LG Köln – Az.: 104 Qs 97/13 – 169 Js 537/13 – Beschluss vom 17.12.2013
1. Die Beschwerde des Geschädigten … gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 04.12.2013 (Az.: 645 Ls 410/13 = StA Köln 169 Js 573/13), mit dem der Antrag auf Zulassung des Geschädigten als Nebenkläger zurückgewiesen wurde, wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
I.
Dem Angeklagten wird vorgeworfen, sich am 18.07.2013 gemeinsam mit den gesondert verfolgten Mittätern A. und M. gegen 18:00 Uhr zur Wohnung des Geschädigten begeben zu haben, wobei sie gemeinsam beschlossen haben sollen, den Geschädigten zu berauben. Nachdem der Geschädigte auf Klingeln sowohl die Haus- als auch seine Wohnungstür geöffnet haben soll, soll sich zunächst die gesondert verfolgte A. in die Wohnung des Zeugen begeben haben. Als dieser sich der A. wie zuvor vereinbart, in sexueller Absicht genähert haben soll, soll sie den Zeugen plötzlich getreten haben, zur Wohnungstür gelaufen und diese für den davor wartenden Angeklagten und den gesondert verfolgten M. geöffnet haben. Beide sollen in die Wohnung gestürmt und den Zeugen sofort angegriffen haben. Während der gesondert verfolgte M. den Zeugen mit mehreren Faustschlägen zu Boden gestreckt haben soll, soll der Angeklagte den Geschädigten, während auch er mehrfach auf diesen einschlagen haben soll, gefragt haben, wo er seine Wertsachen, insbesondere Geld, aufbewahre, woraufhin der Zeuge entsprechend geantwortet haben soll. Der gesondert verfolgte M. soll die Hände und die Füße des Geschädigten mittels mitgebrachten Klebeband gefesselt, dem Geschädigten auch mehrere Lagen Klebeband eng um den Hals gewickelt und den Geschädigten mittels Klebeband am Abflussrohr des Waschbeckens im Badezimmer fixiert haben, wodurch der Geschädigte kaum noch Luft bekommen und akute Erstickungsangst verspürt haben soll, zumal der gesondert Verfolgte ihm auch den Mund mit Klebeband verschlossen haben soll. Als der Geschädigte verzweifelt versucht haben soll, Luft zu holen, soll ihn einer der Täter gefragt haben, ob er an Asthma leide und soll den dies bejahenden Geschädigten der Lüge bezichtigt haben. Der Angeklagte und die gesondert Verfolgten sollen dem Geschädigten sein Handy vom Typ iPhone 4, Bargeld im Wert von ca. 200,00 EUR, einen Akku, zwei Brieftaschen mit Personaldokumenten etc. sowie eine Silbermünze aus der Hosentasche genommen, die Badezimmertür verschlossen und den Zeugen gefesselt zurückgelassen haben. Aus der Wohnung sollen sie darüber hinaus eine Schatulle mit diversem Schmuck und Bargeld im Wert von ca. 2000,00 EUR sowie ein Notebook der Marke Samsung mitgenommen und die Beute untereinander aufgeteilt haben. Der Geschädigte soll sich nach einigen Minuten selbst befreit haben. Er soll in körperlicher Hinsicht einen Jochbeinbruch rechts, ein erhebliches Hämatom am rechten Auge, eine Platzwunde am Mund, die genäht werden musste, Prellungen an der linken Körperseite sowie mehrere Tage andauernde Schmerzen und Schwindelanfälle erlitten haben. Nach seinen Angaben soll der Geschädigte seit der Tat unter Angstzuständen leiden.
Die Staatsanwaltschaft Köln (Az.: 169 Js 537/13) hat am 26.09.2013 gegen den Angeklagten H., der die Vorwürfe im Ermittlungsverfahren im Rahmen einer Verteidigererklärung eingeräumt hat, wegen des vorstehenden Sachverhalts Anklage wegen gemeinschaftlichen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Jugendschöffengericht Köln erhoben. Diese wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Köln (Az.: 645 Ls 410/13) vom 03.12.2013 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren gegen den Angeklagten H. eröffnet. Durch den angefochtenen Beschluss vom 04.12.2013 hat das Amtsgericht den Antrag des Geschädigten vom 06.08.2013 auf Zulassung der Nebenklage zurückgewiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Nebenklage wurde durch den angefochtenen Beschluss zu Recht zurückgewiesen. Im vorliegenden Fall ist dieser Antrag unzulässig.
