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Sitzblockade auf öffentlicher Straße – strafbare Nötigung nach § 240 StGB.

Strafrechtliche Folgen von Sitzblockaden auf öffentlichen Straßen

Ein Angeklagter wurde wegen Beteiligung an einer Sitzblockade, die den Verkehr auf einer öffentlichen Straße blockierte, der strafbaren Nötigung nach § 240 StGB schuldig gesprochen. Er erhielt eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 Euro, die in monatlichen Raten gezahlt werden kann. Das Gericht sah die Aktion als Gewalt gegen die im Stau stehenden Fahrer an, da sie ein physisches Hindernis bildete und die freie Fortbewegung verhinderte.

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Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Verurteilung wegen Nötigung: Der Angeklagte wurde wegen seiner Beteiligung an einer Sitzblockade verurteilt.
  2. Geldstrafe: Festsetzung einer Geldstrafe von insgesamt 900 Euro, zahlbar in monatlichen Raten.
  3. Blockade des Verkehrs: Die Sitzblockade führte zu einem vollständigen Erliegen des Verkehrs und erheblichen Staus.
  4. Physisches Hindernis: Die Blockade bildete ein physisches Hindernis und wurde als Gewalt gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern gewertet.
  5. Keine Vorstrafen: Im Bundeszentralregister waren keine Eintragungen zum Angeklagten vorhanden.
  6. Bewertung der Tat als verwerflich: Das Gericht sah das Handeln des Angeklagten als verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB an.
  7. Interessenabwägung: Die Abwägung zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und der Beeinträchtigung der Verkehrsteilnehmer fiel zu Lasten des Angeklagten aus.
  8. Recht auf Versammlungsfreiheit: Trotz des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit wurde die Aktion als strafbare Handlung eingestuft.

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Strafrechtliche Verantwortung für Sitzblockaden

Sitzblockade
(Symbolfoto: rasid aslim /Shutterstock.com)

Die Sitzblockade ist eine Form des Protests, die in der jüngsten Vergangenheit vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist. Doch was passiert, wenn eine Sitzblockade auf einer öffentlichen Straße zu einer strafbaren Nötigung nach § 240 StGB wird? In diesem Artikel werden wir uns mit einem konkreten Urteil befassen, in dem ein Angeklagter wegen seiner Beteiligung an einer Sitzblockade zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Lesen Sie weiter, um mehr über die Hintergründe und die rechtlichen Implikationen dieses Falls zu erfahren.

Sitzblockade als strafbare Nötigung: Urteil des AG Flensburg

Das Amtsgericht Flensburg verurteilte einen Angeklagten wegen strafbarer Nötigung nach § 240 StGB zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 30 Euro aufgrund seiner Beteiligung an einer Sitzblockade. Der 54-jährige Angeklagte, selbstständig im Offshore-Windkraft-Bereich tätig, beteiligte sich am 02. Februar 2023 an einer Aktion des Aktionsbündnisses „Letzte Generation“. Er setzte sich zusammen mit anderen auf einen Zebrastreifen und blockierte so den Verkehr. Diese Handlung führte zu erheblichen Verkehrsbehinderungen und Staus in der Stadt F.

Die Durchführung der Sitzblockade und ihre Folgen

Die Sitzblockade begann um 15:38 Uhr, als sich der Angeklagte und weitere Personen auf die Fahrbahn setzten, wobei sie teilweise ihre Hände mit Sekundenkleber auf der Straße festklebten. Diese Aktion führte zunächst zu einem vollständigen Erliegen des Fahrzeugverkehrs. Es kam zu erheblichen Rückstaus in mehreren Straßen. Die Polizei musste eingreifen, um die Situation zu entschärfen und die Verkehrsführung teilweise wiederherzustellen. Der Angeklagte konnte erst nach mehr als drei Stunden von der Straße entfernt werden. Die Versammlung wurde von den Polizeibeamten offiziell aufgelöst und die Teilnehmer aufgefordert, sich auf den Gehweg zu begeben.

Bewertung des Gerichts: Gewalt durch physisches Hindernis

Das Gericht wertete die Sitzblockade als Gewalt im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB. Die Blockade stellte ein physisches Hindernis dar, das die Fortbewegung anderer Verkehrsteilnehmer zwangsweise unterband. Besonders hervorzuheben ist die sogenannte „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“, bei der ein Demonstrant den ersten angehaltenen Fahrzeugführer als Werkzeug zur Errichtung eines physischen Hindernisses für nachfolgende Fahrzeuge nutzt. Das Gericht erkannte auch auf die Verwerflichkeit der Tat im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB und lehnte eine Rechtfertigung nach § 34 StGB (rechtfertigender Notstand) ab.

Strafzumessung und deren Hintergründe

Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Gericht das Geständnis des Angeklagten und sein friedfertiges Verhalten sowie seine bisherige Unbestraftheit. Gleichzeitig wurden die erheblichen Beeinträchtigungen und Einschränkungen der blockierten Verkehrsteilnehmer gewertet. Der Angeklagte handelte aus einem kommunikativen Anliegen heraus, um auf die durch den Klimawandel verursachten Gefahren aufmerksam zu machen. Die vom Gericht verhängte Geldstrafe kann in monatlichen Raten von 250 Euro beglichen werden.

