Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Beleidigung von Polizeibeamten: Ein Urteil über Meinungsfreiheit und Rechtssicherheit
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Ab wann ist eine Äußerung gegenüber Polizeibeamten strafbar?
- Welche Rolle spielt der situative Kontext bei der rechtlichen Bewertung von Polizeikritik?
- Welche Strafen drohen bei einer Beamtenbeleidigung?
- Wie unterscheidet sich allgemeine Polizeikritik von persönlicher Beleidigung einzelner Beamter?
- Welche Bedeutung hat die Meinungsfreiheit bei Kritik an polizeilichen Maßnahmen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: BayObLG
- Datum: 18.03.2024
- Aktenzeichen: 206 StRR 63/24
- Verfahrensart: Revision im Strafverfahren wegen Beleidigung
- Rechtsbereiche: Strafrecht, Meinungsfreiheit
Beteiligte Parteien:
- Angeklagter: Moderierte eine Versammlung und wurde wegen Beleidigung verurteilt, weil er Polizeibeamte als „Nervzwerge“ bezeichnete. Er argumentierte, dass seine Äußerung durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt sei und dass es sich um generelle Kritik an der Polizeivorgehensweise handelte.
- Staatsanwaltschaft Ingolstadt: Verfolgte den Fall der vermeintlichen Beleidigung von Polizeibeamten.
- Generalstaatsanwaltschaft München: Beantragte die Zurückweisung der Revision des Angeklagten.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Angeklagte fungierte als Moderator bei einer Versammlung und machte eine Äußerung über Polizeibeamte, die er als „Nervzwerge“ bezeichnete, nachdem die Polizei Maßnahmen zur Einhaltung von Abstandsregeln gefordert hatte. Die Polizeibeamten fühlten sich durch die Äußerung beleidigt.
- Kern des Rechtsstreits: Ob die Äußerung eine persönliche Beleidigung darstellt oder als Kritik an der Vorgehensweise der Polizei durch Meinungsfreiheit geschützt ist.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Der Angeklagte wurde freigesprochen, die Urteile des Landgerichts und des Amtsgerichts Ingolstadt wurden aufgehoben.
- Begründung: Das Gericht entschied, dass die Äußerung Mehrdeutig war und nicht zweifelsfrei als strafbare Beleidigung interpretiert werden konnte. Die Meinungsfreiheit deckt auch polemische und kritische Äußerungen, wenn sie nicht eindeutig als persönliche Herabsetzung erkennbar sind.
- Folgen: Der Angeklagte trägt keine Kosten des Verfahrens, diese werden von der Staatskasse übernommen. Das Urteil unterstreicht den Schutz der Meinungsfreiheit, selbst bei provokanten Äußerungen gegenüber staatlichen Institutionen.
Beleidigung von Polizeibeamten: Ein Urteil über Meinungsfreiheit und Rechtssicherheit
Im deutschen Recht stellt die Beleidigung von Polizeibeamten eine besondere Herausforderung dar, da sie sowohl die Meinungsfreiheit als auch die öffentliche Ordnung betrifft. Der Straftatbestand der Beamtenbeleidigung wird häufig im Zusammenhang mit Polizeieinsätzen diskutiert und kann gravierende strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Es ist entscheidend, zwischen erlaubten Äußerungen und strafbaren Beleidigungen zu unterscheiden, wobei jeweils der Beleidigungstest angewandt wird, um die Strafbarkeit zu überprüfen.
Die Rechtslage in diesem Bereich ist komplex und variiert je nach Kontext und Formulierung der Äußerung. Justizprüfungen können klären, ob eine Äußerung als Verleumderisch gilt oder ob etwa das Notwehrrecht einer Äußerung zugrunde lag. Im Folgenden wird ein konkreter Fall vorgestellt, der die rechtlichen Konsequenzen einer Beleidigung gegenüber Polizeibeamten beleuchtet und analysiert.
