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Geringwertigkeitsschwelle bei Vermögensdelikten

Eine Hebamme aus D täuschte über Jahre hinweg Krankenkassen mit falschen Abrechnungen und ergaunerte so über 300.000 Euro. Trotz des enormen Schadens und der systematischen Vorgehensweise kam die Frau mit einer Bewährungsstrafe davon, da sie geständig war und den Schaden komplett beglich. Das Landgericht Nürnberg-Fürth verurteilte sie wegen 681 Fällen des Betrugs zu zwei Jahren Haft auf Bewährung.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Nürnberg-Fürth
  • Datum: 25.09.2023
  • Aktenzeichen: 12 KLs 572 Js 178731/17
  • Verfahrensart: Strafverfahren
  • Rechtsbereiche: Strafrecht, Betrug

Beteiligte Parteien:

  • Angeklagte: Eine selbständige Hebamme, die in 681 Fällen des Betrugs schuldig gesprochen wurde. Die Angeklagte rechnete gegenüber Krankenkassen Leistungen ab, die entweder nicht erbracht wurden oder für die keine Erstattungsansprüche bestanden. Sie handelte mit dem Ziel, sich eine dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen. Die Angeklagte gestand die Taten und leistete Wiedergutmachung.

Um was ging es?

  • Sachverhalt: Die Angeklagte, eine Hebamme, rechnete zwischen 2014 und 2019 betrügerisch Leistungen bei gesetzlichen Krankenkassen ab. Dazu gehörten zeitüberschneidende Leistungen, die Abrechnung einer angeblichen zweiten Hebamme, Abrechnungen für nicht vollendete Geburten und für Rückbildungsgymnastik, die nicht ordnungsgemäß von einer qualifizierten Hebamme durchgeführt wurden. Dies führte zu einem Schaden für die Krankenkassen in Höhe von 310.039,09 €.
  • Kern des Rechtsstreits: Die Frage war, inwieweit die Angeklagte sich durch diese Abrechnungen des Betrugs schuldig gemacht hat und welche Strafe angemessen ist.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Die Angeklagte wurde wegen Betrugs in 681 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Sie muss die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen tragen.
  • Begründung: Die Angeklagte wurde auf Basis ihres Geständnisses und weiterer Beweise für schuldig befunden. Ihre Geständigkeit, die Schadenswiedergutmachung und die fehlende Vorstrafe sprachen zu ihren Gunsten. Die Wiederholungsgefahr wurde aufgrund ihrer positiven Sozialprognose und der Schadenswiedergutmachung als gering eingestuft.
  • Folgen: Die Angeklagte muss keine Freiheitsstrafe absitzen, sofern sie sich während der Bewährung straffrei verhält. Sie hat jedoch ihre Abrechnungsberechtigung bei den Krankenkassen verloren, was ihre berufliche Situation verändert. Das Urteil betont die Schwere des Betrugs und die Notwendigkeit der Wiedergutmachung durch die Täterin.

Geringwertigkeitsschwelle im Strafrecht: Ein prägendes Urteil zu Vermögensdelikten

Die Geringwertigkeitsschwelle ist ein wichtiges Konzept im Strafrecht, das sich mit der strafrechtlichen Relevanz von Vermögensdelikten beschäftigt. Sie definiert eine Bagatellgrenze, unterhalb derer eine Straftat als geringfügig betrachtet wird und somit eine Minderung der Strafbarkeit erfahren kann. Dies betrifft insbesondere Deliktsarten wie Diebstahl oder Betrugsdelikte, bei denen der Vermögensschaden nicht hoch genug ist, um ein hartes Strafmaß zu rechtfertigen.

Die Anwendung der Geringwertigkeitsschwelle spielt eine entscheidende Rolle in der Rechtsprechung und den gesetzlichen Regelungen, da sie sich unmittelbar auf die Prävention von Wirtschaftskriminalität und Konsumgüterkriminalität auswirkt. Im folgenden Abschnitt wird ein konkreter Fall vorgestellt, der die Thematik der Geringwertigkeitsschwelle und deren praktische Auswirkungen aufzeigt.

