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Wiedereinsetzung in vorigen Stand – Überwachung der Rechtsmitteleinlegung

Versäumte Fristen und Verantwortung: Ein Blick auf den OLG Hamm Beschluss

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm (Az.: 3 Ws 168/23) vom 15. Juni 2023 befasst sich mit der Frage der Verantwortung für die Einhaltung fristgebundener Rechtsmittel. Im Kern geht es um die versäumte Frist zur Einlegung einer sofortigen Beschwerde und die daraus resultierende Ablehnung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Gericht stellt klar, dass der Verurteilte die Pflicht hat, die Einhaltung der Frist zu überwachen, insbesondere wenn er einen Dritten, der nicht sein Verteidiger ist, mit der Einlegung des Rechtsmittels beauftragt hat.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 Ws 168/23  >>>

Verantwortung für Fristeinhaltung

Wiedereinsetzung in vorigen Stand - Überwachung der Rechtsmitteleinlegung
Versäumte Fristen, verweigerte Wiedereinsetzung: OLG Hamm betont Verantwortung des Verurteilten bei fristgebundenen Rechtsmitteln. (Symbolfoto: smolaw /Shutterstock.com)

Das Gericht betont, dass der Verurteilte die Einhaltung der Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels überwachen muss. Dies gilt insbesondere, wenn er einen Dritten, der nicht sein Verteidiger ist, mit der Einlegung des Rechtsmittels beauftragt. Das Gericht verwirft die sofortige Beschwerde als unzulässig, da die einwöchige Beschwerdefrist nicht eingehalten wurde. Der Verurteilte hatte den Beschluss am 24. April 2023 erhalten, und die Beschwerde hätte spätestens am 2. Mai 2023 eingehen müssen. Sie ging jedoch erst am 3. Mai 2023 ein.

Anforderungen an den Wiedereinsetzungsantrag

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde ebenfalls als unzulässig verworfen. Das Gericht stellt fest, dass der Antrag nicht den Anforderungen der §§ 44, 45 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 StPO entspricht. Der Antragsteller muss einen Sachverhalt vortragen und glaubhaft machen, der ein Verschulden ausschließt. Im vorliegenden Fall fehlte es an jeglichem Vortrag dazu, welche Vorkehrungen der Verurteilte getroffen hat, um sicherzustellen, dass der Beschluss seine Verteidigerin rechtzeitig erreicht.

Mangelnde Kommunikation mit dem Verteidiger

Das Gericht stellt auch fest, dass der Verurteilte seinen Verteidiger erst kurz vor Fristablauf mit der Einlegung eines fristgebundenen Rechtsmittels beauftragt hat, ohne auf den drohenden Fristablauf hinzuweisen. In diesem Fall handelt der Verurteilte ebenfalls nicht unverschuldet im Sinne von § 44 S. 1 StPO.

Schlussbetrachtung: Eigenverantwortung und Rechtsmittel

Dieser Beschluss des OLG Hamm macht deutlich, dass die Verantwortung für die Einhaltung fristgebundener Rechtsmittel beim Verurteilten liegt. Die Delegation dieser Pflicht an Dritte oder das Versäumnis, den eigenen Verteidiger rechtzeitig zu informieren, führt zur Unzulässigkeit der eingelegten Rechtsmittel und schließt die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.

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Das vorliegende Urteil

Leitsätze:

Beauftragt der Verurteilte einen Dritten, der nicht Verteidiger ist, mit der Einlegung eines fristgebundenen Rechtsmittels, so hat er die Einhaltung der Rechtsmitteleinlegungsfrist zu überwachen; andernfalls ist die verspätete Rechtsmitteleinlegung grundsätzlich nicht unverschuldet im Sinne von § 44 S. 1 StPO. Ebenso wenig unverschuldet handelt, wer seinen Verteidiger erst kurz vor Fristablauf mit der Einlegung eines fristgebundenen Rechtsmittels beauftragt, ohne auf den drohenden Fristablauf hinzuweisen.


Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 StPO) als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Verurteilten vom 23. Mai 2023 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

G r ü n d e:

1.

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der X. großen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 18. April 2023 ist unzulässig.

Die einwöchige Beschwerdefrist der §§ 460, 462 Abs. 3, 311 Abs. 2 StPO ist versäumt. Nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses an den Verurteilten am Montag, den 24. April 2023 (Gefangenen-Zustellungsurkunde Bl. 461 der Akte), hätte die sofortige Beschwerde – da es sich bei dem darauffolgenden Montag, den 01. Mai 2023, um einen allgemeinen Feiertag gehandelt hat – gemäß § 43 Abs. 2 StPO spätestens bis Dienstag, den 02. Mai 2023, bei dem Landgericht Bielefeld eingehen müssen. Tatsächlich ging die sofortige Beschwerde aber erst am 03. Mai 2023 dort ein (Bl. 463 der Akte).

