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Falsche uneidlicher Aussage – Verwertung von Telefonüberwachung

AG Nürnberg, Az.: 53 Cs 372 Js 16020/15, Urteil vom 11.10.2016

1. Der Angeklagte wird wegen falscher uneidlicher Aussage zu einer Geldstrafe von 160 Tagessätzen zu je 10,00 Euro verurteilt.

2. Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Angewendete Vorschriften: § 153 StGB

Gründe

I.

1.

Der Angeklagte ist rumänischer Staatsangehöriger, verlobt und als Kraftfahrer tätig. Aus seiner Tätigkeit als Lkw-Fahrer verdient der Angeklagte nach seinen Angaben höchstens 300,00 Euro in Rumänien. Ansonsten erhalte der Angeklagte keinerlei Leistungen. Der Angeklagte lebt in Rumänien im elterlichen Haushalt. Dort zahle er alles, was er konsumiert. Die Verlobte des Angeklagten, die Zeugin A., wohne bei dem Angeklagten in Rumänien.

Der Angeklagte hat keine Krankheiten und keinerlei Alkohol- oder Drogenproblem. Auch hat der Angeklagte keine Schulden.

Der Angeklagte ist bisher nicht vorbestraft.

2.

In seiner Vernehmung am 30.06.2015 als Zeuge vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth im Sitzungssaal 128 des Landgerichts Nürnberg-Fürth, Fürther Straße 110 in Nürnberg, im Verfahren 16 KLs 372 Js 23682/14 gab der Angeklagte bewusst wahrheitswidrig an, es könne sich nicht sein, dass er in Telefonaten mit der Zeugin A. gesagt hat, dass er aus Rumänien „eine Frau mitbringen“ wolle, obwohl er tatsächlich eine solche Aussage gegenüber seiner Lebensgefährtin, der Zeugin A., in mehreren Telefonaten im Dezember 2014 getätigt hatte.

Der Angeklagte blieb in vorgenannter Sitzung unbeeidigt.

II.

1.

Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf den eigenen Angaben des Angeklagten sowie dem im allseitigen Einvernehmen verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 22.08.2016.

2.

Die Feststellungen zur Sache beruhen auf der durchgeführten Hauptverhandlung:

a)

Der Angeklagte bestreitet den Tatvorwurf.

Falsche uneidlicher Aussage – Verwertung von Telefonüberwachung
Symbolfoto: Yastremska/Bigstock

Er gibt an, dass er sich an den genauen Inhalt der Aussage im Rahmen seiner Vernehmung am 30.06.2015 vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth nicht erinnern könne. Er schildert, dass seine Vernehmung am Tattag von der Früh bis zum Abend gedauert habe. Dazwischen habe es lediglich eine Mittagspause von ca. einer halben Stunde bis 45 Minuten gegeben. Auf nähere Nachfrage gibt der Angeklagte an, dass er und die Zeugin A. an dem besagten Verhandlungstag abwechselnd als Zeugen vernommen wurden. Seine eigene Einvernahme habe mehrere Stunden gedauert. Er sei deshalb sehr müde gewesen. Wiederholt habe der Angeklagte der damaligen Dolmetscherin mitgeteilt, dass er der Vernehmung nicht folgen könne. Allerdings habe der Angeklagte das Gefühl gehabt, dass die damalige Dolmetscherin diesen Teil nicht übersetzt und auch sonst nicht alles übersetzt hat.

Auf die Frage, ob es zwischen ihm und der Zeugin A. im Dezember 2014 Telefongespräche gegeben habe, im Zuge derer der Angeklagte angekündigt habe, eine Frau aus Rumänien nach Deutschland mitbringen zu wollen, welche sodann hier der Prostitution nachgehe, gibt der Angeklagte an, dass er mit der Zeugin A. solche Gespräche nicht geführt habe. Derartige Telefonate habe es nicht gegeben. Der Angeklagte habe niemals mit der Zeugin A. besprochen, dass er eine oder mehrere Frauen mit nach Deutschland bringe.

Die Zeugin A., welche mittlerweile mit dem Angeklagten verlobt ist, machte nach Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht keinerlei Angaben zur Sache.

b)

Der Angeklagte wird jedoch überführt durch die Angaben der Zeugen […]

c)

[…]

d)

Auch können die Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung des Verfahrens 372 Js 23682/14 im hiesigen Verfahren verwertet werden:

Denn die Tonbandaufzeichnung ist ein zulässiges Beweismittel, das seinerseits in dem vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth gegen die dortigen Angeklagten geführten Strafverfahren sowohl diesen wie auch dem jetzigen Angeklagten in seiner damaligen Rolle als Zeuge damals vorgehalten werden durfte. Die Aussage, die der jetzige Angeklagte damals auf diesen zulässigen Vorhalt hin machte, ist infolgedessen ebenfalls rechtmäßig zustandegekommen (vgl. dazu auch BGHSt 30, 317, 319; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03.01.1994, NStZ 1994, 201f).

Dass dieses damals rechtmäßig gewonnene und im damaligen Verfahren rechtmäßig verwertete Beweismittel nunmehr zum Nachweis der Straftat des jetzigen Angeklagten (falsche uneidliche Aussage) verwertet werden kann, berührt nicht unmittelbar die Frage der Verwertbarkeit sogenannter „Zufallserkenntnisse“ gegen Dritte, gegen die sich die Anordnung der Telefonüberwachung nicht gerichtet hatte.

