LG Amberg – Az.: 11 Qs 9/22 – Beschluss vom 18.05.2022
In dem Strafverfahren wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr erlässt das Landgericht Amberg – 1. Strafkammer – am 18. Mai 2022 folgenden Beschluss
1. Die Beschwerde des Verteidigers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Amberg vom 04.12.2021 wird als unbegründet verworfen.
2. Der Verteidiger hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
I.
Gegen den Verurteilten wurde ein Ermittlungsverfahren u.a. wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr geführt. Dieses wurde mit Erlass eines rechtskräftigen Strafbefehls vom 05.01.2021 ab-geschlossen. Der Verurteilte wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr auf Bewährung verurteilt und die Fahrerlaubnis wurde ihm entzogen bzw. der Führerschein eingezogen, § 69 StGB.
Im Ermittlungsverfahren zeigte sich Rechtsanwalt pp. mit Schriftsatz vom 17.08.2018 als Verteidiger des nunmehr Verurteilten an. Mit Beschluss des Amtsgerichts Amberg vom 02.04.2020 wurde Rechtsanwalt pp. diesem als Pflichtverteidiger beigeordnet.
Mit Vergütungsfestsetzungsantrag vom 11.05.2021 machte der Pflichtverteidiger u.a. eine 1,0 Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG aus einem Gegenstandswert von 5.000 € in Höhe von 257,00 € netto geltend. Zur Begründung für den Anfall dieser Gebühr führte RA Jendricke folgendes aus: Im Zuge der Einziehung des Führerscheindokuments sei die Gebühr aus Nr. 4142 VV RVG angefallen. Als Gegenstandswert sei entsprechend Ziff. 46.3 des Streitwertkatalogs der Verwaltungs-gerichtsbarkeit 5.000 € anzusetzen.
Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Amberg nahm mit Schreiben vom 26.05.2021 wie folgt Stellung: Die Verfahrensgebühr nach VV Nr. 4142 RVG sei für die Einziehung des Führerscheins nicht entstanden. Es dürfte einhellige Rechtsmeinung sein, dass für die Entziehung der Fahrerlaubnis keine Gebühr nach VV Nr. 4142 RVG anfalle, da es sich hierbei um keine Einziehung handele. Es werde aber von Burhoff die Meinung vertreten, dass für die Einziehung des Führerscheinformulars eine Gebühr nach VV 4142 RVG anfalle. Dieser schlage einerseits vor, als Wert der Einziehung den Auffangwert nach § 52 Abs. 2 GKG von 5.000 € anzusetzen, gestehe aber andererseits zu, der Wert könne auch danach bemessen werden, welche finanziellen Mittel der Betroffene aufwenden müsse, um von der Verwaltungsbehörde ein neues Fahrerlaubnisformular zu erhalten. Dies seien die Kosten, die als Verwaltungsgebühr bei der Behörde anfielen, somit rund 200 bis 300 €. Daher sei der Auffangwert von 5.000 € unter keinen Umständen heranzuziehen. Andere Kommentatoren würden hinsichtlich des Anfalls der Gebühr die gegenteilige Ansicht vertreten. Die Gebühr sei im Ergebnis nicht zu erstatten, da die Tätigkeiten des Verteidigers insoweit mit der Grund- und Verfahrensgebühr abgegolten seien. Die Einziehung des Führerscheins sei automatische und zwingende Folge des Entzugs der Fahrerlaubnis.
Hierzu wurde der Pflichtverteidiger angehört, der sich mit Schreiben vom 21.06.2021 insbesondere wie folgt äußerte: Die Gebühr entstehe für die Einziehung des Führerscheinformulars. Das Führerscheinformular habe einen Vermögenswert. Die Kosten für die Wiedererteilung könnten neben einer Verwaltungsgebühr auch die Kosten einer MPU erfassen. Diese sei im vorliegenden Fall zwingend bei der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen. Dieses Verfahren sei mit einem Gegenstandswert von 5.000 € belegt gemäß Ziffer 46.3 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichts-barkeit.
Mit Schreiben vom 25.06.2021 nahm der Bezirksrevisor ergänzend dahingehend Stellung, dass es bei seiner Stellungnahme vom 20.05.2021 verbleibe.
Das Amtsgericht Amberg setzte mit Beschluss vom 12.07.2021 die dem Pflichtverteidiger aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen fest, wobei die geltend gemachte Gebühr Nr. 4142 VV RVG nicht mit festgesetzt wurde. Zur Begründung führte die zuständige Rechtspflegerin aus, dass für Tätigkeiten im Rahmen der Entziehung der Fahrerlaubnis keine Gebühr nach VV Nr. 4142 RVG entstehe, da es sich hierbei um keine Einziehung im Sinne des VV Nr. 4142 RVG handele. Die Einziehung des Führerscheindokuments finde dort gerade keine Erwähnung.
Der Pflichtverteidiger legte gegen den vorgenannten Beschluss mit Schreiben vom 16.08.2021 Erinnerung ein, da die Gebühr aus seiner Sicht zu Unrecht abgesetzt worden sei.
