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Sozialleistungsbetrug – notwendige Feststellungen

Sozialleistungsbetrug: OLG Koblenz hebt Urteil auf und verweist Fall zurück an Landgericht Trier

Das OLG Koblenz hat in seinem Urteil (Az.: 1 Ss 21/13) vom 01.12.2014 die Revision des Angeklagten teilweise anerkannt. Die Verurteilung zu Betrug zu Lasten der Sozialleistungsträger wurde aufgehoben, da das Gericht Unstimmigkeiten und Lücken in den Feststellungen zum tatsächlichen Vermögensschaden des Sozialleistungsträgers sah. Die weiteren Anklagepunkte, insbesondere der Betrug durch vorgetäuschtes Mietverhältnis, wurden bestätigt. Die Sache wird für weitere Prüfung und Entscheidung zurück an das Landgericht Trier verwiesen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 Ss 21/13 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Teilweise Anerkennung der Revision des Angeklagten durch das OLG Koblenz.
  2. Aufhebung der Verurteilung im Fall des Betruges zu Lasten der Sozialleistungsträger.
  3. Bestätigung der Rechtmäßigkeit anderer Anklagepunkte, insbesondere des Betruges durch Scheinmietverhältnisse.
  4. Feststellung von Lücken und Unstimmigkeiten im Urteil bezüglich der betrügerischen Erlangung von Sozialleistungen.
  5. Notwendigkeit einer umfassenden Neubewertung des Falls durch das Landgericht Trier.
  6. Diskussion über die rechtliche Beurteilung des Vermögensschadens des Sozialleistungsträgers.
  7. Erwägung einer neuen Verhandlung und Entscheidung.
  8. Hinweis auf die Komplexität der Rechtslage bei Sozialleistungsbetrug.

Sozialleistungsbetrug: Die Herausforderung der Feststellungen im Urteil

Sozialleistungsbetrug ist ein komplexes Thema, bei dem es auf klare und nachvollziehbare Feststellungen im Urteil ankommt. Dabei müssen die Feststellungen auf einer soliden Beweisführung basieren und die notwendigen Angaben zur Schadenshöhe, Garantenstellung und Mitteilungspflicht enthalten. Laut Strafrecht muss aus den Feststellungen des Gerichts klar hervorgehen, dass der Angeklagte die Sozialleistungen betrügerisch erlangt hat. Zudem muss der Strafrichter selbst die Berechnung des Schadens vornehmen, wobei die Feststellungen so konkret sein müssen, dass sie die Berechnung des Schadens ermöglichen.

Die rechtlichen Herausforderungen bei der Beurteilung von Sozialleistungsbetrug sind vielfältig und erfordern eine sorgfältige Prüfung der Feststellungen im Urteil. Insbesondere die Darlegung der Schadenshöhe, Garantenstellung und Mitteilungspflicht sind entscheidende Faktoren, die im Urteil klar und nachvollziehbar dargelegt werden müssen. Ein detaillierter Einblick in ein konkretes Urteil zu diesem Thema kann dabei helfen, die rechtlichen Herausforderungen besser zu verstehen und die notwendigen Feststellungen im Urteil zu bewerten.

Wenn Sie Fragen zu einem ähnlichen Fall haben, wo es um Sozialleistungsbetrug geht, fordern Sie noch heute unsere unverbindliche Ersteinschätzung an.“

Der Fall des Sozialleistungsbetrugs und seine juristischen Verwicklungen

In einem bemerkenswerten Fall, der vor dem OLG Koblenz verhandelt wurde, ging es um die komplexe Thematik des Sozialleistungsbetrugs. Der Angeklagte, dessen Revision teilweise erfolgreich war, stand ursprünglich wegen Betruges zum Nachteil von Sozialleistungsträgern vor Gericht. Dieses Urteil, das unter dem Aktenzeichen 1 Ss 21/13 geführt wird, hebt das Urteil der 2. kleinen Strafkammer des Landgerichts Trier vom 2. November 2012 auf, was eine signifikante Wendung im Fall darstellt.

