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Geltendmachung des Aussageverweigerungsrecht und Aussagen vom Familiengericht

Häusliche Gewalt: OLG Karlsruhe bestätigt Verwertbarkeit von Zeugenaussagen

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat im Beschluss mit dem Az.: 1 ORs 36 SRs 752/23 vom 30.01.2024 die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe abgewiesen. Der Angeklagte wurde wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Bedrohung seiner getrenntlebenden Ehefrau verurteilt.

Die Revision, die sowohl auf die Verletzung sachlichen Rechts als auch auf Verfahrensfehler gestützt wurde, hatte keinen Erfolg. Insbesondere wurde die Verwertung der Aussagen der Ehefrau, die von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machte, als zulässig erachtet. Diese hatte ihre früheren Angaben gegenüber der Polizei im Rahmen eines Antrags auf eine Gewaltschutzanordnung bestätigt und waren somit verwertbar.

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✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Verwerfung der Revision: Das OLG Karlsruhe wies die Revision des Angeklagten als unbegründet zurück.
  2. Ursprüngliche Verurteilung: Der Angeklagte wurde vom Amtsgericht wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Bedrohung zu einer Geldstrafe verurteilt.
  3. Verfahrens- und Sachrüge: Die vom Angeklagten erhobenen Rügen, einschließlich der Verletzung von Verfahrensrecht, wurden zurückgewiesen.
  4. Verwertung der Zeugenaussagen: Die Verfahrensrüge bezüglich der Verwertung der Aussagen der Ehefrau, die ihr Zeugnisverweigerungsrecht ausübte, war unbegründet.
  5. Kein Verwertungsverbot: Die Angaben der Geschädigten, die sie zur Unterstützung ihres Antrags auf eine Gewaltschutzanordnung gemacht hatte, unterlagen keinem Verwertungsverbot.
  6. Rechtmäßigkeit der Verwertung: Die Angaben waren im Rahmen der strafrechtlichen Verfolgung verwertbar, da sie außerhalb einer formellen Vernehmung gemacht wurden.
  7. Schutz von Gewaltopfern: Das Gericht betonte, dass Gewalt in der Ehe keine Privatangelegenheit ist und bei öffentlichem Interesse verfolgt werden muss.
  8. Berücksichtigung der Generalstaatsanwaltschaft: Der Senat folgte den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft zur Unbegründetheit der Revision.

Schutz von Angehörigen vor Zwangslage

Niemand soll in Deutschland gezwungen werden, gegen nahe Verwandte auszusagen. Das Aussageverweigerungsrecht soll Zeugen vor der schwierigen Situation bewahren, entweder die Unwahrheit sagen oder einen Angehörigen durch eine wahre Aussage belasten zu müssen.

Doch die Grenzen dieses Schutzes sind nicht immer klar definiert. Spontane Äußerungen, etwa bei einer Anzeige oder Hilfeersuchen, können prinzipiell verwertet werden. Aber was ist, wenn Angaben zunächst aufgrund des Zeugnisverweigerungsrechts gesperrt waren und später bestätigt werden? Hier gibt es Klärungsbedarf über den Umfang des Verwertungsverbots.

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Revision abgelehnt: OLG Karlsruhe bestätigt Urteil trotz Aussageverweigerungsrecht

Im Kern des Falles steht die Revision eines Angeklagten gegen ein Urteil des Landgerichts Karlsruhe, in dem er wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Bedrohung seiner getrenntlebenden Ehefrau verurteilt wurde.

Häusliche Gewalt
(Symbolfoto: UfaBizPhoto /Shutterstock.com)

Der Vorfall ereignete sich am 6. Januar 2021, als der Angeklagte seiner Ehefrau während eines Streits in ihrer Wohnung mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzte und ihr mit einem großen Messer drohte, sie umzubringen. Der Angeklagte legte gegen das Urteil des Amtsgerichts B., das eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30 Euro festsetzte, Berufung ein, die jedoch vom Landgericht K. als unbegründet verworfen wurde.

