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Polizeiliche Durchsuchung Rechtmäßigkeit: Unwirksame Einwilligung stoppt Verfahren

Bei einer polizeilichen Durchsuchung in Kehl fand man illegale Subutex-Tabletten, doch die Rechtmäßigkeit dieser Aktion stand von Anfang an infrage. Trotz des eindeutigen Drogenfundes durften die Beweismittel im späteren Strafverfahren nicht verwendet werden.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 Cs 303 Js 19062/15 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Amtsgericht Kehl
  • Datum: 29.04.2016
  • Aktenzeichen: 2 Cs 303 Js 19062/15
  • Verfahren: Strafbefehlsverfahren
  • Rechtsbereiche: Strafrecht, Polizeirecht, Strafprozessrecht

  • Das Problem: Die Staatsanwaltschaft wollte einen Mann bestrafen. Ihm wurde vorgeworfen, Drogen illegal eingeführt zu haben. Die Beweismittel stammten aus einer Taschendurchsuchung. Der Mann und das Gericht zweifelten an deren Rechtmäßigkeit.
  • Die Rechtsfrage: Darf jemand verurteilt werden? Die Polizei hatte Drogen bei einer Durchsuchung gefunden. Diese Durchsuchung war aber möglicherweise illegal. Auch eine angebliche Zustimmung des Mannes war unwirksam.
  • Die Antwort: Nein. Das Gericht lehnte den Strafbefehl ab. Die gefundenen Drogen und das Geständnis durften nicht verwendet werden. Die Durchsuchung war illegal, und die Zustimmung des Mannes unwirksam.
  • Die Bedeutung: Beweise dürfen im Gericht nicht gegen jemanden verwendet werden. Das gilt, wenn die Beweise illegal gesammelt wurden. Dies schützt Bürger vor unrechtmäßigen staatlichen Eingriffen.

Der Fall vor Gericht


Warum war das „Ja“ des Mannes zur Durchsuchung juristisch wertlos?

„Dürfen wir mal in Ihre Tasche schauen?“ Es ist eine simple Frage, gestellt von zwei Polizisten bei einer Kontrolle in der Grenzstadt Kehl. Der Mann, dem sie gestellt wird, antwortet mit „Ja“. In seiner Tasche liegen sieben illegale Subutex-Tabletten.

Polizist prüft Tasche. War die Durchsuchung rechtmäßig? Ein Drogenfund würde sonst vom Beweisverwertungsverbot erfasst.
Einwilligung zur Durchsuchung war unwirksam; entdeckte Beweise unzulässig, Verfahren eingestellt, Staat trägt Kosten. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Damit scheint sein Schicksal besiegelt. Doch dieses eine Wort, dieses „Ja“, war juristisch wertlos – und die Frage der Beamten der Beginn vom Ende ihrer eigenen Ermittlung. Am Ende musste der Staat nicht nur das Verfahren einstellen, sondern auch die Kosten tragen.

Der Knackpunkt liegt in der Natur der Einwilligung. Im Angesicht von Staatsgewalt ist ein Bürger oft in einer unterlegenen Position. Ein einfaches „Ja“ genügt daher nicht. Das Gericht stellte klar: Eine Wirksame Einwilligung setzt eine informierte Entscheidung voraus. Die Polizisten hätten den Mann darüber aufklären müssen, dass er die Durchsuchung ohne negative Folgen ablehnen kann. Er musste verstehen, dass seine Zustimmung freiwillig ist und nicht erzwungen werden kann.

Eine simple Frage wie „Haben Sie etwas dagegen?“ reicht dafür nicht aus. Sie verschleiert, dass der Bürger ein echtes Wahlrecht hat. Ohne diese Belehrung über die Freiwilligkeit, so das Gericht, entsteht kein faires Machtgleichgewicht. Die Zustimmung des Mannes war deshalb unwirksam. Die Polizisten handelten ohne seine gültige Erlaubnis.

Hätte die Polizei die Tasche nicht auch ohne Zustimmung durchsuchen dürfen?