Der Fall vor Gericht


Hebamme rechnet über 600 Mal betrügerisch mit Krankenkassen ab

Hebamme füllt Abrechnung aus
(Symbolfoto: Ideogram gen.)

Eine selbstständige Hebamme aus D wurde vom Landgericht Nürnberg-Fürth wegen 681 Fällen des Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Die Frau hatte zwischen Januar 2014 und April 2019 systematisch falsche Leistungen bei gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet und dadurch einen Schaden von 310.039,09 Euro verursacht.

Systematischer Abrechnungsbetrug in vier Varianten

Die Hebamme, die eine eigene Praxis betrieb und Mitgesellschafterin eines Geburtshauses war, nutzte verschiedene Methoden zur betrügerischen Abrechnung. Sie rechnete Leistungen ab, die sie während ihrer Ortsabwesenheit erbracht haben wollte oder die sich zeitlich mit anderen abgerechneten Leistungen überschnitten. Um eine Entdeckung zu erschweren, wählte sie gezielt Patientinnen aus verschiedenen Krankenkassen für die Doppelabrechnungen aus.

Missbrauch des Vertrauens der Krankenkassen

Zudem stellte die Hebamme Leistungen einer zweiten, tatsächlich nicht anwesenden Hebamme in Rechnung. Sie rechnete „abgebrochene Geburten“ ab, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht vorlagen. Rückbildungsgymnastikkurse wurden von nicht qualifizierten Kräften statt von Hebammen durchgeführt, aber dennoch als Hebammenleistung abgerechnet. Die Sachbearbeiter der Krankenkassen vertrauten den eingereichten Unterlagen und veranlassten die Auszahlung der Beträge.

Geständnis und vollständige Schadenswiedergutmachung

Die Angeklagte legte bereits im Ermittlungsverfahren ein umfassendes Geständnis ab. Der verursachte Schaden wurde vollständig durch Zahlungen der Hebamme sowie durch Einbehalte der Krankenkassen bei tatsächlich erbrachten Leistungen ausgeglichen. Als Folge ihrer Taten verlor sie die Abrechnungsberechtigung bei den gesetzlichen Krankenkassen.

Strafbemessung nach Schadenshöhe

Das Gericht differenzierte die Einzelstrafen nach der jeweiligen Schadenshöhe. Bei Beträgen bis 50 Euro wurden 90 Tagessätze angesetzt, bei Summen zwischen 50 und 100 Euro sechs Monate Freiheitsstrafe. Die höchste Einzelstrafe von elf Monaten wurde für einen Fall mit 6.837 Euro Schaden verhängt. Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Gericht neben dem Geständnis und der Schadenswiedergutmachung auch die mehrjährige Verfahrensdauer als entlastende Faktoren. Erschwerend wirkte sich aus, dass die Angeklagte ihr betrügerisches System trotz Nachfragen der AOK über mehrere Jahre fortführte.


Die Schlüsselerkenntnisse


„Das Urteil zeigt, dass systematischer Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen als schwerwiegendes Delikt eingestuft und entsprechend geahndet wird. Das Gericht setzt für Betrugsdelikte mit Schadenssummen über 50 Euro einen erhöhten Strafrahmen an und stuft die gewerbsmäßige, systematische Täuschung von Krankenkassen als besonders schweren Fall ein. Dennoch kann bei vollständiger Schadenswiedergutmachung, Geständnis und positiver Sozialprognose auch bei hohen Schadenssummen eine Bewährungsstrafe in Betracht kommen.“

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie im Gesundheitswesen tätig sind und Leistungen mit Krankenkassen abrechnen, müssen Sie besonders sorgfältig auf die korrekte Dokumentation und wahrheitsgemäße Angaben achten. Falsche Abrechnungen werden nicht als Kavaliersdelikt behandelt – selbst kleine Beträge unter 50 Euro können strafrechtliche Konsequenzen haben. Als Patient sollten Sie Ihre Abrechnungsunterlagen genau prüfen und Unstimmigkeiten direkt bei Ihrer Krankenkasse melden. Bei Verdacht auf systematische Abrechnungsmanipulationen können Sie sich an die Fehlverhaltensabteilungen der Krankenkassen wenden, die solchen Hinweisen nachgehen.


