Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- LG Köln: Kein vorläufiger Führerscheinentzug bei Verdacht auf Trunkenheit im Verkehr mit Alkohol und Medikamenten (§ 111a StPO)
- Ausgangslage: Autofahrer unter Alkohol- und Medikamenteneinfluss in Bergisch-Gladbach gestoppt
- Streitpunkt Fahruntüchtigkeit: Welche Anzeichen lagen für Alkohol- und Medikamenteneinfluss vor?
- Vorinstanz: Amtsgericht Köln lehnte vorläufigen Führerscheinentzug zunächst ab
- Entscheidung des Landgerichts Köln: Beschwerde der Staatsanwaltschaft erfolglos – Kein vorläufiger Führerscheinentzug
- Begründung des Gerichts: Kein dringender Tatverdacht für Fahruntüchtigkeit nach § 316 StGB
- Rechtliche Maßstäbe: Wann gilt man als fahruntüchtig bei Alkohol und Medikamenten?
- Konkrete Fallbewertung: Warum die Beweise für eine Fahruntüchtigkeit nicht ausreichten
- Fazit: Ohne dringenden Tatverdacht kein vorläufiger Führerscheinentzug
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet „Fahruntüchtigkeit“ im rechtlichen Sinne und welche Rolle spielt sie bei Trunkenheitsfahrten?
- Welche Rolle spielen Blutalkoholkonzentration (BAK) und der Nachweis von Betäubungsmitteln im Blut bei der Beurteilung der Fahrtüchtigkeit?
- Was ist ein „dringender Tatverdacht“ und warum ist er für den vorläufigen Führerscheinentzug relevant?
- Wie wirkt sich die Kombination von Alkohol und Medikamenten (Mischkonsum) auf die Beurteilung der Fahrtüchtigkeit aus?
- Welche Rolle spielen polizeiliche Beobachtungen und ärztliche Gutachten bei der Feststellung von Fahruntüchtigkeit?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 117 Qs 25/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: LG Köln
- Datum: 25.02.2022
- Aktenzeichen: 117 Qs 25/22
- Verfahrensart: Beschwerdeverfahren
- Rechtsbereiche: Strafrecht, Strafverfahrensrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Die Staatsanwaltschaft, die Beschwerde gegen eine ablehnende Entscheidung des Amtsgerichts einlegte.
- Beklagte: Der Beschuldigte, dem vorgeworfen wurde, ein Fahrzeug unter Einfluss von Alkohol und Medikamenten geführt zu haben.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Dem Beschuldigten wurde vorgeworfen, unter dem Einfluss von Alkohol und Benzodiazepam ein Auto geführt zu haben. Eine Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 0,83 Promille (rückgerechnet etwa 0,93 Promille zur Tatzeit). Es wurden auch einige Fahrfehler und körperliche Auffälligkeiten festgestellt.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob ein dringender Verdacht bestand, dass der Beschuldigte wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis entzogen werden würde. Dies wäre die Voraussetzung für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gewesen.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Ablehnung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis wurde vom Landgericht als unbegründet zurückgewiesen. Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wurde somit weiterhin abgelehnt.
- Begründung: Das Gericht sah keinen dringenden Verdacht für eine Fahruntüchtigkeit zur Tatzeit. Der Alkoholwert lag unter dem Grenzwert für absolute Fahruntüchtigkeit. Die beobachteten Fahrfehler und körperlichen Anzeichen waren nach Ansicht des Gerichts nicht eindeutig auf Alkohol oder Medikamente zurückzuführen und reichten nicht für einen dringenden Nachweis der Fahruntüchtigkeit aus.
- Folgen: Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis fand nicht statt. Die Kosten des erfolglosen Beschwerdeverfahrens hat die Staatskasse zu tragen.
Der Fall vor Gericht
LG Köln: Kein vorläufiger Führerscheinentzug bei Verdacht auf Trunkenheit im Verkehr mit Alkohol und Medikamenten (§ 111a StPO)
Das Landgericht Köln hat in einem Beschluss vom 25. Februar 2022 entschieden, dass einem Autofahrer, der unter dem Einfluss von Alkohol und Benzodiazepinen gefahren sein soll, die Fahrerlaubnis nicht vorläufig entzogen wird.

Die Entscheidung mit dem Aktenzeichen 117 Qs 25/22 bekräftigt, dass für eine solch einschneidende Maßnahme wie den vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis nach § 111a der Strafprozessordnung (StPO) ein Dringender Tatverdacht für eine Trunkenheitsfahrt nach § 316 des Strafgesetzbuchs (StGB) vorliegen muss. Dieser Verdacht konnte im konkreten Fall nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend begründet werden.
Ausgangslage: Autofahrer unter Alkohol- und Medikamenteneinfluss in Bergisch-Gladbach gestoppt
Der Fall begann in der Nacht zum 28. November 2021 in Bergisch-Gladbach. Einem Autofahrer wurde vorgeworfen, gegen 00:50 Uhr sein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt zu haben, obwohl er aufgrund des Konsums von Alkohol und des Medikaments Benzodiazepam nicht mehr fahrtüchtig gewesen sei. Nach Angaben des Fahrers hatte er zuletzt am Vorabend gegen 18:00 oder 18:30 Uhr Alkohol getrunken.
