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Nachstellungshandlungen – räumliche Nähe zum Opfer

Drohnachrichten, Auflauern, Besuche vor der Wohnungstür: Ein Fall von Stalking beschäftigte die Gerichte bis hin zum Oberlandesgericht Hamm. Dort musste entschieden werden, wie solche wiederholten Nachstellungen rechtlich zu zählen sind. Die Richter kippten das Urteil und gaben wichtige Hinweise für die Neubewertung des Falls.

Übersicht

Zum vorliegenden Urteil Az.: 5 ORs 9/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Hamm
  • Datum: 08.04.2025
  • Aktenzeichen: 5 ORs 9/25
  • Verfahrensart: Revisionsverfahren
  • Rechtsbereiche: Strafrecht (Nachstellung, Bedrohung)

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Angeklagter, der Revision einlegte; Staatsanwaltschaft
  • Kläger: Geschädigte und Nebenklägerin

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Der Fall betraf einen Angeklagten, der nach der Trennung von seiner Ehefrau (der Geschädigten) wiederholt Kontaktversuche unternahm, darunter Drohnachrichten, Auflauern und Aufsuchen der Wohnung.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging um die juristische Bewertung wiederholter Nachstellungshandlungen als eine oder mehrere Taten und die Auslegung des Merkmals „Aufsuchender räumlichen Nähe“ im Zusammenhang mit Stalking.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Oberlandesgericht hat das Urteil des Landgerichts teilweise aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wurde verworfen.
  • Begründung: Das Gericht begründete die Aufhebung mit unzureichenden Feststellungen zum Aufsuchen der Wohnung der Geschädigten und Rechtsfehlern bei der juristischen Einordnung der wiederholten Taten als eine oder mehrere Nachstellungshandlungen, insbesondere bezüglich des Täterwillens.
  • Folgen: Die Sache wird an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen, die den Fall teilweise neu verhandeln und entscheiden muss, insbesondere bezüglich der fehlenden Feststellungen und der rechtlichen Bewertung der Taten.

Der Fall vor Gericht


OLG Hamm kippt Stalking-Urteil: Wann bilden wiederholte Nachstellungen eine einzige Tat nach § 238 StGB?

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat mit einem Urteil vom 08.04.2025 (Az.: 5 ORs 9/25) eine wichtige Entscheidung zur rechtlichen Bewertung von Stalking-Fällen getroffen. Im Kern ging es um die Frage, wie wiederholte Nachstellungshandlungen gegen dasselbe Opfer juristisch einzuordnen sind – insbesondere, ob sie als eine Fortgesetzte Straftat (tatbestandliche Handlungseinheit) oder als mehrere einzelne Taten zu werten sind.

Aggressive Person bedroht Frau vor Supermarkteingang, Polizisten eilen zur Hilfe
Aggressive Sprachnachricht im Supermarkt: Mann lauert seiner Ex-Frau auf, Polizei greift ein. Bedrohung in der Öffentlichkeit. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Diese Unterscheidung ist seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2021, bei der das Merkmal „beharrlich“ durch „wiederholt“ im § 238 Strafgesetzbuch (StGB) ersetzt wurde, von besonderer Bedeutung. Zudem präzisierte das Gericht das Tatbestandsmerkmal des „Aufsuchender räumlichen Nähe“ bei Nachstellungen. Für den betroffenen Ex-Mann bedeutet dies, dass sein Fall nun erneut vor dem Landgericht Essen verhandelt werden muss.

Die Vorgeschichte: Anhaltende Nachstellungen nach Trennung durch den Ex-Mann

Dem Urteil lag ein Fall von intensivem Stalking zugrunde. Ein Mann konnte die Trennung von seiner Ehefrau, dem späteren Opfer und der Nebenklägerin im Prozess, nicht akzeptieren. In der Folgezeit kam es zu massiven Belästigungen und Bedrohungen.
Konkret hatte der Mann an vier Tagen im September 2022 – am 09.09., 11.09., 25.09. und 26.09.2022 – seiner Ex-Frau insgesamt vierzehn Sprachnachrichten geschickt. Nach den Feststellungen des Landgerichts enthielten diese Nachrichten Todesdrohungen und Androhungen sexueller Gewalt.
Doch damit nicht genug: Am 14.11.2022 lauerte der Mann seiner Ex-Frau vor einem Supermarkt auf. Nur durch das schnelle Eingreifen der herbeigerufenen Polizei konnte verhindert werden, dass er weiter auf sie einredete und die Situation möglicherweise eskalierte.
Schließlich suchte der Mann am 04.12.2022 die Wohnung seiner ehemaligen Partnerin auf. Er ergriff erst die Flucht, als die Polizei eintraf. Diese verschiedenen Vorfälle bildeten die Grundlage für die Anklage wegen Nachstellung und Bedrohung.

