Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Streit um die Schulanmeldung: Wenn Behördenpost zur Drohkulisse wird
- Was war passiert? Von der versäumten Schulanmeldung zum bedrohlichen Schreiben
- Der Weg durch die Instanzen: Vom Amtsgericht zum Landgericht
- Die Kernfrage vor dem Landgericht: Erpressung oder Nötigung einer Beamtin?
- Die Entscheidung des Landgerichts: Eine andere Straftat und eine angepasste Strafe
- Warum entschied das Landgericht so? Die richterliche Spurensuche und Bewertung
- Die Festsetzung der Strafe: Wie das Gericht zu 60 Tagessätzen kam
- Die Kosten des Verfahrens: Wer zahlt was?
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was passiert, wenn ich versuche, behördliche Entscheidungen oder Pflichten durch Drohungen oder Druck auf Amtsträger zu verhindern?
- Was genau bedeutet der Straftatbestand der Nötigung im Zusammenhang mit Amtsträgern und warum ist er so relevant?
- Mit welchen strafrechtlichen Folgen muss ich rechnen, wenn ich versuche, Amtsträger durch Drohungen zu beeinflussen?
- Ist es zulässig, die Legitimität von Behörden oder Beamten zu hinterfragen, um einer amtlichen Anordnung oder einem Bußgeldbescheid zu entgehen?
- Worin liegt der Unterschied zwischen Nötigung und Erpressung, wenn es darum geht, die Zahlung einer Geldbuße zu vermeiden?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 6 Cs 10 Js 6469/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: LG Deggendorf
- Datum: 03.07.2024
- Aktenzeichen: 2 NBs 10 Js 6469/23
- Verfahrensart: Strafsache (Berufungsverfahren)
- Rechtsbereiche: Strafrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Die Staatsanwaltschaft, welche die ursprünglichen Vorwürfe erhob und ebenfalls Berufung einlegte.
- Beklagte: Eine verheiratete Hausfrau und Mutter, gegen die ein Bußgeldbescheid erlassen wurde und die mit einem Schreiben versuchte, dessen Vollstreckung zu verhindern.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Die Angeklagte meldete ihre Tochter nicht fristgerecht an der Schule an, woraufhin das Landratsamt einen Bußgeldbescheid erließ. Um die Vollstreckung zu verhindern, übersandte die Angeklagte ein Schreiben an eine beteiligte Beamtin, in dem sie notarielle Nachweise der amtlichen Legitimation forderte und andernfalls mit hohen privaten Pfandrechten und deren Veröffentlichung drohte.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob das Vorgehen der Angeklagten als versuchte Erpressung oder versuchte Nötigung zu werten ist. Dies betraf die Abgrenzung zwischen einem Vermögensdelikt und einem Delikt gegen die persönliche Freiheit, wenn Amtsträger mit unbegründeten Forderungen und Drohungen zur Verhinderung eines behördlichen Verfahrens unter Druck gesetzt werden.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Landgericht Deggendorf änderte den Schuldspruch von versuchter Erpressung zu versuchter Nötigung ab. Die Geldstrafe wurde auf 60 Tagessätze zu je 30 Euro festgelegt, und Ratenzahlung wurde bewilligt. Im Übrigen wurden die Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft verworfen.
- Begründung: Das Gericht begründete die Änderung damit, dass die Erpressung ein Vermögensdelikt ist, die Entziehung einer Geldbuße jedoch keine Vermögensbereicherung darstellt. Stattdessen lag eine versuchte Nötigung vor, da die Angeklagte die Beamtin durch Drohung mit erheblichen finanziellen Forderungen und deren Veröffentlichung zu einer pflichtwidrigen Einstellung des Bußgeldverfahrens zwingen wollte.
- Folgen: Das Bußgeldverfahren wurde nicht eingestellt; stattdessen wurde der Vorgang der Schulaufsicht an das Jugendamt übergeben, was zu einem Teilentzug der elterlichen Sorge für die Tochter führte. Die Angeklagte wurde zur Zahlung einer Geldstrafe wegen versuchter Nötigung verurteilt.
Der Fall vor Gericht
Streit um die Schulanmeldung: Wenn Behördenpost zur Drohkulisse wird
Viele Eltern kennen es: Die Schulanmeldung für das eigene Kind steht an, ein wichtiger Schritt im Leben der Familie. Normalerweise ein Routinevorgang, doch was passiert, wenn man dieser Pflicht nicht nachkommt? Dann flattert oft ein offizielles Schreiben ins Haus, ein sogenannter Bußgeldbescheid – eine Mitteilung der Behörde, dass man wegen eines Regelverstoßes eine Geldbuße, also eine Geldstrafe, zahlen soll. Meistens wird das Bußgeld bezahlt oder man legt Widerspruch ein. Doch ein Fall vor dem Landgericht Deggendorf zeigt, wie eine solche Situation eskalieren kann, wenn versucht wird, Beamte mit massiven Drohungen einzuschüchtern.
Was war passiert? Von der versäumten Schulanmeldung zum bedrohlichen Schreiben

Im Mittelpunkt des Geschehens stand eine verheiratete Hausfrau und Mutter zweier Töchter, hier „die Angeklagte“ genannt. Sie hatte ihre ältere Tochter nicht rechtzeitig bis zum Stichtag am 29. März 2023 an der zuständigen Grundschule X. angemeldet. Dazu wäre sie aber als Erziehungsberechtigte (also als Person, die für die Erziehung des Kindes verantwortlich ist) gesetzlich verpflichtet gewesen. Die Folge dieses Versäumnisses: Das Landratsamt D. schickte ihr am 26. Mai 2023 einen Bußgeldbescheid über 200 Euro, zuzüglich Gebühren und Auslagen. Ausgestellt wurde dieser Bescheid von Frau Dr. B., einer Regierungsdirektorin (einer höheren Beamtin in der Verwaltung) des Landratsamtes.
