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Vorsätzliche Körperverletzung – Verhängung kurzer Freiheitsstrafe

OLG Hamm – Az.: III-1 RVs 58/19 – Beschluss vom 22.08.2019

Das angefochtene Urteil wird im Strafausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Dortmund hat den Angeklagten am 11.08.2017 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft (die erfolglos gebliebene Berufung des Angeklagten hat im Tenor des landgerichtlichen Urteils keine Berücksichtigung gefunden) hat das Landgericht Dortmund den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer – nicht zur Bewährung ausgesetzten – Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte, der zuvor bereits am 13.11.2015 (rechtskräftig seit dem 25.05.2016) vom Amtsgericht Dortmund wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer zur Bewährung ausgesetzten achtmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, am 19.08.2016 in seiner Wohnung gegenüber einem Bekannten im Anschluss an Diskussionen über das Fernsehprogramm und einen verbalen Schlagabtausch „ohne erkennbaren Anlass“ zunächst geäußert, dass er ihm „ein paar auf die Fresse geben werde“, da der Angeklagte meinte, dass der Bekannte ihn  und seine Eltern beleidigt habe. „Plötzlich und unvermittelt“ stand der Angeklagte sodann vom Sofa auf und ging dann auf seinen Bekannten zu, der sich in Anbetracht der bedrohlichen Haltung des Angeklagten ebenfalls aufgerichtet hatte. Ohne (bzw. angesichts der vorherigen Androhung von Schlägen: ohne weitere) Ankündigung schlug und trat der Angeklagte dann auf seinen Bekannten ein, den er anschließend in Richtung Wohnungstür zog und schließlich aus seiner Wohnung in den Hausflur beförderte.

Vorsätzliche Körperverletzung - Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe
(Symbolfoto: Von Syda Productions/Shutterstock.com)

Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass der Geschädigte keine gravierenden Verletzungsfolgen erlitten hat, eine medizinische Behandlung nicht erforderlich war und der Angeklagte mehrere Schläge in das Gesicht des Geschädigten eingeräumt hatte; zu Lasten des Angeklagten wirkte sich aus, dass er bereits einschlägig in Erscheinung getreten war und unter laufender Bewährung stand. Zur Begründung der Notwendigkeit einer kurzen Freiheitsstrafe von vier Monaten hat das Landgericht ausgeführt, dass diese im Sinne des § 47 Abs. 1 StGB unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten und der Umstände der Tat unerlässlich sei, um auf den Angeklagten einzuwirken. Wie bereits bei seiner ersten Verurteilung vom 13.11.2015 habe der Angeklagte durch einen plötzlichen, unvermittelten und grundlosen körperlichen Angriff eine Person an der Gesundheit geschädigt und körperlich misshandelt bzw. unvermittelt und ohne jeglichen Anlass körperliche Gewalt gegen sein Opfer angewandt. Der Geschädigte habe vorliegend nicht mit einem Angriff auf seine Person gerechnet und sei trotz ausgebliebener Gegenwehr grundlos mit mehreren Schlägen und Tritten attackiert worden. Diese – wiederholte – Vorgehensweise sowie die zur Überzeugung der Kammer feststehende leichte Reizbarkeit und der damit einhergehende Kontrollverlust des Angeklagten ließen nur den Schluss zu, die Notwendigkeit der Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung auszusprechen, auch wenn der Angeklagte seit dieser Tat strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten sei.

Gegen das Urteil des Landgerichts wendet sich der Angeklagte mit der Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Revision der Angeklagten ist zulässig und hat im Hinblick auf den Rechtsfolgenausspruch – im Übrigen ist die Revision offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO – mit der Sachrüge vorläufig Erfolg. Im Umfang der Aufhebung war die Sache nach § 354 Abs. 2 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen.

