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Einspruch auf Rechtsfolgen beschränken: Scheitern der Revision bei Verfahrensfehlern

Nach einer Verurteilung wegen Nötigung durch Straßenblockaden wollte eine Klimaaktivistin ihren Einspruch auf Rechtsfolgen beschränken, um den Schuldspruch zu akzeptieren. Monate später versuchte sie, diese bindende Entscheidung rückgängig zu machen und Verfahrensfehler zu rügen – ein Unterfangen mit unerwarteten Konsequenzen.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 ORs 20/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Kammergericht Berlin
  • Datum: 23.06.2025
  • Aktenzeichen: 3 ORs 20/25 – 161 SRs 38/25
  • Verfahren: Revisionsverfahren in Strafsachen
  • Rechtsbereiche: Strafrecht, Strafprozessrecht

  • Das Problem: Eine Frau wurde wegen ihrer Teilnahme an Straßenblockaden zu einer Geldstrafe verurteilt. Sie erhob Einspruch, beschränkte diesen aber auf die Höhe der Strafe. Später focht sie das Urteil erneut an, da sie diese Beschränkung und den Prozess für fehlerhaft hielt.
  • Die Rechtsfrage: War es rechtens, dass die Frau ihren Einspruch gegen das Urteil nur auf die Höhe der Strafe beschränkte? Und führten die von ihr gerügten Prozessfehler dazu, dass das Urteil aufgehoben werden musste?
  • Die Antwort: Nein. Das Gericht wies die Anfechtung der Frau als unbegründet zurück. Die Beschränkung ihres Einspruchs auf die Strafe war wirksam, da die ursprünglichen Schuldfeststellungen klar genug waren. Die gerügten Prozessfehler hatten zudem keine Auswirkung auf das Urteil.
  • Die Bedeutung: Wenn jemand seinen Einspruch gegen einen Strafbefehl nur auf die Strafe beschränkt, wird die Schuld rechtskräftig. Prozessfehler müssen sehr genau beschrieben werden, um ein Urteil aufzuheben. Ein Urteil bleibt bestehen, auch wenn ein kleiner Fehler vorlag, wenn dieser die Strafe nicht beeinflusst hätte.

Der Fall vor Gericht


Warum wurde ein taktischer Rückzug zur juristischen Sackgasse?

Eine Klimaaktivistin will nur noch über die Höhe ihrer Strafe streiten, nicht mehr über ihre Schuld. Ein kluger Schachzug, um den Prozess abzukürzen – so schien es. Doch als sie später das gesamte Verfahren kippen wollte, wurde ihr genau dieser Schritt zum Verhängnis. Die Gerichte sahen eine Tür, die sie selbst zugeschlagen hatte. Der Fall landete vor dem Kammergericht Berlin und beleuchtet eine fundamentale Weichenstellung im Strafverfahren: die Beschränkung eines Einspruchs auf die Rechtsfolgen.

Was bedeutet es, einen Einspruch auf die Strafe zu beschränken?

Eine Beschuldigte bespricht mit ihrem Anwalt die Einspruchsbeschränkung auf die Strafhöhe ihres Strafbefehls wegen Verfahrensfehlern.
Durch Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen wurde die Schuldfeststellung rechtskräftig. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Die Aktivistin hatte sich 2022 an drei Straßenblockaden beteiligt. Das Amtsgericht erließ daraufhin drei Strafbefehle wegen Nötigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Ein Strafbefehl ist eine Art Urteil ohne mündliche Verhandlung. Wer damit nicht einverstanden ist, kann Einspruch einlegen.

Genau das tat die Aktivistin. In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht traf sie dann eine strategische Entscheidung. Im Beisein ihres Verteidigers und mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft erklärte sie, ihre Einsprüche nur auf die Rechtsfolgen zu beschränken. Im Klartext bedeutet das: Sie akzeptierte den Schuldspruch – die Feststellung, dass sie die Taten begangen hat. Sie wollte nur noch über die Konsequenzen, also die Höhe der Strafe, verhandeln.

Dieser Schritt hat eine massive Wirkung. Der Schuldspruch wird sofort rechtskräftig. Man spricht von Teilrechtskraft. Das Gericht kann und darf die Frage der Schuld nicht mehr aufrollen. Die Verhandlung konzentriert sich ausschließlich auf die Strafzumessung. Das Amtsgericht verurteilte die Frau zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen.

