.

Rechtliche Voraussetzungen für die Nebenklage im Jugendstrafverfahren

Das Kammergericht Berlin hat in seinem Beschluss die Voraussetzungen für die Zulassung der Nebenklage im Jugendstrafverfahren konkretisiert. Entscheidend ist demnach, ob nach dem von der Anklage umfassten Sachverhalt die Verurteilung wegen eines Nebenklagedelikts rechtlich möglich erscheint. Es kommt nicht darauf an, ob sich der angeklagte Sachverhalt in der Hauptverhandlung als zutreffend erweisen wird.

Das Gericht betont, dass für die Nebenklagebefugnis kein hinreichender oder dringender Tatverdacht erforderlich ist. Auch die rechtliche Würdigung in der Anklageschrift oder im Eröffnungsbeschluss ist nicht maßgeblich. Vielmehr muss die Verurteilung wegen eines Nebenklagedelikts aus heutiger Sicht zumindest rechtlich möglich erscheinen.

Möglichkeit eines versuchten Totschlags begründet Nebenklageberechtigung

Im vorliegenden Fall sah das Kammergericht die Möglichkeit eines versuchten Totschlags als gegeben an. Obwohl nicht überwiegend wahrscheinlich, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Beweisaufnahme ergeben wird, dass der Angeklagte den Tod des Opfers billigend in Kauf nahm. Das Gericht wies darauf hin, dass die Auseinandersetzung nach Schilderung des Opfers in Dunkelheit und dynamisch verlaufen sei.

Zudem sei es möglich, dass kein strafbefreiender Rücktritt vom Tötungsversuch vorliege. Das Gericht zog in Betracht, dass der Angeklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt angenommen haben könnte, das weggelaufene Opfer nicht mehr töten zu können. Dies würde einen fehlgeschlagenen und damit strafbaren Versuch darstellen. Alternativ könnte der Angeklagte nach dem Messerstich geglaubt haben, bereits eine tödliche Verletzung zugefügt zu haben. In diesem Fall läge ein beendeter Versuch vor, von dem durch bloße Aufgabe der weiteren Tatausführung nicht zurückgetreten werden kann.

Bedeutung der Entscheidung für Opferrechte im Jugendstrafverfahren

Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin stärkt die Rechte von Opfern im Jugendstrafverfahren. Das Gericht stellt klar, dass für die Nebenklagebefugnis im Jugendstrafverfahren der gleiche Maßstab gilt wie im allgemeinen Strafrecht. Dies wird mit dem Wortlaut des Gesetzes und der Intention des Gesetzgebers begründet, die Nebenklage unter den allgemeinen prozessualen Voraussetzungen zuzulassen.

Die Entscheidung verdeutlicht, dass den Belangen jugendlicher Angeklagter nicht durch eine höhere Zulassungsschwelle für die Nebenklage Rechnung getragen wird. Stattdessen wird der Jugendschutz durch einen gegenüber dem allgemeinen Strafrecht eingeschränkten Katalog von Nebenklagedelikten gewährleistet.

Für Opfer schwerer Straftaten bedeutet dies, dass sie auch in Verfahren gegen jugendliche Täter die Möglichkeit haben, als Nebenkläger aktiv am Prozess teilzunehmen. Dies kann für die Verarbeitung des Erlebten und das Gefühl, gehört zu werden, von großer Bedeutung sein. Gleichzeitig wird durch die restriktive Handhabung der Nebenklage im Jugendstrafverfahren sichergestellt, dass die besonderen Schutzbedürfnisse jugendlicher Angeklagter nicht aus dem Blick geraten.

