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Nötigung und Erpressung – Verwerflichkeit der Androhung eines Übels

AG Waldbröl – Az.: 40 Cs 23/18 – Urteil vom 19.03.2018

Der Angeklagte wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und seine Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

Der Schuldvorwurf ergibt sich aus dem Strafbefehl vom 11.01.2018.

Im Wesentlichen wurde dem Angeklagten folgender Sachverhalt zur Last gelegt:

Die W eG, vertreten durch die L GmbH & Co. KG, erwirkte 2006 einen Vollstreckungsbescheid gegen den Angeklagten aufgrund einer offenen Forderung aus einem Darlehensvertrag in Höhe von 52.039,36 Euro zuzüglich Zinsen. Seit Juli 2017 versuchte sich der Angeklagte vergleichsweise mit der L zu einigen, indem er zuletzt die Zahlung von 10.000,- Euro als Ausgleich für sämtliche Forderungen anbot.

Als dieses Vergleichsangebot abgelehnt wurde, schickte er am 31.07.2017 an L einen Brief, in dem er unter anderem ausführte: „Nicht nur ich, sondern auch die Firma T und die W eG haben sich in diesem Jahr Sachen erlaubt, die besser nicht an die Öffentlichkeit kommen sollen. Mir ist es heute egal, aber für die W eG wird die gesamte Sache ein herber Imageverlust. Ich bin gewillt, mich gütlich zu einigen. Falls es nicht dazu kommt, werde ich kämpfen.“

Nachdem dieses Schreiben nicht den gewünschten Erfolg brachte, schrieb er am 25.10.2017 eine E-Mail mit folgendem Inhalt: „Ich bin langsam wirklich verärgert und versuche mich mit Ihnen gütlich zu einigen. Wenn dies nicht funktioniert, werde ich die ganze Angelegenheit in das Internet setzen und einschlägige Fernsehsender ansprechen.“

Durch die Drohungen, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, um die Vertrauenswürdigkeit und das Ansehen der W eG herabzusetzen, habe der Angeklagte erreichen wollen, dass die L auf sein Vergleichsangebot eingeht und ihm damit einen Großteil seiner Schulden erlässt. Er sei ihm darauf angekommen, sich dadurch einen unberechtigten Vermögensvorteil zu verschaffen, wobei er es zumindest billigend in Kauf genommen habe, das Vermögen der W und der L zu beschädigen. Die L ging jedoch auch nach den beiden Schreiben nicht auf die Forderung ein, sondern erstattete Strafanzeige.

II.

Der Angeklagte war freizusprechen, weil die ihm zur Last gelegte Straftat aus rechtlichen Gründen nicht festgestellt werden konnte.

Unabhängig von der Frage, ob er gemäß § 24 Abs. 1 StGB wirksam vom Versuch zurückgetreten ist, ist die angestrebte Nötigung jedenfalls nicht verwerflich im Sinne der §§ 240, 253 StGB.

Nötigung und Erpressung
(Symbolfoto: Ure/Shutterstock.com)

Nach Auslegung der Erklärungen vom 31.07.2017 und 25.10.2017 hat der Angeklagte angedroht, auf verschiedenen Wegen an die Öffentlichkeit zu gehen (Internet; Fernsehsender). Zu seinen Gunsten ist davon auszugehen, dass er gegenüber der Öffentlichkeit wahrheitsgemäße Tatsachen oder unter den Schutzbereich der verfassungsrechtlich geschützten Meinungsfreiheit fallende Wertungen kundtun wollte, insbesondere Angaben über das Gebaren der W und des Inkassounternehmens L. machen wollte. Er hat diesbezüglich in der Hauptverhandlung glaubhaft und unwiderlegbar ausgeführt, er habe zum Zeitpunkt der Kreditvergabe an einer psychischen Erkrankung gelitten und dies habe auch die Volksbank bzw. deren Mitarbeiter damals gemerkt bzw. zumindest merken müssen. Dieses damalige Verhalten und die Unterstützung durch ein Inkassounternehmen sowohl im konkreten Fall als auch das Verhalten von Inkassounternehmen generell hält er für einen kritikwürdigen Sachverhalt. Er meinte in der Hauptverhandlung, wolle man ihm diese Äußerungen verbieten, herrschten „türkische Verhältnisse“.

Es ist schon fraglich, ob die Ankündigung der Veröffentlichung eines „Lebenssachverhalts“ bzw. einer „Angelegenheit“ z.B. im Internet überhaupt den Tatbestand der Drohung mit einem empfindlichen Übel erfüllt. Denn eine solche Ankündigung stellt nach ihrem Wortlaut lediglich eine allgemein gehaltene, unspezifische Ankündigung von Schwierigkeiten oder Weiterungen dar (vgl. Kammergericht in StraFo 2012, 328 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

Unter diesen Gegebenheiten besteht, zumal die Höhe der Forderung des Inkassounternehmens für den Angeklagten existenzgefährdend ist, und des Umstands, dass der Angeklagte als einfacher Bürger einer Bank und einem nach eigenen Angaben im Internet „führenden deutschen Forderungsmanagementunternehmen“ gegenübersteht, jedenfalls kein grobes Missverhältnis zwischen dem angestrebten Zweck und angedrohtem Mittel. Es handelt sich gerade nicht um die willkürliche Verknüpfung eines Vorgangs mit einem Anspruch, der auf einem ganz anderen Lebensvorgang beruht, sondern es besteht ein konkreter Zusammenhang zwischen der Drohung, an die Öffentlichkeit zu gehen und der zivilrechtlichen Zahlungsforderung.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 464, 467 StPO.

 

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