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Strafzumessung in Jugendstrafverfahren

AG Nürnberg, Az.: 63 Ls 605 Js 35816/13, Urteil vom 10.04.2013

1. Die Angeklagte … ist schuldig des Diebstahls in zwei Fällen.

2. Die Angeklagte wird deswegen unter Einbeziehung des rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts – Jugendgerichts – Nürnberg vom 08.10.2012, Aktenzeichen: 63 Ds 605 Js 41105/12, und der dort festgestellten Taten zu einer Einheitsjugendstrafe von 1 Jahr verurteilt.

3. Die Vollstreckung der erkannten Jugendstrafe wird bei der Angeklagten zur Bewährung ausgesetzt.

4. Es wird ein Warnschussarrest in Höhe von 2 Wochen verhängt.

5. Von der Auferlegung von Kosten und Auslagen wird abgesehen.

Angewendete Vorschriften: §§ 242, 248 a, 53 StGB.

Gründe

(abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO)

I.

1.

Am 27.11.2012 gegen 15.30 Uhr entwendete die Angeklagte in den Geschäftsräumen der Firma … Nürnberg, Bekleidung und Kosmetika im Wert von 184,55 Euro, um die Ware ohne zu bezahlen für sich zu behalten.

Strafzumessung in Jugendstrafverfahren
Symbolfoto: handersen/Bigstock

Die Strafverfolgung wird gemäß § 154 Abs. 1 StPO auf den vorgenannten Sachverhalt und die nachbezeichneten Gesetzesverletzungen beschränkt.

2.

Am 04.02.2013 gegen 14.10 Uhr entwendete die Angeklagte in den Geschäftsräumen der Firma … Nürnberg, Nahrungsmittel im Wert von 2,18 Euro, um die Ware ohne zu bezahlen für sich zu behalten.

Strafantrag wurde form- und fristgerecht gestellt.

Die Staatsanwaltschaft hielt wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.

Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund des vollumfänglichen Geständnisses der Angeklagten. Sie gab an, den jeweiligen sei ein Streit mit der Mutter vorangegangen. Sie habe damals auch unbedingt aus dem Haushalt der Mutter herausgewollt. Jetzt sei aber alles gut. Sie habe eine Arbeitsstelle und man vertrage sich wieder.

Die Angeklagte war daher wie tenoriert schuldig zu sprechen gewesen.

II.

Die Angeklagte ist in Baku in Aserbaidschan geboren. Bis zur ihrem 12. Lebensjahr wuchs sie dort auf. Geschwister hat sie keine. Die Mutter heiratete hier in Deutschland und im Jahr 2006 zog die Angeklagte mit ihrer Mutter nach Deutschland. Bis zur Trennung der Mutter von dem Ehemann Mitte 2012 lebte die Angeklagte mit der Mutter in … . Zu ihrem leiblichen Vater hat sie keinerlei Kontakt, zu ihrem Stiefvater jetzt auch nicht mehr. Anschließend verzogen die Angeklagte und ihre Mutter in eine Zweizimmerwohnung nach … . Zunächst war die Angeklagte dort nur gemeldet und hat sich eigentlich nicht dort aufgehalten. Die Angeklagte und ihre Mutter haben ein schwieriges Verhältnis. Es kommt häufig zu Streitigkeiten.

Die Angeklagte erhält von der Mutter ab und zu Geldzahlungen, die jedoch nicht zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes ausreichen. Die Angeklagte gibt an, sie lebt jetzt wieder im Haushalt der Mutter fest. Man verstünde sich auch besser. Hilfemaßnahmen des Jugendamtes waren zuletzt nicht möglich, da die Angeklagte über keine feste Meldeadresse verfügt hat. Ab Oktober 2012 zog sie wieder, zu ihrer Mutter und hat jedoch keinerlei Hilfemaßnahmen beim Jugendamt beantragt. Sie ging auch zuletzt nicht zum Jugendgerichtshilfetermin.

Die Angeklagte besuchte bis zur 6. Klasse die Schule in Baku. Von der 7. bis zur 9. Klasse war sie auf der Hauptschule in …. Im Jahr 2012 legte sie den Hauptschulabschluss ab. Danach absolvierte sie das BVJ …. Zunächst hatte sie geplant, eine Hauswirtschaftsschule zu besuchen. Sie hat jedoch die Anmeldefrist versäumt. Seit dem 02.04.2013 hat sie nun eine Aushilfstätigkeit …. Sie gibt an, sie werde dort auf 450,00 Euro-Basis arbeiten. Eine Ausbildungsstelle zur Einzelhandelskauffrau sei ihr in Aussicht gestellt worden ab September 2013.

