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Gefährliche Körperverletzung unter Drogeneinfluss

AG Recklinghausen – Az.: 31 Ls-30 Js 171/18-136/18 – Urteil vom 14.03.2019

Der Angeklagte ist einer gefährlichen Körperverletzung schuldig.

Vergehen gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 5, 21, 24 Abs. 1, 64 StGB.

Gegen ihn wird eine Jugendstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten verhängt.

Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt wird angeordnet.

Von Kostenerhebung wird abgesehen. Seine notwendigen Auslagen trägt der Angeklagte selbst, ferner werden ihm die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin auferlegt.

Gründe

I.

Zur Person:

Der Angeklagte wurde am   .05.1998 als älterer Sohn der Eheleute S. T. und K. H. geboren. Er hat noch einen jüngeren Bruder. Sein Vater war von Beruf Bauingenieur und bei einer Berufsgenossenschaft beschäftigt, seine Mutter ist gelernte Diätassistentin und arbeitet im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung als Betreuungsassistentin in der Altenpflege.

Das Leben der Familie verlief bis Ende des Jahres 2011 ohne besondere Vorkommnisse. Dies änderte sich, als am 04.12.2011 der Vater des Angeklagten die Wohnung verließ und seitdem als vermisst galt. Vorausgegangen war diesem Ereignis, dass die Zeugin H. ihrem Ehemann gegenüber ein Verhältnis mit ihrem Yoga-Lehrer einräumte. Daraufhin hatte der Ehemann noch in der Nacht die eheliche Wohnung unter Mitnahme einer Selbstladepistole, über die er als Sportschütze verfügte, sowie einer Flasche hochprozentigen Alkohols verlassen und blieb in der Folge verschollen. Es bestanden erhebliche Anhaltspunkte, dass er Selbstmord begangen hatte. Mit Beschluss vom 18.04.2018 erklärte das Amtsgericht Recklinghausen den Vater des Angeklagten auf Antrag seiner Mutter für tot und stellte als Zeitpunkt des Todes den 04.12.2011 fest. Am 14.10.2018 wurde die Leiche des Vaters des Angeklagten in dem Waldgebiet Haard entdeckt, wobei Umstände der Auffindung darauf schließen ließen, dass ein Suizid durch Erschießen vorlag.

Der Angeklagte besuchte zunächst die Grundschule in Recklinghausen und wechselte sodann zum Gymnasium. Trotz des frühen Verlustes seines Vaters im Dezember 2011 absolvierte er die Schule erfolgreich und legte im Jahr 2016 die Abiturprüfung mit einem Notendurchschnitt von 1,9 ab. Zum Wintersemester 2016 schrieb er sich im Studienfach Jura an der Universität Bochum ein. Er wohnte weiterhin zuhause.

Nach 2 Semestern brach er dieses Studium ab, da dem Angeklagten der Lernaufwand zu hoch war und er wenig Kontakt zu Mitstudierenden bekam. Zum Sommersemester 2017 begann der Angeklagte sodann ein Lehramtsstudium für die Fächer Germanistik und Evangelische Theologie. Nachdem er zunächst gewillt war, das Studium erfolgreich zu bewältigen, nahm seine Motivation schnell ab. Er fand aufgrund seines introvertierten Verhaltens und seiner schüchternen Art kaum Kontakt zu Kommilitonen. Er wohnte weiter in Recklinghausen im Haushalt der Mutter. Über die reinen Lehrveranstaltungen hinaus nahm er nicht am studentischen Leben teil, dies auch, weil es ihm sehr schwer fiel, mit anderen Menschen neu in Kontakt zu kommen. Hinzu kam, dass er sich zunehmend auf seine Beschäftigung mit dem Computer zurückzog und die Nächte mit Spielen und Anschauen von Filmen vor dem Monitor verbrachte, und zwar mit einer Intensität, dass es bei ihm zuletzt unter Vernachlässigung des Studiums zu einer Umkehrung des Tag- und Nachtrhythmusses kam. Die Nächte verbrachte er vor dem Computer, erst am Morgen ins Bett und schlief bis weit in den Nacht hinein.