Der Fall vor Gericht
Bußgeldverfahren wegen Polizeikritik bei Corona-Demo endet mit Freispruch
Das Bayerische Oberste Landesgericht hat einen Moderator einer Corona-Demonstration freigesprochen, der die anwesende Polizei als „Nervzwerge“ bezeichnet hatte. Der Mann war zuvor vom Amts- und Landgericht Ingolstadt wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
Vorfall bei Demonstration mit 1.500 Teilnehmern
Bei einer angemeldeten Versammlung zum Thema „Impfzwang, Corona“ am 13. Februar 2022 in Ingolstadt war der später Angeklagte als Moderator tätig. Da die behördlich angeordneten Mindestabstände von 1,5 Metern zwischen den Teilnehmern nicht eingehalten wurden, forderten Polizeibeamte den Versammlungsleiter mehrfach auf, entsprechende Durchsagen zu machen. Als der polizeiliche Einsatzleiter und sein Stellvertreter erneut eine Durchsage verlangten, kündigte der Moderator diese mit den Worten an: „Wir haben so’n paar Nervzwerge an der Backe, und der Z. muss eine Durchsage machen.“
Rechtliche Bewertung der Äußerung
Das Bayerische Oberste Landesgericht stellte in seinem Beschluss klar, dass bei der Auslegung einer Äußerung stets der gesamte Kontext berücksichtigt werden müsse. Der Begriff „Nervzwerge“ könne zwar als herabwürdigend verstanden werden, sei aber in diesem Fall mehrdeutig. Nach den Feststellungen wusste der Moderator nicht, welche konkreten Beamten die Anweisung gegeben hatten. Er fühlte sich durch die wiederholten polizeilichen Aufforderungen über den Nachmittag „genervt“.
Meinungsfreiheit schützt Kritik an Polizeimaßnahmen
Das Gericht betonte, dass bei Äußerungen gegenüber der Polizei stets zu prüfen sei, ob sich die Kritik gegen einzelne Beamte oder gegen das polizeiliche Vorgehen allgemein richte. Auch Kritik an rechtmäßigen Maßnahmen sei vom Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt. Das Recht des Bürgers, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen zu kritisieren, gehöre zum Kernbereich der Meinungsfreiheit.
Da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die Äußerung des Moderators als generelle Kritik an der polizeilichen Vorgehensweise zu verstehen war, hob das Bayerische Oberste Landesgericht die Verurteilung auf. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil stärkt die Meinungsfreiheit bei Kritik an polizeilichen Maßnahmen. Bei mehrdeutigen Äußerungen muss klar unterschieden werden, ob sich die Kritik gegen einzelne Beamte oder gegen das polizeiliche Vorgehen im Allgemeinen richtet. Auch harsche oder polemische Kritik an polizeilichen Maßnahmen ist von der Meinungsfreiheit gedeckt, selbst wenn die Maßnahmen rechtmäßig waren. Nur wenn zweifelsfrei feststeht, dass eine Äußerung ausschließlich der persönlichen Herabwürdigung einzelner Beamter dient, kann eine strafbare Beleidigung vorliegen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Sie dürfen polizeiliche Maßnahmen auch mit deutlichen Worten kritisieren, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen. Entscheidend ist, dass sich Ihre Kritik erkennbar auf das Vorgehen der Polizei bezieht und nicht auf die Herabwürdigung einzelner Beamter abzielt. Dies gilt auch dann, wenn Sie die Maßnahmen als überzogen oder störend empfinden. Allerdings sollten Sie vermeiden, einzelne Polizisten persönlich zu beleidigen oder grundlos verächtlich zu machen.
Die Grenzen zwischen zulässiger Kritik und Beleidigung im Zusammenhang mit polizeilichen Maßnahmen sind oft fließend. Gerade bei Demonstrationen oder Kundgebungen ist es wichtig, Ihre Rechte zu kennen und die Meinungsfreiheit effektiv zu nutzen. In solchen Situationen kann eine rechtliche Beratung Klarheit schaffen und Sie vor unerwarteten Konsequenzen schützen. Wir helfen Ihnen, Ihre Rechte im Rahmen der Meinungsfreiheit optimal wahrzunehmen und stehen Ihnen bei rechtlichen Auseinandersetzungen zur Seite.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Ab wann ist eine Äußerung gegenüber Polizeibeamten strafbar?