Im Zuge der polizeilichen Ermittlungen wurde dem Fahrer um 01:38 Uhr eine Blutprobe entnommen. Die Analyse ergab eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,83 Promille. Basierend auf den Angaben des Fahrers zum letzten Alkoholkonsum wurde durch eine Rückrechnung eine geschätzte BAK von etwa 0,93 Promille zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Tat ermittelt. Zusätzlich zum Alkohol wurde im Blut des Fahrers auch Benzodiazepam, ein Medikament mit beruhigender und dämpfender Wirkung, nachgewiesen. Die Kombination von Alkohol und solchen Medikamenten kann die Fahrtüchtigkeit erheblich beeinträchtigen.
Streitpunkt Fahruntüchtigkeit: Welche Anzeichen lagen für Alkohol- und Medikamenteneinfluss vor?
Die zentrale Frage für die Behörden war, ob der Fahrer tatsächlich fahruntüchtig war. Hierfür wurden verschiedene Beobachtungen und Feststellungen herangezogen, die als Beweisanzeichen dienen sollten:
Zum einen wurden Fahrfehler registriert. Der Fahrer hatte offensichtlich mit seinem Fahrzeug eine Bordsteinkante touchiert. Zudem wurde ein Geschwindigkeitsverstoß festgestellt. Die Staatsanwaltschaft ging außerdem von einem Rotlichtverstoß aus, was der Fahrer jedoch bestritt.
Zum anderen wurden bei der polizeilichen Kontrolle und der anschließenden ärztlichen Untersuchung körperliche und psychische Auffälligkeiten dokumentiert. Laut Polizeibericht, insbesondere dem sogenannten Torkelbogen, wirkte der Fahrer unruhig und zeigte eine wechselnde Stimmung. Seine Augenbindehäute waren wässrig und gerötet, die Augen glänzend und glasig. Auffällig war auch, dass er angab zu frieren und nach einer Jacke fragte, obwohl die Raumtemperatur bei 22 Grad Celsius lag und seine Kleidung als angemessen beschrieben wurde.
Die ärztliche Untersuchung ergab jedoch ein etwas anderes Bild. Der untersuchende Arzt vermerkte nur wenige Auffälligkeiten. In seinem Bericht hielt er fest, dass lediglich ein „leichter“ Einfluss von Alkohol und Medikamenten bemerkbar gewesen sei. Diese Einschätzung relativierte die polizeilichen Beobachtungen und war für die spätere gerichtliche Bewertung von Bedeutung.
Vorinstanz: Amtsgericht Köln lehnte vorläufigen Führerscheinentzug zunächst ab
Basierend auf den Ermittlungsergebnissen beantragte die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Köln die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 111a StPO. Diese Maßnahme soll verhindern, dass potenziell gefährliche Fahrer bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung weiterhin am Straßenverkehr teilnehmen. Das Amtsgericht Köln prüfte den Antrag und kam mit Beschluss vom 8. Februar 2022 (Az.: 710 Gs 148/21) zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für einen vorläufigen Entzug nicht gegeben seien. Es lehnte die Maßnahme daher ab.
Gegen diese Entscheidung legte die Staatsanwaltschaft Köln am 10. Februar 2022 Beschwerde ein. Sie war weiterhin der Auffassung, dass die Indizien ausreichten, um einen dringenden Tatverdacht für eine Trunkenheitsfahrt und die daraus resultierende wahrscheinliche Entziehung der Fahrerlaubnis im Hauptverfahren zu begründen. Mit der Beschwerde ging der Fall zur Überprüfung an die nächsthöhere Instanz, das Landgericht Köln.
Entscheidung des Landgerichts Köln: Beschwerde der Staatsanwaltschaft erfolglos – Kein vorläufiger Führerscheinentzug
Das Landgericht Köln überprüfte die Sach- und Rechtslage und kam zu dem Ergebnis, dass die Beschwerde der Staatsanwaltschaft unbegründet ist. Mit seinem Beschluss vom 25. Februar 2022 verwarf das Gericht die Beschwerde und bestätigte damit die Entscheidung des Amtsgerichts. Folglich wurde dem Fahrer die Fahrerlaubnis weiterhin nicht vorläufig entzogen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens wurden der Staatskasse auferlegt.
Begründung des Gerichts: Kein dringender Tatverdacht für Fahruntüchtigkeit nach § 316 StGB
Das Landgericht begründete seine Entscheidung ausführlich damit, dass nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen keine dringenden Gründe im Sinne des § 111a Abs. 1 StPO vorliegen, die eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigen würden. Insbesondere fehle es an einem dringenden Tatverdacht, dass der Fahrer zum Tatzeitpunkt tatsächlich fahruntüchtig im Sinne des § 316 StGB war.
Rechtliche Maßstäbe: Wann gilt man als fahruntüchtig bei Alkohol und Medikamenten?