Kurz nach Beginn des Studiums im Jahre 2016 begann der Angeklagte darüber hinaus das angstlösende Medikament Benzodiazepine zu konsumieren. Er hoffte, dass es ihm dadurch leichter fallen würde, neue Kontakte, insbesondere zu Frauen, zu finden. Im Verlaufe der Zeit erhöhte er die Dosis des Medikamentes und nahm noch weitere Betäubungsmittel (wie Amphetamine und Ecstasy) zu sich. Im Verlaufe des Jahres 2018 intensivierte sich sein Konsum von Medikamenten derartig, dass er teilweise nicht mehr in der Lage war, Auto zu fahren. Er nahm regelmäßig am Abend Amphetamine, um die Nacht durchmachen zu können. Am Morgen schlief er dann mit Unterstützung von Benzodiazepine ein und blieb regelmäßig bis nachmittags im Bett liegen. Die illegalen Betäubungsmittel und verschreibungspflichtigen Medikamente verschaffte er sich durch Verschreibung bei gelegentlichen Arztbesuchen – aber im Wesentlichen über das Darknet.

Wegen der Vernachlässigung seines Studiums und des offensichtlichen Drogenkonsums kam es in der jüngeren Vergangenheit immer wieder zu Auseinandersetzungen mit seiner Mutter, der geschädigten Zeugin H.. Als die Vorwürfe seiner Mutter ihm gegenüber immer stärker wurden, zog er zwischenzeitlich für 2 Nächte in ein Hotel. Die zunächst lediglich verbalen Streitigkeiten gipfelten sodann in dem hier abzuurteilenden Vorfall.

Am 13.08.2018 erließ das Amtsgericht Recklinghausen, Aktenzeichen: 31 Gs 28/18, gegen den Angeklagten einen Haftbefehl, der am 01.02.2019 abgeändert und gleichzeitig außer Vollzug gesetzt wurde.

Strafrechtlich ist der Angeklagte vor dem hier anhängigen Verfahren noch nicht in Erscheinung getreten.

II.

Zur Sache:

In der Zeit vom 09. bis zum 12.08.2018, dem Tattag, hielt sich die Mutter des Angeklagten, die Zeugin H., bei ihrem Freund in dessen Wohnung auf.

Die Abwesenheit seiner Mutter nutzte der Angeklagte, um extensiv Amphetamin und Benzodiazepine zu konsumieren und die Nächte vor dem Computer zu verbringen. Als die Zeugin H. am Sonntag, dem 12.08.2018, in die gemeinsame Wohnung im Obergeschoss des 2-Parteien-Hauses -straße in Recklinghausen zurückkehrte, fand sie den Angeklagten gegen 16:30 Uhr noch in seinem Bett liegend vor. Daraufhin warf sie den Angeklagten wütend aus dem Bett. Bei einer Nachschau in seinem Zimmer fand sie, wie schon einige Male zuvor, in einer Schublade Betäubungsmittel des Angeklagten. Nach dem Drogenfund, der die Zeugin H. zusätzlich erregt hatte, führte sie gegen 17:00 Uhr ein Telefonat mit ihrem Schwiegervater, dem Zeugen H. T.. Darin beklagte sie unter anderem den Drogen- und Tablettenmissbrauch ihres Sohnes. Darüber hinaus teilte sie ihrem Schwiegervater auch die Befürchtung mit, dass der Angeklagte ihr gegenüber einmal gewalttätig werden könne.

Im weiteren Verlauf des Abends eskalierte die Situation zwischen Mutter und Sohn dann soweit, dass der Angeklagte gegen 20:00 Uhr im Wohnzimmer mit einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 9,5 cm, das er eigens zu diesem Zwecke aus der Küche geholt hatte, vielfach auf seine Mutter einstach. Dabei erlitt die Zeugin H. Stichverletzungen im Bereich des Gesichtes, des Rumpfes und der rechten und linken oberen Extremitäten.

Unter anderem ein mit großer Wucht gesetzter Stich durchsetzte den knorpeligen Anteil der 4. Rippe und eröffnete die rechte Brustkorbhöhle unter Verletzung des Herzbeutels und des rechten Herzvorhofes. Darüber führt einer von insgesamt 3 Stichen in den Ober- und Mittelbauch, jeweils unter Eröffnung der Bauchhöhle zu einem Anstich der Leber.