Benötigen Sie Hilfe?

Als Akteur im Gesundheitswesen stehen Sie vor besonderen Herausforderungen bei der korrekten Abrechnung mit Krankenkassen. Unsere langjährige Erfahrung in der rechtlichen Begleitung von Ärzten, Therapeuten und medizinischen Einrichtungen ermöglicht eine fundierte Einschätzung Ihrer individuellen Situation. Lassen Sie uns gemeinsam die rechtlichen Aspekte Ihrer Abrechnungspraxis analysieren und mögliche Risiken identifizieren, bevor es zu späteren Komplikationen kommt. ✅ Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an!


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Ab welcher Schadenssumme droht bei Abrechnungsbetrug eine Haftstrafe?

Bei Abrechnungsbetrug ist die konkrete Schadenssumme nicht der primäre Faktor für die Verhängung einer Haftstrafe. Die strafrechtliche Verfolgung richtet sich nach § 263 StGB, der grundsätzlich eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vorsieht.

Strafmaß und Bewertungskriterien

In besonders schweren Fällen droht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Als besonders schwerer Fall gilt insbesondere das gewerbsmäßige Handeln, das bereits vorliegt, wenn sich der Täter durch wiederholte Begehung eine nicht unerhebliche Einnahmequelle verschaffen will.

Zusätzliche Konsequenzen

Neben der strafrechtlichen Verurteilung drohen weitere einschneidende Maßnahmen:

  • Ein Berufsverbot von einem bis zu fünf Jahren kann selbst bei einer zur Bewährung ausgesetzten Strafe verhängt werden.
  • Disziplinarmaßnahmen wie Verwarnungen, Verweise oder Geldbußen bis zu 10.000 Euro können ausgesprochen werden.
  • Das Ruhen der Zulassung für bis zu zwei Jahre kann angeordnet werden.

Vorsatz und Bereicherungsabsicht

Eine Strafbarkeit setzt voraus, dass der Täter wissentlich und willentlich handelt. Wenn jemand in gutem Glauben davon ausgeht, dass die Abrechnung korrekt ist, liegt kein strafbarer Abrechnungsbetrug vor. Nicht jede fehlerhafte Abrechnung erfüllt automatisch den Straftatbestand.


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Welche Strafen drohen bei systematischem Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen?

Grundlegende Strafrahmen

Bei Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen droht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe nach § 263 Abs. 1 StGB. Wenn Sie als Leistungserbringer gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handeln, liegt ein besonders schwerer Fall vor, der mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren geahndet wird.

Berufsrechtliche Konsequenzen

Neben der strafrechtlichen Verfolgung müssen Sie als Leistungserbringer mit weiteren einschneidenden Konsequenzen rechnen:

  • Disziplinarverfahren mit Geldbußen bis zu 10.000 Euro
  • Ruhen der Zulassung für bis zu zwei Jahre
  • Entzug der Approbation durch die zuständige Ärztekammer
  • Zulassungsentziehungsverfahren

Voraussetzungen für die Strafbarkeit

Ein strafbarer Abrechnungsbetrug liegt vor, wenn Sie wissentlich und willentlich die Krankenkasse, die Kassenärztliche Vereinigung oder Patienten täuschen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass Sie die rechtliche Strafbarkeit Ihres Handelns kennen – es genügt, wenn Sie die Handlungen bewusst ausführen, um sich zu bereichern.

Schadensdimension

Die Dimension des Problems wird durch die amtliche Kriminalstatistik deutlich: In den letzten 20 Jahren verursachte Abrechnungsbetrug im deutschen Gesundheitswesen einen Gesamtschaden von 1,13 Milliarden Euro. Die tatsächliche Schadenssumme dürfte nach Einschätzung des Bundeskriminalamts noch deutlich höher liegen, da viele Fälle unentdeckt bleiben.