Das Urteil illustriert die komplexe Abwägung zwischen dem Recht auf Versammlungsfreiheit und der Handlungsfreiheit der betroffenen Bürger. Es verdeutlicht, dass der Einsatz physischer Hindernisse zur Durchsetzung politischer Anliegen rechtliche Grenzen hat und nicht durch die Versammlungsfreiheit gedeckt ist. Das Urteil des Amtsgerichts Flensburg setzt damit ein klares Zeichen in Bezug auf die strafrechtliche Bewertung von Sitzblockaden und deren Auswirkungen auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Was umfasst der Tatbestand der strafbaren Nötigung nach § 240 StGB und wie wird er im Kontext einer Sitzblockade interpretiert?

Der Tatbestand der strafbaren Nötigung nach § 240 StGB umfasst die rechtswidrige Nötigung eines Menschen durch Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung. Die Strafe kann eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe sein. Die Nötigung ist strafbar, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich angesehen wird.

Die Interpretation von § 240 StGB im Kontext einer Sitzblockade ist jedoch komplex und umstritten. Eine Sitzblockade wurde früher als Nötigung gemäß § 240 StGB betrachtet, da nach Ansicht der Rechtsprechung auch psychische Gewalt, sofern sie vom Betroffenen als körperlich empfunden wurde, unter den Begriff der Gewalt fiel. Eine Sitzblockade, verbunden mit Anketten, Einhaken oder aktivem Widerstand gegen das Wegtragen, wird auch vom Bundesverfassungsgericht im Regelfall als Nötigung nach § 240 StGB angesehen, vor allem wenn das darin enthaltene Tatbestandsmerkmal der Gewalt auf Blockadeaktionen angewandt wird, bei denen die Teilnehmer über die durch ihre körperliche Anwesenheit verursachte psychische Wirkung hinausgehen.

Die rechtliche Beurteilung von Sitzblockaden hängt stark von den Umständen des Einzelfalls ab. Während friedliche Blockaden grundsätzlich unter die Versammlungsfreiheit fallen und damit rechtmäßig sind, können sich die Teilnehmer in anderen Fällen unter anderem wegen Nötigung strafbar machen.

Es ist zu beachten, dass die Rechtsprechung zu diesem Thema nicht einheitlich ist und sich im Laufe der Zeit ändern kann. Daher ist es ratsam, sich bei konkreten Fragen an einen Rechtsberater zu wenden.

Wie definiert sich Gewalt im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB, speziell in Bezug auf die sogenannte „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ bei Sitzblockaden?

Definition von Gewalt nach § 240 Abs. 1 StGB

Gewalt im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB wird als körperlich wirkender Zwang durch die Entfaltung von Kraft oder durch eine physische Einwirkung sonstiger Art definiert, die dazu bestimmt und geeignet ist, die Freiheit der Willensentschließung oder Willensbetätigung eines anderen aufzuheben oder zu beeinträchtigen.

„Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ bei Sitzblockaden

Die sogenannte „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofs (BGH) bezieht sich auf die Beurteilung von Sitzblockaden im Kontext des Gewaltbegriffs. Nach dieser Rechtsprechung wird die Blockierung einer Straße durch Aktivisten als Gewalt im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB angesehen, wenn der Straßenblockierer durch den Einsatz seines Körpers eine psychische Barriere für das zuerst angehaltene Fahrzeug schafft, die dann als physische, unüberwindbare Barriere für weitere herannahende Fahrzeuge wirkt.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat diese Auslegung des Gewaltbegriffs als verfassungskonform bestätigt, da sie nicht den Wortlaut des § 240 StGB überschreitet. Es hat jedoch klargestellt, dass der Kommunikationszweck einer Sitzblockade bereits bei der Prüfung der Verwerflichkeit gemäß § 240 Abs. 2 StGB zu berücksichtigen ist und nicht erst bei der Strafzumessung.

Die „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ stellt somit eine spezifische Interpretation des Gewaltbegriffs dar, die auf die besonderen Umstände von Sitzblockaden als Protestform abzielt und die physische Wirkung der Blockade auf nachfolgende Fahrzeuge in den Fokus rückt.

Was beinhaltet die Verwerflichkeitsklausel im § 240 Abs. 2 StGB und wie wird sie in Fällen wie Sitzblockaden angewendet?

Die Verwerflichkeitsklausel im § 240 Abs. 2 des Strafgesetzbuches (StGB) ist ein wesentlicher Bestandteil des Tatbestands der Nötigung. Sie besagt, dass eine Handlung dann als rechtswidrig und damit strafbar gilt, wenn die Anwendung des Nötigungsmittels (Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel) als verwerflich anzusehen ist. Ein Nötigungsmittel gilt dann als verwerflich, wenn gegen die Rechtsordnung verstoßen wurde oder wenn ein sozialwidriges Verhalten gegeben ist.

Die Anwendung der Verwerflichkeitsklausel ist jedoch nicht immer eindeutig und hängt stark vom Kontext und den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab. In Bezug auf Sitzblockaden hat das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen die Anwendung und Auslegung der Verwerflichkeitsklausel geprüft.