Der Weg zur Revision und die Rolle der Generalstaatsanwaltschaft

Die Revision des Angeklagten, form- und fristgerecht eingelegt, stützte sich sowohl auf die Verletzung sachlichen Rechts als auch auf Verfahrensrecht. Ein zentraler Punkt der rechtlichen Auseinandersetzung war die Verwertung der Angaben der Ehefrau, die in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machte. Diese hatte bei der Antragstellung auf Erlass einer Gewaltschutzanordnung nach § 1 GewSchG auf das Protokoll ihrer polizeilichen Vernehmung Bezug genommen und eine Kopie dessen zur Glaubhaftmachung vorgelegt. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe spielte eine entscheidende Rolle, indem sie dem Verteidiger die Gelegenheit zur Gegenäußerung gab, bevor das Oberlandesgericht Karlsruhe die Revision einstimmig als unbegründet verwarf.

Rechtliche Herausforderungen und die Entscheidung des OLG Karlsruhe

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall lag in der Frage, ob die Verwertung der Angaben der Ehefrau, die ihr Zeugnisverweigerungsrecht ausübte, zulässig war. Die Verfahrensrüge des Angeklagten bezog sich insbesondere auf § 252 StPO, der sich mit dem Verwertungsverbot von Zeugenaussagen befasst, die vor der Hauptverhandlung gemacht wurden. Das Oberlandesgericht Karlsruhe fand jedoch, dass die Angaben der Geschädigten zur Begründung ihres Antrags nach dem Gewaltschutzgesetz keinem Verwertungsverbot unterlagen, da sie außerhalb einer formellen Vernehmung gemacht wurden.

Die Bedeutung von Zeugenaussagen und das Gewaltschutzgesetz

Die Diskussion um das Zeugnisverweigerungsrecht und das Verwertungsverbot verdeutlicht die Komplexität der Rechtsprechung in Fällen häuslicher Gewalt. Das Gericht stellte klar, dass Angaben, die außerhalb einer Vernehmung gemacht wurden, grundsätzlich verwertbar sind. Dies umfasst auch Angaben gegenüber dem Familiengericht zur Erwirkung einer Schutzanordnung nach dem Gewaltschutzgesetz, welche die Zeugin aus eigenem Antrieb gemacht hat. Das Gericht betonte, dass Gewalt in der Ehe keine Privatangelegenheit darstellt und bei einem öffentlichen Interesse verfolgt werden muss.

Die rechtlichen Feinheiten und ihre Auswirkungen auf das Urteil

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe beruht auf einer detaillierten Prüfung der rechtlichen Grundlagen und der spezifischen Umstände des Falls. Durch die Ablehnung der Revision und die Bestätigung des ursprünglichen Urteils unterstreicht das Gericht die Bedeutung des Schutzes von Gewaltopfern sowie die Verantwortung der Justiz, relevante Beweise sorgfältig zu bewerten und zu berücksichtigen.

In diesem Fall bestätigt das Oberlandesgericht Karlsruhe die Entscheidung des Landgerichts, die Revision des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen. Die Gründe dafür liegen in der Zulässigkeit der Verwertung von Zeugenaussagen, die außerhalb formeller Vernehmungen gemacht wurden, und in der Feststellung, dass die Rechte des Angeklagten im Verfahren gewahrt blieben.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was bedeutet das Aussageverweigerungsrecht im Strafprozess?

Das Aussageverweigerungsrecht im Strafprozess ist ein grundlegendes Recht, das einem Beschuldigten zusteht. Es bedeutet, dass der Beschuldigte nicht verpflichtet ist, Angaben zur vorgeworfenen Tat zu machen. Dieses Recht ist in den §§ 136, 163a und 243 der Strafprozessordnung (StPO) verankert und erlaubt es dem Beschuldigten, die Aussage sowohl vor der Polizei, der Staatsanwaltschaft als auch vor Gericht zu verweigern.

Das Aussageverweigerungsrecht ist Teil des Rechts auf eine effektive Strafverteidigung und soll ein faires Verfahren garantieren. Es basiert auf dem Rechtsstaatsprinzip und dient dem Schutz des Beschuldigten, indem es verhindert, dass dieser sich selbst belastet (nemo tenetur se ipsum accusare – niemand ist verpflichtet, sich selbst zu beschuldigen).

Bei einer Vernehmung muss der Beschuldigte lediglich Angaben zur Person machen, wie zum Beispiel Name und Anschrift. Über sein Aussageverweigerungsrecht muss der Beschuldigte vor der Vernehmung belehrt werden.

Das Aussageverweigerungsrecht ist nicht mit dem Zeugnisverweigerungsrecht zu verwechseln, welches potenziellen Zeugen zusteht. Das Zeugnisverweigerungsrecht erlaubt es bestimmten Personen, wie Ehepartnern, Verwandten oder Angehörigen bestimmter Berufsgruppen mit Schweigepflicht, die Aussage zu verweigern, um sich oder nahe Angehörige nicht selbst zu belasten.