Der Weg durch die Instanzen: Von Gelsenkirchen über Essen nach Hamm

Das Amtsgericht Gelsenkirchen hatte den Mann am 20.03.2023 zunächst wegen Nachstellung in Tateinheit mit Bedrohung in vierzehn Fällen (bezogen auf die Sprachnachrichten) sowie wegen Nachstellung in zwei weiteren Fällen (Auflauern und Aufsuchen der Wohnung) verurteilt. Unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie eine weitere Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt.
Gegen dieses Urteil legten sowohl der verurteilte Mann als auch die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Das Landgericht Essen hob daraufhin am 28.08.2023 das amtsgerichtliche Urteil auf. Es verurteilte den Mann erneut wegen Nachstellung in Tateinheit mit Bedrohung in 14 Fällen sowie wegen Nachstellung in zwei Fällen, erhöhte die Gesamtfreiheitsstrafe jedoch auf ein Jahr und acht Monate.
Der Mann gab sich damit nicht zufrieden und legte Revision beim Oberlandesgericht Hamm ein. Er rügte dabei sowohl formelle als auch materielle Rechtsfehler, also Fehler im Verfahrensablauf und in der Anwendung des Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft unterstützte die Revision teilweise und beantragte, das Urteil des Landgerichts Essen – mit Ausnahme der Feststellungen zum reinen Geschehensablauf – aufzuheben und zur Neuverhandlung zurückzuverweisen.

Die Kernentscheidung des OLG Hamm: Teilweise Aufhebung und Zurückverweisung wegen Rechtsfehlern im Stalking-Prozess

Das Oberlandesgericht Hamm fällte am 08.04.2025 eine differenzierte Entscheidung. Es hob das Urteil des Landgerichts Essen mit den zugehörigen Feststellungen weitgehend auf. Ausdrücklich ausgenommen von dieser Aufhebung waren jedoch die reinen Fakten (das objektive Tatgeschehen) bezüglich der versandten Sprachnachrichten an den genannten Septembertagen 2022 und das Auflauern vor dem Supermarkt am 14.11.2022. Diese Geschehnisse als solche sah das OLG Hamm als erwiesen an.
Im Umfang der Aufhebung wurde die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen. Dieses Gericht muss nun auch über die Kosten des Revisionsverfahrens entscheiden. Soweit die Revision des Mannes über die Aufhebung hinausging, wurde sie als unbegründet verworfen.

Begründung des OLG Hamm Teil 1: Bewertung der einzelnen Stalking-Handlungen – Sprachnachrichten, Auflauern und Wohnungsbesuch

Das OLG Hamm legte seiner Entscheidung eine detaillierte Begründung zugrunde.

Anerkennung der Sprachnachrichten und des Auflauerns als Nachstellung gemäß § 238 StGB
Zunächst bestätigte das OLG, dass das Landgericht Essen im Ansatz richtig gehandelt hatte, als es das vierzehnmalige Versenden von bedrohlichen Sprachnachrichten und das Auflauern vor dem Supermarkt als Nachstellungshandlungen im Sinne des § 238 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB wertete. Diese Handlungen seien geeignet gewesen, die Lebensgestaltung der Ex-Frau erheblich zu beeinträchtigen. Bei den Sprachnachrichten ergebe sich dies klar aus ihrem Inhalt, der Todesdrohungen und Fantasien über sexuelle Gewalt umfasste. Beim Auflauern am Supermarkt sei die Eignung zur erheblichen Beeinträchtigung auch ohne eine konkrete erneute Drohungshandlung gegeben gewesen, da die Ex-Frau aufgrund der vorangegangenen Drohungen erkennbar mit der Umsetzung der angekündigten Gewalttaten rechnen musste.

Fehlende Beweise beim Aufsuchen der Wohnung: War die Ex-Frau anwesend? Das Kriterium der „räumlichen Nähe“ nach § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB
Anders bewertete das OLG Hamm jedoch den Vorfall vom 04.12.2022, als der Mann die Wohnung seiner Ex-Frau aufgesucht hatte. Hier seien die Feststellungen des Landgerichts unzureichend gewesen. Das Tatbestandsmerkmal des „Aufsuchender räumlichen Nähe“ in § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB setze voraus, dass tatsächlich und objektiv eine räumliche Nähe zum Opfer hergestellt wird. Es muss also bewiesen sein, dass das Opfer sich in unmittelbarer Nähe befand, als der Täter sich näherte. Den Feststellungen des Landgerichts Essen ließ sich jedoch nicht entnehmen, ob sich die Ex-Frau zum fraglichen Zeitpunkt überhaupt in ihrer Wohnung aufgehalten hatte. Ohne diesen Nachweis könne nicht von einer erfüllten Nachstellungshandlung im Sinne dieser Vorschrift ausgegangen werden.

Begründung des OLG Hamm Teil 2: Fehlerhafte rechtliche Einordnung – Wann ist Stalking eine einheitliche Tat? Der entscheidende Täterwille

Ein zentraler Punkt der Kritik des OLG Hamm betraf die konkurrenzrechtliche Bewertung der Nachstellungshandlungen und die damit verbundenen Feststellungen zum subjektiven Vorstellungsbild des Mannes (Täterwille). Hier sah das Gericht erhebliche Rechtsfehler.