Warum war diese Beschränkung nicht mehr rückgängig zu machen?

Die Aktivistin war mit dem Ergebnis unzufrieden und ging in die nächste Instanz, die Berufung. Das Landgericht milderte die Strafe leicht auf 50 Tagessätze. Die Frau gab nicht auf und legte Revision beim Kammergericht ein – der letzten möglichen Stufe.

Ihre Verteidigung versuchte nun einen neuen Ansatz. Sie argumentierte, die ursprüngliche Beschränkung des Einspruchs sei von Anfang an unwirksam gewesen. Die Begründung: Die Feststellungen in den Strafbefehlen seien zu lückenhaft und unklar gewesen. Man habe gar nicht richtig erkennen können, ob überhaupt eine Straftat vorlag. Eine wirksame Beschränkung sei auf so einer wackeligen Grundlage unmöglich.

Das Kammergericht schob diesem Argument einen Riegel vor. Es stellte klar: Eine solche Beschränkung ist nur dann unwirksam, wenn die Fakten im Strafbefehl so wirr oder unvollständig sind, dass der Unrechtsgehalt der Tat nicht einmal in groben Zügen erkennbar ist. Das war hier nicht der Fall. Die Strafbefehle beschrieben die Taten ausreichend. Etwaige Lücken hatte das Landgericht in seiner Verhandlung ohnehin geschlossen, indem es die Sachverhalte präzisierte. Die Entscheidung der Aktivistin, die Schuldfrage aus dem Spiel zu nehmen, war wirksam. Die Tür blieb zu.

Wieso scheiterten die Vorwürfe zu den Verfahrensfehlern?

Die Verteidigung hatte noch weitere Pfeile im Köcher. Sie rügte angebliche Verfahrensfehler des Landgerichts. Das Gericht habe Zeugen nicht direkt vernommen, sondern stattdessen einfach Urkunden verlesen. Das verstoße gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 250 StPO), der eine persönliche Anhörung von Zeugen als Regelfall vorschreibt.

Auch hier biss die Verteidigung auf Granit. Das Kammergericht wies die Rüge aus rein formellen Gründen zurück. Eine Revisionsbegründung unterliegt extrem strengen Darlegungspflichten, die in § 344 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozessordnung (StPO) festgelegt sind. Die Verteidigung hätte den genauen Wortlaut der angeblich fehlerhaft verlesenen Urkunden in ihre Begründung aufnehmen müssen. Sie hätte auch detailliert darlegen müssen, warum keine der gesetzlichen Ausnahmen, die eine Verlesung erlauben, vorgelegen hat.

Das war nicht geschehen. Die Revisionsschrift war an diesem Punkt unvollständig. Das Kammergericht konnte den behaupteten Fehler auf dieser Grundlage nicht einmal überprüfen. Der Angriff lief ins Leere.

Führt jeder festgestellte Rechtsfehler zur Aufhebung eines Urteils?

Einen Punkt fand das Kammergericht dann doch, der rechtlich zu beanstanden war. Das Landgericht hatte bei der Strafzumessung die „gemeinschaftliche“ Begehung der Tat strafschärfend gewertet. Das war ein Fehler. Die gemeinschaftliche Begehung ist bereits Teil des Tatbestands der Nötigung bei einer Blockade. Ein Merkmal der Tat darf aber nicht noch einmal zur Begründung einer härteren Strafe herangezogen werden. Das verbietet das sogenannte Doppelverwertungsverbot aus § 46 Abs. 3 des Strafgesetzbuches (StGB).

Das Urteil wurde trotzdem nicht aufgehoben. Das Gesetz sieht in § 337 Abs. 1 StPO eine entscheidende Hürde vor: Ein Urteil wird nur dann gekippt, wenn es auf dem erkannten Rechtsfehler „beruht“. Die Richter des Kammergerichts stellten sich die Frage: Wäre die Strafe milder ausgefallen, wenn das Landgericht diesen einen Fehler nicht gemacht hätte?