Die Beamten versuchten, ihre Aktion nachträglich mit anderen Rechtsgrundlagen zu rechtfertigen. Jeder dieser Versuche scheiterte an den strengen Hürden des Gesetzes.

Zuerst beriefen sie sich auf eine Regelung für sogenannte „Gefährliche Orte„. Das Polizeigesetz von Baden-Württemberg erlaubt an solchen Orten verdachtsunabhängige Kontrollen. Das Gericht pulverisierte dieses Argument. Die Polizei legte keinerlei Fakten vor, die den unscheinbaren Straßenabschnitt in Kehl als Kriminalitätsschwerpunkt auswiesen. Die bloße Nähe zur Grenze reicht nicht aus. Selbst wenn es ein gefährlicher Ort gewesen wäre, so das Gericht, wäre die Durchsuchung einer Tasche ein tiefer Eingriff. Dafür bräuchte es konkrete Anhaltspunkte, dass genau diese Person dort eine Straftat vorbereitet. Solche Anhaltspunkte fehlten. Die bloße Polizeiakte des Mannes als Drogenkonsument genügte nicht.

Ein weiterer Rechtfertigungsversuch war die Eigensicherung. Doch auch das überzeugte nicht. Der Mann hatte während der Kontrolle keinen Zugriff auf seine Tasche. Die Beamten hätten sie ihm einfach abnehmen und außer Reichweite legen können. Eine Durchsuchung war zur Sicherung der Polizisten nicht erforderlich.

Zuletzt blieb die Möglichkeit einer Durchsuchung zur Strafverfolgung. Diese setzt aber einen Anfangsverdacht für eine konkrete Straftat voraus. Den gab es vor dem Blick in die Tasche nicht. Das Bauchgefühl der Beamten oder die Vorgeschichte des Mannes allein schaffen keinen solchen Verdacht.

Wieso zählte nicht einmal das spätere Geständnis des Mannes?

Der Fund der Tabletten war das Ergebnis einer rechtswidrigen Durchsuchung. Juristen sprechen hier von einem Beweisverwertungsverbot. Ein Beweis, der durch einen gravierenden Rechtsbruch gewonnen wurde, darf vor Gericht nicht verwendet werden. Es ist, als hätte man ihn nie gefunden. Die sieben Subutex-Tabletten waren damit als Beweismittel vom Tisch.

Dieser Grundsatz wirkt wie ein juristischer Dominoeffekt. Kurz nach dem Fund räumte der Mann in seiner Vernehmung ein, die Tabletten in Frankreich gekauft zu haben. Normalerweise wäre ein solches Geständnis der stärkste Beweis. Hier war es wertlos. Das Gericht argumentierte, dass das Geständnis unmittelbar auf dem rechtswidrigen Fund beruhte. Der Mann gestand, weil die Polizei ihm die illegal gefundenen Tabletten vorhielt.

Um diese Kette zu durchbrechen, hätten die Beamten ihn vor der Vernehmung „qualifiziert“ belehren müssen. Das bedeutet: Sie hätten ihm erklären müssen, dass der Drogenfund wegen der rechtswidrigen Durchsuchung vor Gericht wahrscheinlich nicht verwertbar ist. Nur mit diesem Wissen hätte er eine freie und unbeeinflusste Entscheidung treffen können, ob er aussagt oder schweigt. Eine solche Belehrung fand nicht statt. Damit vergiftete der Fehler bei der Durchsuchung auch das anschließende Geständnis.

Wer musste am Ende für das gescheiterte Verfahren zahlen?

Ohne verwertbare Beweismittel – weder die Tabletten noch das Geständnis zählten – gab es keinen hinreichenden Tatverdacht mehr. Eine Verurteilung war ausgeschlossen. Das Amtsgericht Kehl lehnte den Erlass des von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafbefehls daher ab.