Nicht das Verhalten des jetzigen Angeklagten in den Telefongesprächen vom Jahresende 2014 – insbesondere eine strafrechtliche Würdigung des Inhaltes der damaligen Äußerungen des jetzigen Angeklagten – steht hier in Rede.

Vielmehr ist das Aussageverhalten des jetzigen Angeklagten als Zeuge in der Hauptverhandlung vom 30.06.2015 unter strafrechtlichen Gesichtspunkten zu bewerten.

Hierbei darf sich das Gericht der rechtmäßig gewonnenen Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung bedienen. Der Schutzzweck des § 100a StPO ist daher im vorliegenden Fall nicht berührt (vgl. KK-Nack StPO 3. Aufl. § 100a Rdnr. 18; vgl. auch Meyer-Goßner a.a.O. § 100a Rdnr. 19 ÄS. 358Ü; KMR/Müller StPO 8. Aufl. § 100a Rdnr. 15; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03.01.1994, aaO).“

Hieran hat die im Jahr 2007 eingeführt Regelung des § 477 Abs. 2 S. 2 StPO nichts geändert:

Das ergibt sich zum einen daraus, dass § 477 Abs. 2 StPO Regelungen für die weitere Verwendung der durch Maßnahmen nach § 100a StPO gewonnenen Erkenntnisse trifft – dessen Schutzzweck eben gerade nicht berührt wird.

Zum anderen hat auch der Gesetzgeber eine Änderung der bis dahin gültigen Rechtsprechung nicht beabsichtigt: So wird in den entsprechenden Gesetzgebungsmaterialien explizit davon ausgegangen, dass die Überwachungsergebnisse in dem Verfahren gegen den Beschuldigten und alle Tatbeteiligten – auch bei Begünstigung, Hehlerei und Strafvereitelung – verwertet werden können und damit auch bei Taten Dritter Personen, die nicht im Katalog des § 100a StPO enthalten sind: „In rechtmäßiger Weise erlangte Erkenntnisse sind im Ausgangsverfahren – sowohl als Spurenansatz als auch zu Beweiszwecken – sowohl hinsichtlich anderer Begehungsformen der zunächst angenommenen Katalogtat als auch hinsichtlich sonstiger Straftatbestände und anderer Tatbeteiligten insoweit verwertbar, als es sich noch um dieselbe Tat im prozessualen Sinn handelt“ (BT-Drs. 16/5846, S. 66; vgl. hierzu auch BGH NJW 2009, 791).“ Dies muss vom Gesetzgeber erst recht für Fällen wie dem vorliegenden gewollt sein, bei denen der Schutzbereich des § 100a StO nicht berührt ist (vgl. zur Fortgeltung der Rechtsprechung zur Verwertbarkeit von TKÜ-Erkenntnissen vor Einführung des § 477 Abs. 2 StPO in einer anderen Konstellation: OLG Hamm, wistra 14, 39).

e)

Vor dem Hintergrund, dass der jetzige Angeklagte im Dezember 2014 mithin in mehreren Telefonaten mit der Zeugin darüber gesprochen hatte, eine Frau aus Rumänien mitbringen zu wollen, ist das Gericht davon überzeugt, dass der Angeklagten im Rahmen seiner Aussage als Zeuge vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth noch wusste, dass es diese Gespräche zwischen ihm und der Zeugin A. gab, so dass er bewusst und gewollt die Unwahrheit gesagt hat.

III.

Der Angeklagte hat sich daher wie im Tenor bezeichnet schuldig gemacht.

IV.

Für Art und Umfang der Strafe gilt Folgendes:

Der Straftatbestand der uneidlichen Falschaussage sieht im § 153 StGB einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren vor.

Innerhalb des vorgenannten Strafrahmens spricht zu Gunsten des Angeklagten dass dieser im Bundesgebiet nicht vorbestraft ist.

Ferner ist strafmildernd zu berücksichtigen, dass der gegenständlichen Aussage des Angeklagten keine Relevanz in dem dortigen Verfahren zukommt und es vielmehr um eine Randgeschehen ging, welches für die damalige Entscheidungsfindung des Landgerichts Nürnberg-Fürth keine nennenswerte Bedeutung hatte.

Zu Lasten des Angeklagten ist zu berücksichtigen, dass der Angeklagte im Rahmen der gegenständlichen Aussage vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth trotz mehrfacher nachdrücklicher Vorhalte aus den Protokollen der überwachten Telefongespräche mehrfach unwahr bestritten hat, dass er die gegenständlichen Äußerungen gegenüber der Zeugin A. getätigt hat.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände erscheint die Verhängung einer Freiheitsstrafe noch nicht unerlässlich, um hinreichenden Eindruck beim Angeklagten zu hinterlassen. Denn insbesondere ist der Angeklagte in Deutschland noch nicht vorbestraft, sodass auch von der Verhängung einer hohen Geldstrafe hinreichende Wirkung zu erwarten ist.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände erscheint die Bildung einer Geldstrafe in Höhe von 160 Tagessätzen zu je 10,00 Euro als tat- und schuldangemessen.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 464, 465 stopp

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