Trotz der lebensbedrohlichen Verletzungen gelang der Zeugin H. die Flucht aus der Wohnung auf die Straße, wo sie auf die Zeugen K. X. und U. Große I. traf, die gemeinsam zu Fuß auf dem Weg nach Hause waren. Nur kurze Zeit später trafen auch die Zeuginnen A. und U. M., die beide in der Parterrewohnung des Hauses -straße wohnen, mit dem Auto ein. Die blutüberströmte Geschädigte selber war, nachdem sie das Haus durch die Haustür verlassen hatte, nach nur wenigen Schritten zwischen zwei vor dem Haus geparkten Autos zusammengebrochen. Der Zeuge Große I. begann mit Erste-Hilfe-Maßnahmen, hielt die Hand der Geschädigten und sprach mit ihr, um sie bei Bewusstsein zu halten. Auf die Frage des Zeugen Große I., was denn passiert sei, antwortete die Geschädigte, dass ihr Sohn sie umbringen wolle und mehrfach auf sie eingestochen habe.

Die Zeuginnen X. und U. M. setzten unabhängig voneinander um 20:00:24 Uhr bzw. 20:00:41 Uhr einen Notruf an der Leitstelle der Feuerwehr ab.

Der Angeklagte selbst rief um 20:02.03 Uhr aus der Wohnung heraus den Notruf der Polizei an und teilte dort mit, dass er soeben seine Mutter mit mehreren Messerstichen schwer verletzt oder getötet habe. Dabei nannte er auch seinen Namen sowie die Anschrift -straße, Recklinghausen. Hinsichtlich der Entsendung einer Rettungswagens sagte er wörtlich „Schnell, schnell“. In der Folgezeit trafen Einsatzkräfte der Polizei sowie der Notarzt ein.

Die Geschädigte wurde nach Erstversorgung durch diesen Notarzt vor Ort mittels Rettungstransportwagens dem Knappschafts-Krankenhaus Recklinghausen zugeführt. Dort konnte die akute Lebensgefahr durch eine Notoperation und weitere intensivmedizinische Maßnahmen abgewendet werden. In der Folge verblieb sie bis zum 24.09.2018 in der stationären Behandlung des Krankenhauses.

Der Angeklagte ließ sich widerstandslos vor der Haustür des Hauses -straße festnehmen. In der Wohnung konnte das Tatmesser im Wohnzimmer auf dem Boden liegend aufgefunden werden.

Die Zeugin H. wurde am 13.08.2018 in dem Knappschafts-Krankenhaus Recklinghausen von dem Arzt für Rechtsmedizin Dr. G. untersucht. Dieser stellte fest, dass der von dem Angeklagten gesetzte Stich in die Brust der Zeugin H. als akut lebensbedrohlicher Angriff zu werten ist. Ohne das schnelle Eingreifen der beteiligten Ärzte hätte die Zeugin die durch den Angriff erlittenen Verletzungen nicht überlebt. Auch die 3 Stiche in den Bauch der Zeugin mit Eröffnung der Bauchhöhle sind als akut lebensbedrohliche Angriffe anzusehen.

Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus litt die Zeugin H. noch an erheblichen Beeinträchtigungen, die bis heute andauern. Aufgrund der Herz-Lungen-Verletzung ist sie kurzatmig. Wegen der erlittenen Gesichtsverletzungen musste sie sich 6 Wochen in eine logopädische Behandlung begeben, da ihr Sprechvermögen gelitten hatte. Bis heute leidet sich an einem Taubheitsgefühl in der Hand.

Aufgrund der Bauchverletzung und der in der Folgezeit erfolgten Hauttransplantation sind erhebliche Narben entstanden. Es handelt sich um sogenannte Keloid-Narben, die zurzeit extrem verunstaltend sind. Ob durch zukünftige weitere Operationen, wie z. B. Hauttransplantationen, eine wesentliche Besserung dieses Erscheinungsbildes erreicht werden kann, war nicht abschließend feststellbar.

Durch den Verlust der Muskulatur an der Bauchdecke leidet die Zeugin H. an einem sogenannten „Platzbauch“ mit erheblichen Nebenfolgen – wie z. B. Verdauungsproblemen. Zurzeit trägt sie dauerhaft ein Korsett.

Der Angeklagte wurde am 25.09., 15.10. und 12.11.2018 von dem gerichtlich eingesetzten Sachverständigen Dr. X. psychiatrisch begutachtet.

Danach leidet der Angeklagte an einer Persönlichkeitsakzentuierung vom abhängig-asthenischen Typ, einer sozialen Phobie, einer psychischen- und Verhaltensstörung durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen und damit an einem Abhängigkeitssyndrom. Durch die vermehrte Einnahme von Betäubungsmitteln zum Tatzeitpunkt im Zusammenwirken mit den oben dargestellten Erkrankungen lag bei dem Angeklagten zum Tatzeitpunkt eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung vor.