Die Vorgeschichte: Ein „unpassender“ Besuch und ein schwieriges Telefonat
Schon bevor der Bußgeldbescheid verschickt wurde, gab es Kontaktversuche. Die Schulleiterin der Grundschule X. hatte die Angeklagte persönlich besucht, was diese als „unpassend“ empfand. Auch Frau Dr. B. selbst rief die Angeklagte an. Sie versuchte, die Situation zu klären und wies die Mutter darauf hin, dass sie ihre Tochter ja auch erst einmal anmelden und später, falls eine andere Schule gefunden würde, wieder abmelden könne. Doch die Angeklagte zeigte sich wenig kooperativ. Sie erklärte, ihr Kind solle zu Hause bleiben und keine staatliche Schule besuchen. Immer wieder fragte sie im Telefonat nach rechtlichen Grundlagen und der Anwendbarkeit von Vorschriften – ein Verhalten, das Frau Dr. B. an die sogenannte „Reichsbürger-Szene“ erinnerte. In diesem Gespräch kündigte die Angeklagte bereits an, sie werde die Einstellung eines möglichen Bußgeldverfahrens beantragen. Zweifel an der amtlichen Legitimation (dem offiziellen Nachweis der Berechtigung, im Namen einer Behörde zu handeln) von Frau Dr. B. äußerte sie zu diesem Zeitpunkt aber nicht.
Das Schreiben der Angeklagten: Forderungen und massive Drohungen
Nachdem der Bußgeldbescheid bei ihr eingetroffen war, verfasste die Angeklagte ein Schreiben vom 7. Juni 2023, adressiert direkt an Frau Dr. B. Dieses Schreiben hatte es in sich. Die Angeklagte bezeichnete sich darin als „Mensch mit Natürlicher Person entspr. § 1 des staatlichen BGB, Stand 1896“ und unterzeichnete mit seltsam anmutenden Zusätzen wie „without prejudice UCC 1-308 Alle Rechte vorbehalten“. Solche Formulierungen sind oft in Kreisen zu finden, die die Legitimität des deutschen Staates anzweifeln. Den Bußgeldbescheid nannte sie ein „Angebot“ und erklärte, dieses unter bestimmten Bedingungen anzunehmen.
Welche Bedingungen waren das? Frau Dr. B. sollte innerhalb von 21 Tagen unter Eid und mit unbeschränkter Haftung diverse Nachweise erbringen: ihre amtliche Legitimation, die Übertragung von Rechten zu hoheitlichen Handlungen (Aufgaben, die nur der Staat oder seine Vertreter ausüben dürfen) und ihre Vereidigung (ein förmliches Versprechen auf einen Staat), alles in notariell beglaubigter Form (von einem Notar offiziell bestätigt). Sogar notariell beglaubigte Gründungsurkunden des Staates, des Bundeslandes und des Regierungspräsidiums forderte sie.
Was aber, wenn diese Nachweise nicht kämen? Für diesen Fall drohte die Angeklagte mit drastischen Konsequenzen. Dann würde sie davon ausgehen, dass Frau Dr. B. und ihre Behörde „privat- und vertragsrechtlich“ als Unternehmen handeln würden. Viel schwerwiegender war jedoch die Drohung, dass die Nichterfüllung der Forderungen als Zustimmung zu einem privaten, kommerziellen Pfandrecht (dem Recht, einen Geldbetrag als Sicherheit für eine Forderung zu nutzen) in Höhe von 700.000 Euro gegenüber Frau Dr. B. persönlich und 7 Millionen Euro gegenüber ihrer Behörde gelten würde. Dieses Pfandrecht würde dann in einem internationalen Schuldnerverzeichnis (einer Liste von Personen oder Firmen, die Schulden nicht bezahlt haben) und in „Freien Medien“ veröffentlicht werden. Zudem sollten Frau Dr. B. und die Behörde auf jegliche rechtliche Gegenwehr verzichten.
Die Angeklagte wollte mit diesem Schreiben erreichen, dass Frau Dr. B. die Vollstreckung (die zwangsweise Durchsetzung) der Geldbuße nicht weiterverfolgt und sie selbst das Geld nicht zahlen muss. Ihr war dabei klar, dass die angedrohten Schadensersatzansprüche keine rechtliche Grundlage hatten. Sie nahm billigend in Kauf, dass die Einstellung des Bußgeldverfahrens pflichtwidrig (gegen bestehende Pflichten verstoßend) gewesen wäre und sie durch die Drohung mit persönlicher Haftung unzulässigen Druck auf eine Amtsträgerin (eine Person, die öffentliche Aufgaben wahrnimmt) ausübte.
Der Weg durch die Instanzen: Vom Amtsgericht zum Landgericht
Der Plan der Angeklagten ging jedoch nicht auf. Das Bußgeldverfahren wurde nicht eingestellt. Stattdessen landete der Fall über die Staatsanwaltschaft (die Behörde, die Straftaten verfolgt) beim Amtsgericht Deggendorf (einem Gericht für weniger schwere Fälle). Dieses Gericht sprach die Angeklagte am 27. Dezember 2023 der versuchten Erpressung schuldig und verurteilte sie zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen (eine Strafe, bei der die Anzahl der „Tagessätze“ und die Höhe eines Satzes, basierend auf dem Einkommen, festgelegt wird) zu je 20 Euro.
Gegen dieses Urteil legte die Angeklagte ein Rechtsmittel ein, das formal als Revision (Überprüfung auf Rechtsfehler) bezeichnet wurde, aber vom Gesetz her als Berufung (Überprüfung auf Rechts- und Tatsachenfehler mit ggf. neuer Beweisaufnahme) zu behandeln war. Auch die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein, allerdings nur bezogen auf das Strafmaß (die Höhe der Strafe). So kam der Fall vor das Landgericht Deggendorf.
Die Kernfrage vor dem Landgericht: Erpressung oder Nötigung einer Beamtin?
Das Landgericht musste nun eine zentrale juristische Frage klären: Hatte sich die Angeklagte tatsächlich einer versuchten Erpressung schuldig gemacht, wie das Amtsgericht meinte? Oder war ihr Verhalten anders einzuordnen, nämlich als versuchte Nötigung? Hier ging es insbesondere um die feine Linie zwischen einem Vermögensdelikt (einer Straftat gegen das Vermögen) wie der Erpressung und einem Delikt gegen die persönliche Freiheit, wie es die Nötigung darstellt. Besonders heikel war die Frage, wie das Verhalten zu bewerten ist, wenn Amtsträger mit haltlosen Forderungen unter Druck gesetzt werden, um sie von der Durchführung eines behördlichen Verfahrens abzuhalten.