Die prozessuale Konsequenz ist klar geregelt. Wird ein Angeschuldigter freigesprochen oder das Verfahren wie hier eingestellt, trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens. Dazu gehören auch die notwendigen Auslagen des Mannes, beispielsweise für seinen Anwalt. Der rechtswidrige Eingriff der Polizei führte so dazu, dass der Staat am Ende die Rechnung für ein Verfahren bezahlen musste, das er selbst auf einer fehlerhaften Grundlage begonnen hatte.

Die Urteilslogik

Nur rechtmäßige hoheitliche Eingriffe sichern die Verwertbarkeit von Beweismitteln und schützen die Rechte des Bürgers.

  • Informierte Zustimmung ist unverzichtbar: Ein Bürger erteilt eine wirksame Einwilligung zur Durchsuchung nur, wenn er zuvor umfassend über sein Recht aufgeklärt wurde, diese ohne negative Folgen zu verweigern.
  • Rechtswidrig erlangte Beweise zählen nicht: Gerichte dürfen Beweismittel nicht verwerten, wenn staatliche Organe diese durch einen erheblichen Rechtsbruch erlangen oder ein Geständnis direkt darauf aufbaut, ohne dass eine qualifizierte Belehrung erfolgte.
  • Kosten trägt der Staat bei fehlerhaftem Vorgehen: Stellt der Staat ein Strafverfahren mangels verwertbarer Beweise ein, die auf rechtswidrigem Handeln seiner Organe beruhen, übernimmt die Staatskasse die Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen des Betroffenen.

Dieser Fall unterstreicht eindringlich die Notwendigkeit, rechtsstaatliche Prinzipien bei jedem staatlichen Eingriff konsequent zu wahren, um die Integrität des Verfahrens und die Rechte der Bürger zu gewährleisten.


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Experten Kommentar

Manchmal unterschätzen wir die Macht eines einzigen Fehlers bei einer Kontrolle. Hier wird deutlich: Eine einfache Zustimmung zur Taschenkontrolle ist juristisch nutzlos, wenn die Polizei nicht klar über das Ablehnungsrecht aufklärt. Das reißt nicht nur dem ursprünglichen Fund den Boden weg, sondern entwertet sogar ein späteres Geständnis. Wer seine Rechte bei einer Polizeikontrolle kennt, kann so die gesamte Beweisführung gegen sich zum Einsturz bringen – am Ende auf Kosten des Staates.


Symbolische Grafik zu FAQ - Häufig gestellte Fragen aus dem Strafrecht" mit Waage der Gerechtigkeit und Gesetzbüchern im Hintergrund

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann darf die Polizei eine Durchsuchung ohne meine Zustimmung durchführen?

Die Polizei darf eine Durchsuchung ohne Ihre Zustimmung nur unter sehr strengen gesetzlichen Voraussetzungen durchführen, die weit über ein „Bauchgefühl“ oder die bloße Anwesenheit an einem „gefährlichen Ort“ hinausgehen. Sie erfordern stets konkrete Verdachtsmomente gegen Ihre Person. Die bloße Nähe zu einer Grenze oder ein unscheinbarer Straßenabschnitt reichen dabei nicht aus, um einen solch tiefgreifenden Eingriff in Ihre Privatsphäre zu rechtfertigen.

Ihre Privatsphäre ist ein fundamentales Recht. Daher sind Durchsuchungen Ihrer Person oder Ihrer Sachen ohne Ihre Einwilligung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erlaubt. Beamte können sich nicht einfach auf allgemeine „gefährliche Orte“ oder die Nähe zu einer Landesgrenze berufen. Solche Bereiche müssen tatsächlich als Kriminalitätsschwerpunkte ausgewiesen sein, und selbst dann braucht es konkrete Anhaltspunkte, dass genau Sie dort eine Straftat vorbereiten. Eine bloße Polizeiakte als Drogenkonsument genügt hierfür beispielsweise nicht. Darüber hinaus ist eine Durchsuchung zur Eigensicherung nur dann zulässig, wenn eine unmittelbare Gefahr für die Beamten besteht, die nicht anders abgewendet werden kann. Haben Sie keinen direkten Zugriff auf Ihre Tasche, könnten die Beamten diese einfach außer Reichweite legen, wodurch eine Durchsuchung unnötig wird. Für eine Durchsuchung zur Strafverfolgung schließlich ist zwingend ein konkreter Anfangsverdacht einer Straftat erforderlich, der vor dem Blick in Ihre Tasche bestehen muss – nicht erst durch das Ergebnis der Durchsuchung.