Die Rolle des Angeklagten und die rechtlichen Herausforderungen

Der Angeklagte, ein Eigentümer eines in schlechtem Zustand befindlichen Hausanwesens, schloss einen Mietvertrag mit dem Zeugen …[C], der Sozialleistungen bezog. Dieser Mietvertrag und die damit verbundenen Mietbescheinigungen wurden den zuständigen Sozialbehörden vorgelegt, ohne die Einnahmen aus einem Zusatzvertrag offenzulegen. Die Komplexität dieses Falls liegt in der Frage, ob durch die Handlungen des Angeklagten ein Vermögensschaden bei den Sozialleistungsträgern entstanden ist. Das Landgericht hatte den Angeklagten zuvor wegen Betruges verurteilt, jedoch stellte sich heraus, dass diese Feststellungen lückenhaft waren.

Analyse des OLG Koblenz: Feststellungen und ihre Unzulänglichkeiten

Das OLG Koblenz konzentrierte sich auf die Unzulänglichkeiten in den Feststellungen des Landgerichts. Kritisiert wurde, dass die Feststellungen des Landgerichts nicht klar erkennen ließen, inwieweit die Zahlungen an den Angeklagten tatsächlich rechtswidrig waren. Es fehlte an einer detaillierten Darstellung der Einkommensverhältnisse des Zeugen …[C] und einer Überprüfung, ob und in welchem Umfang sozialrechtliche Leistungsansprüche bestanden. Der Fall zeigte, dass für die Annahme eines Betruges detaillierte und nachvollziehbare Feststellungen essentiell sind.

Rechtliche Konsequenzen und die Notwendigkeit einer Neubewertung

Die unzureichenden Feststellungen hatten direkte Auswirkungen auf den Schuldspruch und führten zur Notwendigkeit einer umfassenden Neubewertung des Falles durch eine andere Kammer des Landgerichts Trier. Das OLG Koblenz gab zu verstehen, dass im Falle einer erneuten Verhandlung die Nichtangabe von Zusatzeinkünften des Zeugen …[C] als Betrug durch Unterlassen zu werten sei. Zudem wurde betont, dass eine genaue Schadensberechnung unabdingbar ist, um den Schuldumfang und die Rechtswidrigkeit der Leistungsempfänge festzustellen.

Fazit: Das Urteil des OLG Koblenz im Fall des Sozialleistungsbetrugs zeigt die Bedeutung akribischer und umfassender rechtlicher Prüfungen in Fällen von Sozialbetrug auf. Es unterstreicht die Notwendigkeit, alle relevanten Aspekte, insbesondere die Einkommensverhältnisse und die sozialrechtlichen Ansprüche, gründlich zu untersuchen, um zu einem gerechten Urteil zu gelangen.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was versteht man unter Sozialleistungsbetrug im deutschen Recht?

Sozialleistungsbetrug, auch als Sozialbetrug bezeichnet, tritt auf, wenn jemand staatliche Sozialleistungen bezieht, ohne die dafür notwendigen Voraussetzungen zu erfüllen oder diese bekanntzugeben. Im deutschen Strafrecht gibt es keinen eigenständigen Straftatbestand für Sozialbetrug. Daher wird er als Betrug gemäß § 263 StGB behandelt.

Sozialbetrug kann in verschiedenen Formen auftreten. Häufige Beispiele sind das Verschweigen von vorhandenem Vermögen, um Leistungen wie Arbeitslosengeld II (ALG II) oder BAföG zu erhalten, oder das Verschweigen von Änderungen in den Lebensverhältnissen, die für den Leistungsbezug erheblich sind. Die häufigsten Leistungen, die zu Unrecht bezogen werden, sind Arbeitslosengeld, Bürgergeld, BAföG, Wohngeld, Sozialhilfe und Kindergeld.