Die Schlüsselerkenntnisse


Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin stärkt die Opferrechte im Jugendstrafverfahren, indem sie klarstellt, dass für die Zulassung der Nebenklage die bloße rechtliche Möglichkeit eines Nebenklagedelikts ausreicht. Dies gilt auch bei Verfahren gegen jugendliche Täter, wobei der Jugendschutz durch einen eingeschränkten Deliktskatalog gewährleistet wird. Die Entscheidung ermöglicht Opfern eine aktivere Prozessbeteiligung, ohne die besonderen Schutzbedürfnisse jugendlicher Angeklagter zu vernachlässigen.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie oder ein Angehöriger Opfer einer schweren Straftat durch einen Jugendlichen geworden sind, eröffnet dieses Urteil Ihnen bessere Möglichkeiten, am Strafverfahren teilzunehmen. Sie können nun als Nebenkläger zugelassen werden, wenn auch nur die rechtliche Möglichkeit besteht, dass ein schweres Verbrechen wie versuchter Totschlag vorliegt – selbst wenn dies nicht sehr wahrscheinlich ist. Das bedeutet, Sie können aktiv am Prozess teilnehmen, Fragen stellen und Anträge einbringen. Zudem kann Ihnen ein Anwalt als Beistand zur Seite gestellt werden. Dies gibt Ihnen die Chance, Ihre Interessen im Verfahren besser zu vertreten und möglicherweise bei der Verarbeitung des Erlebten zu helfen. Allerdings bleiben die besonderen Schutzrechte für jugendliche Angeklagte bestehen, sodass eine Balance zwischen Opferschutz und Jugendschutz gewahrt wird.


FAQ – Häufige Fragen

Jugendliche Straftaten sind ein sensibles Thema und erfordern besonderes Fingerspitzengefühl. Nebenklage im Jugendstrafverfahren spielt in dieser komplexen Situation eine wichtige Rolle. Wie funktioniert sie? Welche Rechte und Möglichkeiten haben Nebenkläger? In dieser FAQ-Rubrik erhalten Sie fundierte und verständliche Antworten auf Ihre Fragen.


Was bedeutet es, Nebenkläger im Jugendstrafverfahren zu sein?

Die Rolle des Nebenklägers im Jugendstrafverfahren ermöglicht es Opfern bestimmter schwerer Straftaten, sich aktiv am Strafprozess gegen jugendliche Beschuldigte zu beteiligen. Diese Möglichkeit ist im Jugendgerichtsgesetz (JGG) geregelt und unterliegt besonderen Einschränkungen.

Nebenkläger im Jugendstrafverfahren können nur Personen werden, die durch besonders schwerwiegende Taten verletzt wurden. Dazu gehören Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung. Auch Opfer von Menschenhandel oder schweren Raubdelikten können als Nebenkläger zugelassen werden. Die genauen Voraussetzungen sind in § 80 Abs. 3 JGG festgelegt.

Als Nebenkläger erhält man im Jugendstrafverfahren bestimmte Verfahrensrechte. Dazu gehört das Recht, während der gesamten Hauptverhandlung anwesend zu sein – auch wenn man selbst als Zeuge vernommen werden soll. Nebenkläger dürfen zudem Fragen an Beschuldigte und Zeugen stellen sowie Beweisanträge einreichen. Sie haben das Recht auf rechtliches Gehör und können einen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit stellen.

Ein wichtiger Aspekt ist die Möglichkeit, sich durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Dieser kann für den Nebenkläger Akteneinsicht beantragen und ihn in der Verhandlung unterstützen. Bei besonders schweren Taten besteht sogar ein Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts auf Staatskosten.

Im Unterschied zum allgemeinen Strafverfahren sind die Rechte des Nebenklägers im Jugendstrafverfahren jedoch eingeschränkt. Der Erziehungsgedanke des Jugendstrafrechts hat Vorrang vor den Interessen des Verletzten. Daher darf ein Nebenkläger im Jugendstrafverfahren beispielsweise keine eigenen Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen.

Die Zulassung als Nebenkläger erfolgt auf Antrag durch das Gericht. Dieses prüft, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Wird der Antrag abgelehnt, kann dagegen Beschwerde eingelegt werden.

Für Opfer schwerer Straftaten kann die Nebenklage im Jugendstrafverfahren eine wichtige Möglichkeit sein, ihre Interessen zu vertreten und aktiv am Prozess teilzunehmen. Sie müssen dabei jedoch die besonderen Regelungen des Jugendstrafrechts beachten. Eine sorgfältige Abwägung und rechtliche Beratung sind daher empfehlenswert.

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Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um im Jugendstrafverfahren als Nebenkläger zugelassen zu werden?