Ein passender Vergleich ist der Schlüssel zu Ihrem persönlichen Schließfach: Niemand darf es ohne Ihre Erlaubnis öffnen. Nur wenn ein Richter einen Durchsuchungsbefehl ausstellt oder ein akuter Notfall vorliegt, der eindeutig definiert ist, darf man ohne Ihre Zustimmung hineinsehen. Ihre Tasche oder Kleidung genießt einen ähnlichen Schutz.

Bleiben Sie höflich, aber bestimmen Sie klar Ihre Grenzen. Fragen Sie die Beamten sofort und klar nach der exakten gesetzlichen Grundlage für die geforderte Durchsuchung, noch bevor Sie irgendeine Handlung vornehmen. Notieren Sie sich die genannte Rechtsgrundlage oder bitten Sie um die Nennung des konkreten Paragraphen. Verweigern Sie Ihre Zustimmung ausdrücklich mit den Worten: „Ich stimme einer Durchsuchung nicht zu.“ Lassen Sie sich niemals durch passive Duldung zu einer Geste überreden, die später als Zustimmung interpretiert werden könnte.


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Welche weiteren Rechte habe ich während einer polizeilichen Kontrolle?

Während einer polizeilichen Kontrolle haben Sie das Recht auf eine umfassende Belehrung über die Freiwilligkeit Ihrer Handlungen, insbesondere bei Durchsuchungen. Ein weiteres Kernrecht ist Ihr Recht zu schweigen, gerade wenn Beweise durch fragwürdige Methoden erlangt wurden. Die Polizei muss Ihnen eine konkrete Rechtsgrundlage für jeden Eingriff nennen, der über die reine Identitätsfeststellung hinausgeht. Sie sind nicht machtlos.

Juristen nennen dies das Prinzip der informierten Entscheidung. Wenn die Polizei Ihre Zustimmung zu einer Maßnahme wie einer Durchsuchung fordert, muss sie Sie explizit darüber aufklären, dass Ihre Einwilligung freiwillig ist. Gleichzeitig müssen Sie wissen, dass Sie eine Ablehnung ohne negative Konsequenzen aussprechen dürfen. Ohne diese umfassende Belehrung ist Ihre Zustimmung juristisch wertlos.

Darüber hinaus steht Ihnen das Recht zu, zu jedem Zeitpunkt der Kontrolle zu schweigen. Dies wird besonders relevant, falls die Beamten mutmaßlich rechtswidrig Beweismittel gefunden haben. Eine „qualifizierte Belehrung“ ist dann entscheidend: Sie muss Ihnen erklären, dass die illegal erlangten Beweise vor Gericht möglicherweise nicht verwertet werden dürfen. Ohne diese Belehrung kann selbst ein späteres Geständnis seine juristische Kraft verlieren. Bestehen Sie zudem stets auf einer klaren, gesetzlichen Grundlage für jedweden polizeilichen Eingriff, der über die bloße Feststellung Ihrer Personalien hinausgeht.

Denken Sie an eine Patientenverfügung. Niemand würde erwarten, dass eine weitreichende Entscheidung gültig ist, wenn der Arzt nur fragt: „Sind Sie damit einverstanden?“, ohne die genauen medizinischen Folgen zu erläutern. Genauso müssen Sie bei der Polizei über die Konsequenzen Ihrer Zustimmung oder Ablehnung aufgeklärt werden, um wirklich frei entscheiden zu können.