Bei dem Angeklagten kam es zum Tatzeitpunkt zu einer eruptiven Entladung von lange zurückgehaltenen Affekten. Bei nichtbeeinträchtigter grundsätzlicher Einsichtsfähigkeit war seine Steuerungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt in erheblicher Weise eingeschränkt.

Diese Feststellungen beruhen auf der vollumfänglichen geständigen Einlassung des Angeklagten, den glaubhaften Aussagen der Nebenklägerin und des Zeugen U. Große I. sowie den Ausführungen des Sachverständigen Dr. G. aus seinem Gutachten vom 11. September 2018, welches im Hauptverhandlungstermin vom 11.02.2019 auszugsweise verlesen wurde sowie seinem mündlichen Gutachten, welches er im Termin vom 14.03.2019 erstattete, ferner auf dem forensisch-toxologischen Gutachtens des Universitätsklinikums Essen vom 22. November 2018, erstattet von Dr. L., welches im Hauptverhandlungstermin vom 11.02.2019 auszugsweise verlesen wurde und letztlich auf dem Gutachten des Sachverständigen Dr. X, welches dieser am 13.11.2018 schriftlich erstattete und im Hauptverhandlungstermin vom 26.02.2019 mündlich darlegte.

III.

Der Angeklagte hat sich damit einer gefährlichen Körperverletzung gemäß §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB schuldig gemacht.

Zwar ist davon auszugehen, dass er bei Setzung der Messerstiche den Tod der geschädigten Zeugin H. zunächst zumindest billigend in Kauf genommen hat. Unmittelbar nach der Tat hat er jedoch einen Notruf an die Leitstelle des Polizeipräsidiums Bochum abgesetzt und sich damit freiwillig und ernsthaft um die Rettung der geschädigten Zeugen bemüht. Er ist danach gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB hinsichtlich eines versuchten Tötungsdelikts strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten, sodass es bei einer Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung verbleibt.

Bei der Tat verwendete der Angeklagte ein gefährliches Werkzeug in Form des Messers; einige der der Zeugin H. versetzten Stiche sind nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. G. als eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu qualifizieren.

Dass die Tathandlung als eine schwere Körperverletzung im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB zu werten ist, konnte aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Dr. G. nicht mit dem für eine Verurteilung hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.

Aufgrund der festgestellten psychischen Besonderheiten bei dem Angeklagten in Verbindung mit dem erfolgten Drogenkonsum handelte er im Zeitpunkt der Tat im Zustand erheblicher verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB.

IV.

Strafzumessung:

Zum Zeitpunkt der Tat war der Angeklagte 20 Jahre und ca. 2 Monate alt und damit Heranwachsender im Sinne von § 1 Abs. 2 JGG.

Zwar ist sein Lebensweg – insbesondere seine Schullaufbahn – zunächst recht gradlinig verlaufen. Mit Aufnahme seines Studiums hat er jedoch keine eigene unabhängige Lebensstellung erlangt, sondern ist im Haushalt seiner Mutter verblieben. Seine Verhaltensweisen zeigen eine allgemeine Unreife und eine in vielen Lebensbereichen bestehende Unselbständigkeit. Sein Studium hat er nicht ernsthaft betrieben, sondern er ist zunehmende dem Drogenkonsum verfallen. Seine individuelle Reifungsentwicklung ist als noch nicht abgeschlossen anzusehen. Vielmehr handelt es sich bei ihm um einen noch prägbaren Menschen, bei dem noch im größeren Umfang Entwicklungskräfte wirksam sind.

Diese Einschätzung ergibt sich aufgrund der eigenen Feststellungen des Gerichts unter Berücksichtigung des Lebenslaufes des Angeklagten sowie auch aus der Einschätzung des Mitarbeiters der Jugendgerichtshilfe Herrn L. in seinem Bericht vom 20.02.2019 sowie dem Gutachten des Sachverständigen Dr. X. vom 13.11.2018.

Die zu Lasten des Angeklagten festgestellte Tat ist somit gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG nach dem Jugendstrafrecht zu ahnden.

Im Rahmen des danach zur Anwendung kommenden Jugendstrafrechts kommt gemäß § 17 Abs. 2 JGG für den Angeklagten nur die Verhängung einer Jugendstrafe in Betracht.

