OLG Düsseldorf – Az.: III 2 RVs 56/20 – Beschluss vom 30.07.2020
In der Strafsache wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort hat der 2. Strafsenat am Oberlandesgericht am 30. Juli 2020 beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an. eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht – Strafrichter – Oberhausen hat den Angeklagten am 16. Oktober 2019 wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 50,00 Euro verurteilt. Außerdem ist dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und sein Führerschein eingezogen worden. Der Verwaltungsbehörde ist untersagt worden, dem Angeklagten vor Ablauf von zehn Monaten eine neue Fahrerlaubnis zu erteilen (Sperre).
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Angeklagten.
Das gemäß §§ 333, 335 StPO als Sprungrevision statthafte Rechtsmittel hat mit der Verfahrensrüge (vorläufig) Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Die Verfahrensrüge, mit der die Ablehnung eines Beweisantrags gerügt wird, ist zulässig erhoben und begründet.
Ausweislich der Revisionsbegründungsschrift hat der Verteidiger in der Hauptverhandlung folgenden Beweisantrag gestellt:
„Ich beantrage die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass der Angeklagte mit einer Geschwindigkeit von unter 30 km/h/h die pp. Straße befuhr, als es zur Kollision kam und der Angeklagte die Kollision auch als Überfahren eines Bordsteins wahrnehmen konnte.
Begründung
Der Sachverständige wird zu dem Ergebnis gelangen, dass der Angeklagte die Straße der Unfallörtlichkeit mit deutlich unter 30 km/h befuhr. Dies ergibt sich aus den Beschädigungen an dem Fahrzeug des Angeklagten Blatt 7 und 8 der Akte wie auch aus den Beschädigungen an dem Fahrzeug der Geschädigten, Blatt 6 der Akte. Die an dem Fahrzeug der Geschädigten vorgefundenen Beschädigungen können auch mit einer Geschwindigkeit von 30 km/h oder darunter verursacht werden.
Der Sachverständige wird ebenfalls zu dem Ergebnis gelangen, dass der Angeklagte die Kollision mit dem Überfahren eines Bordsteins wahrnehmen konnte.”
Das Gericht hat darauf folgenden Beschluss verkündet: „Der Beweisantrag wird abgelehnt.”
Die Ablehnung des Beweisantrags ohne jegliche Begründung ist rechtsfehlerhaft.
Der einen Beweisantrag ablehnende Beschluss muss so begründet werden, dass der Antragsteller über die zugrundeliegenden Erwägungen des Gerichts aufgeklärt und in die Lage versetzt wird, seine weitere Verteidigung in der Hauptverhandlung danach einzurichten, darüber hinaus muss die Begründung dem Revisionsgericht die .0berprüfung der Rechtmäßigkeit der Ablehnung ermöglichen. Eine Ablehnung ohne Begründung ist rechtsfehlerhaft (vgl. BGHSt 19, 24, 26; BGH NStZ 2003, 380, NStZ 2015, 354, NStZ 2018, 111; Becker in Löwe/Rosenberg, ‘StPO, 27. Auflage 2020, § 244 Rdnr. 134; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage 2020, § 244 Rdnr. 85). Die formelhafte Wiedergabe des Gesetzes genügt den Begründungsanforderungen nicht.
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Hier hat der Amtsrichter nicht einmal den Gesetzeswortlaut oder eine Vorschrift benannt und auch nicht deutlich gemacht, auf welcher gesetzlichen Grundlage er den Beweisantrag abgelehnt hat. Er hat lediglich verkündet, der Antrag werde abgelehnt. Für den Angeklagten und den Verteidiger war nicht klar, ob der Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsache, wegen Offenkundigkeit oder wegen eines anderen Grundes abgelehnt worden ist, Der Verteidiger konnte die Verfolgung der Rechte des Angeklagten in keiner Weise neu einrichten. Die Begründung im Urteil für die Ablehnung kann den Rechtsfehler nicht heilen, weil der Angeklagte schon in der Verhandlung die Möglichkeit haben muss, auf die Ablehnung zu reagieren (vgl. BGHSt 19, 24, 26).
Der Ausnahmefall, dass das Urteil auf dem Verfahrensverstoß nicht beruhen kann, wenn für alle Beteiligten die Erwägungen des Gerichts zweifelsfrei erkennbar waren, liegt hier nicht vor. Denn es wird wie aufgezeigt – nicht einmal deutlich, welcher gesetzliche Ablehnungsgrund nach der Auffassung des Gerichts vorlag.
Auf Grund der Begründetheit der Verfahrensrüge kann dahinstehen, ob auch die Sachrüge Erfolg hätte. Das Urteil ist schon allein auf die Verfahrensrüge. Mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO).
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