Eine Äußerung gegenüber Polizeibeamten wird als strafbare Beleidigung nach § 185 StGB eingestuft, wenn sie die persönliche Ehre des Beamten vorsätzlich verletzt. Die bloße Kritik an polizeilichen Maßnahmen ist durch die Meinungsfreiheit geschützt, solange sie sachbezogen bleibt.
Kriterien für eine strafbare Äußerung
Eine Äußerung ist dann strafbar, wenn sie gezielt gegen konkrete, identifizierbare Polizeibeamte gerichtet ist und ohne sachlichen Bezug erfolgt. Wenn Sie beispielsweise Polizeibeamte als „Rassistenverein“ bezeichnen, während diese zu einem Noteinsatz unterwegs sind, liegt eine strafbare Beleidigung vor.
Erlaubte Kritik
Wenn Sie mit einer polizeilichen Maßnahme nicht einverstanden sind, dürfen Sie Formulierungen wie „Ich halte diese Maßnahme für unverhältnismäßig“ verwenden. Auch allgemeine Kritik an der Institution Polizei fällt unter die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit.
Rechtliche Konsequenzen
Bei einer Beleidigung von Polizeibeamten droht eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Die Höhe der Strafe orientiert sich an Ihrem Einkommen. Besonders schwerwiegend sind Beleidigungen in Verbindung mit tätlichen Handlungen – hier kann die Strafe bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe betragen.
Eine Besonderheit bei Beleidigungen gegen Polizeibeamte ist, dass nicht nur der betroffene Beamte selbst, sondern auch sein Dienstvorgesetzter einen Strafantrag stellen kann. Das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung wird in solchen Fällen regelmäßig bejaht.
Welche Rolle spielt der situative Kontext bei der rechtlichen Bewertung von Polizeikritik?
Der situative Kontext ist entscheidend für die rechtliche Einordnung einer kritischen Äußerung gegenüber der Polizei. Bei der Bewertung wird stets eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht der Beamten vorgenommen.
Sachlicher Zusammenhang
Wenn Sie Kritik an polizeilichem Handeln äußern, ist der konkrete Anlass maßgeblich. Eine sachbezogene Kritik an polizeilichen Maßnahmen ist grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt. Fehlt jedoch ein sachlicher Zusammenhang zur Kritik, wie bei einer anlasslosen persönlichen Herabwürdigung von Beamten, überschreitet dies die Grenzen des Erlaubten.
Örtliche und zeitliche Faktoren
Der Ort und Zeitpunkt einer Äußerung beeinflussen die rechtliche Bewertung erheblich. Eine Kritik während einer polizeilichen Maßnahme wird anders bewertet als eine nachträgliche Äußerung. Besonders kritisch sehen Gerichte Äußerungen, die in direkter persönlicher Konfrontation erfolgen.
Intensität und Form
Die Art und Weise der Kritikäußerung spielt eine zentrale Rolle. Eine sachliche Auseinandersetzung mit polizeilichem Handeln bleibt stets möglich. Äußerungen, die die Menschenwürde herabsetzen oder als Schmähkritik einzustufen sind, überschreiten jedoch die Grenze zur strafbaren Beleidigung.
Dienstliche Situation
Wenn Sie mit Polizeibeamten in Kontakt kommen, ist der dienstliche Kontext relevant. Eine Äußerung während einer Amtshandlung wird strenger bewertet als eine Kritik außerhalb des Dienstes. Die Gerichte berücksichtigen dabei, ob die Beamten zum Zeitpunkt des Vorfalls hoheitliche Maßnahmen ausübten.
Welche Strafen drohen bei einer Beamtenbeleidigung?
Eine spezielle Strafvorschrift für Beamtenbeleidigung existiert im deutschen Recht nicht. Stattdessen wird die Beleidigung eines Beamten nach § 185 StGB wie jede andere Beleidigung behandelt.