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Wie wirken sich Geständnis und Wiedergutmachung auf das Strafmaß aus?

Ein Geständnis kann sich positiv auf die Strafzumessung auswirken, führt jedoch nicht automatisch zu einer Strafmilderung nach § 49 Absatz 1 StGB. Das Geständnis zählt zu den Umständen der Strafzumessung, die für den Täter sprechen können und ist in § 46 Absatz 2 StGB geregelt.

Voraussetzungen für die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses

Die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses tritt nicht bei falschen, unvollständigen oder zu spät abgelegten Geständnissen ein. Wenn Sie durch eine Aussage zur Aufklärung einer schweren Straftat beitragen, ist eine Strafmilderung nach § 46b Absatz 1 StGB möglich.

Bedeutung der Wiedergutmachung

Die Schadenswiedergutmachung kann auf verschiedene Arten erfolgen:

  • Finanzielle Entschädigung wie Schmerzensgeld
  • Gemeinnützige Arbeit
  • Eine aufrichtige Entschuldigung
  • Ein Mediationsverfahren zwischen Täter und Opfer

Ein Täter-Opfer-Ausgleich kann als Strafmilderungsgrund wirken, wenn Sie vor der Hauptverhandlung freiwillig daran teilnehmen und die Vereinbarungen mit dem Geschädigten erfüllen. Die Wiedergutmachung muss dabei alle Auswirkungen der Tat für den Verletzten berücksichtigen – sowohl materielle als auch immaterielle Schäden.

Freiwilligkeit als entscheidendes Kriterium

Die Freiwilligkeit der Wiedergutmachung ist ein zentrales Element. Sie müssen nicht aus rein altruistischen Motiven handeln. Es genügt, wenn Sie rechtlich noch nicht zur Wiedergutmachung verpflichtet sind. Bei Gewaltdelikten und Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung wird in der Regel ein Geständnis als erforderlich angesehen.

Die strafmildernde Wirkung setzt voraus, dass Sie Ihre Täterrolle nicht in Frage stellen und Verantwortung übernehmen. Ein Täter-Opfer-Ausgleich ist beispielsweise ausgeschlossen, wenn Sie die Gewalttat als Verteidigungshandlung darstellen oder in einem Entschuldigungsschreiben formulieren, die Sache „sei dumm gelaufen“.


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Welche beruflichen Folgen hat eine Verurteilung wegen Abrechnungsbetrugs?

Eine Verurteilung wegen Abrechnungsbetrugs führt zu schwerwiegenden beruflichen Konsequenzen für Leistungserbringer im Gesundheitswesen.

Zulassungsentzug und Berufsverbot

Die Kassenärztliche Vereinigung kann ein vertragsärztliches Disziplinarverfahren einleiten und die Zulassung entziehen. Der Entzug der Zulassung bedeutet den Ausschluss aus der vertragsärztlichen Versorgung. Anders als bei anderen Disziplinarmaßnahmen gibt es beim Zulassungsentzug keine Abstufungen – die Zulassung wird vollständig entzogen, wenn der Arzt seine vertragsärztlichen Pflichten in schwerwiegender Weise verletzt hat.

Approbationsentzug

Die zuständige Ärztekammer oder Approbationsbehörde kann ein Verfahren zum Entzug der Approbation einleiten. Die Approbation als staatliche Erlaubnis zur Berufsausübung bildet die Grundlage für jegliche ärztliche Tätigkeit. Der Entzug kommt einem faktischen Berufsverbot gleich. Die Approbationsbehörde entscheidet nach Anhörung des betroffenen Arztes über den Entzug.

Weitere berufsrechtliche Sanktionen

Für andere Berufsgruppen im Gesundheitswesen drohen vergleichbare Konsequenzen. Apotheker können mit einem Berufsverbot von bis zu fünf Jahren belegt werden. Diese Sanktion kann bereits vor dem Urteil und auch bei einer Geld- oder Bewährungsstrafe verhängt werden.

