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Anfechtbarkeit eines Einstellungsbeschlusses nach § 153 Abs. 2 StPO

Anfechtung von Einstellungsbeschlüssen: Grenzen und Möglichkeiten

Das vorliegende Urteil des BayObLG (Az.: 202 StRR 98/23 vom 09.01.2024) klärt, dass die Eingabe eines Angeklagten nicht als Revision, sondern als Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluss des Landgerichts Hof zu behandeln ist. Das Gericht hebt hervor, dass eine Revision gegen einen solchen Beschluss unzulässig ist, aber eine Umdeutung in eine Beschwerde gemäß § 300 StPO möglich und zulässig ist. Diese Entscheidung verdeutlicht die rechtlichen Wege und Möglichkeiten, die einem Angeklagten bei der Anfechtung eines Einstellungsbeschlusses wegen Geringfügigkeit zur Verfügung stehen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 202 StRR 98/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  • Unzulässigkeit der Revision gegen Einstellungsbeschlüsse gemäß § 153 Abs. 2 StPO.
  • Möglichkeit der Umdeutung einer irrtümlich eingelegten Revision in eine Beschwerde.
  • Die Effektivität gerichtlicher Kontrolle wird durch § 300 StPO unterstützt.
  • Beschwerde ist unter bestimmten Umständen gegen den Einstellungsbeschluss zulässig.
  • Die Unanfechtbarkeit bezieht sich nur auf die Ermessensentscheidung zur Einstellung.
  • Prozessuale Voraussetzungen für die Einstellung müssen erfüllt sein.
  • Verfahrenshindernisse können die Anfechtung eines Einstellungsbeschlusses rechtfertigen.
  • Die Kognitionspflicht des Gerichts und das Verbot der reformatio in peius sind zu berücksichtigen.

Einstellungsbeschlüsse: Anfechtbarkeit und rechtliche Aspekte

Ein Einstellungsbeschluss ist eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts, ein Strafverfahren nicht weiterzuverfolgen. Dies kann aus verschiedenen Gründen geschehen, beispielsweise bei Geringfügigkeit der Tat oder fehlender Schuld des Angeklagten. Grundsätzlich sind Einstellungsbeschlüsse unanfechtbar, es gibt jedoch Ausnahmen von dieser Regel.

Im Folgenden wird die Anfechtbarkeit von Einstellungsbeschlüssen gemäß § 153 Abs. 2 StPO näher beleuchtet. Dabei werden die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Anfechtung sowie die praktischen Herausforderungen erörtert. Ein konkretes Urteil zu diesem Thema wird im Anschluss näher betrachtet und analysiert.

Wenn Sie Fragen zur Anfechtbarkeit von Einstellungsbeschlüssen gemäß § 153 Abs. 2 StPO haben, zögern Sie nicht und fordern Sie noch heute unsere unverbindliche Ersteinschätzung an.

Im Zentrum des juristischen Geschehens steht der Einstellungsbeschluss des Landgerichts Hof bezüglich eines tschechischen Staatsangehörigen, dem ein Verbrechen des schweren Bandendiebstahls zur Last gelegt wurde. Der Fall, der zunächst mit einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe endete, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, nahm eine entscheidende Wende, als das Landgericht beschloss, das Verfahren gegen den Angeklagten einzustellen. Diese Entscheidung erfolgte nach mehrmaliger Unterbrechung der Hauptverhandlung und war von der Zustimmung sowohl des Vertreters der Staatsanwaltschaft als auch des Angeklagten begleitet.

Der Weg zur Einstellung des Verfahrens

Die rechtliche Auseinandersetzung nahm ihren Anfang mit der Anklage des tschechischen Staatsangehörigen wegen schweren Bandendiebstahls in Tateinheit mit unerlaubtem Führen verbotener Gegenstände. Nach der Verurteilung durch das Amtsgericht und der darauf folgenden Berufung entschied das Landgericht Hof, das Verfahren gemäß § 153 Abs. 2 StPO einzustellen. Diese Entscheidung fiel nach ausdrücklichem Verzicht des Angeklagten auf die Geltendmachung von Ansprüchen nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen. Der Angeklagte, unzufrieden mit dieser Wendung, legte Revision ein, die er mit einem „fehlerhaften Verfahren“ und der „Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte“ begründete.