In einem Fall hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Strafbarkeit von Sitzblockaden aufgrund von Nötigung nicht generell ausgeschlossen werden kann. Es hat jedoch betont, dass bei der Beurteilung der Verwerflichkeit alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind, einschließlich des Zwecks der Sitzblockade und der Bedeutung der durch die Sitzblockade ausgeübten Grundrechte.

In einem anderen Fall hat das Gericht festgestellt, dass die Subsumtion des Verhaltens als Gewalt nicht automatisch zur Rechtswidrigkeit führt. Es hat betont, dass die Verwerflichkeitsklausel des § 240 Abs. 2 StGB als Ort der Verhandlung über die Rechtswidrigkeit zu verstehen ist.

Es ist daher wichtig, jeden Fall individuell zu betrachten und alle relevanten Faktoren zu berücksichtigen, um zu einer angemessenen Beurteilung der Verwerflichkeit im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB zu gelangen.

Inwiefern spielt das Recht auf Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG eine Rolle bei der Bewertung von Protestaktionen wie Sitzblockaden?

Das Recht auf Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG spielt eine wesentliche Rolle bei der Bewertung von Protestaktionen wie Sitzblockaden. Dieses Grundrecht ermöglicht es den Bürgern, sich aktiv am politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess zu beteiligen. Sitzblockaden sind nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durch Art. 8 GG geschützte Versammlungen.

Die Versammlungsfreiheit ist jedoch nicht absolut und kann unter bestimmten Umständen eingeschränkt werden. Eine solche Einschränkung kann beispielsweise dann erfolgen, wenn die Versammlung nicht friedlich ist. Ob eine Sitzblockade als „friedlich“ eingestuft wird, kann umstritten sein. Einige Ansichten stufen Sitzblockaden generell als „unfriedlich“ ein. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch entschieden, dass eine bloße Sitzblockade nicht als „Gewalt“ angesehen werden kann.

Eine weitere wichtige Überlegung ist, ob die Sitzblockade eine Nötigung darstellt. Eine Nötigung setzt nach § 240 Abs. 1 StGB voraus, dass Gewalt ausgeübt oder mit einem empfindlichen Übel gedroht wird. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass eine bloße Sitzblockade nicht als „Gewalt“ angesehen werden kann. Es bedarf vielmehr eines „physischen Zwangs“, der durch bloßes Sitzen aber nicht ausgeübt wird.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass der Schutzbereich des Art. 8 GG nicht schon dadurch verlassen wird, dass es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt und nicht nur in Kauf genommen. Maßgebend ist das mit der Sitzblockade verfolgte Anliegen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Recht auf Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG eine wichtige Rolle bei der Bewertung von Protestaktionen wie Sitzblockaden spielt. Ob eine Sitzblockade als rechtmäßig oder unrechtmäßig eingestuft wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich ihrer Friedlichkeit und ob sie eine Nötigung darstellt.

Wie wird eine Strafzumessung bei Delikten wie der strafbaren Nötigung vorgenommen, insbesondere unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Angeklagten?

Die Strafzumessung ist ein wesentlicher Bestandteil des Strafrechts, der bestimmt, wie eine Person für eine Straftat bestraft wird. Sie findet im Strafprozess statt, nachdem ein Angeklagter für schuldig befunden wurde. Gemäß § 46 StGB sind bei der Strafzumessung die Schwere der Tat und der Grad der persönlichen Schuld des Angeklagten zu berücksichtigen.

Die Strafzumessung folgt mehreren Grundsätzen, darunter das Schuldprinzip, das Abschreckungsprinzip und das Resozialisierungsprinzip. Zentrale Aspekte in der Prüfung von Strafzumessungen sind die vollständige Kenntnis des relevanten Sachverhalts der Straftat, die Bewertung der individuellen Umstände des Täters, die Berücksichtigung von strafmildernden und straferhöhenden Faktoren sowie die Beurteilung der Frage, ob eine Gesamtstrafe gebildet werden soll.

Die individuellen Umstände des Täters können eine Vielzahl von Faktoren umfassen, darunter das Vorhandensein früherer Verurteilungen, das Alter des Täters, seine Haftempfindlichkeit und seine Ausländereigenschaft. Bei der Beurteilung der individuellen Umstände des Täters ist es wichtig, alle relevanten Faktoren zu berücksichtigen und eine umfassende Bewertung vorzunehmen.

In Fällen von Delikten wie der strafbaren Nötigung kann die Strafzumessung auch von der Anwendung der Verwerflichkeitsklausel abhängen. Diese Klausel dient dazu, sozialadäquate Verhaltensweisen von strafbaren Handlungen abzugrenzen. Dabei ist entscheidend, ob ein Verhalten sozial erträglich oder sozialwidrig erscheint. Um dies zu beurteilen, müssen alle wesentlichen Umstände und Beziehungen erfasst und die betroffenen Rechte, Güter und Interessen gegeneinander abgewogen werden.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Strafzumessung immer auf den spezifischen Umständen des Einzelfalls basiert und daher von Fall zu Fall variieren kann.


