Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Revision im Strafverfahren: Verfahrensrüge und ihre Bedeutung für Angeklagte
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was muss ein ärztliches Attest für eine Gerichtsverhandlung mindestens enthalten?
- Welche Prüfschritte unternimmt das Gericht bei Vorlage eines Attests?
- Wie kann man eine Revision erfolgreich begründen?
- Ab wann gilt eine Verhandlungsunfähigkeit als nachgewiesen?
- Welche Folgen hat ein unentschuldigtes Fernbleiben von der Gerichtsverhandlung?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: KG Berlin
- Datum: 18.10.2024
- Aktenzeichen: 3 ORs 66/14 – 121 SRs 97/24
- Verfahrensart: Revision im Strafverfahren
- Rechtsbereiche: Strafprozessrecht
- Beteiligte Parteien:
- Angeklagter: Reichte vor dem Hauptverhandlungstermin ein ärztliches Attest und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein, um seine Versäumnis zu entschuldigen, erschien jedoch unentschuldigt zum Termin.
- Gericht: Das Landgericht Berlin I (in Verbindung mit dem Amtsgericht Tiergarten) verwirft die Revision aufgrund des unentschuldigten Fernbleibens des Angeklagten.
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Angeklagte reichte am Tag vor dem anberaumten Hauptverhandlungstermin ein ärztliches Attest sowie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein, um seine krankheitsbedingt bedingte Abwesenheit zu begründen. Dennoch blieb er unentschuldigt beim Termin, woraufhin das Gericht die Revision verwirft.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging darum, ob die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen einen hinreichenden entschuldigenden Grund für das unentschuldigte Fernbleiben des Termins darstellen.
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Revision des Angeklagten wurde verworfen und er muss die Kosten seines Rechtsmittels tragen.
- Begründung: Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Angeklagte unentschuldigt dem Hauptverhandlungstermin fernblieb, da die vorgelegten ärztlichen Unterlagen nach telefonischer Rückfrage nicht ausreichend als Entschuldigung anerkannt wurden.
- Folgen: Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels, was das Verfahren abschließend regelt.
Revision im Strafverfahren: Verfahrensrüge und ihre Bedeutung für Angeklagte
Im Strafverfahren und im Prozessrecht ist die Revision ein wichtiges Rechtsmittel. Sie ermöglicht eine rechtliche Prüfung von gerichtlichen Entscheidungen. Ein häufiger Beschwerdegrund ist die Verfahrensrüge, insbesondere nach § 329 Abs. 1 Satz 1 der Strafprozessordnung (StPO). Diese Norm regelt die Zuständigkeit und das Verfahren bei der Verwerfung der Berufung durch das Landgericht. Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Frage, ob der Angeklagte Krankheitssymptome hatte und diese ausreichend dargelegt wurden.
Fehlt eine solche Darlegung, kann dies einen Verfahrensfehler darstellen. Die korrekte Anwendung von § 329 StPO ist essenziell, um sicherzustellen, dass die Rechte des Angeklagten gewahrt bleiben. Dazu gehört auch die angemessene Berücksichtigung von medizinischen Gutachten und therapeutischen Dokumentationen. Die richterliche Entscheidung muss auf einer sorgfältigen Beweisaufnahme und einer umfassenden Würdigung aller Umstände basieren. Im nachfolgenden Beitrag wird ein konkreter Fall vorgestellt, der sich mit dieser Thematik auseinandersetzt.
Der Fall vor Gericht
Verwerfung der Revision wegen unentschuldigtem Fernbleiben von Gerichtsverhandlung

Das Kammergericht Berlin hat in einem Urteil vom 18. Oktober 2024 die Revision eines Angeklagten gegen ein Verwerfungsurteil des Landgerichts Berlin I zurückgewiesen. Der Angeklagte war einer Berufungsverhandlung am 25. Juni 2024 ohne ausreichende Entschuldigung ferngeblieben, woraufhin das Landgericht seine Berufung gegen ein Urteil des Amtsgerichts Tiergarten verwarf.