Die Strafe für Sozialbetrug hängt davon ab, ob die Angaben vorsätzlich oder fahrlässig falsch gemacht wurden. Ein Versehen stellt lediglich eine Ordnungswidrigkeit und keine Straftat dar. Für Sozialbetrug drohen bis zu 5 Jahre Freiheitsstrafe oder eine hohe Geldstrafe. Die Verjährungsfrist für Sozialbetrug, der als Straftat gewertet wird, beträgt nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre. Wird der Sozialbetrug als Ordnungswidrigkeit angesehen, verjährt die Tat bereits nach zwei Jahren.

Sozialbehörden, wie das Jobcenter und BAföG-Ämter, haben ein Recht zum Datenabgleich. Sie können dieses nutzen, um mit anderen Behörden Daten zu vergleichen und so aufzudecken, ob jemand zu Unrecht Sozialleistungen bezieht.

Welche Strafen drohen bei Sozialleistungsbetrug?

Bei Sozialleistungsbetrug drohen im deutschen Recht verschiedene Strafen, die von der Schwere des Betrugs und den Umständen des Einzelfalls abhängen. Grundsätzlich kann Sozialleistungsbetrug mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet werden. Die genaue Strafe hängt davon ab, ob die falschen Angaben vorsätzlich oder fahrlässig gemacht wurden. Ein Versehen, das heißt, wenn die falschen Angaben ohne Vorsatz gemacht wurden, gilt lediglich als Ordnungswidrigkeit und kann mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 Euro belegt werden.

Neben den strafrechtlichen Konsequenzen müssen die unrechtmäßig erhaltenen Leistungen zurückgezahlt werden. In Fällen von gewerbsmäßigem Sozialleistungsbetrug, bei dem der Täter regelmäßig und systematisch Sozialleistungen erschleicht, kann die Freiheitsstrafe sechs Monate bis zu zehn Jahren betragen. Die Verjährungsfrist für Sozialleistungsbetrug beträgt fünf Jahre, es sei denn, es handelt sich um einen gewerbsmäßigen Sozialbetrug, bei dem sich die Verjährungsfrist auf zehn Jahre verlängert.

Es ist zu unterstreichen, dass die Behörden ihre Kontrollmethoden über die Jahre hinweg erheblich verfeinert haben, wodurch die Wahrscheinlichkeit, bei Sozialleistungsbetrug ertappt zu werden, gestiegen ist. Im Falle einer Beschuldigung ist die Einschaltung eines fachkundigen Rechtsanwalts empfehlenswert, um die bestmögliche Verteidigung zu gewährleisten und möglicherweise die Strafe zu mindern.

Was sind die Kriterien zur Feststellung eines Vermögensschadens bei Sozialleistungsbetrug?

Die Feststellung eines Vermögensschadens bei Sozialleistungsbetrug im deutschen Recht basiert auf verschiedenen Kriterien. Ein Vermögensschaden tritt ein, wenn das Vermögen des Getäuschten sich verschlechtert hat. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn sich eine Vermögensminderung wirtschaftlich noch nicht realisiert hat, aber bereits eine konkrete Gefährdung des Vermögens vorliegt. Diese sogenannte „schadensgleiche Vermögensgefährdung“ liegt vor, wenn das Vermögen bereits so konkret gefährdet ist, dass nach den Umständen des Einzelfalls die Realisierung des Schadens nahe liegt.

Im Kontext von Verträgen, wie sie auch bei Sozialleistungen vorliegen können, wird der Vermögensschaden durch einen Vergleich des Vermögens vor der Verfügung und nach der Verfügung festgestellt. Ein Schaden liegt vor, wenn diese Saldierung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Vermögensminderung nicht unmittelbar durch eine äquivalente Vermögensmehrung ausgeglichen wurde.