Die Zulassung als Nebenkläger im Jugendstrafverfahren unterliegt strengen Voraussetzungen. Grundsätzlich ist die Nebenklage gegen Jugendliche nur in Ausnahmefällen möglich, da der Erziehungsgedanke im Vordergrund steht.

§ 80 Abs. 3 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) regelt abschließend, in welchen Fällen eine Nebenklage zulässig ist. Es muss sich um besonders schwerwiegende Straftaten handeln. Dazu gehören Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung. Auch bei Straftaten wie erpresserischem Menschenraub oder Geiselnahme kann eine Nebenklage in Betracht kommen. Voraussetzung ist, dass das Opfer durch die Tat seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt wurde.

Eine weitere Bedingung ist, dass der Nebenklageanschluss nur möglich ist, wenn bereits eine öffentliche Klage erhoben wurde. Das bedeutet, die Staatsanwaltschaft muss Anklage gegen den jugendlichen Beschuldigten erhoben haben.

Der Antragsteller muss nachweisen, dass er durch die angeklagte Tat verletzt wurde. Dabei reicht es aus, wenn die Verurteilung wegen der entsprechenden Straftat rechtlich möglich erscheint. Es muss also nicht bereits feststehen, dass der Angeklagte tatsächlich verurteilt wird.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Nebenklage im Jugendstrafverfahren wenden die Gerichte einen strengen Maßstab an. Die bloße Möglichkeit einer schweren seelischen oder körperlichen Schädigung genügt nicht. Es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine solche Schädigung eingetreten ist oder zumindest eine erhebliche Gefahr dafür bestand.

Für Eltern oder andere Angehörige besteht nur in sehr eingeschränktem Maße die Möglichkeit, sich als Nebenkläger anzuschließen. Dies ist in der Regel nur dann der Fall, wenn sie selbst Opfer der Straftat geworden sind oder wenn es sich um ein Tötungsdelikt handelt.

Die Entscheidung über die Zulassung als Nebenkläger trifft das Gericht. Gegen eine ablehnende Entscheidung kann Beschwerde eingelegt werden. Im Falle der Zulassung hat der Nebenkläger bestimmte Rechte im Verfahren, wie etwa das Recht auf Anwesenheit in der Hauptverhandlung oder das Recht, Fragen und Anträge zu stellen.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Rechte des Nebenklägers im Jugendstrafverfahren im Vergleich zum allgemeinen Strafverfahren eingeschränkt sind. Der Gesetzgeber hat dies bewusst so geregelt, um den besonderen Anforderungen des Jugendstrafrechts gerecht zu werden und den Erziehungsgedanken nicht zu gefährden.

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Welche Rechte haben Nebenkläger im Jugendstrafverfahren?

Die Rechte von Nebenklägern im Jugendstrafverfahren sind im Vergleich zum regulären Strafverfahren eingeschränkt. Grundsätzlich ist die Nebenklage gegen Jugendliche gemäß § 80 Abs. 3 Jugendgerichtsgesetz (JGG) nur in bestimmten Fällen zulässig. Dies betrifft insbesondere schwere Straftaten wie Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung.

Wird die Nebenklage zugelassen, haben Nebenkläger im Jugendstrafverfahren das Recht, vor Gericht gehört zu werden. Sie können ihre Sichtweise der Tat darlegen und ihre Interessen vertreten. Nebenkläger dürfen zudem Beweisanträge stellen, um relevante Aspekte des Falles zu beleuchten.

Ein wichtiges Recht ist die Möglichkeit, einen Rechtsanwalt als Beistand hinzuzuziehen. Dieser Beistand kann den Nebenkläger während des gesamten Verfahrens unterstützen und beraten. In bestimmten Fällen kann dem Nebenkläger auf Antrag auch ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn er die Kosten nicht selbst tragen kann.

Nebenkläger haben das Recht auf Akteneinsicht. Dies ermöglicht ihnen, sich umfassend über den Stand des Verfahrens und die vorliegenden Beweise zu informieren. Allerdings kann dieses Recht im Jugendstrafverfahren eingeschränkt sein, um den Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts zu wahren.