Die Entscheidung des Landgerichts: Eine andere Straftat und eine angepasste Strafe
Das Landgericht Deggendorf kam zu einem anderen Ergebnis als die Vorinstanz. Es änderte das Urteil des Amtsgerichts ab:
Im Schuldspruch (dem Teil des Urteils, der die Straftat benennt) wurde die Angeklagte nun der versuchten Nötigung schuldig gesprochen.
Im Rechtsfolgenausspruch (dem Teil, der die Strafe festlegt) wurde sie deshalb zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt. Ihr wurde erlaubt, die Strafe in monatlichen Raten zu zahlen.
Die Berufungen wurden im Übrigen, also in den Punkten, wo keine Änderung erfolgte, verworfen. Das Urteil ist damit rechtskräftig (endgültig und nicht mehr anfechtbar).
Warum entschied das Landgericht so? Die richterliche Spurensuche und Bewertung
Aber wie kam das Landgericht zu dieser Entscheidung? Um das zu verstehen, müssen wir uns die Begründung genauer ansehen.
Wer ist die Angeklagte? Ein Blick auf die persönlichen Verhältnisse
Das Gericht stellte zunächst die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten fest. Sie ist verheiratet, Hausfrau und hat zwei kleine Töchter. Sie hat einen Schulabschluss und eine abgeschlossene Berufsausbildung. Wichtig für das Strafmaß: Sie war bisher nicht vorbestraft, was im Bundeszentralregister (einem Register für Vorstrafen) vermerkt ist. Ihr Ehemann ist berufstätig und verdient zwischen 2.000 und 3.000 Euro netto im Monat. Die Angeklagte selbst erhält Geld von ihrem Mann, Kindergeld und weitere staatliche Leistungen. Schulden hat sie keine.
Was das Gericht als erwiesen ansah: Die Rekonstruktion des Geschehens
Die Feststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen – also zur versäumten Schulanmeldung und dem bedrohlichen Schreiben – stützten sich auf die Aussagen der Angeklagten in der Hauptverhandlung (dem Kernstück des Gerichtsverfahrens), die Aussage der Zeugin Frau Dr. B. und die verlesenen Schriftstücke. Die Angeklagte gab zu, ihre Tochter nicht angemeldet und das Schreiben verschickt zu haben. Sie behauptete aber, das Schreiben aus dem Internet heruntergeladen zu haben, um sich abzusichern, dass Frau Dr. B. eine echte Amtsperson sei. Sie sei von vielen falschen Schreiben angeblicher Behördenmitarbeiter ausgegangen und habe keine „Reichsbürgerin“ sein wollen.
Wie das Gericht die Aussagen bewertete: Warum die Erklärung der Angeklagten nicht überzeugte
Das Gericht glaubte dieser Darstellung der Angeklagten jedoch nicht. Es wertete ihre Behauptung, sie habe nur Zweifel an der amtlichen Legitimation von Frau Dr. B. gehabt, als reine Schutzbehauptung (eine Ausrede, um sich vor Strafe zu schützen). Die Richter waren vielmehr überzeugt, dass die Angeklagte staatliche Institutionen ablehnt und mit Schreiben reagiert, die typisch für die „Reichsbürger“-Szene sind. Warum diese Einschätzung? Die Art, wie sich die Angeklagte im Schreiben selbst bezeichnete („Mensch mit Natürlicher Person…“, „…aus dem Hause n.“) und die seltsame Unterschrift mit dem Zusatz „without prejudice UCC 1-308“ seien typische Elemente solcher Schreiben. Auch die Forderung nach notariell beglaubigten Gründungsurkunden des Staates und die Drohung mit privatrechtlicher Haftung, weil die Behörde als Firma angesehen werde, passten ins Bild dieser Ideologie. Hätte sie wirklich nur die Legitimation prüfen wollen, so das Gericht, wäre der restliche Inhalt des Schreibens völlig überflüssig gewesen.
Die Aussage der Zeugin Frau Dr. B. stützte diese Sicht. Frau Dr. B. schilderte das schwierige Telefonat vor Erlass des Bußgeldbescheids, in dem die Angeklagte bereits die Einstellung eines Bußgeldverfahrens angekündigt, aber keine Zweifel an ihrer Legitimation als Beamtin geäußert hatte. Frau Dr. B. bestätigte, dass das Schreiben der Angeklagten Druck aufbauen sollte, um die Rücknahme des Bußgeldbescheids zu erreichen. Die angedrohte Summe von 700.000 Euro sei sehr hoch und der Umgang mit solcher Klientel allgemein sehr belastend. Das Gericht schloss daraus: Die Angeklagte wusste genau, dass Frau Dr. B. eine Beamtin war, und wollte sie durch die Drohung mit dem enormen Pfandrecht zur pflichtwidrigen Aufhebung des Bescheids zwingen.
Die juristische Feinabstimmung: Warum es keine Erpressung war
Nun zur entscheidenden juristischen Frage: Warum wurde aus der versuchten Erpressung eine versuchte Nötigung? Die Erpressung nach § 253 Absatz 1 des Strafgesetzbuches (StGB) ist, wie bereits erwähnt, ein Vermögensdelikt. Das bedeutet, der Täter muss die Absicht haben, sich oder einem anderen einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, und dem Opfer muss ein Vermögensnachteil entstehen. Die Angeklagte wollte sich der Zahlung der Geldbuße entziehen. Ist das ein solcher Vermögensvorteil?
Das Gericht sagte: Nein. Eine Geldbuße, ähnlich wie eine Strafe, diene nicht dazu, das Vermögen des Staates zu mehren. Sie habe vielmehr einen repressiven Charakter (bestrafenden Charakter) und diene der Durchsetzung des Ordnungssystems. Sich einer solchen Zahlung zu entziehen, sei daher keine „Bereicherung“ im Sinne des Erpressungstatbestands. Hier bezog sich das Gericht auf eine ältere Entscheidung eines anderen Obergerichts. Deshalb war der ursprüngliche Schuldspruch wegen versuchter Erpressung falsch und musste korrigiert werden.
Der Knackpunkt Nötigung: Druck auf eine Amtsträgerin
Stattdessen sah das Gericht den Tatbestand der versuchten Nötigung gemäß §§ 240 Absatz 1 und 3, 22, 23 StGB als erfüllt an. Eine Nötigung begeht, wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel (einem Nachteil, der so erheblich ist, dass ein besonnener Mensch nachgeben würde) zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingt. Der Versuch ist ebenfalls strafbar, auch wenn er – wie hier – nicht zum Erfolg führt, weil das Opfer sich nicht einschüchtern lässt (ein sogenannter untauglicher Versuch, der nach § 23 Absatz 3 StGB strafbar ist).