Die Bedeutung der Gesetzesänderung: Von „beharrlich“ zu „wiederholt“ im § 238 StGB und die Folgen für die Tatbewertung
Das Gericht verwies auf die Gesetzesänderung vom 01.10.2021, durch die im Stalking-Paragrafen § 238 StGB das Tatbestandsmerkmal „beharrlich“ durch „wiederholt“ ersetzt wurde. „Wiederholt“ setze nach herrschender juristischer Meinung ein zumindest zweifaches Nachstellen voraus. Daraus folge, so das OLG, dass einzelne Nachstellungshandlungen für sich genommen keine selbständigen Taten mehr sein können. Vielmehr seien mehrere solcher Handlungen zu einer materiell-rechtlich selbständigen Nachstellungstat zusammenzufassen. Das Landgericht hatte die 14 Sprachnachrichten fälschlicherweise als 14 tateinheitliche Fälle von Nachstellung und Bedrohung gewertet, was dieser Neuregelung widerspricht.

Das Konzept der tatbestandlichen Handlungseinheit: Der Wille des Täters zählt für die Annahme einer fortgesetzten Tat
Mehrere Tathandlungen gegen dasselbe Opfer können eine einheitliche Tat in Form einer sogenannten tatbestandlichen Handlungseinheit bilden. Entscheidendes Kriterium hierfür sei das subjektive Vorstellungsbild des Täters, also sein Wille und seine Absicht. Handlungen, die einen ausreichenden räumlichen und zeitlichen Zusammenhang aufweisen und von einem fortbestehenden einheitlichen Willen des Täters getragen werden, bilden eine solche einheitliche Tat. Im Unterschied zur sogenannten natürlichen Handlungseinheit sei dabei kein besonders enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang erforderlich; es könnten auch erhebliche Zeiträume zwischen den einzelnen Teilakten liegen, solange der einheitliche Tatentschluss fortwirkt.

Fehlende Feststellungen zum einheitlichen Tatentschluss des Ex-Mannes und der Beginn einer neuen Tat
Eine neue, separate Tat beginne erst, wenn hinreichend geeignete Handlungen, die von einem einheitlichen Willen getragen wurden, einen gewissen Abschluss gefunden haben und der Täter sodann aufgrund eines neuen Tatentschlusses wieder mit Nachstellungshandlungen ansetzt.
Genau hier sah das OLG Hamm Defizite im Urteil des Landgerichts Essen. Dieses habe keine Feststellungen dazu getroffen, welche der konkreten Nachstellungshandlungen des Mannes von einem solchen fortbestehenden einheitlichen Willen getragen wurden und wann gegebenenfalls eine neue Phase der Entschlussbildung durchlaufen wurde. Es fehle an Umständen, die eine sogenannte Zäsur, also einen Bruch im Tatgeschehen und im Tatentschluss, begründen könnten. Insbesondere bei den an einem einzigen Tag, teils im Abstand von nur wenigen Minuten, versandten Sprachnachrichten liege eine einheitliche Motivationslage und ein einheitlicher Tatentschluss nahe. Ohne gegenteilige Feststellungen sei im Zweifel von nur einer einzigen Tat auszugehen.

Begründung des OLG Hamm Teil 3: Hinweise für das neue Verfahren am Landgericht Essen – Strafzumessung und Bewährung

Für die neue Hauptverhandlung gab das OLG Hamm dem Landgericht Essen noch wichtige Hinweise mit auf den Weg, insbesondere zur Strafzumessung und zur Bewährungsfrage.

Das Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB) bei der Strafzumessung beachten
Das Gericht erinnerte an das Doppelverwertungsverbot gemäß § 46 Abs. 3 StGB. Dieses besagt, dass Umstände, die bereits Merkmale des gesetzlichen Tatbestands sind, nicht noch einmal strafschärfend berücksichtigt werden dürfen. Die wiederholte Begehung sei eine Grundbedingung für den Stalking-Tatbestand nach § 238 StGB. Ebenso sei die Eignung zur Einschüchterung eine Grundbedingung für den Tatbestand der Bedrohung nach § 241 StGB. Diese Aspekte dürften daher bei der Strafzumessung nicht per se erschwerend wirken. Zulässig sei hingegen die strafschärfende Würdigung der Tateinheit von Nachstellung und Bedrohung, also des Umstands, dass der Mann durch seine Stalking-Handlungen gleichzeitig auch den Tatbestand der Bedrohung verwirklichte.

Gründlichere Prüfung der Bewährungsaussichten (§ 56 StGB) notwendig
Auch die Bewährungsprognose des Landgerichts Essen hielt der Überprüfung durch das OLG Hamm nicht stand. Eine negative Prognose, die also zur Folge hat, dass eine Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt wird, erfordere eine umfassende Gesamtwürdigung. Dabei seien die Persönlichkeit des Täters, sein Vorleben, die Tatumstände, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die zu erwartende Wirkung einer Strafaussetzung zu berücksichtigen. Das Urteil des Landgerichts Essen habe diesen Anforderungen nicht genügt, da es eine negative Prognose lediglich behauptet und besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB (die auch bei längeren Strafen eine Bewährung ermöglichen könnten) nur äußerst knapp verneint habe.
Für die neue Verhandlung sei insbesondere aufzuklären, ob und mit welchem Erfolg sich der Mann möglicherweise einer therapeutischen Behandlung unterzogen hat. Zudem müsse geklärt werden, ob er die Trennung von seiner Ehefrau mittlerweile akzeptiert hat, zumal die Taten zum Zeitpunkt der Neuverhandlung bereits über zwei Jahre zurückliegen werden.