Ein weiteres Kriterium ist die „schädigende Vermögensgefährdung“. Diese liegt vor, wenn sich die Hypothese der Verfügbarkeit über einen Vermögensgegenstand qualitativ verschlechtert hat.

Es ist zu betonen, dass die genauen Kriterien zur Feststellung eines Vermögensschadens von den Umständen des Einzelfalls abhängen und daher eine genaue rechtliche Prüfung erfordern.


Das vorliegende Urteil

OLG Koblenz – Az.: 1 Ss 21/13 – Beschluss vom 01.12.2014

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 2. kleinen Strafkammer des Landgerichts Trier vom 2. November 2012 aufgehoben

– im Fall II. 2. der Urteilsgründe (Betrug zum Nachteil der …[A]) mit den Feststellungen und dem Ausspruch der zugehörigen Einzelgeldstrafe und

– im Gesamtstrafenausspruch.

2. Die weiterreichende Revision des Angeklagten wird als offensichtlich unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Trier zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten unter teilweiser Abänderung des vorangehenden amtsgerichtlichen Urteils des gemeinschaftlichen Betruges in zwei Fällen und des versuchten Betruges schuldig gesprochen und zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 15 € verurteilt. Gegen die Verurteilung richtet sich die auf die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.

II.

Die Revision ist zulässig; insbesondere ist sie nach Neuzustellung des angefochtenen Urteils an die Pflichtverteidigerin form- und fristgerecht begründet worden. Sie erzielt den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.

1. Die Verurteilung in den Fällen II. 1. (Betrug zu Lasten der Sozialleistungsträger durch vorgetäuschtes Mietverhältnis der Zeugin …[B]) und II. 3. (versuchter Prozessbetrug zu Lasten der Zeugin …[B]) weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

Insbesondere geht aus den Feststellungen unter II. 1. des Urteils noch hinreichend deutlich hervor, dass es sich bei dem zwischen dem Angeklagten und der Zeugin …[B] abgeschlossenen und den Sozialbehörden vorgelegten Mietvertrag um einen Scheinvertrag handelte, der sozialrechtliche Leistungsansprüche nicht herbeiführen konnte. Eine täterschaftliche Beteiligung des Angeklagten an der hierdurch verwirklichten betrügerischen Erlangung von Sozialleistungen ist nicht zweifelhaft. Die Ausstellung des Mietvertrages durch den Angeklagten mit dem Ziel einer späteren Vorlage durch die Zeugen …[B] bildet einen maßgeblichen Tatbeitrag; angesichts der festgestellten Absicht des Angeklagten, als vorgeblicher Vermieter von der Arbeitsagentur die Mietzinszahlungen vereinnahmen zu können, und einer entsprechenden schriftlichen Aufforderung des Angeklagten an die Agentur (UA S. 11) liegt auch ein eigenes Interesse des Angeklagten an der Tat vor.

2. Dagegen hält die Verurteilung wegen gemeinschaftlichen Betruges in Fall II. 2. der Urteilsgründe (Betrug im Zusammenwirken mit dem Zeugen …[C] zu Lasten der Sozialleistungsträger) rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen (UA S. 11 ff.):

Der Angeklagte war Eigentümer eines Hausanwesens in einem äußerst schlechtem Unterhaltungszustand. Er schloss am 28. Juli 2006 einen Mietvertrag für den Zeitraum ab dem 1. August 2006 mit dem anderweitig verurteilten Zeugen …[C] zu einer Nettomiete von 500 € und einer Vorauszahlung auf anfallende Betriebskosten in Höhe von 180 €. Am 15. August 2006 traf er mit dem Zeugen eine Zusatzvereinbarung, derzufolge der Zeuge …[C] als Mieter die notwendigen Renovierungsarbeiten selber vornehmen sollte. Für die Arbeiten sollten von dem Angeklagten als Vermieter, der auch die erforderlichen Baumaterialien zu stellen hatte, ein monatliches Entgelt in Höhe von 500 € gezahlt werden.

