„Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie…“ – Eine kleine Einführung in das Medizinstrafrecht
Das Medizinstrafrecht ist ein vielfältiges und komplexes Rechtsgebiet. Lag der Fokus viele Jahre zunächst im „klassischen“ Arztstrafrecht, insbesondere der Frage unter welchen Voraussetzungen sich der Arzt bei der Ausübung der ärztlichen Heilkunde (Stichwort: Behandlungsfehler) strafbar machen kann, so weitet sich durch die Brille des Medizinstrafrechts der Blick auf die im Rahmen des steigenden Wettbewerbsdrucks im Gesundheitssektor zurückzuführenden erweiterten Strafbarkeitsmöglichkeiten des (Zahn-)Arztes aber auch des Apothekers (Abrechnungs- und Steuerbetrug, Sozialversicherungsbetrug, Bestechung und Bestechlichkeit, Untreue, Verstöße gegen das Transplantationsgesetz, Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz) und des nichtärztlichen Personals (Physiotherapeutinnen und –therapeuten, Pflegedienste, etc.). Auch aufgrund der vergleichsweise hohen Zahl staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren gegen Ärzte oder Pflegepersonal darf dieser Themenkomplex weder persönlich noch juristisch in seiner steigenden Bedeutung unterschätzt werden.
Stets sind dabei auch die möglicherweise drohenden berufsrechtlichen Folgen zu beachten: diese können im schlimmsten Fall bis zu einem Entzug der Approbation reichen. Nicht zuletzt auch die mediale Berichterstattung über medizinstrafrechtliche Themen, wie die vor einigen Jahren hitzig geführte Beschneidungsdebatte, der Organspendenskandal oder die ewige Diskussion über die Sterbehilfe tragen zu einer vermehrten Wahrnehmung dieses Rechtsgebiets auch in der breiten Öffentlichkeit bei. Im nachfolgenden Beitrag erläutert Ihnen die Rechtsanwaltskanzlei Kotz die relevantesten Fallkonstellationen im Bereich des Medizinstrafrechts und gibt Ihnen abschließend einige präventive Ratschläge sowie Verhaltenstipps für ein (drohendes) Ermittlungsverfahren.
I. Vom „primum non nocere“ zur Strafbarkeit: der ärztliche Heileingriff – eine Körperverletzung?
Die dogmatische Gretchenfrage des Medizinstrafrechts bezüglich des ärztlichen Heileingriffs betrifft die unterschiedlichen Ansichten zur möglichen Strafbarkeit. In Betracht kommt bei einem medizinischen Eingriff wie beispielsweise einer Operation die Strafbarkeit wegen einer Körperverletzung gemäß § 223 StGB. Es gibt durchaus Stimmen in der juristischen Literatur, die die Ansicht vertreten, dass ein (nach den Regeln der Kunst durchgeführter) ärztlicher Heileingriff schon nicht tatbestandsmäßig sei, da sich der Zustand des Patienten hierdurch im Regelfall nicht verschlechtere, sondern im Gegenteil verbessert oder zumindest bewahrt werde. Nach dieser Ansicht wird also bereits die Tatbestandsmäßigkeit verneint, so dass eine Strafbarkeit letztlich ebenso zu verneinen wäre. Die herrschende Meinung – und insbesondere die Rechtsprechung – vertritt jedoch die Auffassung, dass auch ein „lege artis“ durchgeführter Eingriff den Tatbestand der Körperverletzung erfüllt. Da der Arzt regelmäßig hinsichtlich des Eingriffs willentlich und wissentlich handelt, ist auch die geforderte Vorsätzlichkeit hinsichtlich der Körperverletzung zu bejahen. Dass allerdings nicht jeder Arzt, der eine Operation durchgeführt hat oder durchführen möchte, sich unmittelbar folgenden strafrechtlichen Ermittlungen ausgesetzt sieht, liegt an der im Regelfall vorliegenden Einwilligung des Patienten, die eine Rechtfertigung für den Eingriff darstellt. Im Spannungsfeld liegt also einerseits das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, der frei und eigenverantwortlich nach einer entsprechenden ärztlichen Aufklärung entscheiden darf und soll, ob er sich einer medizinischen Behandlung unterziehen möchte (und somit den Eingriff durch die Einwilligung rechtfertigt) und andererseits die mögliche Strafbarkeit des Arztes, sollte er einen ärztlichen Eingriff ohne eine (wirksame) Einwilligung bzw. nicht nach den Regeln der Kunst vorgenommen haben.