Bleiben Sie bei jeder Kontrolle höflich, aber unmissverständlich: Sagen Sie stets „Ich stimme einer Durchsuchung nicht zu“ und wiederholen Sie bei einem Fund und vor jeder Aussage: „Ich möchte keine Angaben machen und verlange eine qualifizierte Belehrung über die Verwertbarkeit der Beweismittel.“


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Wie verhalte ich mich richtig, wenn die Polizei eine Durchsuchung fordert?

Bleiben Sie stets höflich, aber machen Sie unmissverständlich klar, dass Sie einer Durchsuchung nicht zustimmen. Fordern Sie die exakte Rechtsgrundlage für die Maßnahme. Ihre Zustimmung ist ohne umfassende Belehrung über Ihr Ablehnungsrecht juristisch wertlos, und eine Verweigerung darf für Sie keine negativen Konsequenzen haben. Dies ist entscheidend, um Ihre Rechte zu schützen.

Polizeibeamte haben oft eine starke Autoritätsposition. Aus Unsicherheit oder Höflichkeit geben viele Menschen bei einer Kontrollsituation schnell nach. Ein einfaches „Ja“ oder eine zögerliche Geste kann dabei als gültige Einwilligung interpretiert werden. Juristen nennen das konkludente Zustimmung. Doch eine wirksame Zustimmung setzt eine informierte Entscheidung voraus. Die Polizei muss Sie ausdrücklich darüber aufklären, dass Sie die Durchsuchung ohne negative Folgen ablehnen können und Ihre Zustimmung absolut freiwillig ist. Geschieht das nicht, ist Ihre „Einwilligung“ unwirksam, und die Durchsuchung wäre rechtswidrig.

Denken Sie an einen Vertrag. Niemals würden Sie einen unterschreiben, ohne alle Details zu kennen und ohne zu wissen, dass Sie auch „Nein“ sagen könnten. Genauso verhält es sich mit Ihrer Zustimmung bei einer Polizeikontrolle: Sie muss frei und informiert erfolgen.

Sagen Sie den Beamten klar und deutlich: „Ich lehne eine Durchsuchung ab. Ich bin nicht verpflichtet, dem zuzustimmen, und möchte über meine Rechte belehrt werden.“ Vermeiden Sie jedes zögerliche „Na, wenn Sie meinen…“ oder ein widerwilliges Überreichen Ihrer Tasche. Wiederholen Sie diesen Satz, falls der Druck zunimmt, und fragen Sie im Falle einer dennoch erfolgenden Durchsuchung nach der konkreten gesetzlichen Grundlage.


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Gibt es Ausnahmen vom Beweisverwertungsverbot bei illegalen Durchsuchungen?

Ja, es gibt eine bedeutende Ausnahme vom strengen Beweisverwertungsverbot, besonders bei Geständnissen, die nach einem illegalen Fund erfolgen. Ein solches Geständnis kann verwertbar werden, wenn die Polizei Sie zuvor qualifiziert belehrt, dass die ursprünglich illegal erlangten Beweismittel im Prozess wahrscheinlich nicht zählen. Diese spezielle Belehrung durchbricht die Kette der Rechtswidrigkeit, falls Sie sich trotzdem freiwillig äußern.

Grundsätzlich führt ein durch eine rechtswidrige Durchsuchung erlangter Fund, beispielsweise eine gefundene Substanz, zu einem sofortigen Beweisverwertungsverbot. Das bedeutet, dieser direkt gewonnene Beweis darf vor Gericht nicht gegen Sie verwendet werden. Juristen nennen dies die „Fernwirkung“ des Beweisverbots: Auch ein Geständnis, das Sie unmittelbar nach dem illegalen Fund abgeben, ist primär „vergiftet“. Es gilt als motiviert durch den rechtswidrigen Fund und wäre ohne diesen wahrscheinlich nicht erfolgt.

Doch es gibt eine entscheidende Zäsur, die diese Kette unterbrechen kann. Damit ein Geständnis trotz des illegalen Anfangsfehlers verwertbar wird, müssen die Beamten Sie vor Ihrer Vernehmung umfassend aufklären. Sie müssen Ihnen klipp und klar sagen, dass der rechtswidrig erlangte Beweis vor Gericht mutmaßlich keine Rolle spielen wird. Nur so können Sie als Beschuldigter eine wirklich freie Entscheidung treffen, ob Sie schweigen oder aussagen möchten.