Die Angeklagte hatte nach Überzeugung des Gerichts den festen Willen (Tatentschluss) zur Nötigung. Sie wollte Frau Dr. B. durch die Drohung mit den hohen Pfandrechten und deren Veröffentlichung (ein empfindliches Übel) dazu bringen, das Bußgeldverfahren nicht weiter zu betreiben – also zu einer pflichtwidrigen Unterlassung. Damit hatte sie unmittelbar zur Tat angesetzt (Handlungen vorgenommen, die direkt zur Tat führen sollten), und der Versuch war beendet (sie hatte alles getan, was sie für nötig hielt).
Entscheidend für die Strafbarkeit der Nötigung ist auch die sogenannte Verwerflichkeit. Das bedeutet, das Mittel (die Drohung) oder der Zweck (die angestrebte Handlung) oder die Verknüpfung von beidem muss moralisch oder rechtlich in besonderem Maße zu missbilligen sein. Nötigungshandlungen gegenüber Amtsträgern, so das Gericht, sind grundsätzlich als verwerflich anzusehen, wenn sie – wie hier – dazu dienen sollen, eine rechtswidrige Diensthandlung zu erzwingen. Denn die Freiheit amtlicher Entschließungen müsse gesichert sein. Frau Dr. B. war unzweifelhaft eine Amtsträgerin im Sinne des Gesetzes (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a StGB).
Die Festsetzung der Strafe: Wie das Gericht zu 60 Tagessätzen kam
Nachdem die Schuldfrage geklärt war, ging es um die Höhe der Strafe.
Was für und was gegen die Angeklagte sprach
Das Gericht orientierte sich am Strafrahmen des § 240 Absatz 1 StGB, der für Nötigung eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vorsieht. Da es sich um einen Versuch handelte, nutzte das Gericht die Möglichkeit einer fakultativen Strafmilderung (einer möglichen, aber nicht zwingenden Strafherabsetzung). Zu Gunsten der Angeklagten wertete das Gericht, dass sie zumindest zugegeben hatte, das Schreiben verschickt zu haben, und dass sie nicht vorbestraft war. Zu ihren Lasten fiel ins Gewicht, dass sie den Druck auf die Beamtin durch die Androhung gleich mehrerer empfindlicher Übel (Pfandrechte und Veröffentlichung) erhöht hatte, obwohl ein Übel gereicht hätte. Nach Abwägung aller Umstände hielt das Gericht eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen (der Schwere der Tat und der Schuld entsprechend).
Die Berechnung der Tagessatzhöhe: Ein Blick ins Portemonnaie
Die Tagessatzhöhe wurde auf 30 Euro festgesetzt. Wie kommt man darauf? Das Gericht berücksichtigte das Einkommen des Ehemannes und die eigenen Einkünfte der Angeklagten. Aus dem gemeinsamen Familieneinkommen wurde nach dem Halbteilungsgrundsatz (einer gedanklichen Teilung des Einkommens bei Ehegatten) ihr Anteil ermittelt. Davon wurde ein Abschlag für den Unterhalt eines Kindes gemacht. Das verbleibende Einkommen, geteilt durch 30 (Tage eines Monats), ergab dann gerundet die Tagessatzhöhe von 30 Euro. Die Gesamtstrafe betrug somit 60 Tagessätze mal 30 Euro = 1800 Euro. Interessanterweise war dies exakt dieselbe Gesamtsumme wie im ersten Urteil (90 Tagessätze mal 20 Euro = 1800 Euro), nur anders zusammengesetzt. Da die Angeklagte den Betrag nicht sofort zahlen konnte, wurde ihr Ratenzahlung (§ 42 StGB) in monatlichen Raten von 100 Euro bewilligt.
Die Kosten des Verfahrens: Wer zahlt was?
Zuletzt musste das Gericht noch über die Kosten des Berufungsverfahrens entscheiden. Dies regelt § 473 der Strafprozessordnung (den Verfahrensregeln für Strafsachen). Da die Angeklagte mit ihrer Berufung teilweise erfolgreich war (der Schuldspruch wurde geändert und die Anzahl der Tagessätze reduziert, wenn auch nicht die Gesamthöhe der Geldstrafe), musste sie nur einen Teil der Kosten ihrer eigenen Berufung tragen (2/3), und ihre Berufungsgebühr wurde ermäßigt. Die Kosten der Berufung der Staatsanwaltschaft, die nur eine Erhöhung der Tagessatzhöhe, aber nicht der Gesamtstrafe erreichte, musste die Staatskasse (die öffentlichen Finanzen) tragen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt deutlich, dass Eltern ihre Schulanmeldepflicht ernst nehmen müssen und Behördenpost nicht mit Drohungen bekämpfen sollten. Wer Beamte mit erfundenen Geldforderungen unter Druck setzt, um Bußgelder zu vermeiden, macht sich strafbar – selbst wenn die Drohungen rechtlich völlig haltlos sind. Das Gericht machte klar, dass typische „Reichsbürger“-Methoden wie die Anzweiflung staatlicher Legitimation oder das Erfinden von Pfandrechten nicht nur unwirksam sind, sondern zu einer Geldstrafe führen können. Besonders wichtig: Bereits der Versuch einer solchen Nötigung ist strafbar, auch wenn die Behörde sich nicht einschüchtern lässt und das Bußgeldverfahren normal weiterführt.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was passiert, wenn ich versuche, behördliche Entscheidungen oder Pflichten durch Drohungen oder Druck auf Amtsträger zu verhindern?
Wenn Sie versuchen, behördliche Entscheidungen oder die Erfüllung gesetzlicher Pflichten durch Drohungen, Einschüchterung oder Druck auf Amtsträger zu verhindern, handelt es sich hierbei nicht nur um ein unzulässiges Vorgehen, sondern um eine schwerwiegende Straftat. Solche Handlungen können weitreichende rechtliche Konsequenzen haben, die weit über die ursprüngliche behördliche Angelegenheit hinausgehen.
Was bedeutet „Nötigung von Amtsträgern“?