Das vorliegende Urteil

AG Flensburg – Az.: 430 Cs 107 Js 4027/23

1. Der Angeklagte wird wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30,00 € verurteilt.

2. Dem Angeklagten wird gestattet, Geldstrafe und Kosten in monatlichen Raten von 250,00 €, zahlbar bis spätestens zum 10. eines jeden Monats, beginnend mit dem ersten auf die Rechtskraft des Urteils folgenden Monats, zu zahlen. Diese Vergünstigung entfällt, sobald eine Rate nicht rechtzeitig gezahlt wird.

3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.

Angewendete Vorschriften: §§ 240 Abs. 1 und Abs. 2, 25 Abs. 1 und Abs. 2, 42 StGB

Gründe

I.

Der 54 Jahre alte Angeklagte ist derzeit selbstständig tätig im Offshore-Windkraft-Bereich in S. Zuvor war er ca. 13 Jahre in den Bereichen Gebäudetechnik, Informatik und Elektrotechnik tätig. Der Angeklagte hat eine handwerkliche Ausbildung im Bereich Elektrotechnik sowie Umwelt- und Hygienetechnik und ein Studium der Umwelttechnik abgeschlossen. Derzeit erzielt der Angeklagte ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 1.000,00 €. Der Angeklagte ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn. Der Angeklagte unterstützt ferner seine Ehefrau, welche einen Bauernhof auf P betreibt.

Der in der Hauptverhandlung verlesene Bundeszentralregisterauszug vom 07.02.2023 enthält hinsichtlich des Angeklagten keine Eintragungen.

II.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht aufgrund der geständigen Einlassung des Angeklagten sowie aufgrund der ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung durchgeführten Beweiserhebungen folgender Sachverhalt fest:

Der Angeklagte beteiligte sich am 02.02.2023 an einer nicht konkret im Vorfeld angekündigten Straßenblockade-Aktion des Aktionsbündnisses „Letzte Generation“ in F. Hierzu setzte er sich mit zwei weiteren Personen um 15:38 Uhr auf den Zebrastreifen an der Straße S in F auf die zweispurige Fahrbahn. Zwei weitere Personen setzen sich auf die daneben verlaufende Busfahrspur. Der Angeklagte setzte sich dabei auf rechte äußere Seite der Fahrbahn aus Richtung der F Innenstadt. Er und die weiteren Teilnehmer der Blockade hatten die Absicht, den Kraftfahrzeugverkehr stadteinwärts und stadtauswärts an der Weiterfahrt zu hindern. Dabei klebten er und die zwei weiteren Personen auf der Fahrbahn jeweils eine ihrer Hände mit Sekundenkleber auf der Straße fest, um die erwarteten polizeilichen Maßnahmen zur Räumung der Blockade zu erschweren. Infolge dessen kam es zunächst bis um 16:01 Uhr zu einem vollständigen Erliegen des Fahrzeugverkehrs. Die Fahrzeuge stauten sich jedenfalls stadtauswärts bis zur Einmündung der N Straße und stadteinwärts bis zur Einmündung der N. Zahlreiche Fahrzeuginsassen mussten im Stau verharren und waren infolgedessen an einem weiteren Fortkommen gehindert. Ab 16:01 Uhr konnte der Verkehr teilweise einseitig über die durch die Polizei geräumte Busspur geführt werden. Gleichwohl kam es weiterhin zu einem erheblichen Rückstau der Fahrzeuge bis zur Kreuzung am D. H. und im Bereich der F. N. Der Angeklagte konnte erst nach 3 Stunden und 41 Minuten durch Spezialkräfte mit einem Lösemittel von der Fahrbahn entfernt werden. Die anwesenden Polizeibeamten hatten dabei mehrfach die Versammlung hörbar aufgelöst und der Versammlung einen anderen Ort – auf dem Gehweg – zugewiesen.

III.

Die Feststellungen zu I. beruhen auf den eigenen glaubhaften Angaben des Angeklagten sowie auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 07.02.2023.

Die Feststellungen zu den Tatvorwürfen beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten, sowie den in der Verhandlung in Augenschein genommenen Lichtbildern vom Tatgeschehen auf Bl. 17 – 23 d. A., den in Augenschein genommenen Videos (Datenträger Sonderband „Digitale Beweismittel“; dort Video 1-3, 6, 7 und 10) vom Tattag, dem in Augenschein genommenen und verlesenen Flyer auf Bl. 15 und 16 d. A. sowie auf den in Augenschein genommenen und hinsichtlich der Entfernungsmessung verlesenen ausgedruckten Karten aus „google-maps“ (Anlagen 2 und 3 zum Hauptverhandlungsprotokoll). Ferner auf den glaubhaften Aussagen der Zeugen PHK B, PHK S sowie PK R.