Ihre Antwort war ein klares Nein. Das Landgericht hatte seine Strafe auch auf andere, zulässige Gründe gestützt: die Tatzeit im Berufsverkehr, die Dauer der Blockaden und deren massive Auswirkungen. Angesichts dieser Umstände und der insgesamt sehr moderaten Geldstrafe war für das Kammergericht ausgeschlossen, dass die korrekte Anwendung des Gesetzes zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Der Fehler war vorhanden, aber folgenlos. Die Revision der Aktivistin wurde als unbegründet verworfen. Sie muss die Kosten ihres Rechtsmittels tragen.

Die Urteilslogik

Gerichtliche Entscheidungen manifestieren, wie strategische Prozesshandlungen unwiderruflich wirken und welche Hürden Rechtsfehler überwinden müssen, um ein Urteil zu beeinflussen.

  • Wirksamkeit der Einspruchsbeschränkung: Beschränkt eine Person ihren Einspruch im Strafverfahren nur auf die Rechtsfolgen, akzeptiert sie damit den Schuldspruch unwiderruflich, sofern die zugrunde liegenden Tatsachen ausreichend klar beschrieben sind.
  • Präzision der Revisionsrüge: Wer ein Urteil wegen Verfahrensfehlern anfechten will, muss die Rüge mit äußerster Präzision formulieren und alle relevanten Details detailliert darlegen, um eine gerichtliche Prüfung zu ermöglichen.
  • Entscheidende Wirkung von Rechtsfehlern: Ein festgestellter Rechtsfehler hebt ein Urteil nur dann auf, wenn das Gericht annimmt, dass die Entscheidung ohne diesen Fehler anders ausgefallen wäre; ein folgenloser Fehler bleibt ohne Konsequenz für das Ergebnis.

Diese Grundsätze unterstreichen die kritische Bedeutung von Prozessstrategie, detaillierter Begründung und der tatsächlichen Kausalität von Rechtsfehlern für den Ausgang eines Verfahrens.


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Experten Kommentar

Manchmal scheint eine Abkürzung der klügste Weg zu sein. Genau das dachte wohl auch die Aktivistin, als sie ihren Einspruch nur noch auf die Strafhöhe beschränken wollte. Das Urteil zeigt aber: Wer die Schuldfrage einmal aus der Verhandlung nimmt, kann sie später nicht mehr ins Spiel bringen, selbst wenn die ursprünglichen Fakten wacklig wirken. Das ist kein kleiner Trick, sondern eine bindende Weichenstellung, die man vorab sehr genau durchdenken muss. Das Gericht macht klar: Eine solche strategische Entscheidung ist eine Einbahnstraße.


Symbolische Grafik zu FAQ - Häufig gestellte Fragen aus dem Strafrecht" mit Waage der Gerechtigkeit und Gesetzbüchern im Hintergrund

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann sollte ich einen Einspruch gegen einen Strafbefehl nicht beschränken?

Beschränken Sie Ihren Einspruch gegen einen Strafbefehl niemals ausschließlich auf die Straffolgen, wenn Sie auch nur den leisesten Zweifel an den Tatumständen oder Ihrer Schuld haben. Eine solche Beschränkung macht den Schuldspruch unwiderruflich rechtskräftig und nimmt Ihnen jede Möglichkeit, die Fakten später anzufechten. Die Entscheidung über die Schuld ist dann endgültig getroffen.

Die Regel lautet: Akzeptieren Sie die Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen, dann erklären Sie sich mit dem Schuldspruch einverstanden. Juristen nennen das Teilrechtskraft. Das bedeutet, Sie gestehen die Tat quasi ein. Das Gericht wird sich danach nur noch mit der Höhe der Strafe beschäftigen. Es prüft nicht mehr, ob Sie die vorgeworfene Tat überhaupt begangen haben. Die Sachverhalts- und Schuldfrage sind damit endgültig geschlossen. Dies ist eine extrem wichtige Weichenstellung. Eine spätere Anfechtung der Schuldfrage ist nur in den seltensten Fällen möglich, etwa wenn der Strafbefehl so lückenhaft oder unverständlich war, dass der Vorwurf einer Straftat überhaupt nicht klar erkennbar ist. Solche Fälle sind jedoch die absolute Ausnahme. Wollen Sie die Tatumstände, die Beweislage oder Ihre Schuld bestreiten, müssen Sie einen unbeschränkten Einspruch einlegen.