Das Gericht erläuterte zunächst die rechtlichen Grundlagen zur Beurteilung der Fahruntüchtigkeit:
Eine alkoholbedingte absolute Fahruntüchtigkeit wird rechtlich unwiderlegbar vermutet, wenn die Blutalkoholkonzentration 1,1 Promille oder mehr beträgt. Liegt die BAK – wie im vorliegenden Fall – unter diesem Grenzwert, spricht man von relativer Fahruntüchtigkeit. Für die Annahme einer relativen Fahruntüchtigkeit reicht der reine BAK-Wert nicht aus. Es müssen zusätzlich konkrete Beweisanzeichen vorliegen, die auf eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit schließen lassen. Dies können alkoholtypische Ausfallerscheinungen (z.B. Torkeln, lallende Sprache) oder charakteristische Fahrfehler (z.B. Schlangenlinienfahren) sein. Je näher der gemessene BAK-Wert an der Grenze von 1,1 Promille liegt, desto geringere Anforderungen sind an diese zusätzlichen Beweisanzeichen zu stellen. Dennoch muss immer ein Fahrfehler oder eine Ausfallerscheinung festgestellt werden, die typischerweise auf Alkoholeinfluss zurückzuführen ist.
Bei Fahrten unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln oder bei Mischintoxikationen (wie hier Alkohol und Benzodiazepam) gibt es keine festen Grenzwerte wie beim Alkohol. Die Fahruntüchtigkeit muss hier durch eine umfassende Würdigung aller Beweisanzeichen festgestellt werden. Relevant sind dabei die Art der konsumierten Substanz, deren bekannte Wirkungen auf die Fahrsicherheit und das Erscheinungsbild des Fahrers, sofern daraus sicher auf eine aktuelle Rauschmittelwirkung geschlossen werden kann.
Konkrete Fallbewertung: Warum die Beweise für eine Fahruntüchtigkeit nicht ausreichten
Das Landgericht wandte diese Maßstäbe auf den konkreten Fall an und prüfte, ob die festgestellten Indizien ausreichten, um einen dringenden Tatverdacht zu begründen:
Die gemessene BAK von 0,83 Promille bzw. die zurückgerechnete BAK von etwa 0,93 Promille liegt deutlich unter dem Grenzwert von 1,1 Promille. Eine absolute Fahruntüchtigkeit aufgrund von Alkohol konnte somit nicht angenommen werden.
Daher war zu prüfen, ob eine relative Fahruntüchtigkeit vorlag, entweder durch den Alkohol allein oder durch die Kombination mit Benzodiazepam. Hierfür waren nach Ansicht des Gerichts die vorliegenden Beweisanzeichen nicht ausreichend:
- Fahrfehler: Die dokumentierten Fahrfehler – das Touchieren einer Bordsteinkante, der Geschwindigkeitsverstoß und der vom Fahrer bestrittene Rotlichtverstoß – wurden vom Gericht als nicht substanztypisch bewertet. Solche Fehler könnten vielfältige Ursachen haben, wie Unachtsamkeit, Ablenkung oder Fehleinschätzungen, die nicht zwingend auf Alkohol- oder Medikamenteneinfluss zurückzuführen sein müssen. Typische Fahrfehler bei Trunkenheit, wie etwa das Fahren von Schlangenlinien oder das grundlose Abkommen von der Fahrbahn, wurden nicht festgestellt. Das Gericht verwies hierzu auf etablierte Beispiele aus der Rechtsprechung.
- Körperliche und psychische Auffälligkeiten: Auch die von der Polizei beobachteten Auffälligkeiten wie Unruhe, wechselnde Stimmung, gerötete/glasige Augen und das Frieren bei normaler Raumtemperatur reichten nach Auffassung des Gerichts nicht aus, um eine Fahruntüchtigkeit dringend anzunehmen. Diese Anzeichen seien nicht spezifisch für eine Beeinträchtigung durch Alkohol oder Medikamente. Sie könnten ebenso auf Nervosität angesichts der Polizeikontrolle, Müdigkeit oder andere Umstände zurückzuführen sein. Sie erlaubten keinen sicheren Rückschluss auf die tatsächliche Fahrtauglichkeit zum Tatzeitpunkt. Zudem wurde die Einschätzung des untersuchenden Arztes berücksichtigt, der nur wenige Auffälligkeiten und lediglich einen „leichten“ Einfluss von Alkohol und Medikamenten festgestellt hatte.
In der Gesamtwürdigung aller Umstände – der BAK unter 1,1 Promille, dem Nachweis von Benzodiazepam, den nicht substanztypischen Fahrfehlern und den mehrdeutigen körperlichen Anzeichen – sah das Landgericht keinen dringenden Tatverdacht für eine Fahruntüchtigkeit im Sinne des § 316 StGB. Die vorliegenden Beweise reichten nicht aus, um mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr und eine damit verbundene Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB schließen zu können.