Im Übrigen bestehen an der Richtigkeit des Geständnisses für das Gericht keine Zweifel. Der Angeklagte erhebt insoweit keine Einwände gegen die getroffenen Feststellungen, macht aber geltend, dass sein Verhalten nicht strafbar sei. Insoweit hat der Angeklagte glaubhaft eingeräumt, dass er sich an dem betreffenden Tattag auf die Fahrbahn – genauer den Zebrastreifen – in der Straße S gesetzt habe und hierdurch Autofahrende an der Weiterfahrt gehindert wurden. Er hat umfassend dargelegt, dass er diese Form des Protestes für erforderlich erachte, um auf die durch den Klimawandel drohenden bzw. bereits eingetretenen Gefahren für die menschliche Lebensgrundlage aufmerksam zu machen. Er sehe dies auch als Wahrnehmung von Verantwortung künftigen Generationen gegenüber. Als studierter Umwelttechniker habe er zudem seiner Wahrnehmung nach erlebt, dass der Solar- und Offshore-Bereich wirtschaftlich stagniere und seine Gestaltungs- und Protestmöglichkeiten insgesamt ausgeschöpft seien.

Bezüglich der tatsächlichen Feststellungen hat der Zeuge PHK B, welcher als führungsverantwortlicher Polizeibeamter den Einsatz geleitet hatte, berichtet, dass sich der Verkehr bei seinem Eintreffen bereits bis zur ZOB-Kreuzung gestaut habe. Die Verkehrslage sei dabei bewusst alle 10 Minuten protokolliert und via Funk durchgegeben worden. So wurde ferner berichtet, dass der Verkehr bis zum Wegtragen der auf der Busspur sitzenden Personen zwischen 20 Minuten und einer halben Stunde vollständig zum Erliegen gekommen sei. Auch im Nachgang habe es demgegenüber Rückstau bis zum D H und bis in die N hinein gegeben. Rettungsfahrzeuge seien daher von Beginn an zur Gefahrprävention über die R abgeleitet worden. Der Zeuge schilderte ferner, dass der Angeklagte und die gesondert Verfolgten sich von Beginn an friedlich verhalten hätten. Zudem sei die Versammlung durch die Versammlungsbehörde der Stadt F mehrmals wahrnehmbar aufgelöst worden. Darüber hinaus hat der Zeuge bekundet, dass der Angeklagte und die gesondert Verfolgten unter den Warnwesten dick gekleidet gewesen waren und auch kleine Isomatten bei sich gehabt hätten. Nach Vorhalt bestätigte der Zeuge weiter, dass sich die Zeitangaben der ersten Alarmmeldung gegen 15:38 Uhr, der Freigabe der Busspur gegen 16:01 Uhr sowie der Auflösung der Versammlung gegen 17:31 Uhr mit seiner Erinnerung decken würden. Das Gericht hält die Angaben des Zeugen für glaubhaft. Insoweit ist gerade aufgrund der erstmals in F auftretenden Situation des „Klimaklebens“ eine exakte Dokumentation erfolgt. Zudem ließ der Zeuge gerade durch die Betonung der Friedlichkeit des Angeklagten keinerlei Belastungstendenz erkennen.

Der Zeuge PHK S, welcher am Tattag unter anderem mit der Dokumentation der Vorgänge befasst gewesen ist, konnte ergänzend berichten, dass die Aktion des Angeklagten nicht konkret angekündigt gewesen sei. Der erste Anruf von blockierten Zeugen sei zudem nach seinen Angaben gegen 15:34 Uhr eingegangen. Das Gericht hat auch hier keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage.

Der Zeuge PK R, welcher am Tattag als einer der ersten Beamten am Tatort eingetroffen war, konnte bezeugen, dass er mitgeholfen habe, zwei gesondert verfolgte Personen von der Busspur zu tragen. Er habe dabei allerdings keinen Klebstoff bei den Personen feststellen können. Der Zeuge konnte sich ferner, aus Sicht des Gerichtes ebenfalls glaubhaft, daran erinnern, dass sich der Verkehr zwischenzeitlich bis zu Edeka in der W, zur W und zu C&A in der A Straße gestaut hatte.

Hinsichtlich der Beschaffenheit der Blockade sowie deren konkreten Auswirkungen auf den Fahrzeugverkehr wurden zudem die Lichtbilder Bl. 17 – 23 d. A. sowie Auszüge aus „google-maps“ mit Entfernungsmessung (Anlagen 2 und 3 zum Hauptverhandlungsprotokoll) in Augenschein genommen. Auf diese wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO wegen der Einzelheiten verwiesen.

Nach alledem war das Gericht überzeugt, dass sich das Tatgeschehen so wie unter II. dargestellt, auch tatsächlich ereignet hat.

IV.

Dadurch hat sich der Angeklagte einer gemeinschaftlichen Nötigung in mittelbarer Täterschaft gemäß §§ 240 Abs. 1 und Abs. 2, 25 Abs. 1 und Abs. 2 StGB schuldig gemacht. Denn er hat durch sein „Auf-die-Fahrbahn-Setzen“ in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit seinen Mittätern – den anderen neben ihm sitzenden Protestierenden der „letzten Generation“ – Gewalt gegenüber den mit ihren Fahrzeugen im Stau stehenden Personen verübt.

