Unbezahlter Verzehr im Laden: Diebstahl trotz geringem Wert?
Die Analyse eines Urteils, das sich mit dem Diebstahl geringwertiger Sachen befasst, wirft eine Reihe von zentralen Rechtsfragen und Problemstellungen auf. Im Kern geht es um die rechtliche Bewertung von Handlungen, bei denen eine Person eine Ware in einem Geschäft konsumiert, ohne die Absicht zu haben, dafür zu bezahlen. Dieses Verhalten wird im Strafrecht als Diebstahlsdelikt betrachtet und kann, je nach Umständen und Vorgeschichte des Täters, unterschiedlich geahndet werden.
Dabei spielt die Einschätzung des Gerichts hinsichtlich des Vorsatzes, des Strafmaßes und der Möglichkeit einer Bewährung eine entscheidende Rolle. Die Thematik berührt zudem Aspekte wie Alkoholabhängigkeit und Rückfallgeschwindigkeit, die bei der Urteilsfindung berücksichtigt werden können. In solchen Fällen ist oft eine professionelle rechtliche Beratung oder Strafverteidigung erforderlich, um die Interessen des Angeklagten zu wahren.
Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 Ds 3221 Js 38393/14 >>>
✔ Das Wichtigste in Kürze
Das Gericht verurteilte den Angeklagten wegen Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten, da er ein Fläschchen Obstwasser im Geschäft konsumierte, ohne dafür zu bezahlen.
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Der Angeklagte entwendete und verzehrte ein Fläschchen Obstwasser im Wert von 2,29 € in einem Geschäft, mit der Absicht, es nicht zu bezahlen.
- Ein Ladendetektiv beobachtete den Vorfall, und der Angeklagte bezahlte das Getränk erst, nachdem er gestellt wurde.
- Der Angeklagte ist alkoholabhängig und hat 24 Voreintragungen im Bundeszentralregister.
- Er wurde erst vier Monate vor dem Vorfall wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr verurteilt.
- Das Gericht befand den Angeklagten des Diebstahls geringwertiger Sachen gemäß §§ 242 Abs. 1, 248 a StGB für schuldig.
- Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Gericht sein Geständnis und die letztendliche Bezahlung der Ware.
- Die Freiheitsstrafe von 2 Monaten konnte nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, aufgrund der hohen Rückfallgeschwindigkeit und fehlender günstiger Sozialprognose.
- Der Angeklagte muss die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen tragen.
Übersicht
Ein ungewöhnlicher Diebstahl: Obstwasser im Fokus
Der Vorfall, um den es in diesem Fall geht, ereignete sich am 15. Oktober 2014 in Worms, als der Angeklagte ein Geschäft aufsuchte und aus einem Regal ein Fläschchen Obstwasser im Wert von 2,29 € entnahm. Er öffnete das Fläschchen und trank das alkoholhaltige Erfrischungsgetränk vollständig mit der Absicht, den Kaufpreis nicht zu bezahlen. Nachdem er das Getränk verzehrt hatte, stellte er die leere Flasche zurück ins Regal. Der Angeklagte wurde während des Vorgangs von einem Ladendetektiv beobachtet, bezahlte jedoch nur zwei andere Flaschen Bier an der Kasse und verließ das Geschäft, ohne für das Obstwasser zu bezahlen. Erst nachdem er vom Ladendetektiv gestellt wurde, beglich er den Preis für das verzehrte Getränk.
Hintergrund: Rechtliche Auseinandersetzung und Herausforderungen
Die rechtliche Auseinandersetzung entstand, weil der Angeklagte des Diebstahls geringwertiger Sachen beschuldigt wurde. Das rechtliche Problem und die Herausforderung in diesem Fall liegen in der Bewertung des Verhaltens des Angeklagten und der Festlegung des angemessenen Strafmaßes. Es ist zu beachten, dass der Angeklagte alkoholabhängig ist und bereits 24 Voreintragungen im Bundeszentralregister aufweist. Zudem wurde er erst vier Monate vor dem aktuellen Vorfall wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr verurteilt.
Das Urteil: Analyse und Entscheidung des Gerichts
Das Amtsgericht Worms entschied, dass der Angeklagte des Diebstahls geringwertiger Sachen gemäß §§ 242 Abs. 1, 248 a StGB schuldig ist. Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt und musste die Kosten des Verfahrens sowie seine notwendigen Auslagen tragen. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Angeklagte durch den Verzehr des Obstwassers im Geschäft Gewahrsam an dem Inhalt erlangt hatte, ohne dafür zu bezahlen. Die Beobachtung durch den Ladendetektiv hinderte den Gewahrsamswechsel nicht.