Denken Sie an eine Kette: Wenn das erste Glied (der illegale Fund) fehlerhaft ist, sind alle direkt darauf folgenden Glieder (wie das spontane Geständnis) ebenfalls „kontaminiert“. Eine „qualifizierte Belehrung“ ist wie das Heraustrennen der ersten, fehlerhaften Glieder und das Einsetzen eines neuen, sauberen Anfangs, bevor die Kette weitergeht. Sie ermöglicht Ihnen einen klaren Blick auf Ihre Optionen.

Lehnen Sie bei jeder Vernehmung nach einem mutmaßlich rechtswidrigen Fund die Aussage kategorisch ab. Fordern Sie, bevor Sie auch nur ein Wort sagen, eine schriftliche „qualifizierte Belehrung“. Diese muss Ihnen explizit die Verwertungsverbote für die illegal erlangten Beweismittel und Ihr uneingeschränktes Recht auf Schweigen erklären. Ohne diese umfassende Aufklärung bleiben Sie bei Ihrem Schweigen.


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Was kann ich präventiv tun, um meine Rechte bei Polizeikontrollen zu stärken?

Der wichtigste präventive Schritt, um Ihre Rechte bei Polizeikontrollen zu stärken, ist die Kenntnis Ihrer Rechte und das aktive, aber höfliche Verweigern von Durchsuchungen. Ohne Ihre explizite, zuvor belehrte Zustimmung oder eine klare, gesetzlich fundierte Rechtfertigung durch die Polizei müssen Sie einer Durchsuchung nicht nachkommen. Dies schützt Sie effektiv vor unrechtmäßigen Eingriffen und unabsichtlicher Selbstbelastung.

Viele Menschen fühlen sich von der Autorität der Polizei eingeschüchtert. Dabei vergessen sie oft, dass sie ein starkes Recht auf Ablehnung haben. Juristen nennen das Prinzip der Freiwilligkeit. Sie dürfen eine Durchsuchung Ihrer Person oder Ihrer Sachen grundsätzlich ohne negative Konsequenzen ablehnen. Nur wenn eine konkrete, gesetzlich fundierte Ausnahme vorliegt – und diese muss Ihnen benannt werden – darf die Polizei ohne Ihre Zustimmung tätig werden. Ein voreiliges „Ja“ oder eine passive Duldung mag auf den ersten Blick wie eine Zustimmung wirken, ist aber ohne vorherige, umfassende Belehrung über Ihr Ablehnungsrecht juristisch wertlos. Trotzdem ist es entscheidend, eine solche Situation aktiv zu vermeiden, um Missverständnisse zu verhindern.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist Ihre verbale Standhaftigkeit. Üben Sie klare Formulierungen wie „Ich stimme einer Durchsuchung nicht zu“ oder „Ich möchte keine Angaben machen“. Vermeiden Sie mehrdeutige Reaktionen, Gesten oder zögern, die als Einverständnis missverstanden werden könnten. Fordern Sie bei jeder polizeilichen Forderung, die über eine bloße Identitätsfeststellung hinausgeht, höflich, aber bestimmt nach der konkreten gesetzlichen Grundlage. Das schafft Klarheit und dokumentiert das Vorgehen der Beamten für eine mögliche spätere Prüfung.

Denken Sie an ein Türschloss: Sie sind der Besitzer des Schlüssels. Ohne Ihre explizite Erlaubnis oder einen gültigen richterlichen Beschluss darf niemand Ihre Tür öffnen. Genau so verhält es sich mit Ihrer Privatsphäre und Ihrem Eigentum gegenüber der Polizei.