Der Zeuge …[C] bezog zum damaligen Zeitpunkt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II („Hartz IV“) für sich und seine Familie. Er legte den Mietvertrag sowie von dem Angeklagten unterschriebene Mietbescheinigungen der für die Gewährung von Sozialleistungen zuständigen gemeinsamen Einrichtung der Agentur für Arbeit und seiner Kommune (…[A]) vor. Den Zusatzvertrag und hieraus erzielte Einnahmen verschwieg er. Das Verhalten des Zeugen erfolgte mit Wissen und Wollen des Angeklagten. Die …[A], welche von fehlenden Einkünften des Zeugen …[C] ausging, übernahm für diesen die Kosten für Unterkunft und Heizung und überwies in der Folgezeit daher einen monatlichen Betrag in Höhe von 625 € unmittelbar an den Angeklagten. Der Angeklagte vereinnahmte auf diesem Weg insgesamt 7.000 €. Nach der Bewertung des Landgerichtes erfolgten die Zahlungen „zu Unrecht“ (UA S. 13); hätten der Angeklagte und der Zeuge …[C] den „wahren Sachverhalt“ offen gelegt, hätte der Zeuge – so die Berufungskammer – „deutlich geringere Leistungen erhalten“ (UA S. 13). Die Zusatzvereinbarung sei verschwiegen worden, um für den Angeklagten die Mietzinszahlungen sicherzustellen und dem Zeugen …[C] und seiner Familie ein höheres Einkommen zu Lasten der Allgemeinheit zu sichern.

b) Diese Feststellungen tragen die Annahme eines vollendeten Betruges gemäß § 263 Abs. 1 StGB nicht. Sie sind lückenhaft, denn sie lassen keine hinreichende Beurteilung zu, ob die an den Angeklagten erfolgten Zahlungen rechtswidrig waren und der Sozialleistungsträger hierdurch ein Vermögensschaden entstanden ist.

Um eine betrügerische Erlangung von Sozialleistungen annehmen zu können, müssen die Feststellungen in nachvollziehbarer Weise zu erkennen geben, dass und inwieweit nach den tatsächlichen Gegebenheiten auf die sozialrechtliche Leistung kein Anspruch bestand. Der Tatrichter hat die Voraussetzungen der für die Leistungsbewilligung geltenden Vorschriften vollständig festzustellen und selbstständig zu prüfen. Dies erfordert jedenfalls eine Darstellung der Einkommensverhältnisse des Antragstellers und der darauf gestützten Feststellung, ob und in welcher Höhe nach den sozialrechtlichen Bestimmungen eine Überzahlung der öffentlichen Leistungen erfolgt ist. Nur wenn dies der Fall ist, kann bei dem Leistungsträger ein Vermögensschaden entstanden sein (OLG Dresden, StraFo 2014, 254; KG StV 2013, 637; OLG Nürnberg StraFo 2011, 521; OLG Düsseldorf StV 2001, 354 OLG Hamm, Beschluss vom 16. Mai 2006 – 3 Ss 7/06 [juris]; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 263 Rdn. 141; s. auch BGH StV 1986, 251 f.). Hieran fehlt es in dem angefochtenen Urteil in mehrfacher Hinsicht.

