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Vermummungsverbot – Voraussetzungen für Verstoß

OLG Zweibrücken – Az.: 1 OLG 2 Ss 87/20 – Beschluss vom 19.01.2021

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 30. September 2020 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beschwerdeführers ergeben hat.

2. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels (§ 473 Abs. 1 StPO).

Gründe

I.

Das Amtsgericht – Strafrichter – Kaiserslautern hat den Angeklagten am 30. September 2020 wegen Vergehens nach dem Versammlungsgesetz zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt und im Übrigen freigesprochen.

Hinsichtlich des Sachverhalts hat das Amtsgericht Folgendes festgestellt:

„Am 01.09.2019 fand in Kaiserslautern ein Fußballspiel der 3. Fußballliga zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und dem SV Waldhof Mannheim statt. Der Angeklagte betrat um 12:41 Uhr den Block 18.1 des Stadions auf dem Betzenberg, wo er fünf Minuten später auf einen Trennzaun kletterte. Um 12:47 Uhr zog er sich, auf dem Zaun sitzend, einen von ihm mitgeführten hellblauen Schlauchschal über den Mund und den Nasenrücken. Zu diesem Zeitpunkt war eine infolge gezündeter Pyrotechnik entstandene Rauchentwicklung nicht gegeben. Der Angeklagte wusste dabei, dass das Verbergen eines Großteils seiner Gesichtszüge ein Wiedererkennen seiner Person durch Zeugen oder aufgrund von Lichtbild- und Videoaufnahmen vereiteln kann, was er auch bezweckte. Den Schal beließ der Angeklagte, außer während der Halbzeitpause, bis zum Ende des Spiels gegen 15:00 Uhr über die Nase gezogen auf.“

Gegen das Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt und das Rechtsmittel mit der Sachrüge begründet. Die Generalstaatsanwaltschaft Zweibrücken hat beantragt, die Revision als unbegründet kostenpflichtig zu verwerfen.

II.

Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg. Die Nachprüfung des Urteils hat keinen ihn benachteiligenden Rechtsfehler ergeben. Der Tatbestand des § 27 Absatz 2 Nummer 2 VersammlG ist nach den Feststellungen, die das Amtsgericht rechtsfehlerfrei getroffen hat, erfüllt.

Vermummungsverbot - Voraussetzungen für Verstoß
(Symbolfoto: MaciejGillert/Shutterstock.com)