Fazit und Ausblick: Neubewertung des Stalking-Falls und die Bedeutung für zukünftige Urteile nach § 238 StGB

Die Entscheidung des OLG Hamm unterstreicht die Komplexität der rechtlichen Bewertung von Stalking-Fällen, insbesondere nach der Gesetzesänderung zu § 238 StGB. Die korrekte Abgrenzung zwischen einer einheitlichen Tat und mehreren selbständigen Taten hängt entscheidend von der sorgfältigen Feststellung des Täterwillens ab. Das Landgericht Essen muss nun den Fall unter Beachtung der Rechtsauffassung des OLG Hamm neu aufrollen. Es muss klären, ob die verschiedenen Nachstellungshandlungen des Mannes von einem durchgehenden Tatentschluss getragen waren oder ob es Zäsuren gab, die auf neue, separate Tatentschlüsse hindeuten. Zudem muss die Frage der räumlichen Nähe beim Vorfall am Wohnhaus der Ex-Frau genauer untersucht und die Strafzumessung sowie die Bewährungsentscheidung umfassender begründet werden. Dieses Urteil dürfte auch für andere Gerichte eine wichtige Orientierung bei der Auslegung des § 238 StGB und der Beurteilung von Konkurrenzfragen in Stalking-Verfahren bieten.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil des OLG Hamm zeigt, dass nach der Gesetzesänderung des § 238 StGB (Ersetzung von „beharrlich“ durch „wiederholt“) mehrere Stalking-Handlungen gegen dasselbe Opfer rechtlich als eine einheitliche Tat zu bewerten sind, wenn sie vom selben Täterwillen getragen werden. Entscheidend für die Abgrenzung zu einer neuen, separaten Tat ist, ob der Täter einen neuen Tatentschluss gefasst hat, was eine gründliche Untersuchung der subjektiven Tatseite voraussetzt. Das Urteil verdeutlicht außerdem, dass beim „Aufsuchen der räumlichen Nähe“ tatsächlich nachgewiesen werden muss, dass das Opfer während der Annäherung anwesend war, und dass bei der Strafzumessung das Doppelverwertungsverbot beachtet werden muss.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet „Nachstellung“ im juristischen Sinne und welche Handlungen können darunterfallen?

Im juristischen Sinn bezeichnet „Nachstellung“ ein bestimmtes Verhalten, das sich gegen den Willen einer Person richtet und deren Leben erheblich beeinträchtigt. Dieses Verhalten ist im deutschen Strafgesetzbuch in § 238 geregelt und wird im allgemeinen Sprachgebrauch oft als „Stalking“ bezeichnet.

Das Kernkonzept der Nachstellung

Nachstellung liegt vor, wenn eine Person wiederholt und gezielt die Nähe einer anderen Person sucht, Kontaktversuche unternimmt oder auf andere Weise in deren Leben eindringt, obwohl dies ausdrücklich unerwünscht ist. Das Entscheidende ist dabei nicht nur das unerwünschte Verhalten an sich, sondern auch die schwerwiegende Folge für die betroffene Person: Die Handlungen müssen ihre Lebensgestaltung maßgeblich einschränken oder verändern. Stellen Sie sich vor, jemand muss wegen des Verhaltens einer anderen Person seinen Arbeitsweg ändern, umziehen oder sich isolieren – das sind mögliche Folgen, die unter die juristische Definition fallen können.

Welche Handlungen können Nachstellung sein?

Es gibt viele verschiedene Formen, wie sich Nachstellung äußern kann. Es ist wichtig zu verstehen, dass es auf die Gesamtheit und die Intensität der Handlungen ankommt, nicht nur auf eine einzelne Tat. Typische Handlungen, die, wenn sie wiederholt und unter den genannten Voraussetzungen erfolgen, als Nachstellung gewertet werden können, sind zum Beispiel:

  • Wiederholtes Anrufen, Senden von Nachrichten (E-Mails, Textnachrichten, über soziale Medien), obwohl die Person klargemacht hat, dass sie keinen Kontakt wünscht.
  • Das körperliche Verfolgen oder ständige Auflauern an Orten wie Wohnung, Arbeitsplatz oder auf dem Weg dorthin.
  • Das Bestellen von Waren oder Dienstleistungen im Namen der betroffenen Person, um sie zu belästigen oder ihr Kosten zu verursachen.
  • Drohungen gegen die betroffene Person selbst oder ihr nahestehende Personen.
  • Die Verbreitung unwahrer oder herabwürdigender Informationen über die Person.
  • Das Ausspionieren der Person durch Beobachtung oder technische Hilfsmittel (z.B. GPS-Tracker), um ihren Tagesablauf zu erfahren.
  • Sachbeschädigungen am Eigentum der Person.

