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Rechtsanwaltsgebühren in Strafverfahren – Mittelgebühr in Normalfällen

AG Heiligenstadt – Az.: 23 Cs 443 Js 40660/18 – Beschluss vom 04.10.2018

1. Der Erinnerung des Betroffenen vom 18.06.2018 gegen den Kostenansatz des Amtsgerichtes Heilbad Heiligenstadt vom 07.06.2018 wird abgeholfen und der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin vom 07.06.2018 insoweit abgeändert, als ein Gesamtbetrag von 1.066,60 Euro festgesetzt wird.

2. Die Erinnerung ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet, § 66 Abs. 8 GKG.

Gründe

I.

Am 01.03.2018 erließ das Amtsgericht Heilbad Heiligenstadt gegen den Angeklagten wegen Betruges einen Strafbefehl. Noch vor dem Erlass des Strafbefehls beantragte der Verteidiger mit Schreiben vom 26.02.2018 Akteneinsicht. Er war zuvor im Ermittlungsverfahren von seinem Mandanten beauftragt worden und hat ausweislich des Aktenvermerkes der PI Eichsfeld vom 14.02.2018 seinen Mandanten rechtlich beraten.

Am 12.03.2018 legte der Verteidiger namens seines Mandaten gegen den Strafbefehl vom 01.03.2018 Einspruch ein. Diesen begründete er ausführlich mit Schreiben vom 19.03.2018.

Mit Urteil vom 09.05.2018 wurde der Angeklagte nach durchgeführter Beweisaufnahme vom Vorwurf des Betruges freigesprochen.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 09.05.2018 machte der Wahlverteidiger Kosten in Höhe von 1.066,60 Euro geltend, wobei er seiner Bestimmung jeweils die Mittelgebühr zugrunde legte.

In seiner Stellungnahme vom 01.06.2018 erhob der Bezirksrevisor gegen die beantragte Kostenfestsetzung Einwendungen, wobei er hinsichtlich der Gebühr Nr. 4104 VV-RVG lediglich von einem unterdurchschnittlichen Umfang und Schwierigkeitsgrad ausging.

Darauf hin setzte die Rechtspflegerin des Amtsgerichtes Heilbad Heiligenstadt am 07.06.2018 die zu erstattenden Gebühren auf 968,42 Euro fest nebst Zinsen seit dem 14.05.2018. Dabei bewertete sie die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4104 VV-RVG als nicht angemessen. Sie sei unbillig hoch. Das Ermittlungsverfahren sei mit Eingang des Strafbefehlsantrages beim Amtsgericht am 28.02.2018 beendet gewesen. Die Vollmacht des Angeklagten datiere erst vom 22.02.2018. In diesem Zeitraum seien die Einarbeitung in den Rechtsfall, welche durch die Grundgebühr gedeckt werde, noch nicht abgeschlossen gewesen. Eine erste Akteneinsicht sei erst durch das Amtsgericht Heilbad Heiligenstadt nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens gewährt worden. Der Ansatz der Mittelgebühr sei daher unbillig hoch. Es erfolgte eine Festsetzung in Höhe von 82,50 Euro, wobei die Mittelgebühr um 50% gekürzt wurde.

Gegen den am 15.06.2018 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss legte der Verteidiger am 18.06.2018 Erinnerung ein.

Zur Begründung führte er aus, dass das Datum der Vollmacht keine Aussagekraft darüber habe, ob die Mittelgebühr angesetzt werden dürfte oder nicht. Entscheidend sei, ob über die Grundgebühr Nr. 4100 VV-RVG hinaus Tätigkeiten angefallen seien, welche die Mittelgebühr rechtfertigen. Dies sei nach seiner Auffassung der Fall. Über die erste Information durch seinen Mandaten seien nachfolgend weitere Informationsgespräche geführt worden. Schon vor Unterzeichnung der Vollmacht sei der Vorwurf mit dem Mandanten eingehend telefonisch erörtert worden. In einem weiteren persönlichen Besprechungstermin am 22.02.2018 sei die schriftliche Vollmacht unterzeichnet und die weitere Vorgehensweise besprochen worden. Noch vor Erlass des Strafbefehls seien weitere Telefonate und Schriftsätze mit dem Mandaten geführt worden. Schon vor der gewährten Akteneinsicht habe der Verteidiger umfassende Recherchen über das dem Verfahren zugrunde liegende Produkt (Kühlbox) durchgeführt.

Der Strafbefehl sei durch die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht beantragt worden, ohne ihm vorher die Möglichkeit einzuräumen, eine angekündigte Stellungnahme abzugeben.