Strafrechtlich ist die Angeklagte wie folgt in Erscheinung getreten:

1. …

Tatbezeichnung: Gemeinschaftlicher Diebstahl

Datum der (letzten) Tat: 14.07.2009

Angewendete Vorschriften: §§ 242 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB

Von der Verfolgung abgesehen nach § 45 Abs. 2 JGG

2. …

Rechtskräftig seit 23.01.2012

Tatbezeichnung: Unterschlagung und Missbrauch von Ausweispapieren

Datum der (letzten) Tat: 05.02.2011

Angewendete Vorschriften: §§ 246 Abs. 1, 281 Abs. 1 Satz 1, 53 StGB,

§ 15 JGG

Erbringung von Arbeitsleistungen

3. …

Rechtskräftig seit 09.10.2012

Tatbezeichnung: Erschleichen von Leistungen in 7 Fällen, Diebstahl in 4 Fällen und Unterschlagung

Datum der (letzten) Tat: 18.09.2012

Angewendete Vorschriften: §§ 265 a Abs. 1, Abs. 3, 242, 248 a, 246 Abs. 1,

53 StGB, § 21 JGG

10 Monate Jugendstrafe,

Bewährungszeit 3 Jahre

Bewährungshelfer bestellt bis 08.10.2014

Dieser Verurteilung liegt nachfolgender Sachverhalt zugrunde:

„1.

Zu den nachbezeichneten Zeitpunkten fuhr die Angeklagte mit öffentlichen Verkehrsmitteln der DB AG, ohne jeweils im Besitz eines gültigen Fahrausweises zu sein.

Die Angeklagte hatte in allen Fällen bei Fahrtantritt vor, den Fahrpreis nicht zu entrichten. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Fahrten:

……………..

Es entstand ein Gesamtschaden in Höhe von 15,30 Euro.

Strafantrag wurde form- und fristgerecht gestellt.

Die Staatsanwaltschaft hält wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.

2.

Zu den nachbezeichneten Zeitpunkten fuhr die Angeklagte mit öffentlichen Verkehrsmitteln der VAG, ohne jeweils im Besitz eines gültigen Fahrausweises zu sein.

Die Angeklagte hatte in allen Fällen bei Fahrtantritt vor, den Fahrpreis nicht zu entrichten. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Fahrten:

………………………..

Es entstand ein Gesamtschaden in Höhe von 6,60 Euro.

Strafantrag wurde form- und fristgerecht gestellt.

Die Staatsanwaltschaft hält wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.

3.

Am 20.04.2012 gegen 11.08 Uhr fuhr die Angeklagte mit einem Zug der DB AG von Nürnberg Hbf nach Schwabach, ohne im Besitz eines gültigen Fahrausweises zu sein. Die Angeklagte hatte bereits bei Fahrtantritt vor, den Fahrpreis in Höhe von 5,10 Euro nicht zu entrichten.

Strafantrag wurde form- und fristgerecht gestellt.

Die Staatsanwaltschaft hält wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.

4.

Am 13.06.2012 gegen 06.00 Uhr entwendete die Angeklagte in … … Nürnberg, ein Mobiltelefon Samsung Galaxy des Geschädigten … im Wert von 200,00 Euro, ein Mobiltelefon Smartphone Apple, iPhone 3GS sowie zwei Ladegeräte des Geschädigten … im Gesamtwert von 500,00 Euro und ein Mobiltelefon, iPod, Apple Touch 4 G 8 Giga des Geschädigten … im Wert von 200,00 Euro, um diese Gegenstände für sich zu behalten.

5.

5.1.

Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt am 26.07.2012 entwendete die Angeklagte in den Geschäftsräumen der Firma … in Nürnberg, 43 Dosen Redbull im Wert von 70,95 Euro (inklusive Pfand), um die Ware ohne Bezahlung für sich zu behalten.

5.2.

Am 27.07.2012 gegen 12.30 Uhr entwendete die Angeklagte in den Geschäftsräumen der Firma … in Nürnberg 40 Dosen Redbull im Wert von 66, — Euro (inklusive Pfand), um die Ware ohne Bezahlung für sich zu behalten.

5.3.

Am 27.07.2012 gegen 13.00 Uhr entwendete die Angeklagte in den Geschäftsräumen der Firma … in Nürnberg 40 Dosen Redbull im Wert von 66, — Euro (inklusive Pfand), um die Ware ohne Bezahlung für sich zu behalten.