Im Gerichtssaal haben Nebenkläger ein Anwesenheitsrecht. Sie dürfen an der gesamten Hauptverhandlung teilnehmen, auch wenn diese aufgrund des Jugendschutzes unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Dies gilt ebenso für ihren Rechtsbeistand.

Nebenkläger können im Jugendstrafverfahren Fragen und Anträge stellen. Sie haben das Recht, den Angeklagten, Zeugen und Sachverständige zu befragen, sofern dies zur Wahrheitsfindung beiträgt. Allerdings kann das Gericht unangemessene oder nicht zielführende Fragen zurückweisen.

Ein bedeutsames Recht ist die Möglichkeit, nach der Beweisaufnahme ein Plädoyer zu halten. Hier können Nebenkläger ihre Sicht auf die Beweislage darlegen und einen Antrag zur Rechtsfolge stellen. Es ist jedoch zu beachten, dass im Jugendstrafverfahren der Erziehungsgedanke im Vordergrund steht.

Nebenkläger haben im Jugendstrafverfahren eingeschränkte Rechtsmittelbefugnisse. Sie können gegen Urteile in der Regel keine Berufung oder Revision einlegen. Dies dient dem Schutz des jugendlichen Angeklagten und der Wahrung des Erziehungsgedankens.

In Fällen, in denen die Nebenklage nicht zugelassen wird, können Verletzte dennoch bestimmte Rechte wahrnehmen. Sie können als Zeugenbeistand auftreten oder einen Verletztenbeistand beantragen. Dieser hat zwar weniger Rechte als ein Nebenklagevertreter, kann aber den Verletzten unterstützen und beraten.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Rechte von Nebenklägern im Jugendstrafverfahren stets im Lichte des Erziehungsgedankens des Jugendstrafrechts ausgelegt werden. Das Gericht hat die Aufgabe, eine Balance zwischen den Interessen des Verletzten und dem Schutz sowie der Entwicklung des jugendlichen Angeklagten zu finden.

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Wie kann ein Opfer von Straftaten im Jugendstrafverfahren Unterstützung erhalten?

Opfer von Straftaten im Jugendstrafverfahren haben verschiedene Möglichkeiten, Unterstützung zu erhalten. Die Jugendhilfe im Strafverfahren spielt hierbei eine wichtige Rolle. Sie bietet kostenlose Beratung für Jugendliche und junge Erwachsene bis zum 21. Lebensjahr an. Die Fachkräfte informieren über Rechte, den Ablauf des Verfahrens und mögliche Folgen. Sie analysieren mit den Betroffenen die Hintergründe der Tat und vermitteln bei Bedarf weitere Hilfsangebote.

Für die psychologische Unterstützung stehen spezialisierte Einrichtungen zur Verfügung. Traumaambulanzen bieten kurzfristige psychologische Hilfe für Betroffene von Gewalttaten. Diese Anlaufstellen gibt es deutschlandweit und können eine wichtige erste Anlaufstelle sein.

Eine bedeutende Rolle spielt auch die psychosoziale Prozessbegleitung. Sie umfasst qualifizierte Betreuung, Informationsvermittlung und Unterstützung im Strafverfahren. Ziel ist es, die individuelle Belastung der Opfer zu reduzieren und eine sekundäre Viktimisierung zu vermeiden.

Opfer können sich auch an Opferhilfeorganisationen wenden. Der WEISSE RING ist eine bundesweite Organisation mit 3.000 ehrenamtlichen Mitarbeitern in 420 Außenstellen. Über die Internetseite www.weisser-ring.de finden Betroffene örtliche Ansprechpartner und Informationen zu Hilfsmöglichkeiten.

Für telefonische Unterstützung steht die europaweit gültige Nummer 116 006 zur Verfügung. Unter dieser Nummer können Opfer täglich von 7 bis 22 Uhr kostenfrei Hilfe und Beratung erhalten.

Im Jugendstrafverfahren gelten besondere Regelungen für die Nebenklage. Grundsätzlich ist die Nebenklage gegen jugendliche Angeklagte unzulässig. Es gibt jedoch Ausnahmen, etwa bei schweren Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung. In diesen Fällen kann sich das Opfer unter bestimmten Voraussetzungen als Nebenkläger anschließen.