Fazit: Komplexität der rechtlichen Bewertung
Das Fazit des Urteils ist, dass trotz der geringen Sachwertigkeit des Diebstahls und der letztendlichen Bezahlung der Ware, das Gericht aufgrund der Vorgeschichte des Angeklagten und seiner Alkoholabhängigkeit eine Freiheitsstrafe für angemessen hielt. Der Fall zeigt die Komplexität der rechtlichen Bewertung von Diebstahlsdelikten und die Notwendigkeit einer individuellen Betrachtung jedes Falles.
AG Worms – Az.: 1 Ds 3221 Js 38393/14 – Urteil vom 26.01.2015
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Was bedeutet „Diebstahl geringwertiger Sachen“ im Kontext des § 248a StGB?
„Diebstahl geringwertiger Sachen“ ist ein Begriff aus dem deutschen Strafrecht, der in § 248a des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt ist. Dieser Paragraph bezieht sich auf Fälle, in denen der Diebstahl eine geringwertige Sache betrifft. Die Geringwertigkeit der Sache bestimmt sich nach ihrem Verkehrswert und wird als eher unbedeutend angesehen. Es gibt keine eindeutige gesetzliche Definition, was als geringwertig gilt, aber in der Praxis wird die Grenze der Geringwertigkeit oft zwischen 25 und 50 Euro angenommen.
Der Diebstahl geringwertiger Sachen ist ein sogenanntes Antragsdelikt. Das bedeutet, dass der Geschädigte form- und fristgerecht einen Strafantrag gegen den Täter stellen muss. Ohne diesen Antrag wird der Straftatbestand des Diebstahls geringwertiger Sachen in der Regel nicht von der Staatsanwaltschaft verfolgt, es sei denn, es besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung.
Die Strafe für den Diebstahl geringwertiger Sachen kann variieren. Bei einem erwachsenen Ersttäter kann in der Regel eine außergerichtliche Verfahrensbeilegung herbeigeführt werden. Bei wiederholtem Diebstahl geringwertiger Sachen können jedoch ernste Konsequenzen drohen. Das Strafmaß bleibt identisch mit dem für Diebstahl gemäß § 242 StGB, das heißt, es droht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe.
Es ist auch zu beachten, dass der Versuch eines Diebstahls geringwertiger Sachen gemäß § 242 Absatz 2 StGB strafbar ist. Wer also bei einem versuchten Diebstahl erwischt wird, hat mit demselben Strafmaß zu rechnen, das bei einer vollendeten Tat zur Anwendung kommt.
Ein Strafantrag wegen Diebstahls geringwertiger Sachen muss innerhalb von drei Monaten bei den Strafbehörden (Polizei oder Staatsanwaltschaft) eingereicht werden. Die dreimonatige Frist beginnt mit Ablauf des Tages, an welchem sich die Tat ereignet und der Geschädigte von der Person des Täters Kenntnis erlangt hat.
Das vorliegende Urteil
Der Angeklagte ist des Diebstahls geringwertiger Sachen schuldig.
Er wird zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt.
Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen.
Angewendete Vorschriften: §§ 242 I, 248 a StGB
Gründe
(abgekürzt gemäß § 267 Abs. IV StPO)
I.
Der Angeklagte wurde in Rumänien geboren, lebt jedoch schon seit vielen Jahren in Deutschland und ist deutscher Staatsangehöriger. Er konsumiert seit vielen Jahren Alkohol im Übermaß, so dass er alkoholabhängig ist. Er bezieht derzeit Arbeitslosengeld II.
Der Bundeszentralregisterauszug vom 13.01.2015 des Angeklagten weist insgesamt 24 Voreintragungen aus.
Zuletzt wurde der Angeklagte am 16.06.2014 (3221 Js 34832/13 1 Ds) vom Amtsgericht Worms wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr, begangen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Hierbei wurde eine weitere Vorentscheidung des Amtsgerichts Worms vom 02.10.2013 (3221 Js 17459/13 1 Cs) einbezogen.
II.