Disziplinarrechtliche Maßnahmen

Die jeweilige Berufsaufsicht (Ärzte- oder Apothekerkammer) kann nach einer Verurteilung zusätzlich Geldbußen verhängen sowie Verwarnungen oder Verweise aussprechen. Diese Maßnahmen können parallel zu strafrechtlichen Sanktionen erfolgen und haben eigenständige berufsrechtliche Konsequenzen.

Die beruflichen Folgen einer Verurteilung wegen Abrechnungsbetrugs können somit zur vollständigen Vernichtung der beruflichen Existenz führen. Die Konsequenzen treffen nicht nur die unmittelbare Berufsausübung, sondern können sich auf die gesamte weitere Karriere im Gesundheitswesen auswirken.


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Was sind die Voraussetzungen für eine Bewährungsstrafe bei Abrechnungsbetrug?

Bei Abrechnungsbetrug kann eine Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn die Strafe nicht mehr als zwei Jahre beträgt. Die Bewährungsmöglichkeit richtet sich nach einem dreistufigen System:

Grundvoraussetzungen für die Bewährung

Bei Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr wird die Strafe in der Regel zur Bewährung ausgesetzt, wenn eine positive Sozialprognose vorliegt. Bei Strafen zwischen einem und zwei Jahren müssen besondere Umstände vorliegen. Freiheitsstrafen über zwei Jahre sind nicht bewährungsfähig.

Entscheidende Faktoren für die Bewährung

Die Gerichte berücksichtigen bei ihrer Entscheidung:

  • Die Persönlichkeit des Verurteilten
  • Das Verhalten nach der Tat, insbesondere Bemühungen zur Schadenswiedergutmachung
  • Die berufliche und soziale Situation
  • Die Art der Tatbegehung, etwa ob es sich um einen einmaligen Fehler oder systematischen Betrug handelte

Bewährungsauflagen

Im Fall einer Bewährung können verschiedene Auflagen erteilt werden:

  • Schadenswiedergutmachung
  • Geldzahlungen an die Staatskasse
  • Gemeinnützige Arbeit
  • Therapieweisungen
  • Meldepflichten

Bei gewerbsmäßigem Abrechnungsbetrug oder bei Handeln in einer Bande droht eine Mindeststrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, wobei auch hier eine Bewährung möglich ist, sofern die Gesamtstrafe zwei Jahre nicht übersteigt.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Betrug

Ein Betrug liegt vor, wenn jemand durch Täuschung einen anderen dazu bringt, über sein Vermögen zu verfügen und dadurch einen Vermögensschaden entsteht. Die Täuschung muss dabei absichtlich erfolgen, um sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Geregelt ist der Betrug in § 263 StGB. Im Beispielfall täuschte die Hebamme die Krankenkassen durch falsche Abrechnungen über nicht erbrachte Leistungen und erhielt so unrechtmäßig Geld.


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Bewährungsstrafe

Eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren kann zur Bewährung ausgesetzt werden (§ 56 StGB). Der Verurteilte muss die Strafe nicht im Gefängnis verbüßen, wenn er während der Bewährungszeit (2-5 Jahre) keine weiteren Straftaten begeht und eventuell erteilte Auflagen erfüllt. Diese Aussetzung erfolgt, wenn eine positive Sozialprognose besteht und besondere Umstände wie Geständnis oder Schadenswiedergutmachung vorliegen.


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Geringwertigkeitsschwelle

Ein strafrechtliches Konzept, das eine Wertgrenze definiert, unterhalb derer Vermögensdelikte als minderschwer eingestuft werden können. Die genaue Höhe variiert je nach Delikt und Rechtsprechung, liegt aber meist zwischen 25-50 Euro. Bei Unterschreitung dieser Schwelle kann das Verfahren eingestellt werden oder eine mildere Bestrafung erfolgen. Dies dient der Verhältnismäßigkeit und Entlastung der Justiz bei Bagatelldelikten.