Eine weitere Möglichkeit der Konfliktbewältigung bietet der Täter-Opfer-Ausgleich. Dieser Ansatz zielt darauf ab, eine Einigung zwischen Täter und Opfer zu erreichen. Im Jugendstrafverfahren kann das Bemühen des Jugendlichen um einen Ausgleich mit dem Verletzten bereits als erzieherische Maßnahme gewertet werden.

Für spezielle Opfergruppen existieren zusätzliche Hilfsangebote. Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ bietet beispielsweise bundesweit kostenlose Beratung unter der Nummer 08000 116 016. Für Betroffene von sexuellem Kindesmissbrauch steht das Hilfeportal „Sexueller Missbrauch“ zur Verfügung.

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Welche Auswirkungen hat die Zulassung als Nebenkläger auf das Verfahren?

Die Zulassung als Nebenkläger hat weitreichende Auswirkungen auf den Verlauf eines Strafverfahrens. Der Nebenkläger erhält eine aktive Rolle im Prozess und kann diesen durch seine Beteiligung maßgeblich beeinflussen.

Mit der Zulassung als Nebenkläger erlangt das Opfer einer Straftat umfangreiche Verfahrensrechte. Es darf während der gesamten Hauptverhandlung anwesend sein, auch wenn es selbst als Zeuge vernommen werden soll. Dies ermöglicht dem Nebenkläger, den vollständigen Prozessverlauf zu verfolgen und unmittelbar auf Entwicklungen zu reagieren.

Ein zentrales Recht des Nebenklägers ist die Möglichkeit, Fragen an den Angeklagten sowie an Zeugen und Sachverständige zu stellen. Dadurch kann er aktiv zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen und sicherstellen, dass für ihn wichtige Aspekte ausreichend beleuchtet werden. Dies kann den Verlauf der Beweisaufnahme beeinflussen und zu einer umfassenderen Sachverhaltsaufklärung führen.

Der Nebenkläger hat zudem das Recht, Beweisanträge zu stellen. Er kann somit die Einführung zusätzlicher Beweismittel in das Verfahren bewirken, die aus seiner Sicht für die Beurteilung der Tat relevant sind. Dies kann den Umfang der Beweisaufnahme erweitern und zu einer veränderten Bewertung des Sachverhalts durch das Gericht führen.

Eine bedeutende Auswirkung der Nebenklage ist das Recht des Nebenklägers, ein eigenes Plädoyer zu halten. Er kann dadurch seine Sichtweise auf die Tat und ihre rechtliche Bewertung darlegen. Dies gibt dem Opfer eine Stimme im Verfahren und kann die Entscheidungsfindung des Gerichts beeinflussen.

Besonders weitreichend ist das Recht des Nebenklägers, unabhängig von der Staatsanwaltschaft Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Er kann Berufung oder Revision einlegen, selbst wenn die Staatsanwaltschaft das Urteil akzeptiert. Dies kann zu einer Fortsetzung des Verfahrens in einer höheren Instanz führen, auch wenn es ohne Nebenklage bereits abgeschlossen wäre.

Die Anwesenheit eines Nebenklägers kann sich auch auf die Atmosphäre im Gerichtssaal auswirken. Für den Angeklagten ist die unmittelbare Konfrontation mit dem Opfer oft belastend, was sein Aussageverhalten beeinflussen kann. Gleichzeitig kann die aktive Beteiligung des Opfers am Verfahren zu einer stärkeren Berücksichtigung der Opferperspektive durch alle Verfahrensbeteiligten führen.

Im Jugendstrafverfahren gelten für die Nebenklage besondere Einschränkungen. Sie ist nur bei schweren Straftaten zulässig, bei denen das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt wurde. Dies soll den Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts schützen und eine übermäßige Belastung des jugendlichen Angeklagten verhindern.

Die Zulassung als Nebenkläger führt häufig zu einer Verlängerung des Verfahrens. Durch die zusätzlichen Fragen, Anträge und Erklärungen des Nebenklägers kann sich die Dauer der Hauptverhandlung erhöhen. Dies kann einerseits zu einer gründlicheren Aufarbeitung des Geschehens führen, andererseits aber auch die Belastung für alle Beteiligten erhöhen.