Nach Sinn und Wortlaut der §§ 17a Absatz 2 Nr. 1, 27 Absatz 2 Nr. 2 VersammlG reicht es aus, dass die Vermummung objektiv geeignet und den objektiven Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität des so aufgemachten Versammlungsteilnehmers zu verhindern. Weitere Merkmale enthält der Tatbestand nicht (so auch OLG Hamm, Beschluss vom 7. September 2017 – III – 4 Rvs 97/17, juris Rn 17; OLG Dresden, Beschluss vom 23. September 2013 – 2 OLG 21 Ss 693/13, juris). Das Verdecken der Nasen-Mund-Partie mit einem Schal genügt hierfür. Die Aufmachung muss allerdings darauf gerichtet sein, die Identitätsfeststellung zu verhindern, ohne dass dies der alleinige oder vorrangige Zweck sein muss. Es genügt hingegen nicht, wenn die Verhüllung aus gänzlich anderen Motiven erfolgt (vgl. KG, Beschluss vom 11. Dezember 2012 – (4) 161 Ss 198/12, juris Rn 8f.). Das Amtsgericht hat vorliegend andere Motivationen als den Zweck der Identitätsverbergung wie beispielsweise ein Zurschaustellen der Fanzugehörigkeit oder den Schutz vor Emissionen durch Pyrotechnik nachvollziehbar verneint. Eine wetterbedingte Vermummung zum Schutz vor einer kalten Witterung konnte allein aufgrund der Jahres- und Uhrzeit – Spätsommer um die Mittagsstunden – ausgeschlossen werden. Der Schluss des Amtsgerichts, dass der Angeklagte durch die Verhüllung seine Identifizierung verhindern wollte, war daher rechtlich nicht zu beanstanden, zumal sich der Angeklagte nicht zeitnah nach Betreten des Stadions, sondern erst nach dem nicht erlaubten Erklimmen des Trennzauns vermummte. Soweit die Verteidigung vorträgt, dass die Identifizierung durch das Verhalten des Angeklagten nicht verhindert werden könnte, da dieser sein Gesicht zuvor und danach unverhüllt gezeigt hätte, geht diese Argumentation fehl. Entgegen der Auffassung des Angeklagten ist es nicht alleiniger Schutzzweck des § 27 Absatz 2 Nr. 2 VersammlG die Identifizierung zum Zwecke der Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung zu ermöglichen, sondern die Vorschrift dient in erster Linie der Eindämmung gewalttätiger Ausschreitungen (vgl. Bt-Drucks. 11/2834 S. 1 unter Zielsetzung; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. März 2017 – III – 3 Rvs 17/17, juris Rn 2; OLG Dresden, Beschluss vom 23. September 2013 a.a.O.). Das Auftreten vermummter Teilnehmer an Demonstrationen, Versammlungen, Aufzügen oder großen Sport- oder Unterhaltungsveranstaltungen ist nicht nur geeignet die eventuell erforderliche nachträgliche Strafverfolgung zu erschweren bzw. zu verhindern, sondern stand nach der Überzeugung des Gesetzgebers auch in einem eindeutigen Zusammenhang mit dem Ausbruch von Gewalttätigkeiten (vgl. BT-Drucks 11/4395, S. 7, 11, 12). Aus den Gesetzesmotiven ergibt sich, dass nach den auch in der Anhörung bestätigten praktischen Erfahrungen das Auftreten Vermummter die Bereitschaft zur Gewalt und Begehung von Straftaten indiziert und provoziert. Vermummte stellen bei einer Demonstration regelmäßig den Kern der Gewalttäter dar. Sie bestärken diejenigen Demonstrationsteilnehmer, die ohnehin zur Anwendung von Gewalt neigen, in ihrer Gewaltbereitschaft und könnten in gleicher Weise auch Dritte schon durch ihr äußeres Erscheinungsbild (“schwarze Blöcke“) beeinflussen (BT-Drucks. 11/4359, S. 14). Damit bedarf es zur Erfüllung des Straftatbestands weder der zusätzlichen Feststellung, dass die Vermummung auch zur Friedensstörung geeignet ist, noch ist es erforderlich, dass die Verhinderung der Identifikation durch die Strafverfolgungsbehörde alleinige oder vorrangige Motivation des Täters ist. Maßgeblich ist allein die Tatsache der Vermummung. Der Gesetzgeber ging hierbei von der Annahme aus, dass beim Auftreten von Vermummten oder passiv bewaffneten Personen ein unfriedlicher Verlauf der Versammlung zu erwarten sei und die Vermummung in aller Regel eine Vorstufe zum Gewaltausbruch darstelle (vgl. BT-Drucks. 11/834, S. 12; OLG Dresden, Beschluss vom 23. September 2013, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund kann es für die Erfüllung des Straftatbestands keinen Unterschied machen, ob die nachträgliche Identifizierung des Vermummten durch sein vorhergehendes oder nachfolgendes Verhalten möglich ist oder nicht, da die Gefahr, die von ihm ausgeht und die der Gesetzgeber zu unterbinden sucht, allein an den Umstand seiner – womöglich nur temporären – Vermummung im Rahmen der Veranstaltung geknüpft ist (so auch OLG Hamm, Beschluss vom 7. September 2017, a.a.O., juris Rn 16).

Da die Überprüfung des angefochtenen Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, war die Revision auf seine Kosten gemäß § 473 Abs. 1 StPO als unbegründet zu verwerfen.

 

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