Es ist wichtig zu beachten, dass das Aussageverweigerungsrecht nicht das Recht beinhaltet zu lügen. Während ein Beschuldigter nicht zur Wahrheit verpflichtet ist, wenn er sich entscheidet, eine Aussage zu machen, kann das bewusste Lügen zu weiteren Straftatbeständen wie falscher Verdächtigung oder Verleumdung führen.

In der Praxis kann es ratsam sein, vom Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, insbesondere bei der ersten Befragung, um Zeit zu gewinnen, einen Rechtsbeistand zu suchen und die Aussage mit diesem abzustimmen.

Wie wirkt sich das Zeugnisverweigerungsrecht auf das Familienrecht aus?

Das Zeugnisverweigerungsrecht im Familienrecht ermöglicht es bestimmten Personen, in einem Gerichtsverfahren die Aussage zu verweigern, um sich selbst oder nahestehende Personen nicht strafrechtlich zu belasten. Dieses Recht ist besonders relevant, wenn es um die Aussagen von Familienmitgliedern geht, die in einem Verfahren als Zeugen auftreten könnten.

Im Familienrecht sind zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt: der Verlobte einer Partei, der Ehegatte einer Partei auch nach einer Scheidung, der Lebenspartner einer Partei auch nach Auflösung der Lebenspartnerschaft, sowie Personen, die mit einer Partei in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert sind oder waren.

Das Zeugnisverweigerungsrecht kann auch nach der Beendigung einer Ehe oder Lebenspartnerschaft weiterhin bestehen. Es gilt für Verlobte, Ehegatten und nahe Verwandte wie Eltern, Großeltern, Kinder, Geschwister, Onkel oder Tante sowie Schwager oder Schwägerin. Dieses Recht wird auch auf Stiefkinder gegenüber dem Stiefvater oder der Stiefmutter angewandt, jedoch nicht auf Stiefgeschwister untereinander, da sie weder verwandt noch verschwägert sind.

In Fällen, in denen ein minderjähriges Kind als Zeuge vernommen werden soll und der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter einer Straftat ist oder sich die gesetzliche Vertretung mit dem anderen Elternteil teilt, der einer Straftat beschuldigt wird, kann ein Ergänzungspfleger bestellt werden, der über die Befragung des Kindes entscheidet. Wenn das minderjährige Kind die notwendige Verstandesreife besitzt, trifft es die Entscheidung selbst, ob es aussagen möchte.

Das Zeugnisverweigerungsrecht im Familienrecht dient dem Schutz der familiären Beziehungen und der Privatsphäre. Es soll verhindern, dass Familienmitglieder in einen Gewissenskonflikt geraten, wenn sie gegen nahestehende Personen aussagen müssten.

Was beinhaltet das Gewaltschutzgesetz im Zusammenhang mit Aussagen gegenüber dem Familiengericht?

Das Gewaltschutzgesetz (GewSchG) bietet Schutz vor verschiedenen Formen von Gewalt, einschließlich psychischer Gewalt, und ist relevant für Aussagen gegenüber dem Familiengericht. Das Gesetz, das seit dem 1. Januar 2002 in Kraft ist, zielt darauf ab, Opfer vor weiteren Übergriffen zu schützen, indem es gerichtliche Schutzanordnungen ermöglicht.

Psychische Gewalt, die unter das Gewaltschutzgesetz fällt, umfasst Handlungen wie Stalking, Drohungen, Beschimpfungen, Freiheitsberaubung und Telefonterror. Diese Formen der Gewalt können erhebliche psychische und körperliche Gesundheitsschädigungen zur Folge haben und sind daher explizit durch das Gewaltschutzgesetz abgedeckt.

Das Familiengericht kann auf Antrag des Opfers verschiedene Schutzanordnungen erlassen, um das Opfer vor weiteren Übergriffen zu schützen. Dazu gehören beispielsweise Verbote für die gewalttätige Person, die Wohnung des Opfers zu betreten, sich der Wohnung oder dem Opfer in einem bestimmten Umkreis zu nähern, Kontakt zum Opfer aufzunehmen (auch über Telefon, Messenger-Dienste, Brief oder E-Mail) oder sich an Orten aufzuhalten, an denen sich das Opfer regelmäßig aufhält.