Für Sie als juristischen Laien bedeutet dies: Nicht jede einzelne Belästigung ist gleich Nachstellung. Es geht um ein Muster von Verhaltensweisen, das die betroffene Person in ihrer Freiheit, ihr Leben normal zu gestalten, stark beeinträchtigt. Die Schwere der Beeinträchtigung ist ein zentrales Element im juristischen Sinne der Nachstellung.


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Was bedeutet der Unterschied zwischen „beharrlich“ und „wiederholt“ im Kontext von § 238 StGB (Nachstellung)?

Der Unterschied zwischen den Begriffen „beharrlich“ (früher) und „wiederholt“ (heute) im Gesetz zur Nachstellung (§ 238 Strafgesetzbuch, StGB) ist wichtig, um zu verstehen, wann ein Verhalten strafbar sein kann.

Früher sprach das Gesetz von „beharrlich“. Das bedeutete, dass die Handlungen nicht nur mehrmals geschehen mussten, sondern auch eine gewisse Hartnäckigkeit oder Unbeirrbarkeit des Täters zeigten. Es ging darum, dass der Täter trotz möglicher Hinweise oder Warnungen sein Verhalten fortsetzte. Das war für die Gerichte oft schwierig zu beweisen, weil es auf die innere Einstellung des Täters ankam.

Mit der Gesetzesänderung wurde „beharrlich“ durch „wiederholt“ ersetzt. Dieser Begriff ist leichter zu fassen. Er bedeutet schlicht, dass die in der Norm genannten Handlungen mehr als einmal stattgefunden haben müssen. Es kommt weniger darauf an, ob der Täter besonders hartnäckig war. Der Fokus liegt stattdessen darauf, dass unterschiedliche Handlungen oder dieselbe Handlung mehrmals vorgenommen wurden.

Was bedeutet „wiederholt“ konkret?

„Wiederholt“ meint mehr als nur einen einzigen Vorfall. Die genaue Anzahl der benötigten Handlungen kann je nach Einzelfall und der Art der Handlungen variieren, aber es müssen mindestens zwei voneinander abgrenzbare Handlungen vorliegen, die unter den Tatbestand fallen. Es ist nicht mehr notwendig, dass diese Handlungen eine besondere Hartnäckigkeit des Täters beweisen. Es geht um die Tatsache der Mehrfachbegehung.

Der Wechsel von „beharrlich“ zu „wiederholt“ hat die Strafverfolgung bei Nachstellung erleichtert, weil der Nachweis der strafbaren Handlung stärker auf den objektiv feststellbaren Taten (dem „Was“ und „Wie oft“ wurde getan) und weniger auf der schwer zu beweisenden inneren Einstellung des Täters basiert. Ein einmaliges Verhalten, egal wie unangenehm, reicht für den Tatbestand der Nachstellung nach § 238 StGB in der Regel nicht aus, da das Gesetz ein wiederholtes Vorgehen voraussetzt.


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Wann wird räumliche Nähe zum Opfer als strafbare Nachstellung gewertet?

Räumliche Nähe zum Opfer, wie das wiederholte Erscheinen in der Nähe der Wohnung oder des Arbeitsplatzes, kann ein Bestandteil der strafbaren Nachstellung sein, die umgangssprachlich oft als Stalking bezeichnet wird. Es kommt dabei aber nicht auf einzelne Vorfälle an, sondern auf wiederholtes Verhalten, das für das Opfer unerwünscht ist.

Entscheidend ist, ob dieses Verhalten, wozu auch das Aufsuchen räumlicher Nähe gehören kann, die Lebensgestaltung des Opfers schwerwiegend beeinträchtigt. Stellen Sie sich vor, jemand lauert Ihnen immer wieder vor der Haustür oder dem Büro auf. Auch wenn diese Person vielleicht nichts sagt oder tut, kann allein die ständige Anwesenheit dazu führen, dass Sie Angst haben, sich unsicher fühlen und versuchen, diesen Orten auszuweichen.

Eine schwerwiegende Beeinträchtigung liegt vor, wenn das Opfer gezwungen ist, seine Lebensgewohnheiten oder Pläne erheblich zu ändern, um der Person aus dem Weg zu gehen. Das kann bedeuten:

  • Umzug in eine andere Wohnung.
  • Wechsel des Arbeitsplatzes oder des Schulwegs.
  • Vermeidung bestimmter Orte wie Parks, Geschäfte oder Treffpunkte.
  • Einschränkung sozialer Kontakte.
  • Entwicklung von Angstzuständen oder anderen psychischen Belastungen, die den Alltag massiv beeinflussen.

Das wiederholte Aufsuchen der räumlichen Nähe ist also ein mögliches Verhalten, das zusammen mit anderen Handlungen (wie unerwünschten Kontaktaufnahmen, Drohungen oder der Bestellung von Waren) die strafbare Nachstellung ausmachen kann. Es muss immer im Gesamtzusammenhang betrachtet werden und die erhebliche Auswirkung auf das Leben des Opfers muss nachgewiesen werden.