Der jeweilige ärztliche Eingriff kann im Einzelfall durch eine ausdrückliche, mutmaßliche oder hypothetische Einwilligung gerechtfertigt sein. Grundvoraussetzung ist allerdings, dass der Patient bezüglich des Rechtsguts dispositionsbefugt ist (dies ist hinsichtlich der eigenen körperlichen Unversehrtheit bei einem operativen Eingriff ziemlich unproblematisch zu bejahen; hinsichtlich des Rechtsguts Leben im Rahmen der Debatte um die aktive Sterbehilfe jedoch zu verneinen, so dass diese trotz eines möglicherweise vorliegenden ausdrücklichen Wunsches des Patienten strafbar bleibt, § 216 StGB). Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang einerseits die vor dem Eingriff zu erfolgende ärztliche Aufklärung (sog. Risikoaufklärung), die dann die Basis für eine Einwilligung des Patienten und damit letztlich für die Rechtfertigung des Arztes darstellt. Fälle der mutmaßlichen Einwilligung kommen vor allem dann in Betracht, wenn der Patient eine ausdrückliche Einwilligung – z.B. aufgrund einer Bewusstlosigkeit faktisch nicht (mehr) erklären kann. Bei der mutmaßlichen Einwilligung ist der wahre Patientenwille so weit wie möglich zu ermitteln und entsprechend zu berücksichtigen. Anhaltspunkte dafür können u.a. Patientenverfügungen, frühere Äußerungen des Patienten, Weltanschauungen (so lehnen Zeugen Jehovas beispielsweise jegliche Bluttransfusionen aus religiösen Gründen ab), etc. sein. Somit kann auch eine mutmaßliche Einwilligung rechtfertigend wirken und die mögliche Strafbarkeit des Arztes entfallen lassen. Von der mutmaßlichen Einwilligung ist die sog. hypothetische Einwilligung zu unterscheiden. Danach soll ein Arzt nur dann eine rechtswidrige Körperverletzung begehen, wenn der Patient bei korrekter Aufklärung nicht eingewilligt hätte. Im Zweifel für den behandelnden Arzt ist in diesen Fallgestaltungen von einer Einwilligung auszugehen, solange der Patient nicht das Gegenteil beweisen kann. Hierunter fällt auch die Operationserweiterung, in denen der Arzt während einer Operation zufällig eine andere „Baustelle“ entdeckt und diese gleich mitbehandelt, um dem Patienten eine weitere Operation zu ersparen.
II. „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ – Zur Bedeutung und zum Umfang der ärztlichen Schweigepflicht
Die Schweigepflicht für (Zahn-)Ärzte und Apotheker ist in § 203 Abs. 1 Nr. Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Es handelt sich dabei um ein Vergehen, das mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe geahndet wird. Darüber hinaus finden sich ähnlich lautende Regelungen in den jeweiligen Berufsordnungen (Vgl. § 9 der Musterberufsordnung für Ärzte; § 7 der Musterberufsordnung für Zahnärzte; § 15 der Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker der Apothekerkammer Westfalen-Lippe). Der strafrechtlichen Schweigepflicht unterliegen neben den Ärzten und Apothekern auch die Angehörigen der nichtärztlichen Heilberufe mit staatlich geregelter Ausbildung (z.B. nichtärztliche Psychotherapeuten nach dem Psychotherapeutengesetz, Medizinische Fachangestellte, Krankenschwestern und Krankenpfleger, Hebammen, Masseure, medizinisch-technische Assistenten, usw.).