Fazit: Ohne dringenden Tatverdacht kein vorläufiger Führerscheinentzug
Da die Voraussetzung des dringenden Tatverdachts für die Haupttat (Trunkenheit im Verkehr) nicht erfüllt war, fehlte die gesetzliche Grundlage für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 111a StPO. Diese Maßnahme stellt einen erheblichen Eingriff dar und ist nur gerechtfertigt, wenn eine spätere Verurteilung und der endgültige Entzug der Fahrerlaubnis sehr wahrscheinlich sind. Diese hohe Wahrscheinlichkeit sah das Landgericht Köln im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft wurde daher als unbegründet verworfen, und der Autofahrer durfte seinen Führerschein vorerst behalten. Die Entscheidung unterstreicht die hohen Anforderungen, die an die Anordnung eines vorläufigen Führerscheinentzugs zu stellen sind, insbesondere bei Blutalkoholwerten unterhalb der Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit und bei nicht eindeutigen Beweisanzeichen. Die Kosten des erfolglosen Beschwerdeverfahrens trägt gemäß § 473 StPO die Staatskasse.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil lehrt, dass für einen vorläufigen Führerscheinentzug nach §111a StPO ein dringender Tatverdacht der Fahruntüchtigkeit zwingend erforderlich ist. Bei Alkoholwerten unter 1,1 Promille (hier: 0,93) müssen zusätzlich substanztypische Fahrfehler oder eindeutige Ausfallerscheinungen nachgewiesen werden, unspezifische Anzeichen wie gerötete Augen oder Unruhe reichen nicht aus. Die Quintessenz liegt in den hohen Anforderungen an den Nachweis relativer Fahruntüchtigkeit bei Mischkonsum (Alkohol und Medikamente), wobei mehrdeutige körperliche Auffälligkeiten und nicht-substanztypische Fahrfehler keine ausreichende Grundlage für einen vorläufigen Führerscheinentzug darstellen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet „Fahruntüchtigkeit“ im rechtlichen Sinne und welche Rolle spielt sie bei Trunkenheitsfahrten?
Im rechtlichen Sinne bedeutet Fahruntüchtigkeit, dass jemand körperlich oder geistig nicht in der Lage ist, ein Fahrzeug sicher im Straßenverkehr zu führen. Das ist oft der Fall, wenn die Fähigkeiten stark eingeschränkt sind, zum Beispiel durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder Medikamenten, aber auch durch Krankheit oder Übermüdung.
Gerade bei Trunkenheitsfahrten spielt die Fahruntüchtigkeit eine zentrale Rolle. Das Gesetz unterscheidet hier grob zwei Stufen, je nachdem, wie viel Alkohol im Blut oder in der Atemluft festgestellt wird.
Absolute Fahruntüchtigkeit
Hier geht das Gesetz davon aus, dass jemand ab einer bestimmten Alkoholmenge immer fahruntüchtig ist, unabhängig davon, ob bereits Fahrfehler gemacht wurden oder andere Ausfallerscheinungen sichtbar sind. Diese Grenze liegt bei 1,1 Promille Blutalkoholkonzentration (BAK). Ab diesem Wert gilt man als absolut fahruntüchtig, und das Führen eines Fahrzeugs ist eine Straftat (§ 316 Strafgesetzbuch – StGB).
Relative Fahruntüchtigkeit
Auch unterhalb der Grenze von 1,1 Promille kann Fahruntüchtigkeit vorliegen. Dies spricht man von relativer Fahruntüchtigkeit. Sie wird angenommen, wenn jemand zwar weniger als 1,1 Promille (oft relevant ab 0,3 Promille BAK) hat, aber zusätzlich deutliche Anzeichen dafür zeigt, dass er nicht mehr sicher fahren kann.
Diese Anzeichen können ganz unterschiedlich sein. Dazu gehören zum Beispiel:
- Auffällige Fahrfehler (Schlangenlinien fahren, Rotlicht überfahren, unsicheres Spurhalten)
- Sichtbare körperliche Ausfallerscheinungen (lallende Sprache, unsicherer Gang, gerötete Augen)
- Probleme bei Koordinationstests, die von der Polizei durchgeführt werden
Zeigt jemand mit weniger als 1,1 Promille solche alkoholbedingten Ausfallerscheinungen, kann ebenfalls von Fahruntüchtigkeit ausgegangen und eine Straftat (§ 316 StGB) vorliegen.
Zusätzlich gibt es noch die Ordnungswidrigkeit des Fahrens unter Alkoholeinfluss (§ 24a Straßenverkehrsgesetz – StVG). Hier liegt die Grenze für die Alkoholisierung bei 0,5 Promille BAK (oder 0,25 mg/l Atemalkoholkonzentration). Bei dieser Ordnungswidrigkeit ist es unerheblich, ob bereits Ausfallerscheinungen vorliegen oder nicht – allein das Überschreiten des Promillewertes reicht aus. Für Fahranfänger in der Probezeit und Fahrer unter 21 Jahren gilt sogar eine 0,0 Promille-Grenze.
Für Sie ist wichtig zu wissen: Fahruntüchtigkeit ist der Kernpunkt, der bei Trunkenheitsfahrten beurteilt wird. Ob sie absolut (allein aufgrund des Promillewertes) oder relativ (Promillewert plus Ausfallerscheinungen) festgestellt wird, hat direkte rechtliche Konsequenzen und entscheidet darüber, ob ein Verhalten als Straftat oder Ordnungswidrigkeit eingestuft wird. Die genaue Beurteilung hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab.
Welche Rolle spielen Blutalkoholkonzentration (BAK) und der Nachweis von Betäubungsmitteln im Blut bei der Beurteilung der Fahrtüchtigkeit?
Bluttests sind ein wichtiges Beweismittel, um festzustellen, wie viel Alkohol oder bestimmte Betäubungsmittel jemand zum Zeitpunkt des Fahrens im Körper hatte. Diese Werte helfen den Behörden und Gerichten zu beurteilen, ob eine Person noch fahrtüchtig war oder nicht.