Für die rechtliche Beurteilung, ob ein Verhalten eine strafbare Nachstellung darstellt, werden alle relevanten Umstände des Einzelfalls genau geprüft.


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Wie wirkt sich eine Trennung oder Scheidung auf die rechtliche Beurteilung von Handlungen des Ex-Partners aus, die als Nachstellung wahrgenommen werden?

Auch nach einer Trennung oder Scheidung haben Sie das Recht, vor unerwünschten und belästigenden Handlungen Ihres ehemaligen Partners geschützt zu sein. Der rechtliche Schutz vor Nachstellung, oft als „Stalking“ bezeichnet, endet nicht mit dem Ende der Beziehung.

Nachstellung liegt rechtlich vereinfacht gesagt dann vor, wenn jemand Sie wiederholt gegen Ihren Willen kontaktiert, Ihre Nähe sucht oder andere Handlungen vornimmt (wie z.B. Bestellungen in Ihrem Namen tätigen, Gerüchte verbreiten), die geeignet sind, Ihre Lebensgestaltung erheblich zu beeinträchtigen. Das bedeutet, dass Ihr Leben dadurch spürbar und stark negativ beeinflusst wird – zum Beispiel, weil Sie Angst haben, Ihren gewohnten Weg nicht mehr gehen, bestimmte Orte meiden oder Ihre sozialen Kontakte einschränken.

Die Besonderheit nach einer Trennung oder Scheidung liegt darin, dass Handlungen, die während der Beziehung normal oder akzeptiert waren, danach einen völlig neuen Charakter annehmen können. Früher war regelmäßiger Kontakt selbstverständlich. Nach der Trennung kann jeder unerwünschte Kontaktversuch oder jede Annäherung, wenn sie wiederholt stattfindet und Sie dadurch erheblich beeinträchtigt werden, als Teil einer Nachstellung gewertet werden.

Es kommt also nach einer Trennung nicht darauf an, dass überhaupt Kontakt stattfindet (etwa wegen gemeinsamer Kinder oder verbleibender organisatorischer Fragen), sondern auf das „Wie“ und „Wie oft“ sowie auf die Auswirkungen auf Ihr Leben.

  • Ein einmaliger Kontaktversuch, um zum Beispiel ein vergessenes Eigentum zu regeln, ist in der Regel keine Nachstellung.
  • Wiederholte, unerwünschte Anrufe, Textnachrichten oder E-Mails, das Auflauern vor Ihrer Wohnung oder Arbeitsstelle, das Verfolgen oder das gezielte Verbreiten von Lügen, um Sie zu isolieren – all das können Handlungen sein, die, wenn sie wiederholt auftreten und Ihre Lebensführung stark beeinträchtigen, rechtlich als Nachstellung beurteilt werden.

Für die rechtliche Bewertung ist entscheidend, ob die Handlungen objektiv geeignet sind, Ihr Leben erheblich zu beeinträchtigen, und ob sie gegen Ihren erkennbaren Willen erfolgen und wiederholt stattfinden. Der frühere Beziehungsstatus ändert nichts daran, dass Sie ein Recht auf ein Leben ohne ständige Angst oder Belästigung durch einen anderen Menschen haben. Der Kontext der Trennung erklärt oft, warum jemand solche Handlungen vornimmt, ändert aber nichts an deren möglicher strafrechtlicher oder zivilrechtlicher Relevanz, wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind.


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Was sind die möglichen Konsequenzen für Täter bei einer Verurteilung wegen Nachstellung (§ 238 StGB)?

Bei einer Verurteilung wegen Nachstellung, im Volksmund oft als Stalking bezeichnet, drohen dem Täter verschiedene Konsequenzen. Das Gesetz sieht hierfür strafrechtliche und unter Umständen auch zivilrechtliche Folgen vor.

Strafrechtliche Konsequenzen

Das Strafgesetzbuch (§ 238 StGB) betrachtet Nachstellung als eine ernste Straftat. Wenn jemand durch wiederholtes Verfolgen, Belästigen oder andere Handlungen das Leben eines anderen erheblich beeinträchtigt und dadurch dessen Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt, kann dies zu einer Verurteilung führen.

Die mögliche Strafe reicht von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Das bedeutet, dass das Gericht je nach Schwere der Tat entweder eine Geldsumme festlegt, die der Täter zahlen muss, oder eine Haftstrafe verhängt, die im Gefängnis verbüßt wird.

In schwerwiegenderen Fällen können die Strafen deutlich höher ausfallen. Wenn die Nachstellung beispielsweise zu einer schweren Gesundheitsschädigung des Opfers führt oder gar zum Tod eines Angehörigen des Opfers, kann die Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre betragen. Führt die Tat zum Tod des Opfers, erhöht sich der mögliche Strafrahmen auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Die genaue Höhe der Strafe hängt immer von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, wie der Häufigkeit und Intensität der Handlungen, den Auswirkungen auf das Opfer und eventuellen Vorstrafen des Täters.