Der Versuch, behördliche Abläufe durch Druck zu beeinflussen, fällt oft unter den Straftatbestand der Nötigung. Im Strafgesetzbuch ist die Nötigung als die Handlung beschrieben, bei der eine Person eine andere Person rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingt. Im Kontext mit Amtsträgern geht es darum, dass Sie versuchen, diese von ihrer gesetzlich vorgesehenen Arbeit abzuhalten oder zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen.
Amtsträger sind Personen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Dazu gehören beispielsweise Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Meldeämtern, Ordnungsämtern, Jugendämtern, aber auch Polizistinnen und Polizisten oder Steuerbeamtinnen und -beamte. Wenn Sie versuchen, solche Personen bei der Ausübung ihrer Pflichten durch Drohungen oder Druck zu behindern, richten sich Ihre Handlungen gegen das staatliche Handeln und die öffentliche Ordnung.
Welche Konsequenzen können solche Handlungen haben?
Die strafrechtlichen Konsequenzen hängen von der genauen Art und Intensität der Drohung oder des ausgeübten Drucks ab. Im Falle einer Verurteilung wegen Nötigung können Geldstrafen oder sogar Freiheitsstrafen verhängt werden. Stellen Sie sich vor, Sie versuchen durch wiederholte Drohanrufe oder direkte Einschüchterung im Büro eine Schulanmeldung zu verhindern oder die Zahlung eines Bußgeldes abzuwenden – diese Handlungen können eine eigene, unabhängige strafrechtliche Verfolgung nach sich ziehen.
Wichtig ist zu verstehen, dass solche Handlungen keine Auswirkungen auf die ursprüngliche behördliche Entscheidung oder die gesetzliche Pflicht haben. Das bedeutet, dass Sie die Schulanmeldung trotzdem vornehmen müssen oder das Bußgeld weiterhin zu zahlen ist. Zusätzlich kommen dann die strafrechtlichen Folgen für die Nötigung hinzu. Der Staat schützt seine Amtsträger und die ordnungsgemäße Durchführung von Gesetzen.
Was genau bedeutet der Straftatbestand der Nötigung im Zusammenhang mit Amtsträgern und warum ist er so relevant?
Der Straftatbestand der Nötigung ist ein zentrales Konzept im deutschen Strafrecht und schützt die Handlungsfreiheit jedes Einzelnen. Er wird dann relevant, wenn jemand einen anderen rechtswidrig dazu zwingt, etwas zu tun, zu dulden oder zu unterlassen.
Was ist Nötigung?
Im Kern bedeutet Nötigung, dass jemand durch Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel eine Person zu einem Verhalten drängt, das diese Person nicht möchte. Stellen Sie sich vor, jemand blockiert Ihnen den Weg, um Sie dazu zu zwingen, eine bestimmte Nachricht zu überbringen – das wäre eine Form von Nötigung.
- Gewalt kann dabei körperlicher Zwang sein, aber auch psychologischer Druck, der die Entscheidungsfreiheit einer Person erheblich einschränkt.
- Eine Drohung mit einem empfindlichen Übel bedeutet, dass eine negative Folge in Aussicht gestellt wird, die den Betroffenen so stark beeinflusst, dass er seinen Willen nicht frei bilden kann. Dies könnte zum Beispiel die Drohung sein, jemandem körperlichen Schaden zuzufügen oder wichtige Besitztümer zu zerstören.
Wichtig ist das Merkmal der Rechtswidrigkeit. Das bedeutet, dass der Zwang unzulässig sein muss. Nicht jede Form von Druck ist gleich Nötigung. Wenn beispielsweise ein Gericht einen säumigen Schuldner zur Zahlung zwingt, ist dies rechtmäßig und keine Nötigung.
Die besondere Relevanz bei Amtsträgern und das Merkmal der Verwerflichkeit
Der Schutz von Amtsträgern wie Polizisten, Richtern, Staatsanwälten oder Mitarbeitern von Behörden spielt eine besondere Rolle. Der Staat und seine Vertreter müssen ihre Aufgaben unabhängig und ohne Druck erfüllen können. Wenn jemand versucht, einen Amtsträger durch Gewalt oder Drohung bei seinen hoheitlichen Aufgaben zu beeinflussen, ist dies nicht nur eine Nötigung des Einzelnen, sondern greift auch die Handlungsfähigkeit des Staates an.
Es geht darum, dass Entscheidungen und Handlungen, die im Namen des Staates getroffen werden, nicht durch illegitime Druckmittel erzwungen oder verhindert werden dürfen. Ein Beispiel wäre die Drohung gegenüber einem Polizisten, ihn anzugreifen, damit er eine Verkehrskontrolle abbricht. Solche Handlungen werden besonders streng verfolgt, weil sie die Funktionsfähigkeit unserer staatlichen Ordnung gefährden.
Ein weiteres entscheidendes Merkmal ist die Verwerflichkeit der Nötigung. Das bedeutet, dass die Art und Weise, wie der Zwang ausgeübt wird, oder der Zweck, der damit erreicht werden soll, moralisch oder gesellschaftlich besonders anstößig ist. Es geht nicht nur darum, dass Gewalt oder Drohung eingesetzt wird, sondern ob die Kombination aus Mittel und Zweck in der konkreten Situation als besonders verwerflich angesehen wird. Wenn also jemand einen Amtsträger mit unzulässigen Mitteln zu einer Amtshandlung zwingen will, die ohnehin schon rechtswidrig wäre, ist das Handeln besonders verwerflich. Damit soll sichergestellt werden, dass nicht jede kleine Beeinflussung sofort als Nötigung gilt, sondern nur solche, die tatsächlich eine inakzeptable Grenzüberschreitung darstellen.
Die Relevanz des Straftatbestandes der Nötigung im Zusammenhang mit Amtsträgern liegt somit darin, die Integrität und Effizienz der Staatsorgane zu gewährleisten und sicherzustellen, dass diese ihre gesetzlichen Aufgaben zum Wohle der Allgemeinheit ungestört erfüllen können.
Mit welchen strafrechtlichen Folgen muss ich rechnen, wenn ich versuche, Amtsträger durch Drohungen zu beeinflussen?
Wenn Sie versuchen, Amtsträger durch Drohungen zu beeinflussen, kann dies ernste strafrechtliche Konsequenzen haben. Solche Handlungen werden in Deutschland als Straftaten geahndet, die mit Geldstrafen oder sogar Freiheitsstrafen belegt werden können. Die genauen Folgen hängen von der Art und Schwere der Drohung sowie dem konkreten Ziel der Beeinflussung ab.