Sowohl der strafrechtlichen als auch der berufsrechtlichen Schweigepflicht unterliegen auch die „berufsmäßig tätigen Gehilfen“ von Ärzten und die „Personen, die bei ihnen zur Vorbereitung auf den Beruf tätig sind“ (§ 203 Abs. 3 S. 1 StGB). Hiermit gemeint sind beispielsweise Arzthelferinnen oder Arztsekretärinnen, aber auch Schwesternschülerinnen, Medizinstudenten, Famulanten oder PJ´ler. Von der ärztlichen Schweigepflicht umfasst sind alle Tatsachen, die nur einem bestimmten, abgrenzbaren Personenkreis bekannt und an deren Geheimhaltung der Patient ein verständliches, also sachlich begründetes und damit schutzwürdiges Interesse hat. Ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse wird in Rechtsprechung (OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.08.2006 – Az. 14 U 45/04) und Literatur überwiegend auch schon für den Namen des Patienten sowie für die Tatsache angenommen, dass jemand überhaupt einen Arzt konsultiert hat. Auch die Abtretung von (zahn-)ärztlichen Honorarforderungen an externe Verrechnungsstellen stellt ohne eine wirksame Einwilligung in die Weitergabe der Daten des Patienten einen Verstoß gegen die Schweigepflicht dar (BGH, Urt. v. 10.10.2013 – Az. III ZR 325/12.). Die ärztliche Schweigepflicht ist grundsätzlich auch gegenüber anderen Ärzten zu beachten. Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, dass die Schweigepflicht unter berufsmäßig ebenfalls zur Verschwiegenheit verpflichteten Kollegen – ganz im Sinne einer „Käseglockentheorie“ (Deutsch/Spickhoff, Arztrecht, Arzneimittelrecht, Medizinprodukterecht und Transfusionsrecht, 7. Auflage, Rn. 892) – unabhängig von einer Einwilligung des Patienten nicht zu beachten sei. Vor diesem Hintergrund besteht die Geheimhaltungspflicht des Arztes auch gegenüber Familienangehörigen des Patienten und natürlich erst recht gegenüber den eigenen Familienangehörigen des Arztes.
Darüber hinaus gilt sie örtlich sowohl im Krankenhaus als auch in der niedergelassenen Praxis und zeitlich auch über den Tod des Patienten hinaus. Gesetzlich verboten ist nur die unbefugte Offenbarung von Patientengeheimnissen, was den Schluss zulässt, dass es auch Befugnisse zur Durchbrechung der ärztlichen Schweigepflicht geben muss. Rechtsprechung und Literatur haben vier Konstellationen entwickelt, aus denen sich Offenbarungsbefugnisse im Einzelfall ergeben können. So ist der Arzt nicht bzw. nicht mehr an die ärztliche Schweigepflicht gebunden, wenn der Patient mit der Weitergabe der Informationen ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten einverstanden ist, also seine Einwilligung zur Weitergabe erteilt hat. Ebenfalls offenbarungsbefugt ist der Arzt dann, wenn er von einer mutmaßlichen Einwilligung des Patienten ausgehen darf (z.B. der Arzt informiert die Ehefrau des bewusstlosen Unfallopfers über den Gesundheitszustand). Darüber hinaus existieren noch gesetzliche Offenbarungspflichten- bzw. Rechte (z.B. aufgrund der gesetzlichen Meldepflichten nach dem Infektionsschutzgesetz). Zu guter Letzt kann sich eine Offenbarungsbefugnis aus dem sog. rechtfertigenden Notstand gemäß § 34 StGB ergeben, wenn der Arzt im Rahmen der bei diesem Rechtfertigungsgrund erforderlichen Güterabwägung zu der Einschätzung gelangt, dass das Vertrauen des Patienten in die Verschwiegenheit seines Arztes, gegenüber einem anderen Rechtsinteresse geringerwertig ist. Dies wäre beispielsweise anzunehmen, wenn der Arzt anlässlich einer Behandlung eines Kindes Kenntnis von Verletzungen erlangt, die auf eine Kindesmisshandlung hindeuten, so darf er im Interesse und zum Schutz des Kindes die Polizei oder das Jugendamt benachrichtigen. Ansonsten gilt aber gegenüber Strafverfolgungsbehörden: das Strafverfolgungsinteresse des Staates stellt regelmäßig kein höherrangiges Rechtsgut dar. Eine Ausnahme wird nur dann bejaht, wenn es sich um schwerste Straftaten gegen Leib, Leben und Freiheit handelt und Wiederholungsgefahr besteht (Bsp.: der Arzt behandelt einen Terroristen, der sich bei einem Sprengstoffattentat verletzt hat und weitere Taten angekündigt hat und offenbart der Polizei im Anschluss Details zu den Verletzungen und den während der Behandlung getätigten Aussagen des Täters). Hand in Hand mit der materiell rechtlich normierten Schweigepflicht im StGB geht das strafprozessuale Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger in § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO einher. Das Zeugnisverweigerungsrecht dient dazu, Zeugen in bestimmten Situationen Gewissenskonflikte zu ersparen.