Der juristische Kern des Falls

Die zentrale rechtliche Herausforderung dieses Falls liegt in der Anfechtbarkeit des Einstellungsbeschlusses nach § 153 Abs. 2 StPO. Der Angeklagte versuchte, gegen den Beschluss des Landgerichts Revision einzulegen, was das BayObLG jedoch als unzulässig erachtete. Stattdessen deutete das Gericht die Eingabe nach dem Rechtsgedanken des § 300 StPO in eine Beschwerde um. Diese Entscheidung unterstreicht die spezifische Anwendung und Auslegung von Rechtsmitteln im deutschen Strafprozessrecht und hebt die Bedeutung des § 300 StPO hervor, der die effektive gerichtliche Kontrolle sicherstellen soll.

Die Entscheidung des BayObLG

Das Bayerische Oberste Landesgericht stellte fest, dass die Revision gegen den Einstellungsbeschluss unstatthaft ist und nur gegen Urteile der Landgerichte sowie im ersten Rechtszug ergangene Urteile der Oberlandesgerichte zulässig wäre. Diese Feststellung basiert auf der spezifischen Auslegung der StPO, die eine Revision in diesem Kontext ausschließt. Das Gericht betonte weiterhin, dass trotz der expliziten Bezeichnung des Rechtsmittels als „Revision“ durch den Beschwerdeführer, eine Umdeutung in eine Beschwerde angemessen und zulässig ist, um den Willen des Beschwerdeführers auf gerichtliche Kontrolle effektiv umzusetzen.

Rechtliche Feinheiten und deren Auslegung

Die rechtlichen Feinheiten dieses Falls beleuchten die Grenzen und Möglichkeiten der Anfechtung von Einstellungsbeschlüssen. Obwohl § 153 Abs. 2 Satz 4 StPO den Einstellungsbeschluss für unanfechtbar erklärt, zeigt die Entscheidung, dass unter bestimmten Umständen eine Beschwerde dennoch statthaft sein kann. Insbesondere dann, wenn prozessuale Voraussetzungen für eine Einstellung fehlen oder ein Verfahren ein die Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO hinderndes Verbrechen zum Gegenstand hat. Diese Interpretation verdeutlicht, dass die Unanfechtbarkeit sich lediglich auf die Ermessensentscheidung zur Einstellung bezieht.

Das Urteil des BayObLG im Fall Az.: 202 StRR 98/23 vom 09.01.2024 verdeutlicht die rechtlichen Rahmenbedingungen und die spezifische Anwendung der Strafprozessordnung in Bezug auf die Anfechtbarkeit von Einstellungsbeschlüssen. Es illustriert die Bedeutung einer genauen Kenntnis der Rechtsmittel und deren korrekter Anwendung im deutschen Rechtssystem.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was bedeutet es, wenn ein Verfahren gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt wird?

Wenn ein Verfahren gemäß § 153 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt wird, bedeutet dies, dass die Staatsanwaltschaft oder das Gericht von einer weiteren Strafverfolgung absehen. Dies geschieht in der Regel, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen ist und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Es handelt sich hierbei meist um Vergehen, also rechtswidrige Taten, die mit einer geringeren Freiheitsstrafe (unter einem Jahr) oder mit einer Geldstrafe bedroht sind.

Die Einstellung des Verfahrens erfolgt ohne Sanktionen und es ist sogar möglich, dass die Landeskasse die Anwaltskosten trägt. Eine Zustimmung des Beschuldigten oder des Verletzten der Tat ist nicht erforderlich, allerdings ist in der Regel die Zustimmung des Gerichts notwendig, es sei denn, die Folgen der Tat sind gering.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Einstellung des Verfahrens nach § 153 StPO immer vom Einzelfall abhängt. Bei häufig vorkommenden Diebstahlstaten entscheidet beispielsweise vor allem der Wert des Diebesguts über die Einstellung des Verfahrens.

Ein Verfahren kann auch nach der Erhebung der Klage gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt werden. In diesem Fall ergeht die Entscheidung durch einen Beschluss, der nicht anfechtbar ist.

Es ist auch zu beachten, dass die Staatsanwaltschaft nicht verpflichtet ist, das Verfahren einzustellen, selbst wenn alle Voraussetzungen dafür vorliegen.

Welche Rolle spielt § 300 StPO bei der Umdeutung von Rechtsmitteln?

Der § 300 der Strafprozessordnung (StPO) spielt eine wichtige Rolle bei der Umdeutung von Rechtsmitteln. Er ermöglicht es, dass ein falsch bezeichnetes Rechtsmittel in das richtige umgedeutet wird, um den Willen des Beschwerdeführers auf gerichtliche Kontrolle effektiv umzusetzen. Dies dient dem Rechtsschutz des Anfechtenden, indem es verhindert, dass ein Rechtsmittel allein aufgrund einer falschen Bezeichnung unberücksichtigt bleibt.