Mögliche Strafen nach § 185 StGB
Bei einer Beleidigung eines Beamten droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Wird die Beleidigung öffentlich oder durch eine Tätlichkeit begangen, erhöht sich die mögliche Freiheitsstrafe auf bis zu zwei Jahre.
Typische Geldstrafen anhand konkreter Beispiele
Die Höhe der Geldstrafe richtet sich nach der Art der Beleidigung:
Äußerung/Geste | Typische Geldstrafe |
---|---|
Duzen eines Polizisten | 600 € |
Vogel zeigen | 750 € |
„Wichser“ | 1.000 € |
Mittelfinger zeigen | 4.000 € |
Besonderheiten im Verfahren
Ein wichtiger Unterschied zur Beleidigung von Privatpersonen liegt im Strafantragsrecht: Bei Beamtenbeleidigungen kann nicht nur der beleidigte Beamte selbst, sondern auch sein Dienstvorgesetzter einen Strafantrag stellen.
Erschwerende Umstände
Die Strafe kann sich erhöhen bei:
- Öffentlicher Begehung der Beleidigung
- Tätlicher Begehung, etwa durch Anspucken
- Wiederholungstaten
Bei der Strafzumessung berücksichtigt das Gericht stets die individuellen Umstände des Einzelfalls. Neben der eigentlichen Strafe muss der Täter auch die Verfahrenskosten tragen.
Wie unterscheidet sich allgemeine Polizeikritik von persönlicher Beleidigung einzelner Beamter?
Die Meinungsfreiheit schützt grundsätzlich sachliche Kritik an der Polizei als Institution, während persönliche Angriffe auf einzelne Beamte strafrechtlich relevant sein können.
Erlaubte Polizeikritik
Wenn Sie eine polizeiliche Maßnahme als unverhältnismäßig empfinden, dürfen Sie dies sachlich zum Ausdruck bringen. Eine sachbezogene, auch negative Äußerung über das Verhalten der Polizei ist durch die Meinungsfreiheit gedeckt, solange sie ohne Schimpfwörter oder abwertende Sprache vorgebracht wird.
Grenzen zur strafbaren Beleidigung
Eine Beleidigung liegt vor, wenn Sie die Missachtung gezielt gegen konkrete, identifizierbare Polizeibeamte richten. Der Kontext ist dabei entscheidend: Während Sie strukturelle Probleme bei der Polizei kritisieren dürfen, überschreitet eine anlasslose persönliche Herabwürdigung von Beamten die Grenzen der Meinungsfreiheit.
Bewertung im Einzelfall
Bei der rechtlichen Würdigung wird stets der gesamte Kontext berücksichtigt. Entscheidend ist, ob sich die Äußerung gegen den einschreitenden Beamten selbst oder die Vorgehensweise der Polizei im Allgemeinen richtet. Die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme spielt dabei keine Rolle – Sie dürfen polizeiliches Handeln auch dann kritisieren, wenn die Maßnahme rechtmäßig war.
Wenn Sie beispielsweise bei einer Kontrolle äußern „Ich halte diese Maßnahme für unverhältnismäßig“, ist dies zulässig. Die Bezeichnung einzelner Beamter als „Rassistenverein“ ohne konkreten Anlass wurde hingegen als strafbare Beleidigung eingestuft.
Welche Bedeutung hat die Meinungsfreiheit bei Kritik an polizeilichen Maßnahmen?
Die Meinungsfreiheit erlaubt grundsätzlich sachbezogene Kritik an polizeilichen Maßnahmen. Wenn Sie mit einer Polizeimaßnahme nicht einverstanden sind, können Sie Ihre Kritik äußern, solange diese einen konkreten Sachbezug aufweist und nicht in eine persönliche Diffamierung der handelnden Beamten übergeht.
Erlaubte Kritik
Sachliche Einwände gegen konkrete Polizeimaßnahmen sind durch die Meinungsfreiheit geschützt. Sie dürfen beispielsweise eine Maßnahme als unverhältnismäßig bezeichnen oder Beschwerde gegen ein bestimmtes Vorgehen einlegen. Auch emotionale und polemische Formulierungen können von der Meinungsfreiheit gedeckt sein, sofern sie einen sachlichen Kern haben.