Was bedeutet „Beeinflussung durch Drohungen“ für Amtsträger?
Das Beeinflussen von Amtsträgern durch Drohungen fällt häufig unter den Straftatbestand der Nötigung (§ 240 Strafgesetzbuch). Hierbei geht es darum, eine Person mit Gewalt oder durch die Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu zwingen. Im Kontext von Amtsträgern kann dies bedeuten, dass Sie beispielsweise versuchen, eine Beamtin oder einen Beamten dazu zu bringen, eine bestimmte Entscheidung zu treffen oder nicht zu treffen, indem Sie mit Nachteilen drohen.
Ein Beispiel dafür wäre, wenn Sie einem Sachbearbeiter drohen, persönliche Informationen zu veröffentlichen, falls er Ihrem Antrag nicht zustimmt. Auch wenn die Drohung nicht direkt die körperliche Unversehrtheit betrifft, sondern beispielsweise den Ruf oder das Eigentum des Amtsträgers, kann dies eine Nötigung darstellen.
Wichtig ist: Bereits der Versuch einer solchen Nötigung ist strafbar. Das bedeutet, selbst wenn die Drohung den Amtsträger nicht beeinflusst oder dieser Ihr Ansinnen nicht umsetzt, können Sie sich strafbar gemacht haben, sobald Sie die Drohung ausgesprochen haben und damit Ihre Absicht, zu nötigen, erkennbar wird.
Mögliche Strafen
Die Strafen für Nötigung sind vielfältig und reichen von Geldstrafen bis zu Freiheitsstrafen. Das Gesetz sieht für Nötigung eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor. In besonders schweren Fällen, etwa wenn die Drohung mit dem Tod oder einer schweren Körperverletzung erfolgt, kann die Strafe höher ausfallen, bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe.
- Geldstrafe: Die Höhe einer Geldstrafe wird in sogenannten Tagessätzen bemessen. Das bedeutet, das Gericht legt zunächst die Anzahl der Tagessätze fest (mindestens 5, maximal 360) und bestimmt dann die Höhe eines einzelnen Tagessatzes. Die Höhe eines Tagessatzes richtet sich nach Ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere Ihrem Nettoeinkommen.
- Beispiel für die Berechnung: Stellen Sie sich vor, das Gericht verhängt 30 Tagessätze, und Ihr durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen beträgt 2.000 Euro. Dann wäre ein Tagessatz in etwa 2.000 Euro ÷ 30 Tage = 66,67 Euro. Die Gesamtgeldstrafe würde dann 30 Tagessätze × 66,67 Euro = 2.000 Euro betragen.
- Freiheitsstrafe: Wenn die Umstände der Tat schwerwiegend sind oder Sie bereits vorbestraft sind, kann auch eine Freiheitsstrafe verhängt werden. Eine Freiheitsstrafe unter zwei Jahren kann unter bestimmten Voraussetzungen zur Bewährung ausgesetzt werden, das heißt, Sie müssen die Strafe nicht im Gefängnis verbüßen, müssen sich aber an bestimmte Auflagen halten.
Die genaue Höhe der Strafe hängt von vielen Faktoren ab, wie der Schwere der Drohung, der möglichen Auswirkung auf die Amtsausübung, eventuellen Vorstrafen und der persönlichen Situation des Täters.
Eintrag im Bundeszentralregister (BZR)
Eine Verurteilung wegen Nötigung oder einer ähnlichen Straftat wird in das Bundeszentralregister (BZR) eingetragen. Dieses Register ist umgangssprachlich auch als „Vorstrafenregister“ bekannt. Ein Eintrag im BZR kann weitreichende Folgen haben:
- Berufliche Nachteile: Bei bestimmten Berufen (z.B. im öffentlichen Dienst, in sicherheitsrelevanten Bereichen oder bei Tätigkeiten mit Kindern und Jugendlichen) wird ein Führungszeugnis verlangt, das Auskunft über Einträge im BZR geben kann. Ein Eintrag kann hier zu Problemen bei der Bewerbung führen.
- Reisen: In einigen Ländern kann ein Eintrag im BZR die Einreise erschweren oder unmöglich machen.
- Allgemeine Glaubwürdigkeit: Auch im privaten Bereich kann ein Eintrag im BZR negative Auswirkungen haben, da er Ihre Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit beeinflussen kann.
Es ist wichtig zu verstehen, dass solche Handlungen nicht nur strafrechtliche, sondern auch weitreichende persönliche Konsequenzen haben können.
Ist es zulässig, die Legitimität von Behörden oder Beamten zu hinterfragen, um einer amtlichen Anordnung oder einem Bußgeldbescheid zu entgehen?
Nein, das Infragestellen der grundsätzlichen Legitimität von Behörden oder Beamten ist keine rechtlich anerkannte Möglichkeit, um amtlichen Anordnungen oder Bußgeldbescheiden zu entgehen. Ganz im Gegenteil kann ein solches Vorgehen sogar rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Grundlagen der staatlichen Legitimität
In Deutschland leiten staatliche Behörden und deren Beamte ihre Befugnisse aus dem Grundgesetz und den darauf basierenden Gesetzen ab. Das bedeutet, ihre Legitimität ist im Rechtsstaat verankert. Wenn eine Behörde oder ein Beamter im Rahmen dieser gesetzlichen Vorgaben handelt, sind ihre Anordnungen und Bescheide grundsätzlich gültig und müssen beachtet werden. Stellen Sie sich vor, der Staat wäre eine große Organisation mit klaren Regeln und Aufgaben, die im Grundgesetz und anderen Gesetzen festgelegt sind. Die Beamten sind die Mitarbeiter, die diese Aufgaben im Rahmen der Regeln ausführen.
Legitimität hinterfragen vs. rechtliche Prüfung von Bescheiden
Es ist wichtig, zwei Dinge zu unterscheiden:
- Das grundsätzliche Infragestellen der Existenz oder Legitimität des Staates und seiner Organe: Dies hat keine rechtliche Grundlage. Werden dabei Drohungen ausgesprochen oder unbegründete Forderungen gestellt, um eine amtliche Maßnahme zu verhindern, kann dies als Straftat gewertet werden. Solche Handlungen sind nicht nur unwirksam, um einer Anordnung zu entgehen, sondern können auch zu weiteren rechtlichen Problemen führen.