Denken Sie an die Situation wie bei einer Zugfahrt: Wenn Sie sich entscheiden, in einen bestimmten Waggon einzusteigen und das Ticket dafür entwerten, können Sie später nicht mehr spontan den ganzen Zug zurückfahren lassen, weil Ihnen die Landschaft nicht gefällt. Der Zug fährt weiter in die Richtung, die Sie mit dem Entwerten Ihres Tickets für den Waggon akzeptiert haben. Sie haben eine unwiderrufliche Entscheidung getroffen.

Bevor Sie überhaupt erwägen, Ihren Einspruch zu beschränken, nehmen Sie sich die Zeit. Erstellen Sie eine detaillierte Liste aller im Strafbefehl genannten Fakten. Notieren Sie daneben alle Punkte, bei denen Sie Bedenken haben oder eine abweichende Darstellung sehen. Konsultieren Sie mit dieser Liste umgehend einen erfahrenen Strafverteidiger. Nur so können Sie eine fundierte Entscheidung treffen und irreversible Fehler vermeiden.


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Welche Rolle spielt mein Verteidiger bei der Entscheidung über den Einspruch?

Ihr Verteidiger ist Ihr wichtigster strategischer Berater bei der Entscheidung über einen Einspruch. Er muss Sie umfassend über die unwiderruflichen Konsequenzen einer Beschränkung aufklären, da seine Anwesenheit und Ihr Einverständnis die Wirksamkeit und spätere Unanfechtbarkeit der Beschränkung maßgeblich stützen. Ohne diese fachkundige Begleitung können Ihnen leicht irreversible Fehler unterlaufen, deren Folgen sich später nicht mehr korrigieren lassen.

Ihr Verteidiger fungiert als Ihr strategischer Berater und muss Sie über alle weitreichenden rechtlichen Folgen einer Einspruchsbeschränkung umfassend informieren. Besonders wichtig ist hierbei das Verständnis für die sofortige Rechtskraft des Schuldspruchs. Ohne diese Aufklärung könnte eine Entscheidung fatale Folgen haben.

Mit der Anwesenheit Ihres Verteidigers und Ihrer ausdrücklichen Zustimmung zur Beschränkung untermauern Sie die Wirksamkeit dieser Entscheidung gegenüber den Gerichten. Spätere Anfechtungen werden dadurch erheblich erschwert, denn es wird dann davon ausgegangen, dass Sie vollumfänglich und fachgerecht beraten wurden. Die Kernrolle des Verteidigers ist es, alle denkbaren Optionen – unbeschränkter Einspruch, beschränkter Einspruch oder eine Rücknahme – sorgfältig abzuwägen. Er muss Sie über sämtliche Risiken und Chancen der einzelnen Varianten aufklären. So werden irreversible Fehler vermieden.

Ein passender Vergleich ist der Abschluss eines notariellen Vertrags. Sie vertrauen auf die Expertise des Notars, der Sie über alle Konsequenzen aufklärt. Ihre Unterschrift bestätigt, dass Sie alles verstanden haben und die Entscheidung selbst tragen. Genauso ist es mit dem Einspruch: Der Verteidiger erklärt, Sie entscheiden und tragen die Verantwortung für die rechtlichen Folgen.

Bevor Sie eine Entscheidung treffen, bitten Sie Ihren Verteidiger unbedingt um eine schriftliche Zusammenfassung aller denkbaren Einspruchsoptionen. Das schließt unbeschränkte oder auf Rechtsfolgen beschränkte Einsprüche sowie eine Rücknahme ein. Lassen Sie sich die direkten rechtlichen Konsequenzen jeder Variante detailliert darlegen. Diese Unterlagen können Sie dann in Ruhe prüfen, bevor Sie eine solch weitreichende Weichenstellung vornehmen.


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Gibt es Situationen, in denen eine Einspruchsbeschränkung doch widerrufen werden kann?

Eine einmal wirksam erklärte Einspruchsbeschränkung ist praktisch unwiderruflich. Nur in extrem seltenen Ausnahmefällen gilt sie als von Anfang an unwirksam, wenn die Tatumstände im Strafbefehl derart unklar sind, dass der Vorwurf einer Straftat überhaupt nicht erkennbar ist. Sie können Ihre Entscheidung also nur dann rückgängig machen, wenn der ursprüngliche Vorwurf mangels Klarheit gar nicht verstanden werden konnte.