aa) Die Feststellungen lassen bereits nicht zweifelsfrei erkennen, inwieweit es – über den bloßen Abschluss der Zusatzvereinbarung zwischen dem Zeugen …[C] und dem Angeklagten hinaus – tatsächlich zu Renovierungsarbeiten des Zeugen gekommen und ihm hierfür seitens des Angeklagten das vereinbarte Entgelt in Höhe von 500 € zugeflossen ist. Die Formulierung des Landgerichtes, dass „vom Vermieter ein monatliches Entgelt von 500 € an den Mieter gezahlt“ wurde (UA S. 12), stellt sich lediglich als Wiedergabe des Vertragstextes dar. Den Feststellungen ist andererseits auch nicht zu entnehmen, dass die Vereinbarungen zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen …[C] – Mietvertrag und Zusatzabrede – insgesamt nur zum Schein geschlossen wurden (§ 117 BGB), um dem Angeklagten unberechtigt Sozialleistungen zukommen zu lassen, oder dass zwischen beiden eine Aufrechnung der auffälligerweise gleich hohen Beträge von Miete und Renovierungsentgelt beabsichtigt war. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich vielmehr, dass der Zeuge …[C] mit seiner Familie das Hausanwesen tatsächlich bewohnte, und dass die Tat dazu diente, dem Zeugen ein „höheres Einkommen“, mit dem nur ein von dem Angeklagten gezahltes Entgelt gemeint sein kann, zu sichern; auch die Feststellung, dass der Zeuge gegenüber der …[A] verschwieg, dass er aus dem Zusatzvertrag „weitere Einnahmen hatte“, deutet darauf hin, dass Zahlungen des Angeklagten an den Zeugen tatsächlich erfolgt sind. Ihre Höhe bleibt jedoch unklar.

Die Zahlungen des Angeklagten bilden aber die maßgebliche Grundlage für die Bewertung, ob und in welchem Umfang die Leistungen der Sozialbehörden zugunsten des Zeugen …[C] unberechtigt waren. Erst wenn die konkrete Höhe nicht angezeigter Zusatzeinkünfte des Zeugen …[C] und ihr Zeitpunkt feststeht, lässt sich bestimmen, inwieweit der Zeuge auf die ihm gewährten Leistungen einen Anspruch hatte (vgl. §§ 11 ff. SGB II).

bb) Entsprechendes gilt für die Angabe der nach Auffassung der Berufungskammer zu Unrecht bezogenen Sozialleistungen.

Bei dem von der Kammer genannten Betrag von 7.000 € ist unklar, ob es sich hierbei um die Gesamtschadenssumme oder die von dem Angeklagten insgesamt erhaltenen Leistungen handelt, oder ob beide Beträge übereinstimmen, weil auf sämtliche ausgezahlten Leistungen kein Anspruch bestand. Gegen letztere Annahme spricht, dass der Zeuge …[C] nach der Formulierung im Urteil bei vollständigen Angaben gegenüber der …[A] „deutlich geringere Leistungen“ als die genannten 7.000 € erhalten hätte (UA S. 13). In welcher Höhe auf die ausgezahlten Sozialleistungen für Unterkunft und Heizung von monatlich 625 € kein Anspruch bestanden und demzufolge eine Überzahlung vorgelegen hat, legt die Kammer allerdings nicht dar. Ebenso fehlt es an einer Mitteilung des tatgegenständlichen Bezugszeitraumes, in welchem dem Zeugen …[C] die unberechtigten Leistungen nach dem SGB II gewährt und an den Angeklagten ausgezahlt wurden. Eine Rückrechnung anhand des monatlichen Leistungsbetrages in Höhe von 625 € und der von dem Landgericht genannten Summe von 7.000 € – woraus sich im Übrigen kein ganzzahliger Monatszeitraum ergeben würde – ist wegen der Unklarheit, ob es sich die Summe auf die Auszahlungen insgesamt oder nur einen Teil davon bezieht, nicht möglich.

Die eindeutige Angabe eines auf die Auszahlung bestimmter Sozialleistungen bezogenen Schadensbetrages ist aber unabdingbar, um die Tat eingrenzen, die Berechnung der Überzahlung nachvollziehen und den Schuldumfang bestimmen zu können.

cc) Schließlich fehlt es an jeglicher Darlegung des Landgerichtes, auf welcher tatsächlichen Grundlage und welchem Berechnungsweg es zu der Bewertung eines unberechtigten Bezuges gelangt ist.