Für den Angeklagten bedeutet die Nebenklage oft eine Verschärfung seiner prozessualen Situation. Er sieht sich nicht nur der Anklage der Staatsanwaltschaft gegenüber, sondern auch einem aktiv am Verfahren beteiligten Opfer. Dies kann den Druck auf den Angeklagten erhöhen und seine Verteidigungsstrategie beeinflussen.

Die Nebenklage kann auch Auswirkungen auf mögliche Verständigungen im Strafverfahren haben. Bei Gesprächen über einen Deal zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung muss der Nebenkläger einbezogen werden. Seine Zustimmung ist zwar nicht erforderlich, seine Position kann aber den Verhandlungsspielraum beeinflussen.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Nebenklage: Die Nebenklage ermöglicht es bestimmten Personen, die durch eine Straftat geschädigt wurden, sich aktiv am Strafverfahren zu beteiligen. Nebenkläger können Beweisanträge stellen, Fragen an Zeugen richten und haben das Recht, während des Prozesses vertreten zu sein. Diese Beteiligung soll den Opfern helfen, ihre Interessen und Rechte im Verfahren besser zu vertreten und ihnen eine Stimme zu geben.
  • Jugendstrafverfahren: Das Jugendstrafverfahren ist ein spezielles Strafverfahren für Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren. Es zielt nicht nur auf die Bestrafung, sondern vor allem auf die Erziehung und Resozialisierung des jugendlichen Täters ab. Besonderer Wert wird darauf gelegt, den Jugendlichen wieder in die Gesellschaft zu integrieren und ihm neue Perspektiven zu bieten.
  • Totschlag: Totschlag ist die vorsätzliche Tötung eines Menschen ohne die besonderen Merkmale des Mordes. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob der Angeklagte möglicherweise versucht hat, das Opfer zu töten. Der Unterschied zum Mord liegt darin, dass keine besonderen Merkmale wie Heimtücke oder niedrige Beweggründe vorliegen müssen.
  • Versuch: Ein Versuch liegt vor, wenn jemand eine Straftat begonnen hat, diese aber nicht vollendet wurde. Im Strafrecht wird bereits der Versuch einer schweren Straftat wie Totschlag oder Mord strafbar behandelt. Im vorliegenden Fall wurde untersucht, ob der Angeklagte durch den Messerstich eine Tötung beabsichtigt hatte, diese aber nicht vollendet wurde.
  • Resozialisierung: Resozialisierung bedeutet die Wiedereingliederung eines Straftäters in die Gesellschaft. Im Jugendstrafverfahren steht dieser Aspekt im Vordergrund. Es geht darum, dem jungen Straftäter durch pädagogische Maßnahmen zu helfen, ein straffreies Leben zu führen und seine sozialen Kompetenzen zu verbessern.
  • Rechtsgüterschaden: Ein Rechtsgüterschaden liegt vor, wenn durch eine Straftat geschützte Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit oder Eigentum verletzt werden. Im Kontext der Nebenklage muss ein solcher Schaden vorliegen, damit das Opfer als Nebenkläger zugelassen wird. Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer durch den Messerstich körperlich schwer verletzt, was einen solchen Schaden darstellt.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 80 Abs. 3 JGG (Jugendgerichtsgesetz): Dieser Paragraph regelt die Voraussetzungen für die Zulassung der Nebenklage im Jugendstrafverfahren. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob die vorgeworfene Tat des Angeklagten, nämlich gefährliche Körperverletzung und Totschlag, eine Nebenklage nach diesem Paragraphen rechtfertigt.
  • § 395 StPO (Strafprozessordnung): Dieser Paragraph regelt die Voraussetzungen für die Zulassung der Nebenklage im allgemeinen Strafrecht. Das Kammergericht hat betont, dass für die Zulassung der Nebenklage im Jugendstrafverfahren der gleiche Maßstab gilt wie im allgemeinen Strafrecht.
  • § 264 StPO (Strafprozessordnung): Dieser Paragraph bestimmt, dass die Anklage den Sachverhalt festlegt, der Gegenstand der gerichtlichen Untersuchung ist. Im vorliegenden Fall war entscheidend, ob nach dem von der Anklage umfassten Sachverhalt die Verurteilung wegen eines Nebenklagedelikts rechtlich möglich erscheint.
  • § 212 StGB (Strafgesetzbuch): Dieser Paragraph definiert den Tatbestand des Totschlags. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob die Möglichkeit eines versuchten Totschlags besteht, was eine Nebenklage rechtfertigen würde.
  • § 22 StGB (Strafgesetzbuch): Dieser Paragraph regelt den Versuch einer Straftat. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob der Angeklagte möglicherweise einen versuchten Totschlag begangen hat und ob ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch vorliegt.