Ärztliches Attest und Kontaktaufnahme mit der Praxis
Am Tag vor dem Gerichtstermin reichte der Verteidiger des Angeklagten ein ärztliches Attest von Dr. A sowie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum vom 24. bis 26. Juni 2024 ein. Im Attest wurden Übelkeit mit Erbrechen und Durchfall seit dem Vorabend sowie Schnupfen und Halsschmerzen seit mehreren Tagen dokumentiert. Die Vorsitzende der Strafkammer versuchte daraufhin, den attestierenden Arzt telefonisch zu erreichen. Sie konnte nur mit dessen Kollegin Dr. B sprechen, die mitteilte, dass der Angeklagte erstmals am 24. Juni in der Praxis erschienen sei und keine Untersuchung der Symptome stattgefunden habe. Dr. A habe sich schwergetan, das Attest auszustellen, und der Patient habe lediglich etwas erschöpft gewirkt.
Rechtliche Bewertung der Aufklärungspflicht
Das Kammergericht stellte fest, dass das Landgericht seiner Aufklärungspflicht nicht ausreichend nachgekommen war. Bei Vorlage einer ordnungsgemäß ausgestellten ärztlichen Bescheinigung sei das Gericht verpflichtet, den krankhaften Zustand näher aufzuklären. Die Strafkammer hätte versuchen müssen, den attestierenden Arzt über sein Mobiltelefon zu erreichen oder zumindest klären müssen, wann er wieder erreichbar sein würde. Die Informationen der Kollegin reichten nicht aus, um den Verdacht einer unzureichenden Entschuldigung sicher festzustellen.
Unzulässigkeit der Revision
Dennoch wies das Kammergericht die Revision zurück. Der entscheidende Mangel lag in der Revisionsbegründung des Angeklagten. Diese enthielt keine konkreten Angaben zum Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigung am Terminstag und keine Behauptung einer fortbestehenden Verhandlungsunfähigkeit. Das vorgelegte Attest enthielt ebenfalls keine ausreichenden Angaben zur Unzumutbarkeit der Teilnahme an der Hauptverhandlung, und auch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gab keinen Aufschluss über die Schwere der Erkrankung. Die bloß pauschale Behauptung, ein Gespräch mit dem Arzt hätte die Entschuldigung des Angeklagten bestätigt, reichte für eine zulässige Verfahrensrüge nicht aus.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass bei Verhinderung eines Gerichtstermins aufgrund von Krankheit nicht nur ein ärztliches Attest erforderlich ist, sondern dieses auch konkret die Verhandlungsunfähigkeit belegen muss. Ein Attest muss die aktuellen Symptome und deren Auswirkungen auf die Verhandlungsfähigkeit detailliert beschreiben. Das Gericht ist berechtigt, die Glaubwürdigkeit eines Attests durch Rückfragen beim Arzt zu überprüfen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie einen Gerichtstermin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnehmen können, müssen Sie ein qualifiziertes ärztliches Attest vorlegen. Dieses sollte präzise Ihre aktuellen Symptome beschreiben und explizit darlegen, warum Sie verhandlungsunfähig sind. Lassen Sie sich vom Arzt gründlich untersuchen und bestehen Sie darauf, dass er Ihre Beschwerden und deren Auswirkungen detailliert dokumentiert. Bedenken Sie, dass das Gericht beim Arzt nachfragen kann und vage oder oberflächliche Atteste nicht ausreichen, um Ihr Fernbleiben zu entschuldigen. Eine unentschuldigte Abwesenheit kann zur Verwerfung Ihrer Berufung führen.
Benötigen Sie Hilfe?
Klare Perspektiven im Verfahren bei unentschuldigtem Fernbleiben
Ein aktuelles Urteil zeigt, dass ein ärztliches Attest zur Entschuldigung einer krankheitsbedingten Abwesenheit den konkreten Nachweis der Verhandlungsunfähigkeit erbringen muss – aktuelle Symptome und deren Auswirkungen sind detailliert zu dokumentieren. In solchen Situationen kann es zu Unsicherheiten kommen, wenn die formalen Anforderungen nicht exakt erfüllt werden.