Maßgeblich für den Beginn der einwöchigen Beschwerdefrist ist die am 24. April 2023 an den Verurteilten bewirkte Zustellung. Ausweislich der Zustellungsverfügung vom 20. April 2023 und der Gefangenen-Zustellungsurkunde war der Beschlussausfertigung auch eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt. Eine Anwendung des § 37 Abs. 2 StPO kam vorliegend nicht in Betracht. Eine förmliche Zustellung an die Verteidigerin des Verurteilten war ausweislich der Zustellungsverfügung nicht beabsichtigt und wurde auch tatsächlich nicht bewirkt. Die formlose Übersendung einer Beschlussabschrift an die Verteidigerin beruhte auf der Regelung des § 145a Abs. 3 S. 2 2. Hs. StPO und war nicht geeignet, eine Rechtsmittelfrist in Gang zu setzen.

2.

Der Antrag vom 23. Mai 2023 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde ist bereits unzulässig, weil er nicht den Anforderungen der §§ 44, 45 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 StPO entspricht.

Gemäß § 44 S. 1 StPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf Antrag demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten. Dementsprechend hat der Antragsteller einen Sachverhalt vorzutragen und glaubhaft zu machen, der ein der Wiedereinsetzung entgegenstehendes Verschulden ausschließt (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. 2022, § 45, Rn. 5 f.). Dabei muss der Antrag Angaben über die versäumte Frist, den Hinderungsgrund und den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses enthalten (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.). Die Begründung des Antrags erfordert deshalb eine genaue Darlegung und Glaubhaftmachung aller zwischen dem Beginn und dem Ende der versäumten Frist liegenden Umstände, die für die Frage bedeutsam sind, wie und gegebenenfalls durch wessen Verschulden es zur Versäumnis gekommen ist (BGH, Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 336/13 –, juris). Beauftragt der Verurteilte einen Dritten, der nicht Verteidiger ist, mit der Einlegung eines fristgebundenen Rechtsmittels, so hat er die Einhaltung der Rechtsmitteleinlegungsfrist zu überwachen; andernfalls ist die verspätete Rechtsmitteleinlegung grundsätzlich nicht unverschuldet im Sinne von § 44 S. 1 StPO (BGH, Beschluss vom 13. September 1995 – 3 StR 393/95 –, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 8. Januar 2009 – 3 Ws 512/08 –, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, a.a.O., § 44, Rn. 12c). Ebenso wenig unverschuldet handelt, wer seinen Verteidiger erst kurz vor Fristablauf mit der Einlegung eines fristgebundenen Rechtsmittels beauftragt, ohne auf den drohenden Fristablauf hinzuweisen (OLG Hamm, Beschluss vom 24. Januar 2017 – III-4 Ws 412/16 –, juris; Cirener in: BeckOK, StPO, 47. Edition Stand 01. April 2023, § 44, Rn. 32.1).

Vorliegend wird im Rahmen des Wiedereinsetzungsantrags lediglich vorgetragen, dass der Verurteilte den ihm am 24. April 2023 zugestellten Beschluss – wann auch immer – per Post an seinen Vater gesandt habe; der Vater des Verurteilten habe der Verteidigerin am Sonntag, den 30. April 2023, per WhatsApp wiederum mitgeteilt, dass ein Beschluss vorliege und ihr ein Foto der letzten Seite des Beschlusses übersandt; hätte die Verteidigerin ein Problembewusstsein bezüglich einer Zustellung des Beschlusses zeitlich vor dem 26. April 2023 entwickelt, hätte die sofortige Beschwerde noch rechtzeitig am 02. Mai 2023 eingelegt werden können.

Entgegen den eingangs dargestellten Begründungserfordernissen fehlt es vorliegend an jeglichem Vortag dazu, ob der Verurteilte überhaupt – und wenn ja, welche – Vorkehrungen bei der postalischen Versendung des angefochtenen Beschlusses an seinen Vater getroffen hat, dass der angefochtene Beschluss seine Verteidigerin noch innerhalb der ab dem 24. April 2023 laufenden einwöchigen Beschwerdefrist erreicht und dass seine Verteidigerin über die sich bei der gewählten Übermittlung des angefochtenen Beschlusses durch seinen Vater geradezu aufdrängenden Gefahr einer Fristversäumnis – etwa durch einen Hinweis auf das Zustellungsdatum – informiert wird. In Anbetracht dessen stellt sich der Wiedereinsetzungsantrag bereits als unzulässig dar, da der Vortrag im Rahmen des Wiedereinsetzungsantrags die Überprüfung, ob der Verurteilte durch eigenes Verschulden zu der Fristversäumnis durch seine Verteidigerin beigetragen hat (vgl. hierzu Cirener, a.a.O., Rn. 32), durch das Beschwerdegericht nicht zulässt.

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