Der Angeklagte suchte am 15.10.2014 in Worms das Geschäft K. auf. Dort entnahm er aus einem Regal ein Fläschchen Obstwasser im Wert von 2,29 €, öffnete das Fläschchen und trank das alkoholhaltige Erfrischungsgetränk vollständig in der Absicht aus, den Kaufpreis nicht zu bezahlen. Anschließend stellte der Angeklagte die leere Flasche zurück in das Regal. Bei dem Vorgang wurde der Angeklagte durch den Zeugen S., Ladendetektiv in dem Geschäft, beobachtet. Anschließend begab sich der Angeklagte an die Kasse und bezahlte zwei von ihm ebenfalls aus Regalen entnommene Flaschen Bier. Das von ihm verzehrte Fläschchen Obstwasser bezahlte der Angeklagte entsprechend der von ihm vorgefassten Absicht nicht. Nach Verlassen des Kassenbereichs konnte der Angeklagte durch den Zeugen S. gestellt werden. Im Zuge der sich anschließenden Kontrolle bezahlte der Angeklagte schließlich das von ihm verzehrte Getränk.
III.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten und zum Tatgeschehen beruhen auf dem voll umfänglichen Geständnis des Angeklagten sowie den weiteren ausweislich der Sitzungsniederschrift in die Hauptverhandlung eingeführten Beweismitteln. Das Gericht hat das Geständnis überprüft, Anhaltspunkte für eine Falschbelastung des Angeklagten jedoch nicht finden können.
IV.
Der Angeklagte hat sich damit des Diebstahls geringwertiger Sachen gemäß §§ 242 Abs. 1, 248 a StGB schuldig gemacht. Der erforderliche Strafantrag der geschädigten Firma liegt vor. Insbesondere hat der Angeklagte durch den Verzehr des Obstwassers in dem Geschäft Gewahrsam an dem Inhalt erlangt, indem er das Genussmittel dort getrunken hat (vgl. OLG Köln NJW 1986, 392; Fischer, StGB, 61. Auflage, § 242 Rn. 18). Die Beobachtung durch den Ladendetektiv, den Zeugen S., hinderte den Gewahrsamswechsel hierbei nicht (vgl. BGH 16, 273; Fischer, a.a.O., § 242 Rn. 21).
V.
Im Rahmen der Strafzumessung hat das Gericht den Strafrahmen des § 242 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt, der Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren vorsieht.
Im Hinblick auf die wiederholten einschlägigen Vorverurteilungen des Angeklagten kam unter Berücksichtigung des § 47 StGB lediglich die Verhängung einer Freiheitsstrafe in Betracht.
Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat das Gericht zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er geständig war und nachdem er von den Mitarbeitern des Geschäfts gestellt worden ist, die Ware letztlich auch bezahlt hat. Zu Lasten des Angeklagten war jedoch zu bewerten, dass er wiederholt einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und die letzte Vorverurteilung gerade einmal vier Monate zurücklag.
Nach Abwägung sämtlicher für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände erachtet das Gericht eine Freiheitsstrafe von 2 Monaten für tat- und schuldangemessen.
Diese Freiheitsstrafe konnte nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Zwar bestimmt § 56 Abs. 1 StGB in einem Stufenverhältnis zu Abs. 2 der Vorschrift, dass Freiheitsstrafen von unter einem Jahr grundsätzlich zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Erwartungsklausel des § 56 Abs. 1 Satz 1 StGB verlangt aber eine begründete Annahme, dass der Verurteilte sich schon allein die Verurteilung als solche zur Warnung dienen lassen wird und er daher künftig nicht nur für die Dauer der Bewährungszeit auch ohne die Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird (vgl. Fischer, am angegebenen Ort, 61. Auflage, § 56 Randnummer 4). Sofern das Gericht allerdings zur Überzeugung gelangt, bei einem Angeklagten sei aufgrund seiner Persönlichkeit auch unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Wertung, solche Strafen als ultimarat zuzulassen, die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe unerlässlich, sind an ihn erhöhte Begründungsanforderungen für eine gleich unbegründete Annahme nach § 56 Abs. 1 StGB zu stellen.
Diesen erhöhten Begründungsanforderungen vermag der Angeklagte nicht zu genügen. Das Gericht hat hierbei nicht verkannt, dass der Angeklagte geständig war und letztlich der Schaden ausgeglichen worden ist. Dies vermag die erhöhten Anforderungen in der Person des Angeklagten bei einer Strafaussetzung zur Bewährung jedoch nicht aufzuheben. Der Angeklagte ist wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten und hat sich durch mehrfache Strafaussetzungen zur Bewährung nicht hinreichend beeindrucken lassen. Insbesondere im Hinblick auf die festzustellende äußerst hohe Rückfallgeschwindigkeit nach der letztmaligen Verurteilung im Juni 2014 vermag das Gericht für den Angeklagten keine günstige Sozialprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB zu erstellen.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464, 465 Abs. 1 StPO.