Die Angeklagte ließ sich bei dem letzten Diebstahl einen Pfandbonn im Wert von 10,75 Euro für die 43 zuvor gestohlenen Dosen auszahlen, gab das Bargeld und die beim dritten Mal gestohlenen 40 Dosen aber zurück, sodass insgesamt ein Entwendungsschaden in Höhe von 132,– Euro entstand.

6.

Am 18.09.2012 gegen 04.15 Uhr ließ sich die Angeklagte … … von dem Geschädigten … dessen I-Phone Apple 4S im Wert von 648,00 Euro geben, um damit zu telefonieren. Im Anschluss entfernte sie sich, unter dem Vorwand, die Toilette aufzusuchen mit dem I-Phone, in der Absicht, dieses für sich zu behalten. Sie verkaufte es.“

Als Bewährungsauflage war der Verurteilten auferlegt worden, 100 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten. Das Gericht hat bei Installierung der Bewährung auch gehofft, dass die persönliche Lebenssituation der Angeklagten mit Hilfe der Bewährungshelferin geklärt und verbessert werden kann. Nach dem Bericht der Bewährungshelferin hat die Angeklagte sofort am 31.10.2012 Kontakt aufgenommen und der weitere Kontakt war im Wesentlichen regelmäßig. Es kam nur zu wenigen Terminversäumnissen, die die Angeklagte auch im Nachhinein immer erklärt hat.

Von den neuen Straftaten hat die Angeklagte nicht berichtet. Auch hat sie nicht berichtet, dass es zu Hause Schwierigkeiten gebe. Sie habe zwar den Wunsch geäußert, ausziehen zu können, jedoch habe die Bewährungshelferin ihr erklärt, sie solle erst für eine ausreichende finanzielle Basis sorgen. Weitere Bemühungen zusammen mit dem Jugendamt sind nicht unternommen worden.

Die ihr auferlegten 100 Arbeitsstunden hat die Angeklagte nach Fristverlängerung, erfüllt.

III.

Die Angeklagte war zum Tatzeitpunkt Heranwachsende. Ihr Lebensweg zeigt einen deutlichen Bruch auf, als sie von Aserbaidschan nach Deutschland kam. Hier fühlt sie sich im Haushalt der Mutter nicht wohl. Trotz augenscheinlich selbstständigen Verhaltens schafft sie es dennoch nicht, ihre eigenen Belange vollständig alleine zu regeln. Reiferückstände werden bei ihr angenommen und Jugendstrafrecht auf sie angewendet.

IV.

Bei der Strafzumessung hat das Gericht zu ihren Gunsten ihr Geständnis gewertet und die Tatsache, dass zumindest im Fall 2 der Entwendungsschaden sehr gering war Außerdem ist diese Tat als Hilferuf zu verstehen.

Zu ihren Lasten spricht jedoch die Tatsache, dass sie innerhalb von ca. 6 Wochen nach dem letzten Urteil einschlägig straffällig wurde. Der Kontakt zur Bewährungshelferin war zu diesem Zeitpunkt schon hergestellt. Die Rückfallgeschwindigkeit ist damit sehr hoch. Auch ist in Fall 1 der Entwendungsschaden erheblich.

Die Angeklagte hat daher bewiesen, dass nach wie vor die schädlichen Neigungen bei ihr vorliegen.

In Anbetracht der hohen Rückfallgeschwindigkeit und des Nichtannehmens von jetzt installierter Hilfe, ist hier eine Jugendstrafe von 1 Jahr schuld- und tatangemessen unter Einbeziehung des Urteils vom 08.10.2012.

Diese Jugendstrafe kann eigentlich nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, da die Angeklagte binnen kürzester Zeit einschlägig rückfällig wurde.

Dennoch hat sich das Gericht entschieden, der Angeklagten nochmals – eine letzte – Bewährungschance zu geben. Die Angeklagte zeigt leichte positive Ansätze. Mit der Bewährungshelferin ist noch einmal besprochen worden, dass sie sich mehr um die persönliche Situation der Angeklagten mitkümmern sollte.

Das Gericht hat sich daher entschieden, einen Warnschussarrest in Höhe von 2 Wochen zu verhängen, da die Angeklagte bis jetzt noch keine freiheitsentziehende Maßnahme über sich ergehen lassen musste. Dies soll dazu dienen, der Angeklagten einen Eindruck einer Freiheitsstrafe zu geben und letztlich doch noch eine Bewährungschance zu ermöglichen.

V.

Von der Auferlegung von Kosten und Auslagen wurde abgesehen, da die Angeklagte bislang noch keinerlei Einkünfte hatte und auch jetzt erst nur geringfügig Geld verdienen wird.

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