Grenzen der Kritik
Die Meinungsfreiheit endet dort, wo die persönliche Ehre der Polizeibeamten verletzt wird. Eine Beleidigung liegt vor, wenn die Äußerung:
- sich gegen konkrete, identifizierbare Beamte richtet
- ohne sachlichen Bezug erfolgt
- der reinen persönlichen Herabwürdigung dient
Rechtliche Bewertung
Bei der Beurteilung einer kritischen Äußerung prüfen Gerichte den konkreten Kontext, den sachlichen Zusammenhang und die Form der Äußerung. Pauschale Bezeichnungen wie „korrupte Beamte“ sind nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt, wenn sie ohne konkreten Anlass erfolgen. Dagegen können auch scharfe Formulierungen zulässig sein, wenn sie sich auf ein konkretes dienstliches Verhalten beziehen und nicht bloß der Schmähung dienen.
Die Gerichte nehmen eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechten vor. Dabei wird berücksichtigt, ob die Äußerung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leistet oder ob sie sich in einer persönlichen Herabwürdigung erschöpft.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Straftatbestand der Beamtenbeleidigung
Eine spezielle Form der Beleidigung, die sich gegen Amtsträger wie Polizisten richtet. Nach § 185 StGB ist dies strafbar, wobei besonders die Umstände der Tat und der dienstliche Kontext berücksichtigt werden. Die Beleidigung muss sich dabei gegen die Ehre des Beamten richten und kann durch Worte, Gesten oder Handlungen erfolgen. Ein typisches Beispiel wäre das Zeigen des Mittelfingers gegenüber einem Polizisten während einer Verkehrskontrolle.
Beleidigungstest
Ein rechtliches Prüfungsschema zur Bewertung, ob eine Äußerung den Straftatbestand der Beleidigung erfüllt. Dabei wird untersucht, ob die Äußerung einen ehrverletzenden Charakter hat und ob sie durch die Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG gedeckt ist. Die Prüfung berücksichtigt den Kontext, die Wortwahl und die Intention des Äußernden.
Verleumderisch
Eine Aussage, die unwahre Tatsachenbehauptungen enthält und geeignet ist, jemanden in seiner Ehre zu verletzen oder seinen Ruf zu schädigen. Nach § 187 StGB ist dies strafbar. Im Unterschied zur einfachen Beleidigung geht es hier um die Behauptung falscher Tatsachen. Ein Beispiel wäre die falsche Behauptung, ein Polizeibeamter hätte Beweismittel unterschlagen.
Notwehrrecht
Das gesetzlich verankerte Recht zur Verteidigung (§ 32 StGB) gegen einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff. Im Kontext von Äußerungen kann es relevant sein, wenn jemand sich verbal gegen unrechtmäßige Maßnahmen wehrt. Die Verteidigung muss dabei erforderlich und angemessen sein. Ein Beispiel wäre verbaler Protest gegen eine rechtswidrige Polizeimaßnahme.
Mehrdeutig
Ein juristisch relevantes Merkmal von Äußerungen, die verschiedene Interpretationen zulassen. Bei der strafrechtlichen Bewertung gilt der Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ (in dubio pro reo). Wenn eine Äußerung sowohl beleidigend als auch als sachliche Kritik verstanden werden kann, ist im Zweifel die für den Angeklagten günstigere Auslegung zu wählen.
Notwendige Auslagen
Kosten, die einem Verfahrensbeteiligten zwangsläufig entstanden sind, etwa Anwaltskosten oder Fahrtkosten. Nach § 464a StPO werden diese bei einem Freispruch in der Regel der Staatskasse auferlegt. Dies bedeutet, dass der zu Unrecht Angeklagte seine Verteidigungskosten erstattet bekommt.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit): Die Meinungsfreiheit schützt das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten, ohne staatliche Zensur oder andere Beschränkungen. Sie ist ein elementares Grundrecht in einer demokratischen Gesellschaft und umfasst auch kritische Äußerungen, selbst wenn sie für andere unangenehm oder provokativ sind. Diese Freiheit ist jedoch nicht grenzenlos und findet ihre Schranken in anderen Gesetzen und Grundrechten. Im vorliegenden Fall ist die Meinungsfreiheit des Angeklagten relevant, da seine Äußerungen gegenüber der Polizei möglicherweise von diesem Grundrecht geschützt sind, selbst wenn sie als herabsetzend empfunden werden könnten. Die Meinungsfreiheit ist hier also ein wichtiger Bezugspunkt, um zu beurteilen, ob die Äußerung des Angeklagten eine strafbare Beleidigung darstellt oder im Rahmen der Meinungsfreiheit liegt.