Das vorliegende Urteil

KG Berlin – Az.: 4 Ws 97/21 – 161 AR 213/21 – Beschluss vom 10.11.2021

Lesen Sie hier das Urteil…

 

1. Auf die Beschwerde des Zeugen A, wohnhaft in XX, wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 21. September 2021 aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer zum Anschluss als Nebenkläger an die öffentliche Klage berechtigt ist.

3. Dem Nebenkläger wird Rechtsanwalt H, XX, als Beistand bestellt.

4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdeführer entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse Berlin zur Last.

Gründe

Die Staatsanwaltschaft Berlin legt dem Angeklagten zur Last, eine gefährliche Körperverletzung zum Nachteil des Beschwerdeführers sowie einen Totschlag zum Nachteil des Hu begangen zu haben. Der Beschwerdeführer soll sich während einer körperlichen Auseinandersetzung des Angeklagten mit dem später Getöteten zwischen diese gedrängt und den Angeklagten von jenem weggeschubst haben. Der Angeklagte soll ihm dann durch einen Messerstich in den Bereich des rechten Unterbauchs eine etwa 2 cm lange, stark blutende Wunde zugefügt haben, was potentiell lebensgefährlich gewesen sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die Anträge des Beschwerdeführers, ihn als Nebenkläger zuzulassen und ihm seinen Rechtsanwalt als Beistand beizuordnen, mit der Begründung abgelehnt, der Angeklagte habe keine nach § 80 Abs. 3 JGG zum Anschluss berechtigende Straftat begangen. Weder aus Sicht der Anklagebehörde noch nach dem Dafürhalten der Kammer lägen zureichende Anhaltspunkte für ein dort aufgeführtes Nebenklagedelikt – insbesondere nicht für einen nach Ansicht des Beschwerdeführers möglichen versuchten Totschlag – vor. Anders als im allgemeinen Strafrecht reiche es nicht aus, dass die Verwirklichung eines Nebenklagedelikts rechtlich möglich sei, weil die Nebenklageberechtigung im Jugendstrafverfahren restriktiv gehandhabt werden müsse. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschlussgründe verwiesen.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Der Beschwerdeführer ist zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt.