Bei Alkohol (BAK):
Die Blutalkoholkonzentration (BAK) wird in Promille gemessen. Promille bedeutet „Teile pro Tausend“. Ein Wert von 0,5 Promille bedeutet zum Beispiel, dass 0,5 Gramm reiner Alkohol in 1000 Gramm Blut sind. Es gibt verschiedene wichtige Promillegrenzen:
- Ab 0,5 Promille: Das Erreichen oder Überschreiten dieses Wertes stellt in der Regel bereits eine Ordnungswidrigkeit dar. Dies gilt auch dann, wenn der Fahrer keine offensichtlichen Ausfallerscheinungen zeigt.
- Ab 0,3 Promille: Ab diesem Wert spricht man von relativer Fahruntüchtigkeit, wenn zusätzlich zum Alkohol im Blut auch Anzeichen für Fahrfehler oder körperliche bzw. geistige Ausfallerscheinungen vorliegen. Solche Anzeichen können zum Beispiel Schlangenlinien fahren, verlangsamte Reaktionen, Gleichgewichtsstörungen oder undeutliche Sprache sein.
- Ab 1,1 Promille: Ab diesem Wert liegt die absolute Fahruntüchtigkeit vor. Das bedeutet, dass man immer als fahruntüchtig gilt, unabhängig davon, ob man Anzeichen von Unsicherheit gezeigt hat oder Fahrfehler gemacht hat.
- Für Fahranfänger in der Probezeit und Fahrer unter 21 Jahren gilt sogar eine Grenze von 0,0 Promille.
Bei Betäubungsmitteln:
Der Nachweis von Betäubungsmitteln im Blut spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle. Für viele Substanzen, wie zum Beispiel THC (der Wirkstoff von Cannabis), Kokain oder Amphetaminen, gibt es sehr geringe Grenzwerte. Bereits das Überschreiten dieser Grenzwerte kann eine Ordnungswidrigkeit darstellen.
Ob eine strafrechtlich relevante Fahruntüchtigkeit wegen Drogen vorliegt, hängt jedoch oft nicht nur vom reinen Nachweis oder einem bestimmten Blutwert ab. Es kommt vor allem darauf an, ob die Substanz tatsächlich die Fähigkeit zum sicheren Fahren beeinträchtigt hat. Hier werden, ähnlich wie bei der relativen Fahruntüchtigkeit bei Alkohol, auch andere Anzeichen wie Fahrfehler, veränderte Wahrnehmung oder körperliche Ausfallerscheinungen genau betrachtet.
Das Gesamtbild zählt:
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Blutwerte (BAK oder Nachweis von Betäubungsmitteln) sind zentrale Beweismittel. Sie zeigen, welche Substanzen in welcher Konzentration im Körper waren. Bei bestimmten festen Grenzwerten (wie 1,1 Promille BAK oder oft schon der bloße Nachweis mancher Drogen) kann der Blutwert allein schon gravierende Folgen haben. In anderen Fällen, insbesondere bei niedrigeren Alkoholwerten (ab 0,3 Promille) oder zur Beurteilung der strafrechtlichen Fahruntüchtigkeit bei Drogen, wird der Blutwert zusammen mit allen anderen beobachteten Anzeichen (Fahrverhalten, körperlicher Zustand, Reaktionen) bewertet, um festzustellen, ob jemand fahruntüchtig war.
Was ist ein „dringender Tatverdacht“ und warum ist er für den vorläufigen Führerscheinentzug relevant?
Ein „dringender Tatverdacht“ ist ein zentrales Konzept im Strafrecht und bedeutet mehr als nur eine einfache Vermutung. Man spricht von einem dringenden Tatverdacht, wenn aufgrund konkreter Tatsachen eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass eine Person eine bestimmte Straftat begangen hat. Die vorliegenden Beweise oder Umstände müssen also so belastend sein, dass die Verurteilung des Beschuldigten in einem Gerichtsverfahren wahrscheinlich erscheint. Es geht dabei um eine gewichtige Verdachtslage, die auf überprüfbaren Fakten basiert, nicht auf bloßen Spekulationen.
Für den vorläufigen Führerscheinentzug ist der dringende Tatverdacht besonders relevant. Der vorläufige Entzug der Fahrerlaubnis ist eine vorläufige Maßnahme, die von einem Richter angeordnet werden kann. Sie dient dazu, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten, solange das Strafverfahren gegen eine Person läuft. Ein solcher Entzug ist nach dem Gesetz dann möglich, wenn dringende Gründe für die Annahme vorliegen, dass dem Beschuldigten später durch ein Gericht die Fahrerlaubnis entzogen werden wird.
Die Gerichte entziehen die Fahrerlaubnis in der Regel, wenn sich herausstellt, dass jemand ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Das Gesetz nennt bestimmte Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr (wie zum Beispiel Trunkenheit im Verkehr mit einer bestimmten Blutalkoholkonzentration, Fahrten unter Drogeneinfluss oder bestimmte Fälle der Unfallflucht), bei denen eine solche Ungeeignetheit oft vermutet wird.