Drucken Sie sich am besten eine kleine Notiz mit den Sätzen „Ich stimme keiner Durchsuchung zu“ und „Ich mache keine Angaben zur Sache ohne Anwalt und Qualifizierte Belehrung“ aus. Tragen Sie diese immer bei sich. So haben Sie im Ernstfall eine konkrete Formulierung parat und zeigen, dass Sie Ihre Rechte kennen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Anfangsverdacht

Juristen sprechen von einem Anfangsverdacht, wenn konkrete Tatsachen darauf hindeuten, dass jemand eine Straftat begangen haben könnte, was die Polizei zu ersten Ermittlungen oder Zwangsmitteln wie einer Durchsuchung berechtigt. Dieses Prinzip soll willkürliche staatliche Eingriffe in die Grundrechte von Bürgern verhindern. Eine Durchsuchung oder Ermittlung muss auf mehr als einem bloßen Bauchgefühl basieren, um die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen zu wahren.

Beispiel: Die Beamten hatten vor dem Blick in die Tasche keinen Anfangsverdacht für eine konkrete Straftat, weshalb die Durchsuchung zur Strafverfolgung unzulässig war.

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Beweisverwertungsverbot

Ein Beweisverwertungsverbot bedeutet, dass ein durch gravierenden Rechtsbruch erlangter Beweis vor Gericht nicht gegen den Beschuldigten verwendet werden darf, um die Rechtmäßigkeit des Verfahrens zu gewährleisten. Diese Regel schützt die Grundrechte der Bürger und zwingt die Ermittlungsbehörden, sich an Recht und Gesetz zu halten. Es soll verhindern, dass der Staat aus illegalen Handlungen Vorteile zieht, indem er rechtswidrige Beweismittel verwertet; es ist, als hätte man den Beweis nie gefunden.

Beispiel: Der Fund der Subutex-Tabletten unterlag einem Beweisverwertungsverbot, da die Durchsuchung der Tasche ohne wirksame Einwilligung des Mannes erfolgte und somit rechtswidrig war.

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Eigensicherung

Unter Eigensicherung versteht man das Recht der Polizei, Maßnahmen zu ergreifen, um die eigene körperliche Unversehrtheit oder die anderer Personen während eines Einsatzes zu schützen, beispielsweise durch eine Durchsuchung nach Waffen. Diese Regel erlaubt Beamten, in potenziell gefährlichen Situationen schnell und präventiv zu handeln. Die Sicherheit der Einsatzkräfte steht im Vordergrund, jedoch müssen die Maßnahmen immer verhältnismäßig sein und eine konkrete Gefahr abwenden.

Beispiel: Eine Durchsuchung der Tasche zur Eigensicherung war im Fall des Mannes nicht notwendig, da die Beamten diese auch einfach abnehmen und außer Reichweite hätten legen können.

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Gefährliche Orte

Polizeigesetze definieren als gefährliche Orte bestimmte Bereiche, in denen aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte vermehrt Straftaten begangen werden, was verdachtsunabhängige Kontrollen erlauben kann. Diese Bestimmung soll der Polizei die Möglichkeit geben, an Hotspots der Kriminalität präventiv tätig zu werden, um die öffentliche Sicherheit zu erhöhen. Trotzdem ist ein tiefer Eingriff wie eine Durchsuchung immer nur unter strengen zusätzlichen Voraussetzungen zulässig.

Beispiel: Der unscheinbare Straßenabschnitt in Kehl konnte nicht als gefährlicher Ort eingestuft werden, da die Polizei keinerlei Fakten vorlegte, die ihn als Kriminalitätsschwerpunkt auswiesen.

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Qualifizierte Belehrung

Eine qualifizierte Belehrung informiert einen Beschuldigten explizit darüber, dass illegal erlangte Beweismittel im Prozess voraussichtlich nicht verwertet werden dürfen, bevor er eine Aussage macht. Juristen haben diese spezielle Belehrung geschaffen, um die Entscheidungsfreiheit eines Beschuldigten wiederherzustellen, wenn dessen Wille durch einen rechtswidrigen Polizeieingriff beeinflusst wurde. Sie soll sicherstellen, dass ein Geständnis wirklich frei und unbeeinflusst erfolgt.