Unsere Kanzlei unterstützt Sie dabei, Ihren Fall präzise zu analysieren und sicherzustellen, dass Ihre ärztliche Dokumentation den gerichtlichen Anforderungen entspricht. Durch eine fundierte Prüfung Ihres Sachverhalts helfen wir Ihnen, potenzielle Schwachstellen frühzeitig zu erkennen und rechtliche Risiken zu minimieren.
Mit einer sachlichen und sorgfältigen Bewertung Ihrer Situation können Sie den nächsten Schritt gehen und den Überblick über Ihre Rechte und Pflichten gewinnen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was muss ein ärztliches Attest für eine Gerichtsverhandlung mindestens enthalten?
Ein ärztliches Attest für eine Gerichtsverhandlung muss deutlich umfangreicher sein als eine gewöhnliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.
Formale Anforderungen
Das Attest muss eindeutig zur Vorlage bei Gericht bestimmt sein und folgende Angaben enthalten:
- Name, Anschrift und Fachrichtung des ausstellenden Arztes
- Datum der Untersuchung
- Voraussichtliche Dauer der Verhandlungsunfähigkeit
Inhaltliche Anforderungen
Der Arzt muss im Attest konkret und nachvollziehbar darlegen:
- Die Art der Erkrankung mit spezifischer Symptomatik
- Die konkreten Auswirkungen auf die Verhandlungsfähigkeit
- Eine detaillierte Begründung, warum die Teilnahme an der Verhandlung nicht möglich oder unzumutbar ist
Besondere Hinweise
Eine bloße Diagnose oder die pauschale Attestierung einer „Verhandlungsunfähigkeit“ reicht nicht aus. Der Arzt beschreibt die medizinischen Tatsachen, während das Gericht letztendlich über die Verhandlungsfähigkeit entscheidet.
Mit der Vorlage des Attests bei Gericht wird der ausstellende Arzt automatisch von seiner Schweigepflicht entbunden. Dies ermöglicht dem Gericht, bei Bedarf weitere Informationen einzuholen oder Rückfragen zu stellen.
Welche Prüfschritte unternimmt das Gericht bei Vorlage eines Attests?
Das Gericht führt bei der Vorlage eines ärztlichen Attests eine mehrstufige Prüfung durch.
Formale Prüfung des Attests
Das Gericht prüft zunächst, ob das Attest die notwendigen formalen Anforderungen erfüllt. Ein Attest muss ausdrücklich zur Vorlage bei Gericht bestimmt sein und konkrete Angaben zur Art der Erkrankung sowie deren Auswirkungen enthalten. Eine einfache Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reicht nicht aus.
Inhaltliche Überprüfung
Bei der inhaltlichen Prüfung untersucht das Gericht, ob die beschriebene Erkrankung tatsächlich eine Verhandlungsunfähigkeit begründet. Die Entscheidung über die Verhandlungsunfähigkeit trifft dabei ausschließlich das Gericht, nicht der ausstellende Arzt.
Nachforschungsmöglichkeiten
Wenn das Gericht Zweifel an der Richtigkeit des Attests hat, stehen ihm verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung:
- Telefonische Rückfrage beim ausstellenden Arzt, da die Vorlage des Attests als konkludente Entbindung von der Schweigepflicht gilt
- Beauftragung der Polizei zur Überprüfung des Entschuldigungsgrundes
- Einholung eines weiteren ärztlichen Gutachtens durch einen vom Gericht beauftragten Arzt
- Persönliche Kontaktaufnahme mit dem Betroffenen zur Klärung der Situation
Entscheidungsfindung
Das Gericht muss bei bestehenden Zweifeln aktiv ermitteln. Ein Attest gilt so lange als genügende Entschuldigung, bis seine Unrichtigkeit nachgewiesen ist. Wenn nach der Prüfung Zweifel bleiben, darf das Gericht den Einspruch nicht verwerfen.