In seiner Stellungnahme vom 18.06.2018 weist der Bezirksrevisor darauf hin, dass neben der Verfahrensgebühr grundsätzlich die Grundgebühr entstehe, diese honoriere den Arbeitsaufwand des Rechtsanwaltes, der einmalig mit der Übernahme des Mandates für die erstmalige Einarbeitung entstehe. Von der Grundgebühr erfasst sei das erste Mandantengespräch, die erste Beschaffung der erforderlichen Informationen – wozu in der Regel die erste Akteneinsicht in die Strafakte gehöre – und sämtliche weitere Tätigkeiten, die im zeitlich nahen Zusammenhang mit der Übernahme des Mandates ohne eines ersten Informationsgespräches anfallen. Alle anderen bzw. weitere Tätigkeiten, die nicht zusätzlichen Aufwand für die erste Einarbeitung seien, würden mit der jeweiligen, ebenfalls anfallenden Verfahrensgebühr abgegolten. Eine solche Tätigkeit sei im vorliegenden Fall die Erteilung des Raten vom 14.02.2018 gewesen, keine Einlassung gegenüber der Polizei vor einer erfolgten Akteneinsicht vorzunehmen. Die Tätigkeiten vom 22. und 26.02.2018 umfassten hingegen die Informationsbeschaffungen, welche mit der ersten Akteneinsicht im März abgeschlossen seien, die im Abgeltungsbereich der Grundgebühr fallen. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit im Ermittlungsverfahren, die über den Abgeltungsbereich der Grundgebühr hinausgehen, begründeten daher nur eine Gebühr unter der Rahmenmitte. Gleiches gilt für die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit. Diese unterdurchschnittlichen Kriterien wurden auch durch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Mandaten nicht kompensiert, so dass bei zusammengefasster Betrachtung der Kriterien des § 14 RVG die um 50% reduzierte Mittelgebühr der billigen Verfahrensgebühr neben der Grundgebühr entspricht.

Daraufhin half die Rechtspflegerin des Amtsgerichtes Heilbad Heiligenstadt mit Beschluss vom 06.08.2018 der Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 07.06.2018 nicht ab und legte diese der zuständigen Richterin zur Entscheidung vor.

II.

Die Erinnerung ist gemäß § 66 Abs. 1 GKG zulässig und begründet.

Die Erinnerung ist begründet, die Kürzung der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4104 VV-RVG war nicht vorzunehmen.

Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen. Für den Fall, dass die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen ist, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nur dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG).

Dritter in diesem Sinne ist auch die Staatskasse, sofern sie zur Auslagenerstattung verpflichtet ist. Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass die Bestimmung unbillig ist, trifft den Dritten.

Nach diesen Grundsätzen ist nicht erwiesen, dass die anwaltliche Gebührenbestimmung unbillig ist. Der Rechtsanwalt hat neben der Grundgebühr gemäß Nr. 4100 VV-RVG, die Gebühr für die Tätigkeit im vorbereitenden Verfahren gemäß Nr. 4104 VV-RVG mit der Mittelgebühr abgerechnet. Die Bestimmung der Mittelgebühr entspricht in „Normalfällen“, in denen die in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG genannten Bemessungskriterien durchschnittlicher Art sind, billigem Ermessen. Vorliegend steht nicht fest, dass es sich unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfanges und der Schwierigkeit um einem in jeder Hinsicht unterdurchschnittlichen Fall handelt. Dies ergibt sich weder aus der Einfachheit des zugrundeliegenden Sachverhaltes, noch aus dem geringen Aktenumfang oder sonst unterdurchschnittlichen Umfanges der Tätigkeit. Der Verteidiger hat dazu vorgetragen, dass er sich bereits vor Erlass des Strafbefehls in einem persönlichen Besprechungstermin nach der ersten Kontaktaufnahme zeitlich intensiv mit dem Fall befasst habe. Er habe mehrere Telefonate und auch Schriftverkehr mit dem Mandanten geführt. Außerdem habe er Recherchen über die das dem Verfahren zugrundeliegende Produkt (Kühlbox) durchgeführt. Auch war die Sache für den Angeklagten von einiger Bedeutung.

Aus diesen Gründen ist hier nicht von einem in jeder Hinsicht unterdurchschnittlichen Fall auszugehen. Die Bestimmung durch den Rechtsanwalt als Mittelgebühr ist daher nicht unbillig. Die Verfahrensgebühr im vorbereitenden Verfahren (Nr. 4104 VV-RVG) war daher auf 165,00 Euro festzusetzen, so dass sich abweichend vom Kostenfestsetzungsbeschluss vom 07.06.2018 ein festzusetzender Gesamtbetrag von 1.066,60 Euro ergibt.

III.

Die Entscheidung über die Gebühren und Auslagen erfolgt aus § 66 Abs. 8 GKG.

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