Für die Eröffnung eines Gewaltschutzverfahrens reicht bereits ein Akt angedrohter Gewalt aus. Das Gericht entscheidet dann anhand des Einzelfalls, welche Maßnahmen ergriffen werden, um das Opfer zu schützen. Die Schutzanordnung ist im Regelfall befristet, kann aber auf Antrag verlängert werden, wenn die Gefährdungs- und Bedrohungssituation weiterhin besteht.

Es ist wichtig zu betonen, dass das Gewaltschutzgesetz alle Menschen schützt, die von Gewalt oder der Androhung von Gewalt betroffen sind, unabhängig davon, ob die Gewalt im Rahmen einer häuslichen Gemeinschaft erfolgt oder außerhalb. Das Gesetz bietet auch Schutz vor unzumutbaren Belästigungen durch Nachstellungen („Stalking“).

Opfer von Gewalt können sich an das Familiengericht wenden, um einen Antrag auf Gewaltschutz zu stellen. Dies kann direkt bei der Rechtsantragsstelle des Familiengerichts oder über einen Rechtsanwalt erfolgen. Die Antragstellung und die Glaubhaftmachung des Gewaltvorwurfs sind entscheidende Schritte im Verfahren, um den notwendigen Schutz zu erhalten.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 349 Abs. 2 und 3 StPO (Strafprozessordnung): Diese Paragraphen regeln die Entscheidung des Revisionsgerichts. Im Kontext des Urteils wird erklärt, dass eine Revision als unbegründet verworfen wird, wenn keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten vorliegen. Das ist zentral für das Verständnis, warum die Revision des Angeklagten im vorliegenden Fall abgelehnt wurde.
  • § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO: Dieser Paragraph befasst sich mit den Kosten des Rechtsmittels. Er erklärt, dass der Beschwerdeführer die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen hat, was für die Kostenverteilung nach der Entscheidung über die Revision relevant ist.
  • § 252 StPO: Dieser Paragraph behandelt das Verwertungsverbot von Zeugenaussagen, die außerhalb der Hauptverhandlung gemacht wurden, wenn der Zeuge in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht. Dies ist besonders wichtig, um zu verstehen, warum die Angaben der Ehefrau des Angeklagten im Verfahren verwertet werden konnten.
  • § 1 GewSchG (Gewaltschutzgesetz): Das Gewaltschutzgesetz ermöglicht es Betroffenen von Gewalt, schnell und unkompliziert gerichtlichen Schutz zu beantragen. Im vorliegenden Fall bezieht sich die Ehefrau auf dieses Gesetz, um eine Schutzanordnung gegen den Angeklagten zu erwirken. Die Beziehung dieses Gesetzes zum Fall erklärt den rechtlichen Rahmen für den Schutz vor häuslicher Gewalt.
  • § 344 Abs. 2 S. 2 StPO: Dieser Paragraph legt die Anforderungen an die Begründung einer Revision fest. Die detaillierte Darlegung der Rügen gegen das Urteil und wie sie im Kontext der Revision des Angeklagten gehandhabt wurden, ist für das Verständnis des Revisionsverfahrens essentiell.
  • § 140 Abs. 2 StPO: Dieser Paragraph betrifft die notwendige Verteidigung in Strafverfahren. Die Erwähnung im Urteil deutet auf die Diskussion um die adäquate Vertretung des Angeklagten im Verfahren hin und ist relevant für das Verständnis der rechtlichen Vertretung in Strafprozessen.


Das vorliegende Urteil

OLG Karlsruhe – Az.: 1 ORs 36 SRs 752/23 – Beschluss vom 30.01.2024

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03. August 2023 wird auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe, die dem Verteidiger Gelegenheit zur Gegenäußerung gegeben hat, einstimmig als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 und 3 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Gründe

I.

Das Amtsgericht B. verurteilte den Angeklagten am 28.06.2022 wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30,- Euro. Das Landgericht K. verwarf die vom Angeklagten gegen das amtsgerichtliche Urteil eingelegte Berufung mit Urteil vom 03.08.2023 als unbegründet. Nach den Feststellungen der Kammer verpasste der Angeklagte am 06.01.2021 seiner vom ihm getrenntlebenden Ehefrau im Rahmen eines Streits in deren Wohnung in B. mehrere Faustschläge ins Gesicht und drohte mit einem großen Messer damit, diese umzubringen.