III. Abrechnungsbetrug und Urkundenfälschung im Gesundheitswesen
Noch recht präsent ist dem einen oder anderen das im Jahre 2016 erfolgte Interview mit dem Chef der Techniker Krankenkasse (TK) Jens Baas mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und das darauf folgende Raunen quer durch die Vorstandsetagen der gesetzlichen Krankenkassen. Baas hatte gesagt, es gebe zwischen den Kassen einen Wettbewerb, die Ärzte dazu zu bringen, möglichst viele Diagnosen zu dokumentieren. Hintergrund sei der Risikoausgleich des Gesundheitsfonds, der vorsehe, dass Kassen mit vielen (vermeintlich) kranken Patienten Unterstützungsleistungen der anderen Kassen erhalten. Laut Baas hätten die Kassen durch diese Schummeleien etwa eine Milliarde Euro zusätzlich bekommen.
Auch eine kurze Suchabfrage auf der Onlineseite des Deutschen Ärzteblattes „aerzteblatt.de“ offenbart die folgenden Schlagzeilen alleine aus dem Monat Juli: „Anklage wegen banden- und gewerbsmäßigen Pflegebetrugs erhoben“, Schaden „nach vorsichtigen Schätzungen“ von 4,7 – 8,5 Mio. Euro; „Betrug mit Krebsarzneimitteln: Anklage gegen Apotheker erhoben“, Schaden ca. 2,5 Mio. Euro. Darüber hinaus: „Ermittlungen wegen Betrugsvorwurfs gegen Ärzte und Sanitätshäuser“ und „Ärztin wegen Abrechnungsbetrugs angeklagt“, Schaden im letzten Fall immerhin 370.000 Euro. Dass es sich angesichts der durchweg hohen Schadenssummen keineswegs um „peanuts“ handelt, dürfte offensichtlich sein. Wie der Abrechnungsbetrug hingegen aus strafrechtlicher Perspektive zu behandeln ist, soll Gegenstand der nachfolgenden Erörterungen sein. Zunächst einmal lässt sich feststellen, dass es keinen gesonderten Straftatbestand des Abrechnungsbetruges im StGB gibt, sondern lediglich den „normalen“ Betrug i.S.d. § 263 StGB.