Der Rechtsfolgenausspruch hält der rechtlichen Nachprüfung bereits insofern nicht stand, als die Erforderlichkeit einer kurzen Freiheitsstrafe im Sinne des § 47 StGB maßgeblich damit begründet worden ist, dass der Angeklagte gegenüber dem Geschädigten „grundlos“ bzw. „ohne jeglichen Anlass“ tätlich geworden sei, und somit das Fehlen von Strafmilderungsgründen in unzulässiger Weise strafschärfend berücksichtigt wurde. Zumal die weitere Erwägung, dass der Angeklagte die Tat plötzlich bzw. unvermittelt begangen und der Geschädigte nicht mit einem Angriff gerechnet habe, insofern eine gewisse Relativierung erfährt, als der Angeklagte dem Geschädigten  im Anschluss an einen verbalen Schlagabtausch zunächst „ein paar auf die Fresse“ angedroht hatte, kann der Senat nicht ausschließen, dass die Kammer ohne die strafschärfende Berücksichtigung der objektiven Grundlosigkeit der abgeurteilten Tat (Anlass war für den Angeklagten nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils eine vermeintliche Beleidigung von ihm und seinen Eltern) hinsichtlich der Erforderlichkeit einer kurzen Freiheitsstrafe zu einer für den Angeklagten milderen Beurteilung gelangt wäre.

Zwar könnte hiergegen das zügige Bewährungsversagen des Angeklagten sprechen, der die vorliegend abgeurteilte Tat bereits knapp drei Monate nach der Rechtskraft seiner ersten Verurteilung begangen hatte; doch auch dieser Aspekt genügt nicht, um ein Beruhen des Strafausspruchs auf dem vorgenannten Rechtsfehler mit der erforderlichen Gewissheit auszuschließen, insbesondere da der Angeklagte – wie die Strafkammer in diesem Zusammenhang selbst angeführt hat -, seit der vorliegenden Tat bis zur Berufungsverhandlung, also über nahezu zwei Jahre und vier Monate strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist. Vor diesem Hintergrund führen auch die Ausführungen zur von der Strafkammer angenommenen leichten Reizbarkeit und dem damit einhergehenden Kontrollverlust des Angeklagten zu keinem anderen Ergebnis, da trotz der diesbezüglichen vermeintlichen Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten bislang lediglich zwei und zudem geraume Zeit (bezogen auf den Zeitpunkt der Berufungsverhandlung: vier Jahre sowie knapp zwei Jahre und vier Monate) zurückliegende strafrechtlich relevante Vorfälle zu verzeichnen sind, was hinsichtlich der vorliegenden Tat die Unerlässlichkeit einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Angeklagten zumindest nicht ohne weiteres belegt.

Schließlich ergibt sich die Notwendigkeit der Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe hier auch nicht unter dem im angefochtenen Urteil ohne nähere Begründung überdies angeführten Aspekt der Verteidigung der Rechtsordnung, der nämlich die Verhängung einer Freiheitsstrafe nur dann unerlässlich erscheinen ließe, wenn ein Verzicht auf selbige im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalles für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts und in den Schutz der Rechtsordnung vor kriminellen Angriffen dadurch erschüttert werden könnte (vgl. Kinzig in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 47 Rn. 14 m.w.N.).

Somit war das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den hierzu getroffenen Feststellungen aufzuheben und die Sache insofern zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen, die auch über die Kosten der Revision zu befinden hat.

III.

Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich zum einen darauf hin, dass im Falle der erneuten Verhängung einer Freiheitsstrafe auch bei der Prüfung einer Strafaussetzung zur Bewährung die erneute Berücksichtigung der Grundlosigkeit bzw. des nichtigen Anlasses für die vorliegende Tat zu Lasten des Angeklagten aus den vorgenannten Gründen rechtsfehlerhaft wäre.

Zum anderen erschiene es dem Senat rechtlich bedenklich, die Versagung einer Strafaussetzung erneut maßgeblich darauf zu stützen, dass der Angeklagte weder über stabile familiäre Bindungen noch über eine berufliche Perspektive verfüge, obwohl insofern zumindest bislang kein konkreter Zusammenhang zu den beiden vom Angeklagten in den Jahren 2014 und 2016 begangenen Körperverletzungsdelikten erkennbar ist. Auch dürfte es gerade bei der Erörterung einer Strafaussetzung zur Bewährung (und nicht nur – wie im angefochtenen Urteil – im Zusammenhang mit § 47 StGB) erforderlich sein, den Umstand zu würdigen, dass bzw. falls der Angeklagte seit der verfahrensgegenständlichen Tat über geraume Zeit strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten sein sollte.

 

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