Juristen nennen dies eine Frage der Teilrechtskraft. Haben Sie Ihren Einspruch auf die Rechtsfolgen beschränkt, haben Sie den Schuldspruch unwiderruflich akzeptiert. Der Sachverhalt und Ihre Schuldfrage sind dann für das Gericht endgültig geklärt. Eine spätere Anfechtung ist nur unter extrem seltenen Umständen möglich. Die Messlatte liegt hier sehr hoch. Nur wenn die Feststellungen im Strafbefehl so lückenhaft oder wirr sind, dass Sie den groben Unrechtsgehalt der vorgeworfenen Tat nicht einmal ansatzweise erkennen konnten, kann die Beschränkung als unwirksam gelten. Kleinere Mängel oder Ungenauigkeiten reichen dafür keinesfalls aus; diese können im weiteren Verfahren noch präzisiert werden. Gerichte wenden diesen strengen Maßstab an, zumal die Anwesenheit eines Verteidigers die Wirksamkeit der bewussten Entscheidung untermauert.

Denken Sie an ein kompliziertes Puzzle. Nur wenn Ihnen der Strafbefehl so viele Steine vorenthält oder diese so verdreht präsentiert, dass Sie das Gesamtbild der Tat überhaupt nicht erfassen können, besteht eine Chance. Ist das Bild nur leicht unscharf, bleibt Ihre Entscheidung bestehen.

Überprüfen Sie den Wortlaut Ihres Strafbefehls peinlich genau. Haben Sie den Vorwurf der Straftat tatsächlich so wenig verstanden, dass Sie nicht einmal ansatzweise wussten, was Ihnen konkret zur Last gelegt wird? Dann sprechen Sie unverzüglich mit einem erfahrenen Strafverteidiger. Jede andere Unsicherheit ist leider kein Revisionsgrund.


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Was mache ich, wenn mein Urteil trotz Rechtsfehler bestehen bleibt?

Ein Rechtsfehler in Ihrem Urteil führt nicht automatisch zu dessen Aufhebung. Sie müssen vielmehr nachweisen, dass das Urteil kausal auf diesem Fehler beruht und ohne ihn ein günstigeres Ergebnis erzielt worden wäre. Gerichte prüfen dies nach § 337 Abs. 1 StPO extrem streng. Ohne diesen Nachweis bleibt das Urteil bestehen, selbst bei einem objektiv vorhandenen Fehler.

Juristen nennen das Beruhensprinzip. Es besagt, dass ein Rechtsfehler nur dann zur Kassierung eines Urteils führt, wenn die Entscheidung des Gerichts tatsächlich auf diesem Mangel fußt. Die entscheidende Frage lautet: Hätte das Gericht dieselbe Entscheidung auch ohne den festgestellten Fehler getroffen? Stützt es seine Einschätzung oder die Strafhöhe auf weitere, eigenständige und rechtlich zulässige Begründungen, die das Urteil auch ohne den Fehler tragen, wird der Mangel als „folgenlos“ eingestuft. Dies mag frustrierend sein, ist aber eine gängige Praxis in der gerichtlichen Überprüfung.
Ihre Aufgabe im Rechtsmittelverfahren ist es daher, nicht nur den Rechtsfehler aufzuzeigen, sondern akribisch darzulegen, warum dieser Fehler für das ungünstige Ergebnis entscheidend war und wie ein milderes oder anderes Urteil ohne ihn wahrscheinlich gewesen wäre.

Denken Sie an eine Waage: Ein kleiner Stein auf der linken Seite ist zwar ein Fehler, aber wenn die rechte Seite schon mit einem großen Felsen beladen ist, ändert der kleine Stein nichts am Ungleichgewicht. Der Fehler muss das entscheidende Gewicht gehabt haben, um das Ergebnis zu beeinflussen.

Arbeiten Sie eng mit Ihrem Verteidiger zusammen. Entwickeln Sie eine präzise Argumentation, die nicht nur den Rechtsfehler benennt, sondern konkret darstellt, wie das Urteil ohne diesen Fehler substanziell anders – zum Beispiel milder – ausgefallen wäre. Analysieren und entkräften Sie dabei alle anderen Gründe, auf die sich das Gericht stützt.


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Wie kann ich die Erfolgsaussichten meiner Revision selbst realistisch einschätzen?