Der Betrug i.S.d. § 263 StGB hat vier objektive Tatbestandsvoraussetzungen:
- Täuschung über Tatsachen
- Erregung eines Irrtums
- Vermögensverfügung (gemeint ist damit jedes Tun oder Unterlassen, welches sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt
- Vermögensschaden
Der subjektive Tatbestand verlangt Vorsatz (also das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung; Eventualvorsatz ausreichend!) und eine rechtswidrige Bereicherungsabsicht. Übertragen auf einen simplen (und stark vereinfachten) Fall des Abrechnungsbetrugs bedeutet das:
Arzt A rechnet auf Grundlage einer privatrechtlichen (GOÄ für Privatversicherte oder für IGeL) oder gesetzlichen Gebührenordnung (EBM für die GKV) eine Leistung gegenüber dem Patienten bzw. dessen Versicherung ab, die er in Wirklichkeit so bzw. gar nicht erbracht hat (Täuschung über Tatsachen). Durch die erfolgte Abrechnung geht die Versicherung beim Erhalt der Rechnung davon aus, dass diese korrekt erstellt wurde (Erregung eines Irrtums) und veranlasst die Zahlung (Vermögensverfügung). Da für die abgerechnete Leistung keine tatsächliche Leistung erbracht wurde, ist ein Schaden entstanden (Vermögensschaden). A handelte auch vorsätzlich und in rechtswidriger Bereicherungsabsicht, so dass er sich gemäß § 263 StGB eines (Abrechnungs-)Betruges strafbar gemacht hat.
Weitere Beispiele für Abrechnungsbetrug betreffen neben der bereits o.g. Abrechnung für fingierte Leistungen:
- Abrechnung fehlerhaft delegierter Leistungen (z.B. Delegation an nicht qualifizierte Mitarbeiter)
- unzulässige Budgeterweiterung durch Scheinpartner
- konsequent unwirtschaftliche Behandlungen
- Nichtberücksichtigung von Rabatten, Boni und sonstigen Vergünstigungen („kick-back“).
Die Urkundenfälschung ist in § 267 StGB geregelt. Dort heißt es: „Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“. Eine mögliche Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung droht dem Arzt beispielsweise dann, wenn er in einem Regressverfahren der KV zur Vorlage bestimmter Unterlagen aufgefordert wird und diese dann noch mal entsprechend „überarbeitet“ oder aber wenn ein Patient einen Schaden erlitten hat und daraufhin Einsicht in die Patientenakte verlangt (§ 630g BGB) und der Arzt diese Akte dann im Hinblick auf den Schaden schnell zu seinen Gunsten „überarbeitet“.
IV. „Dr. Corleone bitte in den OP!“ – Korruption im Gesundheitswesen
Ganz so offensichtlich wie bei der Paraderolle des Paten Don Corleone im Film „Der Pate“ kann man sich das Problem der Korruption im Gesundheitswesen beim besten Willen nicht vorstellen. Dennoch ist diese zunehmende Problematik auch dem Gesetzgeber nicht entgangen, der mit dem Erlass des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen darauf reagiert hat. Mit dem am 4. Juni 2016 in Kraft getretenen Gesetz soll eine Strafbarkeitslücke geschlossen werden, die nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.03.2012 (BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss v. 29.03.2012 – Az. GSST 2/11) dazu führte, dass Vertragsärzte vom geltenden Korruptionsstrafrecht nicht erfasst wurden. Der Bundesgerichtshof sah Vertragsärzte weder als Amtsträger noch als Beauftragte der gesetzlichen Krankenversicherung an. Dies war aber die Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach den damaligen Korruptionsstraftatbeständen. Der Gesetzgeber hat daraufhin im Strafgesetzbuch zwei neue Straftatbestände geschaffen, die sowohl die Bestechung als auch die Bestechlichkeit im Gesundheitswesen unter Strafe stellen. Die Straftatbestände sind dem Straftatbestand des § 299 StGB der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr nachgebildet. Täter bei der Bestechlichkeit, d.h. Bestochener kann jeder Angehörige eines Heilberufes sein, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert. Täter bei der Bestechung kann jedermann sein. Tathandlungen können das Fordern, sich versprechen lassen oder die Annahme oder Gewährung von Vorteilen als Gegenleistung für eine Verordnungs-, Bezugs- oder Zuweisungsentscheidung sein, sofern hierbei gegen Wettbewerbsrecht verstoßen wird. Damit wird das bisher nur berufs- und vertragsarztrechtlich bestehende Verbot der Zuweisung gegen Entgelt strafbewährt. Die konkreten Auswirkungen dieses Gesetzes werden unterschiedlich recht unterschiedlich bewertet und die Beantwortung der Frage, welches Verhalten im Einzelfall denn nun strafrechtliche Relevanz hat, zumindest für den juristischen Laien nicht unbedingt einfacher.