Im Hinblick auf die Schwere der Schuld des Angeklagten ist die Verhängung einer Jugendstrafe geboten. Bei der Bestimmung der Schwere der Schuld hat auch die Schwere des Unrechts bzw. des Schadens eine nicht unerhebliche Bedeutung. Diesbezüglich ist nicht außer Acht zu lassen, dass der Angeklagte in erheblicher Wut mehrfach auf die Zeugin H. eingestochen hat und diese ganz erhebliche Verletzungen erlitt, unter deren Folgen sie heute noch gravierend leidet.

Die Dauer der zu verhängenden Jugendstrafe war entsprechend § 18 JGG zu bemessen. Zugunsten des Angeklagten war sein frühzeitiges und umfassendes Geständnis zu berücksichtigen, welches von Einsicht und Reue getragen war. Er hat sich sowohl vorab schriftlich als auch im Hauptverhandlungstermin mündlich bei seiner Mutter entschuldigt. Darüber hinaus hat er während der erlittenen Untersuchungshaft bereits in erheblichem Maße über die Tat reflektiert und unter psychologischer Betreuung mit einer Aufarbeitung begonnen.

Ferner ist strafmildernd im erheblichen Maße zu berücksichtigen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt, wie von dem Sachverständigen Dr. X. festgestellt, in erheblicher Weise eingeschränkt war.

Gegen den Angeklagten spricht das sehr brutale Vorgehen gegenüber der geschädigten Zeugin und insbesondere die erheblichen schwerwiegenden Folgen der Tat für seine Mutter, die voraussichtlich ein Leben lang unter diesen Folgen leiden wird.

Bei Gesamtabwägung aller für die Strafzumessung maßgeblichen Umstände hat das Gericht eine Jugendstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten für tat- und schuldangemessen, aber auch zur erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten unerlässlich erachtet.

V.

Das Gericht hat neben der Jugendstrafe auch die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB in Verbindung mit § 7 Abs. 1 JGG angeordnet.

Nach den nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Dr. X., denen sich das Gericht anschließt, liegt bei dem Angeklagten eine psychische und Verhaltensstörung durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen vor. Nach den Ausführungen des Sachverständigen weist der Angeklagte einen Hang auf, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Die Anlasstat steht auch in einem engen symptomatischen Zusammenhang mit diesem Hang. Der Sachverständige hat dargelegt, dass, würde keine Therapie stattfinden, die große Gefahr eines Suchtmittelrückfalls und damit auch eine sehr wahrscheinliche Gefahr erneuter erheblicher Straftaten bestünde. Die Therapie ist aussichtsreich, da der Angeklagte sich spontan motiviert zeigt, krankheitseinsichtig ist und auch selbstkritisch in der Lage ist zu reflektieren, dass er ohne fremde Hilfe sich seiner Sucht nicht entledigen kann. Der Sachverständige hat angegeben, dass hinreichende Aussicht besteht, dass der Angeklagte durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt geheilt wird. Da er noch keine sehr lange Suchtgeschichte hat, kann man davon ausgehen, dass die Suchterkrankung noch nicht chronifiziert ist.

Die Dauer der Behandlung schätzt der Sachverständige auf 1 1/2 bis 2 Jahre.

Nach alledem liegen die Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vor. Insbesondere sind auch die von dem Angeklagten zu erwartenden Taten als erheblich im Sinne von § 64 StGB anzusehen.

Trotz der nunmehr festgestellten Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus war auch unter Berücksichtigung des § 5 Abs. 3 JGG nicht von der Verhängung der oben angegebenen Jugendstrafe abzusehen.

Vorliegend ist nach Auffassung des Gerichtes trotz der angeordneten Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt die darüber hinausgehende Ahndung durch eine Jugendstrafe nicht entbehrlich. Insbesondere die aus dem Gewicht der Tat und der Persönlichkeit begründeten Beziehung des Angeklagten zu der Tat herzuleitende Schwere der Schuld lässt hier die Verhängung einer Jugendstrafe erforderlich erscheinen.

Gemäß § 67 Abs. 1 StGB ist die Maßregel vor der Jugendstrafe zu vollziehen. Anlass, von diesem Grundsatz abzuweichen, besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 67 Abs. 2 StGB für einen Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe über die bereits verbüßte Untersuchungshaft hinaus, sind nicht erfüllt, da keine Freiheitsstrafe über 3 Jahre verhängt wurde.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 StPO, § 74 JGG.

Das Gericht hat davon abgesehen, dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Seine notwendigen Auslagen sowie die Auslagen der Nebenklägerin hat der Angeklagte jedoch zu tragen.

 

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