Anwendungsbereich von § 300 StPO

Die Norm ist anwendbar, wenn ein konkretes Rechtsmittel gemeint ist, dieses aber irrtümlich falsch bezeichnet wurde. Beispielsweise kann eine als „Revision“ bezeichnete Rechtsmittelanfechtung in eine „Beschwerde“ umgedeutet werden, wenn die Revision unstatthaft ist, aber die Voraussetzungen für eine Beschwerde vorliegen. Die Umdeutung ist jedoch nicht möglich, wenn das Rechtsmittel an sich unzulässig ist, wie es § 300 StPO explizit verbietet.

Praktische Beispiele

Ein praktisches Beispiel für die Anwendung von § 300 StPO ist die Umdeutung einer irrtümlich als Revision bezeichneten Eingabe in eine Beschwerde, wenn die Revision gegen einen Einstellungsbeschluss nach § 153a StPO unstatthaft ist. Dies zeigt, dass das Gericht den tatsächlichen Rechtsschutzwillen des Anfechtenden berücksichtigt und nicht an formalen Fehlern scheitern lässt.

Grenzen der Umdeutung

Es ist zu beachten, dass die Umdeutung nicht dazu dient, dem Anfechtenden eine Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Rechtsmitteln zu geben, wenn er das Rechtsmittel selbst korrekt bezeichnet hat. Die Umdeutung nach § 300 StPO ist nur dann möglich, wenn die Bezeichnung des Rechtsmittels irrtümlich erfolgte und nicht, wenn das Rechtsmittel selbst unzulässig ist.

Zusammenfassend ermöglicht § 300 StPO die Korrektur von Bezeichnungsfehlern bei der Einlegung von Rechtsmitteln, um den effektiven Rechtsschutz des Anfechtenden zu gewährleisten. Die Umdeutung ist jedoch auf Fälle beschränkt, in denen ein Rechtsmittel irrtümlich falsch bezeichnet wurde und nicht, wenn es an sich unzulässig ist.

Wie wirkt sich das Verbot der reformatio in peius auf Berufungsverfahren aus?

Das Verbot der reformatio in peius (Verschlechterungsverbot) hat bedeutende Auswirkungen auf Berufungsverfahren. Gemäß § 331 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) darf das Berufungsgericht das angefochtene Urteil in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten ändern, wenn ausschließlich der Angeklagte oder sein gesetzlicher Vertreter oder zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel eingelegt hat.

Das bedeutet, wenn nur der Angeklagte Berufung einlegt, darf das Urteil des Berufungsgerichts nicht schlechter ausfallen als das ursprüngliche Urteil. Dieses Prinzip dient dem Schutz des Angeklagten und soll verhindern, dass er durch die Einlegung eines Rechtsmittels in eine schlechtere Position gerät.

Allerdings gibt es eine Ausnahme von diesem Verbot: Wenn auch die Staatsanwaltschaft Berufung zu Ungunsten des Angeklagten einlegt, kann das angefochtene Urteil in beide Richtungen geändert werden. In diesem Fall ist eine Verschlechterung des Urteils für den Angeklagten möglich.

Es ist zu beachten, dass das Verbot der reformatio in peius nur die Rechtsfolgen der Tat betrifft. Eine Änderung des Schuldspruchs bleibt hingegen möglich.

Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass das Verbot der reformatio in peius nicht nur in Berufungsverfahren, sondern auch in anderen Rechtsmittelverfahren, wie z.B. der Revision, Anwendung findet.

Was besagt das Verschlechterungsverbot nach § 331 Abs. 1 StPO in Bezug auf den Schuldspruch?

Das Verschlechterungsverbot nach § 331 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) besagt, dass das Urteil in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden darf, wenn ausschließlich der Angeklagte, sein gesetzlicher Vertreter oder zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt hat. Dieses Verbot bezieht sich jedoch nur auf die Rechtsfolgen der Tat, also auf die Strafart und das Strafmaß, und nicht auf den Schuldspruch selbst.

Das bedeutet, dass das Berufungsgericht zwar den Schuldspruch ändern oder präzisieren kann, aber die Strafe nicht verschärfen darf, wenn nur der Angeklagte Berufung eingelegt hat. Die vom Erstgericht verhängte Strafe stellt somit die Obergrenze dar, die nicht überschritten werden darf. Eine Änderung des Schuldspruchs, die nicht zu einer Verschlechterung der Rechtsfolgen führt, ist hingegen zulässig.


