LG Hamburg – Az.: 608 KLs 5/17 – 5701 Js 54/14 – Beschluss vom 17.04.2020
Es wird festgestellt, dass die Hemmung des Laufs der Unterbrechungsfristen nach § 229 Abs. 1 und Abs. 2 StPO gemäß § 10 EGStPO am 17. April 2020 geendet hat.
Gründe
Gemäß § 10 Abs. 1 EGStPO ist unabhängig von der Dauer der Hauptverhandlung der Lauf der in § 229 Abs. 1 und Abs. 2 StPO genannten Unterbrechungsfristen gehemmt, solange die Hauptverhandlung aufgrund von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) nicht durchgeführt werden kann.
Beginn und Ende der Hemmung stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluss fest, § 10 Abs. 1 S. 2 EGStPO.
Unter umfassender Gesamtabwägung aller insoweit maßgeblichen Umstände sind diese Voraussetzungen seit dem 17. April 2020 nicht mehr erfüllt. Die Durchführung der Hauptverhandlung ist vielmehr wieder möglich.
Die Kammer hat im Rahmen der Gesamtabwägung maßgeblich die bislang getätigten Risikoeinschätzungen des Robert-Koch-Instituts zu den Gefahren und der Verbreitung des Corona-Virus und den Umfang und die Zielsetzung der derzeitig angeordneten behördlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus in Hamburg und in der gesamten Bundesrepublik berücksichtigt. Hierbei hat die Kammer auch bedacht, dass nunmehr am 15. April 2020 aufgrund des – wenn auch „zerbrechlichen“ – Zwischenerfolgs im Rahmen der Pandemiebekämpfung verschiedene Lockerungen der Beschränkungen zum 20. April 2020 angekündigt wurden. Insofern ist eine leicht positiv veränderte Risikoeinschätzung zu verzeichnen.
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Weiterhin hat die Kammer die Besonderheiten des hiesigen Verfahrens, namentlich die Anzahl der Verfahrensbeteiligten, in ihre Erwägungen mit einbezogen. Das hiesige Verfahren hat insgesamt 15 Verfahrensbeteiligte (3 Richter und 2 Schöffen, 1 Protokollführerin, 1 Vertreterin der Staatsanwaltschaft, 4 Verteidiger, 3 Angeklagte, 1 Nebenbeteiligtenvertreter). Die Kammer hat auch die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten eingehend gewürdigt. So hat die Kammer insbesondere bedacht, dass die Erkrankung des Angeklagten T. nach den Ausführungen der Verteidigung nunmehr abgeklungen ist. Auch hat die Kammer mitberücksichtigt, dass nach den Ausführungen der Verteidigung der Hausarzt des Angeklagten T. diesem mitgeteilt habe, dass dieser aufgrund seiner massiven Vorerkrankungen besonders gefährdet sei und die Hygienevorschriften sowie Abstandsregelungen strikt einhalten müsse. Zudem sei der Aufenthalt mit anderen Personen in geschlossenen Räumen aufgrund der bestehenden Erkrankungen problematisch.
Hierbei hat die Kammer aber in die Abwägung miteingestellt, dass für die Durchführung der Hauptverhandlung ein großer Verhandlungssaal – namentlich der Plenarsaal im Ziviljustizgebäude – zur Verfügung steht, bei welchem der vorgegebene Mindestabstand zwischen den anwesenden Personen stets eingehalten werden kann.
Auch bei dem Betreten und Verlassen des Saals können die gebotenen Abstandsregelungen eingehalten werden.
Hinsichtlich der Anzahl der Zuschauer wird darauf geachtet werden, dass die erforderlichen Abstände auch im Zuschauerraum eingehalten werden.
Regelmäßige Pausen und Belüften des Sitzungssaals ist beabsichtigt.
Sollte für (sei es auch spontane) Gespräche zwischen Verteidigern und Angeklagten eine Unterbrechung erforderlich sein, so wird diese auf Antrag gewährt werden.
Überdies steht es allen Verfahrensbeteiligten frei, sich und andere durch Tragen einer Mund und Nase bedeckenden und ggfs. auch selbst gefertigten Gesichtsmaske zusätzlich zu schützen, soweit dies individuell für notwendig gehalten wird. Das Tragen eines solchen Schutzes wird gestattet werden.
Im Rahmen der zu treffenden Gesamtabwägung hat die Kammer auch den fortgeschrittenen Stand des Verfahrens berücksichtigt und die voraussichtliche Dauer der jeweils anstehenden Hauptverhandlungstage. Nach 25 Hauptverhandlungstagen befindet sich das Verfahren in einem fortgeschrittenen Stadium. Die Hauptverhandlungstage waren zuletzt nicht mehr tagesausfüllend, sondern faktisch eher halbtägig. Auch der nunmehr für den 20. April 2020 vorgesehene HV-Termin wird voraussichtlich jedenfalls nicht deutlich länger als 2 Stunden andauern.
Auch die Bedeutung des Verfahrens und das Gewicht des Tatvorwurfs hat die Kammer mit in ihre Überlegungen miteinbezogen. Die Effektivität der Strafrechtspflege gebietet dem Verfahren Fortgang zu geben.
Im Übrigen wird die Kammer ihre Vorgehensweise weiterhin an der aktuellen Entwicklung der Infektionslage und den damit verbundenen Empfehlungen und Vorgaben staatlicher Stellen ausrichten.
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