Gegen das Urteil des Landgerichts richtet sich die vom Angeklagten form- und fristgereicht eingelegte Revision, welche auf die Verletzung sachlichen Rechts sowie auf die Verletzung von Verfahrensrecht gestützt wird. Der Beschwerdeführer rügt verfahrensrechtlich insbesondere die Verwertung der Angaben der in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machenden Ehefrau gegenüber der Rechtspflegerin beim Amtsgericht B. vom 07.01.2021 zur Begründung ihres Antrags auf Erlass einer Gewaltschutzanordnung nach § 1 GewSchG. Bei Antragstellung bezog sich die Ehefrau des Angeklagten auf das Protokoll ihrer polizeilichen Vernehmung vom 06.01.2021 und übergab zur Glaubhaftmachung eine Kopie des polizeilichen Vernehmungsprotokolls, dessen inhaltliche Richtigkeit sie an Eides statt versicherte.

II.

Die Revision blieb ohne Erfolg. Sie ist – wie aus dem Beschlusstenor ersichtlich – offensichtlich unbegründet i. S. v. § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verfahrensrüge gem. § 252 StPO ist in zulässiger Weise erhoben. Sie genügt den Anforderungen gemäß § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. So teilt der Revisionsführer zur Begründung seiner Rüge der Verletzung von § 252 StPO die frühere polizeiliche Aussage der Zeugnisverweigerungsberechtigten und ihre nunmehrige Aussageverweigerung ebenso mit wie den genauen Inhalt und die näheren Umstände der von der Kammer verwerteten Angaben der Zeugin aus Anlass der Stellung des Antrags nach dem Gewaltschutzgesetz sowie das Beruhen des Urteils hierauf. Der Zulässigkeit der Rüge nicht entgegen steht, dass die Art und Weise der Einführung der von der Kammer verwerteten Aussage der Geschädigten durch Verlesung von Teilen aus den Akten des Gewaltschutzverfahrens in der Antragsschrift unerwähnt bleiben, denn die Verlesung und Verwertung dieser Aktenteile nach erfolgter Zeugnisverweigerung ergibt sich schon aus den schriftlichen Urteilsgründen, welche der Senat auf die Sachrüge zur Kenntnis nimmt, weshalb der mangelhafte Vortrag der Revision unschädlich ist (BGH NJW 1990, 1859). Unerheblich ist, dass die Antragsschrift den Inhalt des aus dem Protokoll ersichtlichen Hinweises der Kammer, dass die Angaben der Zeugin im Gewaltschutzverfahren keinem Beweisverwertungsverbot gemäß § 252 StPO unterliegen, nicht mitteilt, denn der Erfolg der Verfahrensrüge kann durch den (in Abwesenheit der Zeugin) erteilten Hinweis der Kammer zu ihrer Rechtsansicht nicht negativ beeinflusst werden.

2. Die Rüge ist indes unbegründet, da die Angaben der Geschädigten zur Begründung ihres Antrags nach dem Gewaltschutzgesetz keinem Verwertungsverbot gem. § 252 StPO unterliegen.

Das Verwertungsverbot gem. § 252 StPO bezieht sich auf Aussagen des Zeugen im Rahmen einer Vernehmung, welche vor der Hauptverhandlung stattgefunden hat, etwa im Rahmen einer polizeilichen, auch informatorischen Befragung. Der Vernehmungsbegriff ist weit auszulegen und erfasst – unabhängig davon, ob die Angaben förmlich protokolliert oder nur in einem internen Vermerk festgehalten werden – alle Bekundungen über wahrgenommene Tatsachen auf Grund einer offen von einem staatlichen Organ durchgeführten Befragung (BGH NJW 2005, 765 f.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs werden im Wege einer entsprechenden Anwendung der Norm auch frühere vernehmungsbasierte Aussagen eines Zeugnisverweigerungsberechtigten in einem Zivilrechtsstreit oder in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erfasst, die geeignet sind, einen Angehörigen zu belasten, und der Zeuge sich in einer Lage befindet, die derjenigen des Zeugen im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vergleichbar ist (vgl. BGH NJW 1990, 1859 mwN). Das Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 252 StPO soll den Zeugen vor Konflikten schützen, die aus den Besonderheiten der Vernehmungssituation entstehen, insbesondere einerseits durch die Wahrheitspflicht bei der Zeugenvernehmung und andererseits durch die sozialen Pflichten, die aus der familiären Bindung gegenüber dem Angeklagten erwachsen (vgl. BGH NJW 2005, 765 mwN).