Wie kann man eine Revision erfolgreich begründen?
Eine erfolgreiche Revisionsbegründung erfordert eine präzise und formgerechte Darlegung der Rechtsfehler. Die Revision muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Urteils begründet werden.
Formelle Anforderungen
Bei der Revisionsbegründung müssen Sie konkret aufzeigen, welche Rechtsnorm verletzt wurde und worin die Verletzung besteht. Wenn Sie beispielsweise wegen unentschuldigten Fernbleibens eine Revision einlegen, reicht es nicht aus, nur allgemein Beschwerde zu führen.
Darlegung der Entschuldigungsgründe
Wenn Sie eine Revision wegen der Verwerfung Ihrer Berufung einlegen, müssen Sie schwerwiegende und unvorhersehbare Gründe für Ihr Fernbleiben darlegen. Diese Gründe müssen:
- objektiv nachprüfbar sein
- durch entsprechende Nachweise belegt werden
- das Fernbleiben rechtfertigen können
Beruhensprüfung
Ein wichtiger Aspekt der Revisionsbegründung ist die Darlegung, dass das Urteil auf dem gerügten Rechtsfehler beruht. Es muss die Möglichkeit bestehen, dass das Gericht ohne den Rechtsfehler anders entschieden hätte. Bei bestimmten absoluten Revisionsgründen nach § 338 StPO entfällt diese Prüfung allerdings.
Aufklärungsrüge
Bei einer Aufklärungsrüge müssen Sie konkret darlegen, welche Aufklärungsmaßnahmen das Gericht unterlassen hat. Zum Beispiel wenn das Gericht die Glaubhaftigkeit eines Entschuldigungsgrundes nicht ausreichend geprüft hat, müssen Sie genau aufzeigen, welche weiteren Ermittlungen erforderlich gewesen wären.
Ab wann gilt eine Verhandlungsunfähigkeit als nachgewiesen?
Eine Verhandlungsunfähigkeit ist nachgewiesen, wenn durch ein ärztliches Attest konkret dargelegt wird, dass der Betroffene nicht in der Lage ist, seine Interessen in oder außerhalb der Gerichtsverhandlung vernünftig wahrzunehmen.
Anforderungen an das ärztliche Attest
Das ärztliche Attest muss folgende konkrete Angaben enthalten:
- Die Art und Schwere der Erkrankung
- Die spezifischen Auswirkungen auf die Verhandlungsfähigkeit
- Die voraussichtliche Dauer der Verhandlungsunfähigkeit
Ein einfaches Attest zur Arbeitsunfähigkeit oder eine pauschale Bescheinigung der Verhandlungsunfähigkeit reicht nicht aus.
Beurteilung durch das Gericht
Die endgültige Entscheidung über das Vorliegen einer Verhandlungsunfähigkeit trifft stets das Gericht. In komplexen Fällen wird ein medizinisches oder forensisch-psychiatrisches Gutachten eingeholt. Bestehen weiterhin Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit, muss das Gericht weitere Ermittlungen durchführen.
Medizinische Voraussetzungen
Eine Verhandlungsunfähigkeit liegt vor bei:
Schweren körperlichen oder seelischen Beeinträchtigungen, die die Fähigkeit zur vernünftigen Wahrnehmung der eigenen Interessen ausschließen. Beispiele sind fortgeschrittene maligne Erkrankungen, psychotische Störungen oder dekompensierte Erkrankungen.
Wenn Sie durch eine Erkrankung verhindert sind, müssen die gesundheitlichen Beeinträchtigungen so schwerwiegend sein, dass eine Teilnahme an der Verhandlung objektiv unmöglich oder unzumutbar ist. Eine leichte Erkältung oder Kopfschmerzen reichen dafür in der Regel nicht aus.
Welche Folgen hat ein unentschuldigtes Fernbleiben von der Gerichtsverhandlung?