Um die Erfolgsaussichten Ihrer Revision realistisch einzuschätzen, müssen Sie nicht nur klare, schwerwiegende Rechtsfehler identifizieren, sondern diese auch akribisch nach den extrem strengen Darlegungspflichten der Strafprozessordnung begründen. Zudem ist es entscheidend, nachzuweisen, dass das Urteil kausal auf diesen Fehlern beruht und ohne sie ein anderes, für Sie günstigeres Ergebnis erzielt worden wäre.

Die Hürden für eine erfolgreiche Revision sind in der Tat hoch. Zunächst gibt es formelle Hürden: Ihre Revisionsbegründung muss den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO präzise genügen. Das bedeutet, selbst kleinste Mängel bei der Darlegung relevanter Urkunden oder fehlende Details zu gesetzlichen Ausnahmen können dazu führen, dass Ihr Antrag bereits aus formalen Gründen abgelehnt wird, ohne dass der Inhalt überhaupt geprüft wird.

Darüber hinaus muss ein festgestellter Rechtsfehler auch kausal für das Urteil sein. Juristen nennen das das Beruhen des Urteils auf dem Fehler, festgelegt in § 337 Abs. 1 StPO. Ist ein Fehler vorhanden, aber „folgenlos“, weil das Gericht die gleiche Entscheidung auch ohne ihn getroffen hätte, führt er nicht zur Aufhebung. Hier geht es nicht nur darum, ob ein Fehler vorliegt, sondern wie sehr dieser das Ergebnis beeinflusst hat. Ferner ist wichtig: Eine Revision ist keine dritte Tatsacheninstanz. Sachverhaltsfeststellungen des Berufungsgerichts sind in der Regel bindend und können kaum mehr angegriffen werden, es sei denn, die ursprünglichen Feststellungen im Strafbefehl waren von Anfang an völlig wirr oder lückenhaft, was selten der Fall ist.

Ein passender Vergleich ist der eines Chirurgen: Es genügt nicht, ein Problem im Körper zu finden. Der Chirurg muss auch genau wissen, wo es liegt, wie es präzise zu beschreiben ist und ob es tatsächlich die Ursache der Krankheit ist, die der Patient heilen will. Ein kleiner, unbedeutender Fleck ohne kausalen Zusammenhang zur Beschwerde wird das Behandlungsziel nicht verändern.

Gehen Sie jeden einzelnen Punkt Ihrer Revisionsbegründung mit Ihrem Verteidiger akribisch durch. Lassen Sie sich anhand der genauen Gesetzesnormen, insbesondere § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und § 337 Abs. 1 StPO, detailliert erklären, wie jeder behauptete Fehler formell korrekt dargelegt und welche Kausalität zum Urteil nachgewiesen werden muss. Das erspart Ihnen viel Zeit, Geld und unnötige Hoffnung.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Beschränkung eines Einspruchs auf die Rechtsfolgen

Wenn man einen Einspruch gegen einen Strafbefehl auf die Rechtsfolgen beschränkt, akzeptiert man den Schuldspruch und will nur noch über die Höhe der Strafe verhandeln. Dieses Vorgehen ermöglicht es, einen Prozess abzukürzen, wenn die Schuldfrage für alle Beteiligten geklärt ist. Das Gesetz schafft so Verfahrenseffizienz und Rechtssicherheit für den bereits feststehenden Sachverhalt.

Beispiel: Die Klimaaktivistin beschränkte ihren Einspruch auf die Rechtsfolgen, wodurch sie die Schuld an den Straßenblockaden akzeptierte und lediglich die Höhe ihrer Geldstrafe verhandeln wollte.

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Beruhensprinzip

Das Beruhensprinzip ist eine zentrale Vorschrift im Revisionsrecht, die besagt, dass ein Urteil nur dann aufgehoben wird, wenn es kausal auf einem Rechtsfehler beruht. Dieses Prinzip stellt sicher, dass Gerichte Urteile nicht wegen geringfügiger oder folgenloser Fehler kassieren, sondern nur dann einschreiten, wenn der Rechtsfehler tatsächlich das Ergebnis beeinflusst hat. Es dient der Verfahrensstabilität und verhindert unnötige Wiederholungen von Prozessen.

Beispiel: Obwohl das Landgericht das Doppelverwertungsverbot missachtete, hob das Kammergericht das Urteil nicht auf, da die Strafe nach dem Beruhensprinzip auch ohne diesen Fehler nicht milder ausgefallen wäre.