- Die rechtliche Prüfung eines konkreten Bescheides oder einer Anordnung: Wenn Sie der Meinung sind, dass ein bestimmter Bußgeldbescheid oder eine amtliche Anordnung fehlerhaft oder ungerechtfertigt ist, haben Sie selbstverständlich das Recht, diesen auf dem dafür vorgesehenen Rechtsweg zu überprüfen. Das bedeutet, Sie können zum Beispiel Widerspruch einlegen oder Klage erheben. Dies ist der korrekte und legitime Weg, um die Rechtmäßigkeit einer konkreten Maßnahme zu überprüfen. Hierbei geht es aber nicht um das Leugnen der Staatsgewalt, sondern um die Kontrolle, ob die konkrete Handlung der Behörde im Einklang mit den Gesetzen steht.
Mögliche Konsequenzen bei Missachtung
Versuchen Sie, eine amtliche Anordnung oder einen Bußgeldbescheid durch die Leugnung der staatlichen Autorität oder durch Druck auf Beamte zu umgehen, können daraus verschiedene rechtliche Probleme entstehen:
- Verwaltungsrechtliche Folgen: Der Bußgeldbescheid oder die Anordnung bleibt bestehen und wird gegebenenfalls zwangsweise durchgesetzt.
- Strafrechtliche Folgen: Je nach den genauen Umständen und der Art der Handlung können Handlungen wie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Nötigung, Beleidigung oder Verleumdung als Straftaten geahndet werden. Dies kann zu Geldstrafen oder sogar Freiheitsstrafen führen.
Für Sie bedeutet das: Wenn Sie mit einem amtlichen Schreiben oder einer behördlichen Anordnung nicht einverstanden sind, nutzen Sie immer die vorgesehenen rechtlichen Wege zur Überprüfung. Das Leugnen der staatlichen Legitimität ist dabei keine Alternative und führt zu keiner Lösung Ihres Anliegens.
Worin liegt der Unterschied zwischen Nötigung und Erpressung, wenn es darum geht, die Zahlung einer Geldbuße zu vermeiden?
Der wesentliche Unterschied zwischen Nötigung und Erpressung liegt im geschützten Rechtsgut und dem angestrebten Ziel.
Erpressung: Angriff auf das Vermögen
Bei der Erpressung geht es immer um das Vermögen. Das bedeutet, der Täter zielt darauf ab, einen unrechtmäßigen Vermögensvorteil zu erlangen. Das Opfer wird mit Gewalt oder Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gezwungen, die direkt das eigene Vermögen schädigt und dem Täter oder einem Dritten einen finanziellen Vorteil verschafft.
Beispiel für Erpressung: Stellen Sie sich vor, jemand droht Ihnen, Ihre geheimen Informationen zu veröffentlichen, wenn Sie ihm nicht sofort 1.000 Euro auf sein Konto überweisen. Hier wird Ihr Vermögen (Ihre 1.000 Euro) direkt geschädigt, um dem Täter einen finanziellen Vorteil zu verschaffen.
Nötigung: Angriff auf die Entscheidungs- und Handlungsfreiheit
Die Nötigung hingegen schützt die freie Willensentscheidung und Handlungsfähigkeit einer Person. Hier zwingt der Täter das Opfer mit Gewalt oder Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung, die es eigentlich nicht will. Es muss dabei nicht zwingend um einen finanziellen Vorteil für den Täter gehen.
Beispiel für Nötigung: Wenn jemand Sie mit Drohungen dazu zwingt, einen bestimmten Weg zu gehen, obwohl Sie woanders hinwollten, oder ein Formular zu unterschreiben, das keine direkten Vermögensfolgen für Sie hat, liegt eine Nötigung vor. Es geht darum, Ihren freien Willen zu brechen.
Der Unterschied bei der Vermeidung einer Geldbuße
Im Fall der Vermeidung einer Geldbuße ist die rechtliche Einordnung oft eine Nötigung und keine Erpressung. Das liegt an der Natur der Geldbuße und des angestrebten „Vorteils“:
- Kein Vermögensvorteil im Sinne der Erpressung: Eine Geldbuße ist eine öffentlich-rechtliche Forderung des Staates, keine private Schuld. Das Entziehen einer Geldbuße wird in der Regel nicht als unrechtmäßiger Vermögensvorteil im Sinne der Erpressung angesehen, der direkt die Vermögenssphäre des Täters bereichert. Der Täter vermeidet zwar eine Zahlung, aber er verschafft sich keinen direkten, greifbaren Vermögenswert vom Staat.
- Ziel ist die Unterlassung einer Amtshandlung: Das Handeln des Täters zielt vielmehr darauf ab, eine Amtsperson (z.B. einen Polizisten oder Sachbearbeiter) durch Drohung oder Gewalt dazu zu zwingen, eine ihr obliegende Amtshandlung zu unterlassen – nämlich das Ausstellen der Geldbuße. Hier wird die Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der Amtsperson beeinträchtigt, die ihre Pflicht erfüllen sollte.
Daher ist es entscheidend, dass der Täter die pfichtwidrige Unterlassung einer Amtshandlung durch die Nötigung anstrebt. Es geht um die Beeinflussung der Amtsführung und der Handlungsfreiheit des Beamten, nicht um den Erwerb eines Vermögenswertes durch den Täter, der typisch für die Erpressung wäre. Auch wenn das Vermeiden der Zahlung einen finanziellen Effekt hat, ist die juristische Definition des „Vermögensvorteils“ bei der Erpressung enger gefasst.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Bußgeldbescheid
Ein Bußgeldbescheid ist ein offizielles Schreiben einer Behörde, mit dem eine Geldbuße verhängt wird, wenn jemand gegen bestimmte Vorschriften verstößt. Er informiert darüber, dass ein Verwarnungs- oder Verwaltungsverfahren abgeschlossen wurde und eine Zahlung zu leisten ist. Auf einem Bußgeldbescheid kann man in der Regel innerhalb einer Frist Widerspruch einlegen, um die Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Beispiel: Wenn ein Fahrzeug zu schnell fährt, erhält der Fahrer einen Bußgeldbescheid, in dem die Strafe sowie die Zahlungsdetails aufgeführt sind.