Das vorliegende Urteil

BayObLG – Az.: 202 StRR 98/23 – Beschluss vom 09.01.2024

Es wird festgestellt, dass die Eingabe des Angeklagten vom 23.10.2023 nicht als Revision gegen den Beschluss des Landgerichts Hof vom 23.10.2023 zu behandeln ist.

Gründe

I.

Dem Angeklagten, einem tschechischen Staatsangehörigen, lag in der zugelassenen Anklageschrift ein Verbrechen des schweren Bandendiebstahls gemäß § 244a Abs. 1 i.V.m. 244 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB in Tateinheit mit unerlaubtem Führen verbotener Gegenstände gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.5 zum WaffG zur Last. Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 20.09.2022 wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. In der auf die Berufung des Angeklagten durchgeführten Hauptverhandlung hat das Landgericht mit Beschluss vom 23.10.2023 das Verfahren gegen den Angeklagten, der sich zunächst gegen eine solche Sachbehandlung ausgesprochen hatte, nach mehrfacher Unterbrechung der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung des Vertreters der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt, nachdem der Angeklagte vorher auf die Geltendmachung von Ansprüchen nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen verzichtet hatte. Mit beim Landgericht am 27.10.2023 eingegangenem Schreiben vom 23.10.2023 legte der Angeklagte gegen das „Urteil“ des Landgerichts Hof vom 23. Oktober 2023 „Revision“ ein, die er unter Hinweis auf ein „fehlerhaftes Verfahren“ mit der „Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte“ und der „Verletzung grundlegender Menschenrechte und Freiheiten“ begründete.

II.

Die Eingabe des Betroffenen in seinem Schreiben vom 23.10.2023 ist trotz entsprechender Bezeichnung nicht als Revision, die zweifelsfrei unzulässig wäre, auszulegen, sondern nach dem Rechtsgedanken des § 300 StPO in eine Beschwerde gegen den Beschluss der Berufungskammer vom 23.10.2023, mit dem das Verfahren gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, umzudeuten, über die nicht der Senat, sondern ein Strafsenat bei dem Oberlandesgericht Bamberg zu entscheiden hat.

1. Eine Revision gegen den Einstellungsbeschluss ist unstatthaft. Sie ist gemäß § 333 StPO ausschließlich gegen Urteile der Landgerichte sowie gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Urteile der Oberlandesgerichte zulässig.

2. Trotz der eindeutigen Bezeichnung des Rechtsmittels als „Revision“ ist dieses gemäß § 300 StPO aber in eine Beschwerde umzudeuten.

a) Die ausdrückliche Bezeichnung des Rechtsmittels als „Revision“ durch den Beschwerdeführer als juristischen Laien, der überdies tschechischer Staatsangehöriger und, was schon durch die Hinzuziehung einer Dolmetscherin in der Berufungshauptverhandlung indiziert wird, der deutschen Sprache zumindest nicht hinreichend mächtig ist, steht der Umdeutung nicht im Wege. Denn nach § 300 StPO soll gerade gewährleistet werden, dass der Wille des Beschwerdeführers auf gerichtliche Kontrolle in effektiver Weise umgesetzt wird (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt StPO 66. Aufl. § 300 Rn. 1).

b) Zwar verbietet § 300 StPO die Umdeutung in ein unzulässiges Rechtsmittel (BGH, Beschluss vom 06.06.2016 – 2 ARs 399/15 bei juris = BeckRS 2016, 14599). Jedoch steht dies einer solchen nicht entgegen, weil eine zulässige Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluss des Landgerichts in Betracht kommt.

aa) Gegen die im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse ist gemäß § 304 Abs. 1 Alt. 2 StPO grundsätzlich die Beschwerde statthaft.

bb) Dies gilt auch für die Anfechtung eines Einstellungsbeschlusses nach § 153 Abs. 2 Satz 1 StPO. Die Bestimmung des § 153 Abs. 2 Satz 4 StPO, die den Einstellungsbeschluss für unanfechtbar erklärt, steht dem nicht entgegen. Trotz des Wortlauts dieser Norm ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass auch der gerichtliche Beschluss, mit dem ein Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt wird, nicht jeglicher Anfechtung entzogen ist. Die Vorschrift ist vielmehr einschränkend dahin auszulegen, dass sich die Unanfechtbarkeit allein auf die Ermessensentscheidung bezieht, die Beschwerde für den Angeklagten (und die Staatsanwaltschaft) jedoch dann gegeben ist, wenn eine prozessuale Voraussetzung für die Einstellung fehlte, namentlich dann, wenn das Verfahren ein die Verfahrenseinstellung nach § 153 Abs. 2 StPO hinderndes Verbrechen zum Gegenstand hat (BGH, Urt. v. 22.03.2002 – 4 StR 485/01 = BGHSt 47, 270 = StV 2002, 294 = NJW 2002, 2401 = NStZ 2002, 491 = BGHR StPO vor § 1/Verfahrenshindernis Strafklageverbrauch 4 = JR 2003, 125 = BeckRS 2002, 3727 m.w.N.), was nach Aktenlage nahe liegt.