Konsequenzen für Angeklagte
Wenn Sie als Angeklagter unentschuldigt einer Hauptverhandlung fernbleiben, drohen schwerwiegende rechtliche Konsequenzen. Das Gericht kann einen Vorführungsbefehl erlassen, wodurch Sie zwangsweise zur Verhandlung gebracht werden. Bei einer Berufungsverhandlung riskieren Sie zusätzlich die Verwerfung Ihrer Berufung.
Folgen für Zeugen
Als Zeuge müssen Sie bei unentschuldigtem Fernbleiben mit folgenden Maßnahmen rechnen:
- Kostenübernahme für alle durch Ihr Ausbleiben verursachten Aufwendungen, etwa für Anwälte und Sachverständige
- Ordnungsgeld, dessen Höhe im Ermessen des Gerichts liegt
- Zwangsweise Vorführung bei wiederholtem Nichterscheinen
Entschuldbare Gründe
Ein Fernbleiben gilt nur dann als entschuldigt, wenn schwerwiegende und unvorhersehbare Gründe vorliegen. Dazu zählen:
- Plötzliche schwere Erkrankungen mit ärztlichem Attest
- Nachweisbare Unfälle
- Schwerwiegende familiäre Notfälle
Ein bereits gebuchter Urlaub oder berufliche Verpflichtungen werden in der Regel nicht als ausreichende Entschuldigung anerkannt. Selbst ein geplanter Operationstermin gilt normalerweise nicht automatisch als Entschuldigungsgrund.
Richtige Vorgehensweise bei Verhinderung
Wenn Sie verhindert sind, müssen Sie das Gericht unverzüglich informieren. Eine nachträgliche Entschuldigung reicht nicht aus. Bei Krankheit ist ein qualifiziertes ärztliches Attest erforderlich, das die Verhandlungsunfähigkeit konkret bescheinigt. Eine einfache Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genügt nicht.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Verfahrensrüge
Eine formelle Beanstandung im Rahmen eines Rechtsmittels, die geltend macht, dass gegen wesentliche Verfahrensvorschriften verstoßen wurde. Sie ist ein wichtiges Instrument zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Gerichtsverfahrens. Die Rüge muss konkret darlegen, welche Verfahrensvorschriften verletzt wurden und wie sich dies auf das Urteil ausgewirkt hat.
Beispiel: Ein Angeklagter rügt, dass das Gericht ein wichtiges Beweismittel nicht berücksichtigt oder einen Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt hat.
Revision
Ein Rechtsmittel gegen Gerichtsurteile, das sich ausschließlich auf die Überprüfung von Rechtsfehlern beschränkt. Anders als bei der Berufung werden keine neuen Tatsachen geprüft. Die Revision muss innerhalb bestimmter Fristen eingelegt und begründet werden (§§ 333 ff. StPO).
Beispiel: Ein Verteidiger legt Revision ein, weil das Gericht wichtige Verfahrensvorschriften missachtet oder das Gesetz falsch angewendet hat.
Verwerfung der Berufung
Eine gerichtliche Entscheidung nach § 329 StPO, bei der das Rechtsmittel der Berufung ohne inhaltliche Prüfung zurückgewiesen wird. Dies geschieht typischerweise, wenn der Berufungsführer unentschuldigt der Verhandlung fernbleibt oder die Berufung nicht formgerecht begründet wurde.
Beispiel: Das Gericht verwirft die Berufung eines Angeklagten, der ohne ausreichende Entschuldigung nicht zur Verhandlung erscheint.
Aufklärungspflicht
Die gesetzliche Verpflichtung des Gerichts, den Sachverhalt umfassend und von Amts wegen aufzuklären (§ 244 Abs. 2 StPO). Dies umfasst auch die Pflicht, bei Zweifeln an der Verhandlungsfähigkeit eines Angeklagten entsprechende Nachforschungen anzustellen.