- § 185 StGB (Beleidigung): Der Straftatbestand der Beleidigung schützt die Ehre einer Person vor herabsetzenden Äußerungen. Eine Beleidigung liegt vor, wenn die Ehre des Betroffenen durch eine Kundgabe von Missachtung oder Nichtachtung angegriffen wird. Entscheidend ist, ob objektiv eine ehrverletzende Äußerung vorliegt, die geeignet ist, das Ansehen der betroffenen Person in der Öffentlichkeit herabzusetzen. Bezogen auf den Fall muss geprüft werden, ob die Äußerung des Angeklagten als Beleidigung der Polizeibeamten gewertet werden kann oder ob sie lediglich eine unfreundliche Kritik darstellt, die noch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Die konkrete Formulierung, der Kontext und die Absicht sind hierbei wichtige Kriterien.
- § 193 StGB (Wahrnehmung berechtigter Interessen): Gemäß § 193 StGB handelt nicht rechtswidrig, wer einen anderen beleidigt, wenn dies zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt. Das bedeutet, dass eine Beleidigung straffrei sein kann, wenn sie beispielsweise im Rahmen einer sachlichen Auseinandersetzung oder einer Kritik an staatlichen Institutionen geäußert wird. Hier ist entscheidend, ob der Angeklagte mit seiner Äußerung tatsächlich ein berechtigtes Interesse verfolgt hat, beispielsweise indem er auf Missstände hingewiesen hat oder eine Kritik an der Vorgehensweise der Polizei geübt hat. Eine solche Abwägung ist notwendig, um den Kontext der Äußerung und die Motivation des Angeklagten in die Bewertung mit einzubeziehen.
- Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde): Die Menschenwürde ist ein unantastbares Grundrecht und bildet die Grundlage für alle anderen Grundrechte. Sie schützt jeden Menschen vor einer Behandlung, die ihn zum bloßen Objekt oder Mittel macht. Beleidigungen können die Menschenwürde verletzen, wenn sie das Persönlichkeitsrecht in einer Art und Weise beeinträchtigen, die die betroffene Person in ihrer Würde herabsetzt. Es muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Äußerung des Angeklagten gegenüber den Polizeibeamten eine solche Herabsetzung der Würde darstellt oder lediglich eine (eventuell scharfe) Kritik, die zwar missfällt, aber die Kernsubstanz der Menschenwürde nicht verletzt.
- Ermessensspielraum bei der Auslegung von Äußerungen in Bezug auf Meinungsfreiheit und Beleidigung: Bei der Beurteilung, ob eine Äußerung eine Beleidigung darstellt oder durch die Meinungsfreiheit geschützt ist, müssen Gerichte im Zivilrecht einen Ermessensspielraum bei der Deutung der Äußerungen in Fallkontext haben. Im vorliegenden Fall hat das Gericht dargelegt, dass es mehrdeutige Äußerungen im Zweifel immer zu Gunsten des Angeklagten auslegen muss und dass eine Auslegung als strafbare Beleidigung nur dann in Frage kommt, wenn eine straflose Auslegungsvariante ausgeschlossen werden kann. Gerichte müssen also immer alle Begleitumstände der Äußerung berücksichtigen und müssen auch die Absicht des Äußernden berücksichtigen und können ihre private Meinung hierbei nicht ausleben.
Das vorliegende Urteil
BayObLG – Az.: 206 StRR 63/24 – Beschluss vom 18.03.2024
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