Aus § 80 Absatz 3 JGG folgt, dass die Zulassung der Nebenklage gegen einen – wie hier – zum Tatzeitpunkt jugendlichen Täter im Sinne des § 1 Absatz 2 JGG zunächst grundsätzlich unzulässig ist.
Gemäß § 80 Absatz 3 Satz 1 JGG kann sich der erhobenen öffentlichen Klage als Nebenkläger unter anderem nur derjenige anschließen, der durch ein Verbrechen gegen das Leben, seine körperliche Unversehrtheit oder nach § 239 Absatz 3 StGB, durch welches er seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, verletzt worden ist.
Soweit der Vertreter des Geschädigten vorträgt, dass in diesem Geschehen ein versuchtes Tötungsdelikt liegen könnte und somit die Voraussetzung des § 80 Absatz 3 JGG erfüllt seien, geht dies nach dem Ermittlungsergebnis fehl. Anhaltspunkte, dass der Angeklagte und die beiden anderweitig verfolgten Mittäter den Tod des Geschädigten zumindest billigend in Kauf genommen haben könnten, bestehen nicht. Nach dem bisherigen Akteninhalt, insbesondere der Aussage des Geschädigten, sollen der Angeklagte und der anderweitig verfolgte M. lediglich den Mund des Geschädigten zugeklebt und das Klebeband um dessen Hals gewickelt, jedoch die Nase freigelassen haben.
Der Umstand – diesen Sachverhalt unterstellt – dass die Täter auch gerade nicht die Nase des Geschädigten mittels Klebeband zuklebten, spricht dafür, dass sie „lediglich“ beabsichtigten, den Geschädigten zum Schweigen zu bringen, damit dieser nicht um Hilfe rufen konnte. Eine Tötung nahmen sie gerade nicht billigend in Kauf, da sie dem Geschädigten – wenn auch nur eine kleine – Möglichkeit zum Atmen ließen. Des Weiteren ist aus dem Akteninhalt bislang auch nicht ersichtlich, wie der Mittäter des Angeklagten den Geschädigten an das Siphon fesselte. Hier besteht die Möglichkeit, dass der Täter entweder den Hals oder die Hände des Geschädigten am Siphon fixierte. Keine dieser beiden Handlungen lässt einen Schluss darauf zu, dass die Täter in billigend in Kauf nahmen, den Geschädigten zu töten. Jede dieser Handlungsalternativen spricht vielmehr dafür, dass sie den Geschädigten lediglich bewegungsunfähig machen wollten, vor allem um ungehindert die Wohnung durchsuchen und dann auch unentdeckt flüchten zu können. Ebenfalls lässt sich ein Tötungsvorsatz nicht aus der Frage eines der Täter herleiten, ob der Geschädigte an Asthma leide. Der Geschädigte hat selbst ausgesagt diese Frage wahrheitswidrig bejaht zu haben. Zu Gunsten der Täter ist hier davon auszugehen, dass sie diese „Lüge“ erkannten, was auch dadurch bestärkt wird, dass der handelnde Täter den Geschädigten – nach Aussage des Geschädigten – deshalb der Lüge bezichtigte.
Der Angeklagte ist aber eines mittäterschaftlich begangenen schweren Raubs gemäß §§ 249 Absatz 1, 250 Absatz 2 Nr. 2 a), 25 Absatz 2 StGB dringend verdächtig. Dies rechtfertigt aber nicht die Zulassung der Nebenklage. Zwar handelt es sich bei dem angeklagten schweren Raub um ein Verbrechen im Sinne von § 12 Absatz 1 StGB, jedoch ist der Raub ein aus Diebstahl und Nötigung zusammengesetztes Delikt, dessen geschütztes Rechtsgut das Eigentum sowie die persönliche Freiheit und nicht die körperliche Unversehrtheit ist. Da die Nebenklage gegen einen jugendlichen Täter jedoch grundsätzlich unzulässig ist, ist § 80 Absatz 3 Satz 1 JGG äußerst restriktiv anzuwenden und nicht auf Delikte, die das Eigentum schützen, auszudehnen. Die in § 80 Absatz 3 Satz 1 JGG genannten Straftatbestände sind vielmehr abschließend. Dass im Falle eines Raubdelikts eine Nebenklage gegen Jugendliche unzulässig ist, folgt zudem auch daraus, dass § 80 Absatz 3 Satz 1 JGG den § 251 StGB, auch in Verbindung mit § 252oder § 255 StGB, explizit nennt. Dies wäre nicht erforderlich, wenn die Raubdelikte per se von der Vorschrift des § 80 Absatz 3 Satz 1 JGG hätten erfasst sein sollen.