Zivilrechtliche Konsequenzen

Neben den strafrechtlichen Folgen kann eine Verurteilung wegen Nachstellung auch zivilrechtliche Ansprüche des Opfers nach sich ziehen. Das Opfer kann vor einem Zivilgericht Klage erheben, unabhängig vom Ausgang des Strafverfahrens.

Typische zivilrechtliche Folgen sind:

  • Eine Unterlassungsklage: Dabei beantragt das Opfer beim Gericht, dass dem Täter bestimmte Handlungen, wie Kontaktaufnahme oder das Aufsuchen bestimmter Orte, gerichtlich untersagt werden. Hält sich der Täter nicht daran, können empfindliche Ordnungsgelder oder sogar Ordnungshaft die Folge sein.
  • Ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld: Das Opfer kann finanziellen Ausgleich für erlittene Schäden (z.B. durch Umzugskosten) und insbesondere für erlittenes Leid (Schmerzensgeld) verlangen. Dies soll den immateriellen Schaden, also das psychische und physische Leiden, finanziell ausgleichen.

Diese zivilrechtlichen Verfahren dienen dazu, die Rechte des Opfers zu schützen und ihm eine Wiedergutmachung zu ermöglichen, auch wenn das Strafverfahren bereits abgeschlossen ist.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Fortgesetzte Straftat (tatbestandliche Handlungseinheit)

Eine fortgesetzte Straftat oder tatbestandliche Handlungseinheit liegt vor, wenn mehrere strafbare Handlungen, die sich in zeitlicher Nähe und inhaltlichem Zusammenhang befinden, als eine rechtliche Tat zusammengefasst werden. Entscheidend ist dabei das subjektive Vorstellungsbild des Täters, also ob die Handlungen aus einem einheitlichen Tatentschluss heraus begangen wurden. Diese Rechtsfigur dient dazu, bei mehrfachen, aber eng miteinander verbundenen Verstößen eine Gesamtstraftat zu bilden, statt jeden Einzeltatbestand separat zu ahnden. Im Stalking-Kontext nach § 238 StGB bedeutet dies, dass mehrere Nachstellungshandlungen gegen dasselbe Opfer als eine einzige Tat gewertet werden können, wenn sie auf demselben Willen des Täters beruhen.

Beispiel: Jemand verschickt an einem Tag mehrere bedrohliche Nachrichten an eine Person und verfolgt sie danach auf dem Heimweg. Wenn dies aus einem durchgehenden Tatentschluss geschieht, bewertet das Gericht dies als eine fortgesetzte Tat, nicht als mehrere einzelne Straftaten.


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Täterwille (subjektives Vorstellungsbild des Täters)

Der Täterwille bezeichnet die innere Absicht und Vorstellung des Täters bei der Begehung einer Straftat. Er ist entscheidend dafür, wie mehrere Handlungen rechtlich zusammengefasst werden, insbesondere ob sie als eine einheitliche Tat (fortgesetzte Straftat) oder als mehrere selbstständige Taten zu beurteilen sind. Im Stalking-Fall bedeutet der Täterwille, dass der Täter die aufeinanderfolgenden Nachstellungshandlungen aus einer dauerhaften Willensentscheidung heraus vornimmt. Er zeigt, ob und wann der Täter seine Entscheidung ändert oder ob es eine Zäsur (Unterbrechung) im Tatentschluss gibt.

Beispiel: Wenn jemand über Monate hinweg mit der festen Absicht handelt, eine Person zu belästigen, spricht man von einem durchgehenden Täterwillen; unterbricht er diese Absicht länger und beginnt danach neu mit Nachstellungen, sind das separate Taten.


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Zäsur im Tatgeschehen

Eine Zäsur im Tatgeschehen beschreibt eine unterbrechende Phase, nach der sich der Tatentschluss des Täters ändert oder neu bildet. Juristisch bedeutet dies, dass nach einer Zäsur eine neue, eigenständige Straftat beginnt, obwohl ähnliche Handlungen schon vorher passiert sind. Bei der Bewertung von fortgesetzten Straftaten ist es wichtig, solche Brüche zu erkennen, um zu beurteilen, ob mehrere Taten oder nur eine vorliegen. Im Stalking-Prozess ist die Zäsur also der Punkt, an dem der Täterwille endet und gegebenenfalls eine neue Phase des Nachstellens beginnt.

Beispiel: Jemand verfolgt eine Person zwei Monate und hört dann sechs Monate auf. Nimmt die Nachstellung danach wieder neu und eigenständig ihren Anfang, liegt eine Zäsur vor und damit mindestens zwei selbständige Tatabschnitte.


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Tatbestandsmerkmal „auf Suchende räumliche Nähe“ (§ 238 StGB)

Das Tatbestandsmerkmal „auf suchende räumliche Nähe“ beschreibt eine Form der Nachstellung, bei der der Täter bewusst und gezielt die unmittelbare Umgebung des Opfers aufsucht, etwa Wohnung, Arbeitsplatz oder Schulweg. Hierfür muss tatsächlich eine räumliche Nähe hergestellt worden sein, in der das Opfer sich auch tatsächlich aufgehalten hat oder sich üblicherweise aufhält. Dies ist wichtig, um zu bestimmen, ob eine konkrete Tatbestandsverwirklichung vorliegt. Allein das bloße Erscheinen in der Nähe ohne das Vorhandensein des Opfers oder ohne Nachweis der Nähe ist rechtlich nicht ausreichend.