Das Verhalten der Sitzblockadeteilnehmer und damit auch des Angeklagten stellt Gewalt im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB dar. Das Vorliegen von Gewalt erfordert dabei mindestens einen physisch ausgeübten Zwang, welcher eine ebenfalls physische Zwangswirkung entfaltet (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, 69. Aufl. 2022, § 240 Rn. 8 m.w.N.). Dies trifft im Fall einer Sitzblockade zwar nicht für das Verhältnis von den Demonstranten zu dem ersten Fahrzeugführer zu, wohl aber für das Verhältnis von dem ersten Fahrzeugführer zu den nachfolgenden Fahrzeugführern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. 3. 2011 – 1 BvR 388/05). Denn bei einer Sitzblockade auf einer öffentlichen Straße benutzt ein Demonstrant den ersten auf Grund von psychischem Zwang anhaltenden Fahrzeugführer und dessen Fahrzeug bewusst als Werkzeug zur Errichtung eines physischen Hindernisses für die nachfolgenden Fahrzeugführer. Diese vom zuerst angehaltenen Fahrzeug ausgehende physische Sperrwirkung für die nachfolgenden Fahrzeugführer ist dem Demonstranten zurechenbar (sogenannte „ „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ “, vgl. auch BGHSt 41, 182 = NJW 1995, 2643).

Die Tat des Angeklagten ist auch verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB.

§ 240 StGB ist ein sogenannter offener Tatbestand. Die Rechtswidrigkeit der Tat ist mit der Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale nicht indiziert, sondern muss nach § 240 Abs. 2 StGB positiv festgestellt werden. Sie ist gegeben, wenn entweder das Mittel oder das Ziel oder die Ziel-Mittel-Relation als „verwerflich“ anzusehen ist. Verwerflich ist ein Verhalten, das einen erhöhten Grad an sittlicher Missbilligung erreicht, sodass es als strafwürdiges Unrecht zu bewerten ist. Mit der sogenannten Verwerflichkeitsklausel sollen damit sozialadäquate Verhaltensweisen aus dem Anwendungsbereich der Strafvorschrift ausgeschlossen werden, sodass ausschlaggebend ist, ob ein Verhalten sozial erträglich bzw. sozialwidrig erscheint (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, 69. Aufl. 2022, § 240 Rn. 41).

Insoweit sind im Rahmen einer einzelfallbezogenen Abwägung kollidierende Rechte, Güter und Interessen nach ihrem Gewicht in der betreffenden Situation zu betrachten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10. 2001 – 1 BvR 1190/90; BVerfG vom 07.03.2011 – 1 BvR 388/05).

Dabei ist festzustellen, dass das Handeln des Angeklagten und seiner gesondert verfolgten Mittäter den durch die allgemeine Handlungsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG eröffneten Freiheitsraum der ausweglos blockierten Verkehrsteilnehmer erheblich beeinträchtigt hat. Diese konnten sich weder mit ihrem Fahrzeug in die gewünschte Richtung fortbewegen, noch einen straßenverkehrsrechtlich zulässigen Umweg nehmen und damit der Blockade ausweichen. Ebensowenig war es ihnen möglich, ihr Fahrzeug zu verlassen und ihren Weg zu Fuß fortzusetzen, weil sie das Fahrzeug dadurch aufgeben hätten und ihrerseits den nachfolgenden Verkehr unzulässig behindern würden. Zu dieser unmittelbaren Zwangswirkung kommen die daraus folgenden weiteren Einschränkungen der blockierten Verkehrsteilnehmer hinzu, die durch das Verhindern jeglicher nennenswerter Fortbewegung lebensnah betrachtet in ihren Plänen an diesem Tag zeitlich ganz erheblich beeinträchtigt wurden.

Auf der anderen Seite steht das Recht des Angeklagten und seiner Mittäter aus Art. 8 Abs. 1 GG, sich zu einem kommunikativen Zweck mit anderen friedlich versammeln zu dürfen. Bei der Versammlungsfreiheit handelt es sich um ein Grundrecht, das für die Willensbildung im demokratischen Rechtsstaat absolut essentiell ist. Dabei haben die Grundrechtsträger das Recht, selbst über Art und Umstände der Ausübung dieses Grundrechts zu bestimmen, wodurch ihnen auch grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet ist, durch Sitzblockaden Aufmerksamkeit für ihre politisch-gesellschaftlichen (Fern-)ziele zu generieren. Bei der Abwägung im Rahmen der Verwerflichkeitsklausel ist es den Gerichten dabei verwehrt, das kommunikative Anliegen inhaltlich zu bewerten und sein Gewicht in der Abwägung je nachdem zu bestimmen, ob sie die Stellungnahme als nützlich und wertvoll einschätzen und ob das verfolgte Ziel nach gerichtlicher Beurteilung zu billigen ist oder nicht. Eine solche Bewertung verbietet sich, weil der Staat gegenüber der Grundrechtsbetätigung der Bürger auch im Interesse der Offenheit kommunikativer Prozesse inhaltsneutral bleiben muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. 10. 2001 – 1 BvR 1190/90).

Um das Maß der Auswirkungen auf betroffene Dritte und deren Rechte zu beurteilen, sind nach der Rechtsprechung des BVerfG dabei regelmäßig im jeweiligen konkreten Einzelfall die Dauer und Intensität der Aktion, die Dringlichkeit der unternommenen Transporte, die vorherige Bekanntgabe der Aktion, Ausweichmöglichkeiten über andere Zufahrten und der Sachbezug der betroffenen Personen zum Protestgegenstand (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 – 1 bvR 713/83; BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001, 1 BvR 1190/90) zu berücksichtigen.