Unabhängig von der jeweils zugrundeliegenden Prozessordnung bleibt für eine Verwertung im Strafverfahren aber erkennbar stets maßgeblich, ob die Angaben des Zeugnisverweigerungsberechtigten im Zuge einer amtlich initiierten Vernehmung erfolgten (BGH NJW 1990, 1859; OLG Hamburg, Beschl. v. 8.3.2018 – 1 Ws 114/17, BeckRS 2018, 3916). Angaben, die der Zeuge außerhalb einer Vernehmung gemacht hat, unterliegen dem (erweiterten) Verwertungsverbot grundsätzlich nicht. Darunter fallen Angaben gegenüber Dritten (BGH NJW 1952, 153), spontane Aussagen (BGH NStZ 1992, 247; NStZ 2007, 652; OLG Hamm NStZ 2012, 53), nach denen er nicht gefragt wurde, wie etwa eine Strafanzeige (BGH NJW 1956, 1886) oder die Bitte um polizeiliche Hilfe (BGH NStZ 1986, 232) bzw. im Rahmen eines polizeilichen Notrufs (OLG Hamm NStZ 2012, 53; BeckRS 2014, 19563). Demgemäß sind auch die Angaben der Geschädigten gegenüber dem Familiengericht zur Erwirkung einer Schutzanordnung nach dem GewSchG verwertbar, da sich die Zeugin von sich aus an das Amtsgericht gewandt und ihren Ehemann belastende Angaben zur Begründung ihres Antrags gemacht hat (OLG Hamburg aaO; BeckOK StPO/Ganter StPO § 252 Rn. 15 mwN), und über welchen ohne mündliche Verhandlung und weitere Befragung der Antragstellerin nach Aktenlage aufgrund summarischer Prüfung vom Gericht entschieden wurde (§ 51 Abs. 2 S. 2, § 3, § 214 FamFG; BeckOK FamFG/Schlünder FamFG, Ed. 1.11.2023, § 214 Rn. 2 ff.).

Eine vernehmungsähnliche Situation entsteht auch – wie die Revision meint – nicht dadurch, dass die Zeugin das – für sich unverwertbare – Protokoll ihrer polizeilichen Vernehmung der Rechtspflegerin vorgelegt, zum Gegenstand ihres Vortrags zur Antragsbegründung gemacht und dessen inhaltliche Richtigkeit an Eides statt versichert hat. Denn auch die Vorlage des Protokolls erfolgte aus freien Stücken und diente ersichtlich lediglich der Verfahrensvereinfachung. Dass die Zeugin insofern „unfrei“ handelte, als sie zur Verhinderung weiterer Übergriffe ihres gewalttätigen Ehemanns eine Schutzanordnung erwirkte, bleibt für die Frage der Verwertbarkeit ihrer Angaben im Strafverfahren ohne Belang. Denn § 252 StPO, der nach seinem Wortlaut eine Vernehmung oder eine vernehmungsähnliche Situation voraussetzt, enthält keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz dahingehend, dass jedwede den Angehörigen belastende Angaben (etwa auch die in höchster Not gegenüber dem Hausmitbewohner gemachten Angaben, bei welchem die Zeugin unmittelbar nach der Tat um Schutz suchte) vom Zeugen bis zur Hauptverhandlung oder einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung durch Berufung auf das Zeugnisverweigerungsrecht für eine Verwertung gesperrt werden können (vgl. BGH NStZ 1986, 232 (Mitteilungen im Rahmen eines Hilfeersuchens gegenüber einer Mitarbeiterin der Familienhilfe)). Hierdurch wird auch nicht – wie die Revision meint – „in gewisser Weise durchaus besserwisserisch“ der wiederhergestellte Familienfriede „torpediert“. Gewalt in der Ehe ist keine Privatangelegenheit, sondern unabhängig vom Strafantrag der Geschädigten bei Vorliegen eines hier von der Staatsanwaltschaft bejahten öffentlichen Interesses zu verfolgen.

3. Zur Unbegründetheit der Verfahrensrüge einer Verletzung von § 140 Abs. 2 StPO sowie zur Unbegründetheit der Sachrüge verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 30.11.2023 und tritt diesen bei.

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