Hoheitliche Handlung
Hoheitliche Handlungen sind spezielle Tätigkeiten, die nur der Staat oder seine Beamten ausüben dürfen, weil sie mit der Ausübung staatlicher Macht verbunden sind. Dazu gehören beispielsweise das Erlassen von Gesetzen, das Erteilen von Verwaltungsakten oder die Durchsetzung von Gesetzen durch Sanktionen wie Bußgelder. Diese Handlungen sind durch besonderes Recht geschützt und unterscheiden sich von privaten Handlungen. Beispiel: Die Anordnung einer Schulpflicht durch eine Behörde ist eine hoheitliche Handlung, da der Staat die Einhaltung gesetzlicher Verpflichtungen sicherstellt.
Notariell beglaubigte Form
Unter einer notariell beglaubigten Form versteht man, dass ein Notar die Echtheit einer Unterschrift oder die Richtigkeit eines Dokuments bestätigt. Das ist ein amtlicher Vorgang, der die Beweiskraft eines Schriftstücks erhöht, weil der Notar als unabhängiger Zeuge die Urheberschaft bestätigt. Häufig verlangt das Gesetz in bestimmten Fällen diese Form, um Fälschungen oder Missverständnisse zu vermeiden. Beispiel: Ein Testament wird oft notariell beglaubigt, damit es bei Erbsachen rechtsgültig anerkannt wird.
Pfandrecht
Ein Pfandrecht ist ein rechtliches Mittel zur Sicherung einer Forderung, bei dem der Gläubiger ein bestimmtes Ding als Sicherheit erhält, das er verwerten darf, wenn der Schuldner seine Verbindlichkeit nicht erfüllt. Das Pfandrecht betrifft also ein konkretes Objekt oder Recht, das so lange „gehalten“ wird, bis die Schuld beglichen ist. Ein solches Recht kann sowohl bewegliche Sachen (zum Beispiel ein Auto) als auch Immobilien betreffen, ist aber grundsätzlich immer an ein dingliches Sicherungsverhältnis gebunden. Beispiel: Wenn Sie bei einem Pfandleiher ein wertvolles Schmuckstück gegen Geld verleihen, bleibt das Pfandrecht beim Schmuckstück, bis Sie das Geld zurückzahlen.
Versuch (Strafrechtlicher Versuch)
Im Strafrecht bedeutet Versuch, dass jemand mit dem Vorsatz, eine Straftat zu begehen, unmittelbar zur Tat ansetzt, die Tat aber nicht vollendet wird. Ein Versuch ist bereits strafbar, wenn der Täter mit seinem Handeln die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschritten hat, also alles zur Tat vorgenommen hat, was er für die Verwirklichung nötig hält. Selbst wenn der Versuch scheitert oder der Erfolg ausbleibt, kann der Täter bestraft werden – etwa wenn eine Drohung zum Einschüchtern ausgesprochen wurde, ohne dass das Opfer tatsächlich nachgibt. Beispiel: Jemand versucht, eine Bank auszurauben, wird aber vorher von der Polizei gestoppt – der Tatbestand des versuchten Raubes ist erfüllt.
Verwerflichkeit (im Zusammenhang mit Straftaten)
Verwerflichkeit ist ein juristisches Wertungsmerkmal, das beschreibt, wann eine Handlung oder deren Zweck besonders verachtenswert oder moralisch abzulehnen ist und deshalb strafschärfend wirkt. Im Kontext der Nötigung bedeutet dies, dass nicht jede Bedrohung automatisch strafbar ist, sondern nur solche, bei denen Mittel und Ziel in unangemessener, unmoralischer oder sozial besonders missbilligter Weise kombiniert werden. Besonders verwerflich ist etwa, wenn Amtsträger gezwungen werden sollen, eine rechtswidrige Handlung vorzunehmen oder eine rechtmäßige Pflicht zu verletzen. Beispiel: Jemand bedroht einen Polizisten, um sich einer gültigen Geldstrafe zu entziehen – diese Kombination von Drohung gegen einen Amtsträger mit dem Zweck der Pflichtverletzung gilt als verwerflich und wird daher besonders streng bestraft.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 240 StGB (Nötigung): Regelt die Bestrafung für die Anwendung von Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel, um eine Person zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu zwingen. Der Tatbestand verlangt Rechtswidrigkeit und Verwerflichkeit der Handlung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Angeklagte drohte der Amtsträgerin mit hohen Pfandrechten und Veröffentlichung, um das Bußgeldverfahren zu stoppen, was als versuchte Nötigung qualifiziert wurde.
- § 253 StGB (Erpressung): Straftatbestand, bei dem durch Gewalt oder Drohung ein Vermögensvorteil erzwungen wird, verbunden mit der Verursachung eines Vermögensnachteils beim Opfer. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Ursprüngliche Bewertung der Tat als Erpressung wurde verworfen, da die Vermeidung einer Geldbuße keine Vermögensbereicherung darstellt.
- § 11 Abs. 1 Nr. 2a StGB (Amtsträgerbegriff): Definiert Amtsträger als Personen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, etwa Beamte, deren Schutz bei Delikten wie Nötigung besonders relevant ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Frau Dr. B. wurde als Amtsträgerin eingestuft, wodurch die Drohung gegen sie besonders strafwürdig ist.
- § 42 StGB (Ratenzahlung bei Geldstrafe): Ermöglicht die Teilzahlung einer verhängten Geldstrafe in Raten, wenn der Verurteilte die Summe nicht sofort aufbringen kann. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht erlaubte der Angeklagten die Zahlung der Geldstrafe in monatlichen Raten von 100 Euro.
- § 473 StPO (Kostenentscheidung im Berufungsverfahren): Regelt die Verteilung der Kosten im Berufungsverfahren, insbesondere bei teilweisem Erfolg der Berufung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Angeklagte musste nur einen Teil der eigenen Berufungskosten tragen, während die Staatskasse die Kosten der Staatsanwaltschaft übernahm.
- Schulpflichtgesetze der Länder (z.B. Art. 7 GG i.V.m. Landesrecht): Vorschriften, die die Pflicht der Eltern regeln, ihre Kinder an einer Schule anzumelden, um die Schulpflicht zu erfüllen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Angeklagte war gesetzlich verpflichtet, ihre Tochter anzumelden, was sie unterließ und dadurch den Bußgeldbescheid auslöste.
Das vorliegende Urteil
LG Deggendorf – Az.: 2 NBs 10 Js 6469/23 – Urteil vom 03.07.2024
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