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Darlegungspflichten

Juristen verstehen unter Darlegungspflichten die extrem strengen Anforderungen an die Begründung eines Rechtsmittels, insbesondere einer Revision, um einen behaupteten Fehler für das Gericht nachvollziehbar zu machen. Diese Vorschriften sorgen für Klarheit und Präzision in rechtlichen Schriftsätzen und ermöglichen dem Revisionsgericht eine effiziente Überprüfung, ohne selbst aufwendige Ermittlungen anstellen zu müssen. Sie stellen sicher, dass nur tatsächlich prüffähige Rügen bearbeitet werden.

Beispiel: Die Verteidigung der Aktivistin scheiterte mit ihren Rügen zum Unmittelbarkeitsgrundsatz, weil sie die Darlegungspflichten nicht erfüllte und den Wortlaut der verlesenen Urkunden nicht präzise wiedergab.

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Doppelverwertungsverbot

Das Doppelverwertungsverbot verbietet es Gerichten, ein und dasselbe Merkmal einer Tat sowohl als Teil des Tatbestands als auch strafschärfend bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen. Diese Regelung schützt Angeklagte davor, für ein und dieselbe Handlungseigenschaft zweimal bestraft zu werden, einmal bei der Einordnung der Tat und einmal bei der Strafhöhe. Das Gesetz gewährleistet damit eine faire und angemessene Strafzumessung.

Beispiel: Das Landgericht verstieß gegen das Doppelverwertungsverbot, als es die „gemeinschaftliche“ Begehung der Nötigung sowohl als Tatbestandsmerkmal als auch als strafschärfenden Grund anführte.

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Strafbefehl

Ein Strafbefehl ist eine schriftliche Anordnung des Gerichts, die bei geringfügigen Straftaten ohne mündliche Hauptverhandlung ergeht und eine Geldstrafe oder andere Rechtsfolgen festlegt. Dieses vereinfachte Verfahren dient dazu, leichtere Delikte schnell und unbürokratisch abzuhandeln, um die Justiz zu entlasten. Es bietet dem Beschuldigten die Möglichkeit, die Strafe zu akzeptieren oder Einspruch einzulegen, was dann zu einer Hauptverhandlung führt.

Beispiel: Nach den Straßenblockaden erließ das Amtsgericht mehrere Strafbefehle gegen die Aktivistin, da sie sich der Nötigung und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schuldig gemacht hatte.

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Teilrechtskraft

Juristen nennen es Teilrechtskraft, wenn nur ein bestimmter Teil eines Urteils oder Beschlusses – etwa der Schuldspruch – endgültig und unanfechtbar geworden ist, während andere Teile noch verhandelt werden können. Diese Regelung ermöglicht es, Verfahren zu straffen und sich auf die strittigen Punkte zu konzentrieren, sobald Einigkeit über unstrittige Teile besteht. Sie schafft frühzeitig Klarheit über einzelne Aspekte eines Falles, ohne das gesamte Verfahren blockieren zu müssen.

Beispiel: Durch die Beschränkung ihres Einspruchs auf die Rechtsfolgen wurde der Schuldspruch der Aktivistin sofort teilrechtskräftig, sodass die Gerichte diese Frage später nicht mehr prüfen durften.

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Unmittelbarkeitsgrundsatz

Der Unmittelbarkeitsgrundsatz ist ein wichtiges Prinzip im Strafverfahren, das verlangt, dass das Gericht Beweise, wie zum Beispiel Zeugenaussagen, persönlich und direkt in der Hauptverhandlung erhebt. Dieses Prinzip soll sicherstellen, dass sich die Richter einen eigenen, unverfälschten Eindruck von den Beweismitteln machen können, insbesondere von der Glaubwürdigkeit von Zeugen. Es fördert die Wahrheitsfindung und stärkt das Vertrauen in die Rechtsprechung.

Beispiel: Die Verteidigung rügte einen Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz, da das Landgericht Zeugen nicht persönlich vernommen, sondern stattdessen deren Aussagen nur aus Urkunden verlesen hatte.

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Das vorliegende Urteil


KG Berlin – Az.: 3 ORs 20/25 – 161 SRs 38/25 – Beschluss vom 23.06.2025


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