Beispiel: Bei Vorlage eines Attests muss das Gericht durch Rückfragen beim Arzt die tatsächliche Schwere der Erkrankung ermitteln.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO: Dieser Paragraph regelt das Verfahren, wenn ein Angeklagter ohne entschuldbaren Grund nicht zum Hauptverhandlungstermin erscheint. In solchen Fällen kann das Gericht von der weiteren Verhandlung absehen und ein Versäumnisurteil erlassen. Dies dient dazu, den Ablauf der Strafverfahren zu sichern und unentschuldigtes Fernbleiben zu sanktionieren.
Im vorliegenden Fall ist der Angeklagte trotz vorgelegter ärztlicher Atteste unentschuldigt vom Hauptverhandlungstermin abwesend geblieben. Das Landgericht Berlin I hat daher gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO die Revision verworfen, da der Angeklagte dem Termin nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist.
- § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO: Diese Vorschrift legt fest, dass eine Verfahrensrüge, insbesondere eine Revisionsrüge, ausreichend konkret begründet sein muss. Der Revisionsführer muss die verfahrensrechtlichen Mängel detailliert darlegen, damit das Revisionsgericht prüfen kann, ob tatsächlich ein Fehler vorliegt. Dies gewährleistet eine faire Überprüfung und verhindert unbegründete Revisionen.
Der Angeklagte berief sich in seiner Revision darauf, dass das Gericht seine Aufklärungspflicht verletzt habe, indem es nicht direkt mit dem behandelnden Arzt Rücksprache gehalten habe. Allerdings erfüllte die Verfahrensrüge nicht die Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, da die notwendige detaillierte Darstellung der Symptomatik und deren Auswirkung auf die Verhandlung fehlte.
- § 127 StPO: Dieser Paragraph beschäftigt sich mit dem Versäumen von Terminen durch den Angeklagten. Er regelt die Maßnahmen, die das Gericht ergreifen kann, wenn der Angeklagte ohne Entschuldigung erscheint oder erneut fehlt. Ziel ist es, den Fortgang des Verfahrens sicherzustellen und Missbrauch zu verhindern.
Im Urteil wurde festgestellt, dass der Angeklagte unentschuldigt fehlte, obwohl er ärztliche Atteste vorgelegt hatte. § 127 StPO kommt hier zur Anwendung, um das Verhalten des Angeklagten zu bewerten und die entsprechenden gerichtlichen Maßnahmen zu rechtfertigen.
- Aufklärungspflicht des Gerichts: Diese richterliche Pflicht umfasst die sorgfältige Untersuchung aller relevanten Tatsachen und Beweismittel, um zu einer fundierten Entscheidung zu gelangen. Das Gericht muss alle vorgelegten Beweise prüfen und bei Zweifel nach zusätzlichen Informationen suchen.
Der Angeklagte argumentierte, das Gericht habe seine Aufklärungspflicht verletzt, indem es nicht direkt mit dem behandelnden Arzt Kontakt aufgenommen habe. Das Gericht hingegen stellte fest, dass die vorgelegten Atteste ausreichend geprüft wurden und keine Notwendigkeit für zusätzliche Aufklärung bestand, da die vorliegenden Beweise nicht überzeugend waren.
- Ärztliche Bescheinigung und Beweiskraft: Medizinische Atteste und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen dienen als Beweismittel für die gesundheitliche Verfassung eines Angeklagten und können Einfluss auf die Teilnahme zu Gerichtsverfahren haben. Die Echtheit und die inhaltliche Korrektheit dieser Dokumente sind für das Gericht von entscheidender Bedeutung.
Im vorliegenden Fall wurden die ärztlichen Atteste des Angeklagten vorgelegt, jedoch zweifelte das Gericht deren Glaubwürdigkeit an, da die Untersuchungen nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurden und der Arzt die Symptomausprägung nicht bestätigen konnte. Dies führte zur Entscheidung, dass die Vorlage der Atteste nicht ausreichte, um das Fernbleiben des Angeklagten zu entschuldigen.
Das vorliegende Urteil
KG Berlin – Az.: 3 ORs 66/14 – 121 SRs 97/24 – Urteil vom 18.10.2024
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