Ein unberechtigter Leistungsbezug kann nur dann vorliegen, wenn in den maßgeblichen Leistungszeiträumen das nach den einschlägigen Vorschriften des SGB II ermittelte, eventuell um Freibeträge gekürzte Eigeneinkommen über dem nach denselben Vorschriften errechnete, die individuellen Lebensverhältnisse des Leistungsempfängers berücksichtigenden Bedarf liegt (vgl. §§ 7 ff., 20 ff. SGB II). Dies gilt auch für den Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II). Dem Berufungsurteil ist aber nicht zu entnehmen, wie hoch der jeweilige monatliche Bedarf des Angeklagten oder seiner Familie als Bedarfsgemeinschaft im Tatzeitraum gewesen ist, ob ihm Freibeträge zustanden, die von seinem Eigeneinkommen abzuziehen sind (vgl. §§ 11 ff. SGB II), und in welcher Höhe hiernach ein Leistungsanspruch bestand. Die Revision weist im Übrigen zutreffend darauf hin, dass selbst bei Annahme eines verschwiegenen Zusatzverdienstes in Höhe von monatlich 500 € nach den einschlägigen Sozialvorschriften nicht feststeht, ob dieser auf die festgestellten Leistungen anzurechnen gewesen wäre. Denn nach § 19 Abs. 3 Satz 2 SGB II deckt zu berücksichtigendes Einkommen zunächst den Regel- und Mehrbedarf nach §§ 20, 21 und 23 SGB II, und erst nachrangig den Bedarf für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II. Hiernach kommt in Betracht, dass die Angabe eines von dem Zeugen …[C] möglicherweise erzielten Einkommens durch Zahlungen des Angeklagten für Renovierungsleistungen an der Übernahme der Unterkunftskosten seitens der …[A] nichts geändert hätte. Eine auf die fehlende Angabe zurückgehende Überzahlung des Regel- und Mehrbedarfs ist nicht festgestellt und von der zugelassenen Anklage auch nicht erfasst (vgl. Bl. 117 f. d.A.).

c) Der aufgezeigte Darstellungsmangel berührt bereits den Schuldspruch, da über den strafzumessungsrelevanten Schuldumfang hinaus der unberechtigte Empfang von Leistungen als solcher nicht hinreichend dargetan ist. Die Sache bedarf daher insgesamt erneuter Aufklärung und Bewertung, sofern die neu berufene Strafkammer nicht von der Möglichkeit des § 154 Abs. 2 StPO Gebrauch macht.

III.

Für den Fall erneuter Verhandlung zu dem Fall II. 2. der Urteilsgründe zugrunde liegenden Tatvorwurf weist der Senat mit Blick auf die weiteren Beanstandungen der Revision auf folgendes hin: Die Nichtangabe von Zusatzeinkünften gegenüber der …[A] würde sich – so sie erneut erweislich und ein konkreter Schaden feststellbar sein sollte – seitens des Zeugen …[C] als Betrug durch Unterlassen darstellen. Dass den Angeklagten anders als den Zeugen …[C] keine Mitteilungspflichten nach § 60 SGB I treffen und auch eine Garantenstellung aus Ingerenz fraglich erscheint (vgl. OLG Stuttgart NJW 1987, 1767; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 13 Rdn. 52), stünde seiner Strafbarkeit nicht entgegen. Denn der Angeklagte hätte sich abhängig vom Gewicht seines Tatbeitrags und -interesses durch den Abschluss der Zusatzvereinbarung und Entgegennahme der Leistungen einer Begehungsmittäterschaft oder – näherliegend – einer Beihilfe am Unterlassungsdelikt des Zeugen …[C] schuldig gemacht (vgl. Freund, in: Münchener Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 13 Rdn. 260; Weigend, in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 13 Rdn. 83 ff.; Fischer a.a.O. Rdn. 97).

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