a) Der erhobenen öffentlichen Klage kann sich als Nebenkläger im Jugendstrafverfahren anschließen, wer durch eine der in § 80 Abs. 3 JGG genannten Taten verletzt worden ist. Die Befugnis zum Anschluss als Nebenkläger setzt voraus, dass nach dem von der Anklage umfassten Sachverhalt (§ 264 StPO) die Verurteilung wegen eines Nebenklagedeliktes rechtlich möglich erscheint (BGH NStZ-RR 2008, 352; 2002, 340; OLG Frankfurt, Beschluss vom 8. November 2016 – 3 Ws 784/16 –, juris; OLG Rostock, Beschluss vom 25. April 2016 – 20 Ws 75/16 –, juris; OLG Brandenburg NStZ 2010, 654 mwN; OLG Düsseldorf NStZ 1997, 204; Kammergericht, Beschluss vom 8. November 2000 – 3 Ws 542/00 –, juris; Senat, Beschluss vom 29. April 2013 – 4 Ws 46/13 –; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 64. Auflage, § 396 Rdn 10). Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es nicht, weshalb auch die in der Anklage oder dem Eröffnungsbeschluss zum Ausdruck kommende rechtliche Würdigung nicht maßgeblich ist. Denn es kommt nicht darauf an, ob sich in der Hauptverhandlung der angeklagte Sachverhalt sicher oder auch nur wahrscheinlich als zutreffend erweisen und ob ihn die Kammer bei der Urteilsfindung in dieser Weise würdigen wird. Abzustellen ist vielmehr darauf, ob die Verurteilung wegen versuchten Totschlags aus heutiger Sicht (ex nunc) zumindest rechtlich möglich erscheint. Dieser Maßstab gilt auch in Bezug auf die Nebenklagebefugnis im Jugendstrafverfahren (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 14. Dezember 2016 – 2 Ws 2676/16 –, juris; Kammergericht aaO; Senat aaO). Bereits der Wortlaut des § 80 Abs. 3 JGG ist insoweit mit der Formulierung des die Nebenklagebefugnis im allgemeinen Strafrecht regelnden § 395 StPO identisch („wer verletzt [worden] ist“). Für die Geltung eines einheitlichen Maßstabs spricht auch, dass der Gesetzgeber bei der zur Stärkung der Opferbelange erfolgten Einführung der Nebenklage in Verfahren gegen jugendliche Straftäter beabsichtigt hat, dass die Nebenklage „unter den allgemeinen prozessualen Voraussetzungen (§§ 395 ff. StPO)“ zulässig sein soll (BT-Drs. 15/3422, S. 14). Den schutzwürdigen Belangen des jugendlichen Angeklagten ist nicht durch eine Modifikation der Zulassungsschwelle gegenüber dem allgemeinen Strafrecht, sondern in anderer Weise, nämlich insbesondere durch einen gegenüber dem allgemeinen Strafrecht eingeschränkten Katalog von Nebenklagedelikten, Rechnung getragen worden (BT-Drs. 15/3422 aaO).

b) Unter Anlegung dieses Maßstabs ist der Beschwerdeführer zum Anschluss als Nebenkläger befugt. Denn es ist rechtlich möglich – wenn auch nicht überwiegend wahrscheinlich – dass er Verletzter eines versuchten Totschlags ist. Nach dem vorliegenden Sachstand kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beweisaufnahme ergeben wird, dass der Angeklagte es für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, dem Beschwerdeführer eine todbringende Verletzung zuzufügen, als er ihm bei ihrer – nach der Schilderung des Beschwerdeführers in seinen polizeilichen Vernehmungen – in Dunkelheit geführten, dynamischen und wechselseitigen körperlichen Auseinandersetzung einen Messerstich in den Unterbauch versetzt hat. Nach dem gegenüber der Anklageerhebung und dem Eröffnungsbeschluss verminderten Prüfungsmaßstab ist es außerdem möglich, dass der Angeklagte von dem Tötungsversuch nicht strafbefreiend zurückgetreten ist. Es ist denkbar, dass er zum maßgeblichen Zeitpunkt angenommen hat, den Beschwerdeführer nicht mehr töten zu können, weil dieser (nach seiner Aussage) weggelaufen ist, so dass sich der Versuch als fehlgeschlagen und damit strafbar erweisen würde. Auch erscheint es möglich, dass sich der Angeklagte nach seiner letzten Ausführungshandlung, also dem Messerstich in den Unterbauch des Beschwerdeführers, vorgestellt haben könnte, diesem bereits dadurch eine tödliche Verletzung zugefügt zu haben. Dies wäre rechtlich als beendeter Versuch zu werten, von dem der Angeklagte durch die bloße Aufgabe der weiteren Tatausführung nicht hätte zurücktreten können.

c) Die besondere Opferbetroffenheit, die nach § 80 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 gegeben sein muss und die bei den in § 80 Abs. 3 JGG genannten Taten regelmäßig indiziert ist (KG aaO; Schatz in Diemer/Schatz/Sonnen, aaO Rdn 19; Eisenberg in Eisenberg/Kölbel, JGG, 22. Auflage 2021, Rdn 18), liegt vor, da der Beschwerdeführer durch die Tathandlung der Gefahr einer schweren körperlichen Schädigung ausgesetzt war.

3. Rechtsanwalt H war dem Nebenkläger auf seinen Antrag gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 JGG i.V.m. § 397a Abs. 1 Nr. 2 StPO als Beistand zu bestellen.

4. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO.


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