Weiter ist der Angeklagte zwar einer gemeinschaftlichen und lebensgefährdenden gefährlichen Körperverletzung gemäß §§ 223Absatz 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5,25 Absatz 2 StGB dringend verdächtig, bei der gemeinschaftlichen und lebensgefährdenden gefährlichen Körperverletzung handelt es sich jedoch „lediglich“ um ein Vergehen im Sinne von § 12 Absatz 2 StGB, sodass schon die Eingangsvoraussetzung des § 80 Absatz 3 Satz 1, wonach es eines Verbrechens bedarf, nicht erfüllt ist.
Die Nebenklage des Geschädigten ist auch nicht nach § 80 Absatz 3 Satz 1 JGG in Verbindung mit § 239 Absatz 3 Nr. 2 StGB zuzulassen. Zwar würde einer Zulassung der Nebenklage aus diesem Gesichtspunkt nicht grundsätzlich entgegen stehen, dass die Staatsanwaltschaft Köln einen entsprechenden Tatvorwurf nicht angeklagt und das Amtsgericht in dem Eröffnungsbeschluss auch nicht auf einen solchen hingewiesen hat, jedoch liegen nach dem Ermittlungsergebnis keine hinreichenden Anhaltspunkt dafür vor, dass der Angeklagte (sowie seine Mittäter) den Tatbestand des § 239 Absatz 3 Nr. 2 StGB erfüllt haben könnten.
Die durch die Schläge des Angeklagten sowie seines Mittäters erlittenen körperlichen Verletzungen des Geschädigten wurden nach der Anklageschrift und insbesondere nach der Aussage des Geschädigten alle vor der Fixierung an dem Siphon mittels Klebeband durch die Täter verursacht. Sie sind daher für die Beurteilung im Rahmen des Tatbestands des § 239 Absatz 3 Nr. 2 StGB unerheblich, da dieser voraussetzt, dass die schwere Gesundheitsbeschädigung durch die Freiheitsberaubung oder eine während der Freiheitsberaubung begangene Handlung verursacht wurde.
Der Geschädigte hat nach dem Ermittlungsergebnis in Bezug auf die von ihm beklagten Angstzustände keine hinreichend Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass diese allein durch die Fesselung entstanden sind. Naheliegend ist vielmehr, dass die vorgetragenen psychischen Beeinträchtigungen aus dem gesamten Tatgeschehen, insbesondere aus dem nach der Anklageschrift gegebenen völlig überraschenden und brutalen Überfall in der eigenen Wohnung des Geschädigten und den massiven Gewalteinwirkungen, eingetreten sein dürften. Angesichts der gesetzgeberisch intendierten restriktiven Zulassung einer Nebenklage im Verfahren gegen Jugendliche verbietet es sich aber durch nicht nebenklagefähige Straftatbestände verursachte Beeinträchtigungen eines Tatopfers durch einseitige Verschiebung auf ein potentielles Nebenklagedelikt eine Nebenklage „durch die Hintertür“ zu ermöglichen.
Entgegen der Ansicht des Vertreters des Geschädigten reicht im Rahmen des § 80 Absatz 3 Satz 1 JGG in Verbindung mit § 239 Absatz 3 Nr. 2 StGB eine bloße Gefahr einer schweren Schädigung auch nicht aus. Denn die Zulassung der Nebenklage gemäß § 80 Absatz 3 Satz 1 JGG erfordert zunächst die Verwirklichung des erfolgsqualifizierten Tatbestandes des § 239 Absatz 3 Nr. 2 StGB, welcher jedoch eine konkret eingetretene Gesundheitsschädigung durch eine Freiheitsberaubung voraussetzt.
Aufgrund dessen kann hier dahinstehen, ob die erlittenen Verletzungen des Geschädigten überhaupt den Tatbestand des § 239 Absatz 3 Nr. 2 StGB erfüllen würden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Absatz 1 Satz 1 StPO.