Beispiel: Wenn jemand vor der Wohnung einer Person wartet und diese antrifft, liegt räumliche Nähe vor. War die Person zum Zeitpunkt des Vorbeischleichens aber nicht da, kann dieses Verhalten keine Nachstellung durch räumliche Nähe begründen.


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Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB)

Das Doppelverwertungsverbot besagt, dass bestimmte Tatsachen oder Umstände, die bereits Tatbestandmerkmale einer Straftat sind, bei der Strafzumessung nicht nochmals strafschärfend berücksichtigt werden dürfen. Das soll eine doppelte Bestrafung derselben Tatmerkmale verhindern. Im Fall von Stalking bedeutet dies, dass die Tatsache der „wiederholten Nachstellung“ als gesetzliches Tatbestandsmerkmal nicht zusätzlich als erschwerender Faktor in die Strafe einfließen darf. Andererseits können andere Umstände, wie etwa die Tateinheit von Nachstellung und Bedrohung, strafschärfend gewertet werden, da sie verschiedene Tatbestände betreffen.

Beispiel: Wenn jemand mehrfach unerwünschte Belästigungen vornimmt, ist die Mehrfachbegehung schon im Tatbestand enthalten. Das Gericht darf deswegen nicht einfach wegen der Wiederholung eine höhere Strafe verhängen. Würde der Täter dagegen zusätzlich eine Bedrohung begehen, kann dies die Strafe erhöhen.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 238 StGB (Nachstellung, Stalking): Regelt das Nachstellen, das heißt das beharrliche oder wiederholte Belästigen einer Person, um deren Lebensgestaltung schwerwiegend zu beeinträchtigen. Das Tatbestandsmerkmal „wiederholt“ ersetzt seit 2021 das frühere „beharrlich“ und setzt mindestens zwei Nachstellungshandlungen voraus, die entweder als einheitliche Tat oder mehrere Taten zu bewerten sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Einordnung der vierzehn Sprachnachrichten sowie weiterer Handlungen als ein oder mehrere Delikte gemäß § 238 StGB ist zentral, wobei das OLG Hamm die Zusammenfassung als eine einheitliche Tat (tatbestandliche Handlungseinheit) verlangt.
  • Tatbestandliche Handlungseinheit (Rechtsprinzip, Konkurrenzenrecht): Besagt, dass mehrere Handlungen, die durch einen einheitlichen Tatentschluss verbunden sind und in einem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang stehen, rechtlich als eine Tat angesehen werden können. Dabei steht die subjektive Absicht des Täters im Vordergrund. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG Hamm kritisiert das Landgericht Essen für unzureichende Feststellungen zum Täterwillen, was dazu führte, dass mehrere Nachstellungshandlungen fälschlich als einzelne Taten bewertet wurden statt als eine fortgesetzte Tat.
  • § 46 Abs. 3 StGB (Doppelverwertungsverbot bei der Strafzumessung): Verbietet, Tatbestandsmerkmale nochmals strafschärfend bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, da sie bereits Teil des Deliktelements sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die wiederholte Nachstellung („wiederholt“ in § 238 StGB) und die Einschüchterung in der Bedrohung (§ 241 StGB) dürfen bei der Strafzumessung nicht erneut als erschwerende Umstände gewertet werden, was in der Neubewertung zu beachten ist.
  • § 56 StGB (Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung): Regelt die Voraussetzungen, unter denen eine Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann, insbesondere unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Täters, der Tatumstände und der Prognose für Wiederholungsgefahr. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG Hamm fordert eine intensivere und begründete Prüfung der Bewährungsaussichten unter Einbeziehung der aktuellen Lebensumstände und eines möglichen Therapieverlaufs des Täters.
  • § 241 StGB (Bedrohung): Strafbar ist die ernsthafte Ankündigung eines Verbrechens oder einer sonstigen schweren Straftat gegen eine Person, die geeignet ist, bei dieser Furcht oder Angst zu erzeugen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Sprachnachrichten mit Todesdrohungen und Androhungen sexueller Gewalt erfüllen diesen Tatbestand und wurden als Tatbestandserfüllung neben Nachstellung gewertet, was in der Strafwürdigung berücksichtigt wird.
  • Untersuchung des Tatbestandsmerkmals „auf suchender räumlicher Nähe“ nach § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB: Für die Nachstellung durch körperliches Aufsuchen muss nachgewiesen werden, dass der Täter in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Opfer war und dieses auch tatsächlich angetroffen wurde. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG Hamm bemängelt, dass beim Vorfall am Wohnhaus der Ex-Frau nicht bewiesen wurde, ob sie sich zum Tatzeitpunkt dort aufhielt, wodurch die Nachstellung für diesen Vorfall unsicher beurteilt werden muss.

Das vorliegende Urteil


Oberlandesgericht Hamm – Az.: 5 ORs 9/25 – Beschluss vom 08.04.2025


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