Beispiel: Ohne eine qualifizierte Belehrung verlor das Geständnis des Mannes seine juristische Kraft, da es unmittelbar auf dem rechtswidrigen Fund der Tabletten basierte und dieser Einfluss nicht aufgehoben wurde.

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Wirksame Einwilligung

Eine wirksame Einwilligung bedeutet, dass eine Person einer staatlichen Maßnahme nur zustimmt, wenn sie vorher umfassend aufgeklärt wurde und weiß, dass sie die Zustimmung auch ohne negative Folgen verweigern kann. Juristen haben diese Anforderung eingeführt, um das Machtungleichgewicht zwischen Bürger und Staatsgewalt auszugleichen. Das Gesetz will sicherstellen, dass jede Zustimmung wirklich freiwillig und informiert erfolgt; denken Sie an einen Vertrag, den niemand ohne Kenntnis aller Details unterschreiben würde.

Beispiel: Im vorliegenden Fall war die Zustimmung des Mannes zur Durchsuchung seiner Tasche keine wirksame Einwilligung, weil die Polizisten ihn nicht über sein Recht zur Ablehnung belehrt hatten.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Wirksame Einwilligung in einen Grundrechtseingriff (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 13 Abs. 1 GG)
    Eine Zustimmung zu einem Eingriff in grundlegende Rechte, wie die körperliche Unversehrtheit oder die Unverletzlichkeit der Wohnung, ist nur gültig, wenn sie freiwillig und nach umfassender Aufklärung erfolgt.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Zustimmung des Mannes zur Taschenkontrolle war ungültig, weil die Polizisten ihn nicht darüber informierten, dass er die Kontrolle ohne negative Folgen ablehnen durfte und seine Zustimmung freiwillig sein muss.
  • Beweisverwertungsverbot (allgemeiner Rechtsgrundsatz)
    Beweismittel, die durch einen gravierenden Verstoß gegen Gesetze oder Grundrechte erlangt wurden, dürfen vor Gericht nicht verwendet werden.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die bei der rechtswidrigen Taschenkontrolle gefundenen Subutex-Tabletten durften nicht als Beweis gegen den Mann verwendet werden, weil sie durch einen unzulässigen Eingriff gewonnen wurden.
  • Fernwirkung des Beweisverwertungsverbots (allgemeiner Rechtsgrundsatz)
    Wenn ein ursprünglich rechtswidrig erlangter Beweis weitere Beweismittel nach sich zieht, können auch diese nach dem „Dominoeffekt“ nicht verwertet werden, es sei denn, die Kausalkette wurde durchbrochen.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Da das Geständnis des Mannes unmittelbar auf dem rechtswidrigen Drogenfund beruhte und er nicht ausreichend über die Unverwertbarkeit des Fundes belehrt wurde, war auch sein Geständnis vor Gericht wertlos.
  • Durchsuchung zur Strafverfolgung (§ 102 StPO)
    Eine Durchsuchung von Personen oder deren Sachen zur Auffindung von Beweismitteln ist nur erlaubt, wenn ein konkreter Anfangsverdacht für eine Straftat vorliegt und die Maßnahme verhältnismäßig ist.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beamten konnten die Taschenkontrolle nicht auf eine Durchsuchung zur Strafverfolgung stützen, da sie vor dem Blick in die Tasche keinen konkreten Anfangsverdacht für eine Straftat gegen den Mann hatten.
  • Kosten bei Verfahrenseinstellung (§ 467 StPO)
    Wird ein Strafverfahren eingestellt oder der Angeklagte freigesprochen, muss grundsätzlich die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten tragen.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Da keine verwertbaren Beweise vorlagen und das Verfahren eingestellt werden musste, musste die Staatskasse die Kosten für das Verfahren und die Anwaltskosten des Mannes übernehmen.

Das vorliegende Urteil


AG Kehl – Az.: 2 Cs 303 Js 19062/15 – Beschluss vom 29.04.2016


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