Wenn nun im Ermittlungsverfahren gegen jemanden ein dringender Tatverdacht wegen einer solchen Straftat besteht, die voraussichtlich zum späteren Entzug der Fahrerlaubnis führen wird, kann der Richter auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder auch von Amts wegen die Fahrerlaubnis vorläufig entziehen. Dies geschieht, um zu verhindern, dass die Person in der Zwischenzeit weitere Gefahren im Straßenverkehr verursacht.
Vereinfacht gesagt: Besteht ein sehr starker Verdacht, dass Sie eine schwerwiegende Verkehrsstraftat begangen haben, die typischerweise dazu führt, dass man als ungeeignet zum Führen eines Fahrzeugs gilt, kann Ihnen das Recht, ein Auto zu fahren, vorübergehend entzogen werden, bis das Gericht endgültig entschieden hat. Der dringende Tatverdacht ist also die notwendige Voraussetzung für diese vorläufige Maßnahme. Er zeigt an, dass die Beweislage bereits so stark ist, dass eine spätere Verurteilung und der Entzug der Fahrerlaubnis wahrscheinlich sind.
Wie wirkt sich die Kombination von Alkohol und Medikamenten (Mischkonsum) auf die Beurteilung der Fahrtüchtigkeit aus?
Wenn Sie Alkohol und Medikamente zusammen konsumieren, kann das erhebliche Auswirkungen auf Ihre Fähigkeit haben, sicher Auto zu fahren. Die Wirkung beider Substanzen kann sich gegenseitig verstärken. Das bedeutet, auch wenn die Menge an Alkohol oder das Medikament allein für sich genommen vielleicht noch keine starke Beeinträchtigung hervorrufen würde, kann die Kombination dazu führen, dass Ihre Fahrtüchtigkeit stark eingeschränkt ist.
Warum ist das so? Medikamente können die Art und Weise verändern, wie Ihr Körper Alkohol verarbeitet. Gleichzeitig kann Alkohol die Wirkung von Medikamenten beeinflussen, sie verstärken oder verändern. Stellen Sie sich vor, ein Medikament macht schläfrig. Alkohol hat oft eine ähnliche Wirkung. Zusammen kann dies zu extremer Müdigkeit, Konzentrationsschwäche und deutlich langsameren Reaktionszeiten führen. Solche Effekte beeinträchtigen Ihre Fähigkeit, auf unerwartete Situationen im Straßenverkehr richtig zu reagieren.
Für die rechtliche Beurteilung der Fahrtüchtigkeit kommt es darauf an, ob Sie wegen der Wirkung von Alkohol, Medikamenten oder der Kombination davon nicht mehr in der Lage sind, Ihr Fahrzeug sicher zu führen. Es gibt keine feste Promillegrenze für die Kombination mit Medikamenten. Selbst bei geringen Mengen Alkohol kann die Fahrunsicherheit schneller eintreten, wenn gleichzeitig Medikamente eingenommen wurden. Die Wirkung von Medikamenten wird ähnlich wie die von Drogen bewertet, wenn sie die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen.
Das deutsche Recht sieht vor, dass das Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr verboten ist, wenn Sie infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel (dazu zählen auch viele Medikamente) nicht in der Lage sind, das Fahrzeug sicher zu führen. Dies gilt auch für den Mischkonsum. Dabei werden die festgestellten Substanzen und ihre bekannten oder im konkreten Fall beobachteten Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit berücksichtigt.
Es ist deshalb besonders wichtig, den Beipackzettel von Medikamenten sorgfältig zu lesen, um Hinweise auf Wechselwirkungen mit Alkohol oder Beeinträchtigungen der Fahrtüchtigkeit zu finden. Im Zweifel sollten Sie nach der Einnahme von Medikamenten, insbesondere in Kombination mit Alkohol, vom Führen eines Fahrzeugs absehen.
Welche Rolle spielen polizeiliche Beobachtungen und ärztliche Gutachten bei der Feststellung von Fahruntüchtigkeit?
Wenn entschieden werden muss, ob jemand zum Zeitpunkt einer Fahrt fahrtüchtig war – also in der Lage, das Fahrzeug sicher zu führen –, spielen sowohl die Eindrücke der Polizei als auch ärztliche Feststellungen eine wichtige Rolle. Sie sind unterschiedliche, aber oft sich ergänzende Hinweise oder Beweismittel, die bei der Bewertung helfen.
Was die Polizei beobachtet
Die Polizei ist meist die erste Stelle, die bei einem Vorfall vor Ort ist. Polizeibeamte beobachten und dokumentieren, wie sich die Situation darstellt. Dazu gehören beispielsweise:
- Das Fahrverhalten: Wie wurde das Fahrzeug geführt? Gab es Schlangenlinien, unsichere Manöver oder unangepasste Geschwindigkeit?
- Ausfallerscheinungen beim Fahrer: Wirkt die Person orientiert oder verwirrt? Spricht sie undeutlich? Sind die Reaktionen langsam oder unkoordiniert? Sieht man äußerliche Anzeichen wie gerötete Augen oder schwankenden Gang?
- Der Zustand des Fahrzeugs und der Unfallstelle: Auch diese können Hinweise liefern.
Diese polizeilichen Beobachtungen sind wichtige Momentaufnahmen der Situation. Sie beschreiben, was für Außenstehende direkt wahrnehmbar war.