Vorliegend dauerte die Blockade insgesamt 3 Stunden und 41 Minuten an, davon ereignete sich von 15:38 Uhr bis 16:01 Uhr ein vollständiger Stillstand der blockierten Fahrzeuge. Die blockierten Verkehrsteilnehmer mussten damit eine nicht nur erhebliche, sondern auch länger andauernde Freiheitseinschränkung mit der Folge erheblicher Zeitverzögerungen und Verspätungen hinnehmen. Sie hatten zudem keinerlei Möglichkeit, sich darauf einzustellen, weil die Blockade unangekündigt war. Ein allgemeines „In-Aussicht-Stellen“ solcher Blockaden für nicht weiter konkretisierte künftige Zeitpunkte, wie sie durch die Gruppe „Letzte Generation“ zuvor erfolgt war, genügt nicht, um sich als möglicher betroffener Verkehrsteilnehmer auf die Behinderungen und deren mögliche weitere Auswirkungen einzustellen und sich eine Alternativstrecke oder ein Alternativverkehrsmittel zu organisieren. Auch ein spontanes Ausweichen war den Blockierten auf der Schiffbrücke nicht möglich. Zunächst war – wie oben festgestellt – auch die parallel verlaufende Busfahrspur durch Aktivisten blockiert. Im Nachgang hätten die Verkehrsteilnehmer verkehrswidrig komplett über den Bordstein vorbeifahren müssen. Zwar ist der Protestaktion ein gewisser Sachbezug nicht abzusprechen, da der Klimawandel alle – also auch die betroffenen Autofahrenden – betrifft und diese durch ihre Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr wiederum an den Ursachen des Klimawandels beteiligt sind. Gleichwohl ist dieser Sachbezug nicht hinreichend konkret, um zu einem überwiegen der Belange der Protestierenden gegenüber den Belangen der Blockierten zu gelangen, da der Klimawandel durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird und der motorisierte Straßenverkehr nur einen Teilaspekt betrifft. Darüber hinaus haben die Angeklagten selbst vorgetragen, dass lediglich „statistisch gesehen“ die blockierten Verkehrsteilnehmer durch Emissionsausstoß an dem Klimawandel partizipieren würden. Unberücksichtigt bleibt bei dieser Sichtweise die Möglichkeit, dass sich auch Autofahrende mit E-Autos, Fahrgemeinschaften oder Wenigfahrer unter den Blockierten befunden haben könnten. Zudem fordert die Gruppierung „Letzte Generation“ ausweislich des in der Hauptverhandlung verlesenen und am Tatort verteilten Flyers unter anderem: „bezahlbaren ÖPNV“. Dabei ist in Bezug zu nehmen, dass sich die Aktivisten am Tattag auch bewusst auf eine Busspur setzten und somit auch jene Menschen behinderten, welche sich bewusst zur Nutzung des ÖPNV entschieden hatten.

Die Tat ist auch nicht gemäß § 34 StGB gerechtfertigt. § 34 StGB erlaubt es, im Fall einer gegenwärtigen Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder eines anderen Rechtsguts, die Begehung einer Straftat, um die Gefahr von sich oder anderen abzuwenden, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Die Vorschrift umfasst auch sogenannte Dauergefahren, die nicht im konkreten Moment der Straftat akut sein müssen. Mag man den Klimawandel als eine gegenwärtige Gefahr einstufen, so ist die Straßenblockade dennoch weder ein erforderliches noch angemessenes Mittel zur Gefahrenabwehr im Sinne des § 34 StGB. Für die Abwehr solcher der Allgemeinheit drohender Gefahren ist der Vorrang staatlicher Abhilfemaßnahmen zu beachten, da sicherzustellen ist, dass sich Privatpersonen nicht in beliebigem Umfang unter Anmaßung staatlicher Befugnisse als Sachwalter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gerieren. Denn es besteht die Möglichkeit sich z.B. mittels angemeldeter und organisierter Versammlungen oder Petitionen im Rahmen der Medien oder auch der direkten Beteiligung am demokratischen Prozess einzubringen.

Das Gericht verkennt dabei nicht, dass sich der Angeklagte im Rahmen der Hauptverhandlung dergestalt eingelassen hat, dass er sich bereits an diversen Demonstrationen und Kundgebungen beteiligt habe und aus seiner Sicht einzig der „zivile Ungehorsam“ als effektives Mittel verbleibe.

Unter zivilem Ungehorsam wird gemeinhin ein Verhalten verstanden, mit dem ein Bürger durch demonstrativen, zeichenhaften Protest bis hin zu aufsehenerregenden Regelverletzungen einer als verhängnisvoll oder ethisch illegitim angesehenen Entscheidung entgegentritt bzw. in einer Angelegenheit von wesentlicher allgemeiner Bedeutung, insbesondere zur Abwendung schwerer Gefahren für das Allgemeinwesen in dramatischer Weise auf den öffentlichen Meinungsbildungsprozess einwirken möchte (vgl. BVerfGE 73, 206).

