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Straftatbestand der verkehrswidrigen Geschwindigkeitsüberschreitung

LG Berlin, Az.: 504 Qs 11/18, Beschluss vom 05.03.2018

Auf die Beschwerde der Amtsanwaltschaft vom 21.12.2017 wird unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Tiergarten vom 19.12.2017 dem Beschuldigten gemäß § 111a Abs. 1 StPO die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen vorläufig entzogen.

Dieser Beschluss wirkt gemäß § 111a Abs. 3 StPO zugleich als Anordnung bzw. Bestätigung der Beschlagnahme des dem Beschuldigten von der Stadtverwaltung Brandenburg/Havel, Ordnungsamt am 05.03.2004 unter der Listennummer … erteilten Führerscheins (§§ 94, 98 StPO).

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Amtsanwaltschaft ist begründet.

Es liegen dringende Gründe für die Annahme vor, dass dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 1 StGB entzogen werden wird. Denn mit hinreichend hoher Wahrscheinlichkeit hat er ein Vergehen nach 69 Abs. 2 Nr. 1a (Verkehrswidrige Geschwindigkeitsüberschreitung nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB) begangen und sich damit als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.

Nach den übereinstimmenden Angaben der PK Sch. und PK D’A. befuhr der Beschuldigte am 03.11.2017 gegen 19 Uhr mit dem PKW Audi – amtliches Kennzeichen … – den Kurfürstendamm in Richtung Osten zwischen der Kreuzung … Straße und Kreuzung …straße, mithin eine Strecke von etwa 550 m, mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit. Dabei hielt er durchgehend weniger als eine Fahrzeuglänge Abstand zu dem ihm vorausfahrenden Lamborghini.

Obwohl der Beschuldigte und der Fahrer des Lamborghini sich dem Innenstadtbereich näherten und ein reges Verkehrsaufkommen sowie auf der linken Fahrbahn stockender Verkehr herrschten, beschleunigten sie nach Aktenlage mehrfach stark. PK D’A. und PK Sch. mussten ihren Pkw zwischenzeitlich auf 98 km/h beschleunigen, um dem Beschuldigten folgen zu können. Da sie ihren Angaben zufolge zum Beschuldigten über die gesamte Strecke hinweg einen Abstand von 20 m einhielten, ist bei einem Abschlag von 20 % von einer zumindest zeitweisen Geschwindigkeit des Beschuldigten von etwa 80 km/h auszugehen.

Zudem wechselte der Beschuldigte zusammen mit dem Fahrer des Lamborghini insgesamt vier mal den Fahrstreifen ohne den Fahrtrichtungsanzeiger zu betätigen und überwiegend ohne abzubremsen. Auch nutzte er die Busspur, bis er einem anfahrenden Linienbus ausweichen musste. Eine anschließende Kollision mit einem herannahenden Pkw-Fahrer konnte nur durch dessen Gefahrenbremsung verhindert werden.

Dieses Fahrverhalten lief der konkreten Verkehrssituation zuwider. Nach den konkreten Verkehrsverhältnissen, insbesondere dem regen Verkehrsaufkommen, fuhr der Beschuldigte mit nicht angepasster Geschwindigkeit (vgl. Fischer, Kommentar zum StGB, 65. Auflage, § 315d Rn 14). Unerheblich ist dabei, dass der Beschuldigte nicht über die gesamte Strecke von 550 m etwa 80 km/h fuhr, sondern jedenfalls einmal verkehrsbedingt abbremsen musste. Denn unmittelbar nach der verkehrsbedingten Bremsung beschleunigte er erneut stark. Ein mehrfaches starkes Beschleunigen über eine Strecke von etwa 550 m geht über ein Augenblicksversagen deutlich hinaus.

Soweit der Beschuldigte in seiner Stellungnahme vorträgt, bei dem üblichen Verkehrsaufkommen zu dieser Zeit sei ein Befahren des Kurfürstendamms mit einer Geschwindigkeit von über 50 km/h kaum möglich, erscheint die Geschwindigkeit des Beschuldigten der Kammer erst recht nicht angepasst.

Entsprechendes gilt für den Vortrag des Beschuldigten, die Busspur sei fast nie durchgehend befahrbar, sondern durch Lieferfahrzeuge, haltende Privatfahrzeuge und Linienbusse blockiert. Demnach hat der Beschuldigte sich mit überhöhter Geschwindigkeit durch mehrfachen Fahrbahnwechsel „durchgeschlängelt“, um ein Abbremsen zu vermeiden.

Aufgrund der Gesamtsituation und mehrerer zusammentreffender Verkehrsverstöße wertet die Kammer das Fahrverhalten des Beschuldigten nach überschlägiger Prüfung auch als grob verkehrswidrig. Insbesondere das zu schnelle Einfahren in Kreuzungsbereiche und das Hin- und Herwechseln zwischen Fahrbahn und Busspur in Verbindung mit dem regen Verkehrsaufkommen stellen ein besonders gefährliches Verhalten und damit einen schweren Verstoß gegen Verkehrsvorschriften dar (vgl. Beck-OK zum StGB, 37. Auflage, § 315d Rn 36).

Randnummer 10

Des Weiteren verhielt sich der Beschuldigte rücksichtslos im Sinne des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB, indem er die Gefährdung anderer um des schnelleren Vorankommens willen in Kauf nahm und dabei keinerlei Gefahrenbewusstsein zeigte.

Schließlich geschah dies bei vorläufiger Bewertung auch in der Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Die höchstmögliche Geschwindigkeit nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB bedeutet nicht die objektive Höchstleistung des Pkw, sondern eine subjektiv erstrebte möglichst hohe Geschwindigkeit (vgl. Fischer, a.a.O. Rn 17). Da der Verkehr auf dem linken Fahrstreifen immer wieder kurzfristig ins Stocken geriet, nutzte der Beschuldigte nach den Angaben des PK Sch. die Busspur für ein schnelleres Vorankommen durch starkes Beschleunigen. Weiter schildert PK D’A., dass der Beschuldigte den Abstand zu dem vorausfahrenden Lamborghini zwei- bis dreimal noch verringerte und links und rechts neben ihm ausscherte. Dies erweckt den Eindruck, der Beschuldigte wollte den Lamborghini durch dichteres Auffahren zu noch schnellerem Fortkommen animieren. In dieser überschießenden Innentendenz manifestiert sich ein nachgestellter Renncharakter (vgl. Beck-OK, a.a.O. Rn 41).

Eine abschließende Würdigung der vorhandenen und etwaig noch zu beschaffenden Beweismittel sowie Klärung der Schuldfrage kann jedoch nicht in dem hiesigen, nur vorläufigen Verfahren nach § 111a StPO erfolgen, sondern muss einer späteren Hauptverhandlung vorbehalten bleiben.

Es wird darauf hingewiesen, dass mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft wird, wer ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG).

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