(a) In der Anklageschrift vom 03.06.2022 lag dem Angeklagten unter anderem ein Verbrechen des schweren Bandendiebstahls gemäß § 244a Abs. 1 i.V.m. 244 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB zur Last.

(b) Allerdings kommt eine Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO trotz des ursprünglichen Verbrechensvorwurfs auch dann in Betracht, wenn dieser entfallen ist, die Tat mithin nur noch unter dem Gesichtspunkt eines Vergehens verfolgbar ist (BGH a.a.O.). Hierfür gibt es indes keine hinreichenden Anhaltspunkte.

(1) Zwar hat das Amtsgericht den Angeklagten lediglich wegen Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1 StGB verurteilt. Aus den Urteilsgründen ergibt sich indes kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, aus welchen Gründen das Erstgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Angeklagte, der immerhin als „Mittäter“ von zwei Mitangeklagten und einer weiteren gesondert verfolgten Person, die nach den Feststellungen im amtsgerichtlichen Urteil übereingekommen waren, sich in der Bundesrepublik Deutschland durch Diebstähle aus Elektromärkten eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Gewicht zu verschaffen, bezeichnet wurde, nicht wegen schweren Bandendiebstahls schuldig gesprochen wurde. Die durch die Beweiswürdigung nicht belegte Erwägung im Rahmen der rechtlichen Würdigung, dass „die notwendige Bandenabrede nicht nachgewiesen werden konnte“, stellt unter Zugrundelegung der Feststellungen des Ersturteils keine nachvollziehbare Begründung dar, die den ursprünglichen Verbrechensvorwurf entfallen ließe. Dies gilt umso mehr, als das vom Amtsgericht zugrunde gelegte Ergebnis auch im Widerspruch zur Beweiswürdigung im Übrigen steht, wonach sich die drei Angeklagten durch die Begehung grenzüberschreitender Diebstähle eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Gewicht erschließen wollten. Ganz offensichtlich hat das Amtsgericht bei seiner Wertung verkannt, dass eine Bandenabrede auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen kann (st.Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 26.10.2023 – 5 StR 257/23 bei juris = BeckRS 2023, 32472; 29.09.2021 – 2 StR 313/20 bei juris = BeckRS 2021, 40957; 16.06.2005 – 3 StR 492/04 = BGHSt 50, 160 = NJW 2005, 2629 = StV 2005, 555 = wistra 2005, 430 = BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr 1 Bande 6 = BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr 1 Bande 7 = NStZ 2006, 174; Beschluss vom 08.11.2022 – 2 StR 102/22 = StV 2023, 474 = NStZ 2023, 683).

(2) Dass die Berufungskammer nach eigener Prüfung aufgrund durchgeführter Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass der Verbrechensvorwurf entfallen sei, ergibt sich weder aus dem Protokoll noch aus dem Einstellungsbeschluss, der bei einer derartigen Verfahrenssituation zumindest einer Begründung dahingehend bedurft hätte, weshalb der ursprüngliche Verbrechensvorwurf nicht mehr aufrechtzuerhalten war.

(3) Der Verbrechensvorwurf war auch nicht etwa wegen des Verschlechterungsverbots nach § 331 Abs. 1 StPO obsolet. Zwar hat allein der Angeklagte gegen die Verurteilung wegen des Vergehens des Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1 StGB Berufung eingelegt. Das Landgericht hätte aber aufgrund seiner Kognitionspflicht den Sachverhalt auch unter dem Gesichtspunkt eines Verbrechens, das weiterhin im Raum stand, aufklären müssen, zumal das Verbot der reformatio in peius sich ausschließlich auf den Rechtsfolgenausspruch bezieht, einer Verschärfung des Schuldspruchs aber von vornherein nicht entgegensteht (st.Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 15.09.2023 – 5 StR 134/23 bei juris = BeckRS 2023, 25926; 01.08.2023 – 5 StR 174/23 = NStZ 2023, 735; 06.06.2023 – 4 StR 85/23 = NStZ-RR 2023, 250).

III.

Die weitere Sachbehandlung obliegt aus den dargelegten Gründen zunächst dem Landgericht Hof.

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