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Tagessatz

Die Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt (§ 40 StGB). Die Anzahl der Tagessätze (5-360) richtet sich nach der Schwere der Schuld. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes (1-30.000 Euro) wird nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters bemessen. Beispiel: 90 Tagessätze zu je 50 Euro ergeben eine Geldstrafe von 4.500 Euro.


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Strafzumessung

Der Prozess der richterlichen Festlegung der konkreten Strafe innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens (§ 46 StGB). Dabei werden alle Umstände berücksichtigt, die für oder gegen den Täter sprechen: Beweggründe, Vorstrafen, Geständnis, Schadenswiedergutmachung, persönliche Verhältnisse. Im Fall der Hebamme wirkten sich Geständnis und Schadenswiedergutmachung strafmildernd aus.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 263 StGB (Betrug): Dieser Paragraph beschreibt den Straftatbestand des Betrugs, welcher gegeben ist, wenn jemand durch Täuschung einen anderen zu einem Vermögensvorteil für sich oder einen Dritten verleitet. Die Täuschung kann dabei sowohl durch ein aktives Handeln als auch durch Unterlassen geschehen. Im vorliegenden Fall hat die Angeklagte bewusst unwahre Angaben bei der Abrechnung gegenüber den Krankenkassen gemacht, um immer wieder unrechtmäßige Zahlungen zu erhalten.
  • § 243 StGB (Besonders schwerer Fall des Betrugs): Dieser Paragraph legt fest, dass die Strafe für Betrug erhöht wird, wenn besondere Umstände vorliegen, die den Betrug besonders schwer machen. Die Geringwertigkeitsschwelle wurde im Urteil auf 50 € festgesetzt, was bedeutet, dass Beträge unter diesem Wert nicht den schwerwiegenden Betrugstatbestand erfüllen. Im konkreten Fall hat die Angeklagte in mehreren Fällen sicherstellen müssen, dass die von ihr abgerechneten Leistungen über diesem Betrag lagen, um die Schwere der Vorwürfe zu erhöhen.
  • § 248a StGB (Besonderer Betrug durch Ausnutzung von Umständen): Hier wird unter Strafe gestellt, wenn jemand einen Betrug begeht, indem er die bereits bestehenden Bevollmächtigungen oder Zugänge zu Abrechnungssystemen zu einer unrechtmäßigen Bereicherung nutzt. Die Angeklagte wendete ihre vertraglich eingeräumte Berechtigung zur Abrechnung der Hebammenleistungen betrgerisch an, indem sie Leistungen anführte, die nicht erbracht wurden.
  • § 275c StPO (Verständigung im Strafverfahren): Diese Vorschrift ermöglicht eine Verständigung zwischen Gericht und den Verfahrensbeteiligten über die Strafe und den Schuldumfang. Im vorliegenden Urteil wurde festgestellt, dass dem Urteil eine solche Verständigung vorausging, was darauf hindeutet, dass die Angeklagte möglicherweise zugestimmt hat, um gütliche Lösungen zu finden. Dies zeigt, dass die Angeklagte die Schwere ihrer Taten voraussah und darauf abzielt, möglicherweise eine mildere Strafe zu erhalten.
  • § 154 Abs. 2 StPO (Schluss des Verfahrens): Dieser Paragraph regelt die Möglichkeit, das Verfahren in bestimmten Fällen einzustellen. Im Urteil wurde erwähnt, dass Fälle ohne besondere Kennzeichnung nach diesem Paragraphen ausgesondert wurden. Dies verdeutlicht, dass nicht alle Straftaten gleich behandelt wurden und einige Aspekte des Verfahrens nicht weiter verfolgt wurden, während die schwereren Vorwürfe zu einer Verurteilung führten.

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Das vorliegende Urteil

LG Nürnberg-Fürth – Az.: 12 KLs 572 Js 178731/17 – Urteil vom 25.09.2023


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