V. Fazit und Ausblick
Um die im Titel dieses Beitrages eingangs gestellte Frage abschließend zu beantworten: „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie…“ am besten Ihren Rechtsanwalt und Strafverteidiger. Denn die Materie des Medizinstrafrechts ist immens komplex und kompliziert. So begrüßenswert die Entscheidung des Gesetzgebers mit dem Erlass eine Anti-Korruptions-Gesetzes für das Gesundheitswesen ist, so bleiben doch noch einige offene Fragen und juristische Grauzonen. Auf der anderen Seite nehmen die Ermittlungsverfahren gegen ärztliche und nichtärztliche Leistungserbringer und somit die Kontrolldichte zu, vielerorts werden sogar Schwerpunktstaatsanwaltschaften gegründet. Für Krankenhäuser und andere Einrichtungen im Gesundheitswesen (z.B. Medizinische Versorgungszentren) werden Compliance-Programme sowie Maßnahmen zur Korruptionsprävention (beispielsweise durch externe Vertrauensanwälte bzw. Ombudsstellen) in Zukunft wohl immer wichtiger werden. Denn nicht nur in der Medizin, sondern auch im Medizinstrafrecht gilt die altbekannte Devise: Vorsorge ist besser als Nachsorge!
VI. Verhaltenstipps der Rechtsanwaltskanzlei Kotz
Sollten Sie in den Fokus der Strafverfolgungsbehörden geraten und im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens eine Durchsuchung Ihrer Arztpraxis und/oder Ihrer Privaträume (Haus/Wohnung) drohen, so beherzigen Sie die folgenden Ratschläge:
- Bewahren Sie Ruhe und seien Sie freundlich, höflich und respektvoll gegenüber den Beamtinnen und Beamten!
- Lassen Sie sich den Durchsuchungsbeschluss vorlegen. Achten Sie darauf, dass der Beschluss nicht älter als sechs Monate ist, da der Beschluss dann seine Gültigkeit verliert (BVerfG, Beschl. Vom 27.05.1997 – Az. 2 BvR 1992/92). Es besteht womöglich ein Beweisverwertungsverbot. Liegt ein Durchsuchungsbeschluss erst gar nicht vor, sondern berufen sich die Beamten auf Gefahr im Verzug, sind sie verpflichtet, dem Betroffenen mitzuteilen, warum sie davon ausgehen. Dies muss auch dokumentiert werden. Weiter sind die Namen, Dienstbezeichnungen und -stellen der durchsuchenden Beamten zu notieren.
- Sie haben das Recht zu schweigen – und davon sollten Sie auch vollumfänglich Gebrauch machen!
- Sie haben das Recht, einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens zu kontaktieren! Halten Sie die Rufnummer bzw. die Kontaktdaten bereit und informieren Sie Ihren Strafverteidiger so schnell wie möglich.
- Vermeiden Sie, dass anwesende Patienten Kenntnis von der Maßnahme erlangen. Führen Sie die Beamten nach Möglichkeit in einen separaten Raum und schicken Sie die Patienten – sofern vertretbar – nach Hause.
- Behindern Sie nicht die Durchsuchung und versuchen Sie nicht, Beweismittel noch schnell beiseite zu schaffen.
- Seien Sie kooperativ-passiv! Ggf. zeigen Sie den Beamten die zu beschlagnahmenden Gegenstände, bevor umfangreichere Durchsuchungsmaßnahmen stattfinden und die ganze Praxis „auf den Kopf gestellt“ wird.
- Widersprechen Sie der Durchsuchung bzw. der freiwilligen Herausgabe von Beweismitteln und lassen Sie den Widerspruch gegen die Durchsuchung protokollieren. Eine freiwillige Herausgabe von Patientenakten würde beispielsweise zum einem Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht verstoßen.
- Nach Abschluss der Durchsuchung sollten Sie darauf bestehen, dass ein Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll erstellt wird.