Was ärztliche Untersuchungen und Gutachten zeigen
Ärztliche Untersuchungen und Gutachten liefern oft wissenschaftliche oder medizinische Informationen. Dazu gehören:
- Ergebnisse von Blut- oder Urinproben: Diese können Aufschluss über Alkoholpegel oder das Vorhandensein von Drogen geben.
- Körperliche Untersuchungen: Ein Arzt kann Reflexe, Koordinationsfähigkeit oder andere körperliche Reaktionen prüfen, die auf eine Beeinträchtigung hindeuten können.
- Medizinische Gutachten: Spezialisierte Ärzte können auf Basis von Untersuchungsergebnissen und manchmal auch den polizeilichen Beobachtungen eine Einschätzung zur Fahruntüchtigkeit abgeben.
Diese ärztlichen Feststellungen bieten oft objektive Daten oder eine fachliche Einordnung des körperlichen und geistigen Zustands.
Wie diese Informationen bewertet werden
Polizeiliche Beobachtungen und ärztliche Feststellungen werden in einem Verfahren zusammen betrachtet. Stellen Sie sich das wie ein Puzzle vor, bei dem verschiedene Teile zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden.
- Oft bestätigen die ärztlichen Ergebnisse die polizeilichen Beobachtungen – zum Beispiel, wenn ein Fahrer unsicher wirkte und die Blutprobe einen hohen Alkoholwert zeigt.
- Manchmal widersprechen sie sich scheinbar – etwa wenn die Polizei deutliche Ausfallerscheinungen schildert, aber die ärztlichen Werte niedrig sind oder umgekehrt.
Wenn es Widersprüche gibt, muss genau geprüft werden. Es wird bewertet, wie zuverlässig jeder einzelne Hinweis ist. War die Beobachtung der Polizei detailliert und genau? Wurden die ärztlichen Tests korrekt durchgeführt und sind die Ergebnisse eindeutig? Ist das medizinische Gutachten nachvollziehbar begründet?
Die Stelle, die letztendlich über die Fahruntüchtigkeit entscheidet (oft ein Gericht oder eine Behörde), wägt alle vorhandenen Informationen gegeneinander ab. Dabei gibt es keine starre Regel, dass die eine Art von Hinweis automatisch wichtiger ist als die andere. Es geht darum, aus der Gesamtheit der Beweismittel die wahrscheinlichste Schlussfolgerung zu ziehen, ob die Fähigkeit zum sicheren Fahren beeinträchtigt war.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Dringender Tatverdacht
Ein dringender Tatverdacht besteht, wenn konkrete Tatsachen oder Beweise eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit begründen, dass eine Person eine bestimmte Straftat begangen hat. Es reicht nicht aus, nur eine Vermutung oder einen bloßen Anfangsverdacht zu haben; die Anhaltspunkte müssen belastend und überprüfbar sein. Im Kontext des vorläufigen Führerscheinentzugs nach § 111a StPO ist der dringende Tatverdacht Voraussetzung, um eine vorläufige Maßnahme zu rechtfertigen, da dadurch das Risiko minimiert wird, dass Unschuldige ihre Fahrerlaubnis verlieren.
Beispiel: Wenn jemand unter Alkoholeinfluss fährt und eine Blutprobe eine BAK nahe 1,0 Promille zeigt, dazu unsichere Fahrweisen beobachtet werden, kann ein dringender Tatverdacht für Trunkenheit im Verkehr vorliegen.
Vorläufiger Entzug der Fahrerlaubnis (§ 111a StPO)
Der vorläufige Entzug der Fahrerlaubnis ist eine zeitlich begrenzte, vorläufige Maßnahme im Strafverfahren, mit der ein Richter die Fahrerlaubnis entziehen kann, bevor ein endgültiges Urteil gefällt wird. Ziel ist es, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten, indem potentielle Gefahrenfahrer vorübergehend vom Straßenverkehr ausgeschlossen werden. Voraussetzung für diese Maßnahme ist unter anderem ein dringender Tatverdacht, dass der Betroffene eine Straftat begangen hat, die typischerweise zum Fahrerlaubnisentzug führt.
Beispiel: Wenn gegen einen Fahrer ermittelt wird, weil er mutmaßlich unter Alkohol- und Medikamenteneinfluss gefahren ist, kann auf Antrag der Staatsanwaltschaft vorläufig die Fahrerlaubnis entzogen werden, sofern der dringende Tatverdacht besteht.
Absolute und relative Fahruntüchtigkeit
Fahruntüchtigkeit bedeutet, dass jemand nicht in der Lage ist, ein Fahrzeug sicher zu führen. Bei der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit unterscheidet das Gesetz zwischen zwei Formen: Absolute Fahruntüchtigkeit liegt ab einem Blutalkoholwert von 1,1 Promille vor, hier wird rechtlich ohne weitere Nachweise von Unfähigkeit ausgegangen. Relative Fahruntüchtigkeit besteht bei Werten darunter, wenn zusätzlich weitere Anzeichen (z. B. Fahrfehler, Ausfallerscheinungen) vorliegen, die eine Beeinträchtigung der Fahrfähigkeit bestätigen.
Beispiel: Ein Fahrer mit 0,8 Promille, der unsicher fährt und fahrtypische Ausfallerscheinungen zeigt, kann trotz niedrigem Wert als relativ fahruntüchtig gelten.