Eine Rechtfertigung des tatbestandlichen Verhaltens durch „zivilen Ungehorsam“ ist vorliegend aber ausgeschlossen. Dies ergibt sich aus Sicht des Gerichtes bereits im Umkehrschluss zu Art. 20 Abs. 4 GG. Diese Vorschrift gibt im Falle des Bestehens einer Situation, in der die grundgesetzliche Ordnung der Bundesrepublik im Ganzen bedroht ist, jedermann ein Widerstandsrecht gegen entsprechende Bedrohungen. Solange eine solche demokratiebedrohende Lage im Ganzen nicht gegeben ist, besteht im Umkehrschluss dieses Recht im Übrigen für den Einzelnen nicht. Würde die Rechtsordnung einen Rechtfertigungsgrund akzeptieren, der allein auf der Überzeugung des Handelnden von der Überlegenheit seiner eigenen Ansicht beruhte, liefe dies auf eine grundsätzliche Legalisierung von Straftaten zur Erreichung politischer Ziele hinaus.

Der Angeklagte handelte auch schuldhaft. Insbesondere befand er sich in keinem Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB. Zwar macht der Angeklagte geltend, dass er sein Verhalten aus Rechtsgründen für straflos hält. Gleichzeitig geht aus der übrigen Einlassung des Angeklagten hervor, dass er die Rechtswidrigkeit seines Handelns billigend in Kauf nahm. Denn der Angeklagte trug vor, dass Gesellschaften stets mit sogenanntem zivilen Ungehorsam bzw. Regelverletzungen der politischen Aktivisten einhergingen und sogar einhergehen mussten, um etwas zu bewirken.

Das Gericht hält im Übrigen für den vorliegenden Fall eine Strafbarkeit wegen eines Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs. 1 StGB nicht für gegeben.

Im hiesigen Fall dürfte der Vorgang des Klebens der Hand des Angeklagten auf die Straße nicht dem Begriff des „Widerstandleistens mit Gewalt“ unterfallen. Gewalt meint dabei im Rahmen dieses Tatbestandes einen Einsatz materieller Zwangsmittel, vor allem körperlicher Kraft, durch tätiges Handeln gegen die Person des Vollstreckenden (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, 69. Aufl. 2022, § 113 Rn. 23 ff.). Insoweit hat sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung dahingehend eingelassen, dass er nicht genau in dem Moment mit dem Festkleben auf die Straße begonnen habe, als die Polizeibeamten in Sichtweite gewesen seien. Vielmehr habe er erst beim Eintreffen der Beamten mit dem Kleben begonnen, da er zuvor fürchtete, von wütenden Autofahrern oder Passanten angegriffen zu werden und sich diesem Angriff nicht entziehen zu können. Diese Aussage war dem Angeklagten nicht zu widerlegen, sodass es insoweit – unabhängig von der Auslegung des Gewaltbegriffes im Rahmen dieser Vorschrift – an einem tätigen Handeln gegen die Person des Vollstreckenden fehlen dürfte.

V.

Bei der Strafzumessung war vom Strafrahmen des § 240 Abs. 1 StGB, mithin von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe auszugehen.

Dabei war innerhalb des vorbezeichneten Strafrahmens bei der konkreten Strafzumessung strafmildernd zu berücksichtigen, dass der Angeklagte sich in der Hauptverhandlung geständig eingelassen hat. Zudem waren sein friedfertiges Verhalten sowie seine bisherige Unbestraftheit positiv zu berücksichtigen. Auch hat das Gericht berücksichtigt, dass der Angeklagte handelte, um Aufmerksamkeit für die durch den Klimawandel verursachten erheblichen Auswirkungen entgegenzuwirken. Es ging ihm bei der Tat mithin nicht um einen materiellen oder immateriellen Vorteil.

Zu seinen Lasten war zu berücksichtigen, dass eine Vielzahl an Kraftfahrzeugführern über einen nicht unerheblichen Zeitraum am Fortkommen und der Wahrnehmung ihrer beruflichen wie persönlichen Verpflichtungen gehindert wurden.

Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hält das Gericht eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen.

Das Gericht hat geprüft, ob die Verurteilung zu der Geldstrafe gemäß § 59 StGB wegen besonderer Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Täters vorbehalten werden kann, da der Angeklagte mit der Tat ein kommunikatives Anliegen im Rahmen der Ausübung seiner Versammlungsfreiheit verfolgte. Hierfür müsste jedoch zu erwarten sein, dass der Angeklagte auch ohne Verurteilung zu einer Strafe keine Straftaten mehr begehen wird (§ 59 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Dies ist nicht der Fall. Der Angeklagte teilte in der Hauptverhandlung mit, dass er bereits zuvor in unterschiedlichen Städten auf der Straße geklebt habe und dies auch in Zukunft beabsichtige. Eine positive Sozialprognose im Sinne des § 59 StGB war dem Angeklagten daher nicht zu stellen.

Ausgehend vom Nettoeinkommensprinzip war die Tagessatzhöhe auf 30,00 € festzusetzen. Aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse war dem Angeklagten gemäß § 42 StGB eine monatliche Ratenzahlung in Höhe von 250,00 € zu bewilligen.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 464, 465 Abs. 1 StPO.

 

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