Mischintoxikation
Mischintoxikation bezeichnet die gleichzeitige Beeinträchtigung durch mehrere Substanzen, etwa Alkohol und Medikamente oder Drogen. Die Wirkung der Substanzen kann sich gegenseitig verstärken, sodass schon geringere Mengen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit führen können. Für die rechtliche Bewertung gibt es bei Mischkonsum keine festen Grenzwerte; es kommt auf eine Gesamtwürdigung aller Beweisanzeichen an.
Beispiel: Ein Fahrer hat sowohl Alkohol als auch Benzodiazepine im Blut. Während der Alkoholwert unter 1,1 Promille liegt, kann die Kombination dennoch zu Fahruntüchtigkeit führen, wenn typische Beeinträchtigungen beobachtet werden.
Fahruntüchtigkeit
Fahruntüchtigkeit beschreibt den Zustand, in dem eine Person aufgrund körperlicher oder geistiger Beeinträchtigungen nicht mehr in der Lage ist, ein Fahrzeug sicher zu führen. Ursachen können Alkohol, Drogen, Medikamente, Krankheit oder Übermüdung sein. Die Beurteilung erfolgt anhand objektiver Messwerte (z. B. Blutalkoholkonzentration) sowie beobachteter Symptome wie Fahrfehler oder körperliche Ausfallerscheinungen. Fahruntüchtigkeit ist Voraussetzung für die Strafbarkeit nach § 316 StGB bei Trunkenheit im Verkehr.
Beispiel: Jemand, der zwar 0,7 Promille im Blut hat, aber keine Fahrfehler zeigt und keine körperlichen Ausfallerscheinungen, gilt in der Regel nicht als fahruntüchtig. Zeigen sich jedoch deutliche Ausfälle, kann Fahruntüchtigkeit angenommen werden.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 111a StPO (Strafprozessordnung): Regelt die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis zur Gefahrenabwehr im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Voraussetzung ist ein dringender Tatverdacht, dass der Beschuldigte fahruntüchtig war, um eine Gefährdung des Straßenverkehrs zu verhindern.
| Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht prüfte, ob ein solcher dringender Tatverdacht für eine Trunkenheitsfahrt vorlag, um den vorläufigen Führerscheinentzug zu rechtfertigen, und verneinte dies mangels klarer Beweislage. - § 316 StGB: Tatbestand der Trunkenheit im Verkehr; definiert die strafbare Fahruntüchtigkeit durch Alkohol oder andere berauschende Mittel. Absolute Fahruntüchtigkeit wird bei 1,1 ‰ BAK oder mehr vermutet, sonst ist der Nachweis zusätzlicher Beweisanzeichen notwendig.
| Bedeutung im vorliegenden Fall: Die gemessene BAK lag unter 1,1 ‰, weshalb das Gericht einen dringenden Tatverdacht für relative Fahruntüchtigkeit prüfen musste, was wegen fehlender eindeutiger Anzeichen abgelehnt wurde. - § 69 StGB: Regelt die Entziehung der Fahrerlaubnis als strafrechtliche Nebenfolge bei Verurteilungen, insbesondere wegen Trunkenheit im Verkehr. Voraussetzung ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Tat fahrungeeignet war.
| Bedeutung im vorliegenden Fall: Der vorläufige Führerscheinentzug nach § 111a StPO setzt voraus, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB im Hauptverfahren sehr wahrscheinlich ist, was hier nicht gegeben war. - Blutalkoholkonzentration und Fahreignung (Rechtsprechung/BGH): Setzt bei Werten unter 1,1 ‰ eine umfassende Würdigung der Fahrfehler und körperlichen Beeinträchtigungen voraus; Mischintoxikationen erfordern eine Gesamtschau aller Anzeichen ohne starren Grenzwert.
| Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Kombination aus Alkohol 0,83 bzw. 0,93 ‰ und Benzodiazepinen erforderte eine genaue Beurteilung, die jedoch keine ausreichend sicheren Indizien für Fahruntüchtigkeit ergab. - § 473 StPO: Regelt die Kostenentscheidung bei Beschwerden im Strafverfahren; grundsätzlich werden die Kosten dem Unterliegenden auferlegt, hier der Staatskasse, da die Beschwerde als unbegründet verworfen wurde.
| Bedeutung im vorliegenden Fall: Da die Staatsanwaltschaft mit der Beschwerde gegen die Ablehnung des vorläufigen Führerscheinentzugs unterlag, wurden die Verfahrenskosten der Staatskasse auferlegt. - Verkehrsrechtliche Grundsätze zur Fahruntüchtigkeit (Verkehrsrecht, einschlägige Verwaltungsvorschriften): Definieren, welche Fahrfehler oder Ausfallerscheinungen typischerweise auf Alkoholeinfluss schließen lassen und wie diese zu bewerten sind.
| Bedeutung im vorliegenden Fall: Die festgestellten Fahrfehler (z.B. Bordsteinkante touchiert, Geschwindigkeitsverstoß) wurden als unspezifisch bewertet und reichten nicht aus, einen dringenden Tatverdacht für Fahruntüchtigkeit zu begründen.
Das vorliegende Urteil
LG Köln – Az.: 117 Qs 25/22 – Beschluss vom 25.02.2022
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