Der Bezirksrevisor beantragte namens der Staatskasse mit Schreiben vom 27.08.2021 aus den bereits dargelegten Gründen die Zurückweisung der Erinnerung.
Das Amtsgericht Amberg half der Erinnerung mit Verfügung vom 01.09.2021 nicht ab und legte das Verfahren dem zuständigen Richter vor.
Mit Schreiben vom 22.09.2021 nahm der Pflichtverteidiger erneut Stellung. Es stünden drei Literaturmeinungen und die Entscheidung des Amtsgerichts Freiberg gegen eine Literaturmeinung für den Anfall der Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG. Der Gegenstandswert sei auf 5.000 € festzusetzen, da die Verwaltungsgerichte für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse B einen Gegenstandswert von 5.000 € festsetzten. Es komme gerade nicht auf die Kosten für die Wiedererteilung an, sondern das Interesse an der Fahrerlaubnis sei viel höher anzusetzen.
Der zuständige Richter am Amtsgericht Amberg teilte mit Verfügung vom 06.11.2021 mit, dass beabsichtigt sei, die Erinnerung zurückzuweisen, da vorliegend eine Tätigkeit, die sich spezifisch auf die Einziehung des Führerscheindokuments bezogen hätte, nicht ersichtlich sei.
Mit Schreiben vom 26.11.2021 äußerte sich der Pflichtverteidiger hierauf wie folgt: Die Tätigkeit im Hinblick darauf finde grundsätzlich im Rahmen der Beratung des Mandanten statt. Sofern die Entziehung der Fahrerlaubnis zu befürchten sei, hätten die Mandanten viele Fragen, etwa für wie lange, zu den Konsequenzen etc. Vorliegend käme die Besonderheit hinzu, dass es sich um ein ausländisches Führerscheindokument gehandelt habe.
Daraufhin ordnete das Amtsgericht Amberg mit Beschluss vom 04.12.2021 auf die Erinnerung des Verteidigers hin an, dass für anwaltliche Dienstleistungen im Hinblick auf die Einziehung des Führerscheindokuments eine 1,0 Verfahrensgebühr nach VV 4142 RVG aus einem Gegenstandswert von 300 € auszukehren sei. Im Übrigen wies es die Erinnerung des Verteidigers zurück. Zur Begründung führte es insbesondere aus, dass zwar unstrittig bei der Entziehung der Fahrerlaubnis die Verfahrensgebühr VV 4142 RVG nicht anfalle, aber nicht abschließend geklärt sei, ob sie für die Einziehung des Führerscheindokuments anfalle. Letzteres sei grundsätzlich abzulehnen. Wenn sich die anwaltliche Tätigkeit spezifisch auf Fragen in Zusammenhang mit dem Führerscheindokument beziehe, was hier aufgrund des ausländischen Führerscheins der Fall gewesen sei, falle die Gebühr aber an. Der Beschluss wurde Rechtsanwalt pp. am 07.12.2021 zu-gestellt.
Rechtsanwalt pp. legte im eigenen Namen gegen den vorgenannten Beschluss mit Schreiben vom 21.12.2022, eingegangen beim Amtsgericht Amberg am selben Tag, Beschwerde ein. Diese begründete er mit Schreiben vom 26.01.2022 insbesondere wie folgt: Das Rechtsmittel richte sich ausschließlich gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes auf 300 €. Dieser sei auf 5.000 € festzusetzen. Ein Wert von 300 € werde der Wichtigkeit der anwaltlichen Tätigkeit für den Betroffenen nicht ansatzweise gerecht. Auf die weitere Begründung wird Bezug genommen.
Das Amtsgericht Amberg half der Beschwerde mit Verfügung vom 31.01.2021 nicht ab. Die Staatsanwaltschaft Amberg beantragte die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Gegen den Beschluss über die Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren ist nach § 33 Abs. 3 S. 1 RVG die sofortige Beschwerde statthaft. Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 200 €, da die Gebühr VV 4142 RVG aus 300 € 45 € beträgt, aus 5.000 € hingegen 257 €. Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig.
Über die Beschwerde entscheidet das Gericht nach § 33 Abs. 8 S. 1 HS. 2 RVG durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter – wie vorliegend der Fall – erlassen wurde.
Eine Übertragung auf die Kammer war nicht vorzunehmen, da die Sache weder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist noch die Rechtssache im Hinblick auf die Festsetzung des Gegenstandswerts grundsätzliche Bedeutung hat.
2. Die Beschwerde ist unbegründet.
Das Amtsgericht hat den Gegenstandswert für die Rechtsanwaltsgebühren zu Recht auf 300 € festgesetzt.
a) Zunächst ist festzustellen, dass nach Auffassung der Kammer für die Einziehung des Führerscheindokuments – entgegen der Entscheidung des Ausgangsgerichts – mangels gesetzlichen Gebührentatbestands keine Gebühr anfällt. VV 4142 RVG ist nicht einschlägig, da er den Entzug der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB nicht umfasst (OLG Koblenz, Beschluss vom 13. Februar 2006 – 2 Ws 98/06). Die Einziehung des Führerscheindokuments ist aber lediglich zwingende Folge des Entzugs der Fahrerlaubnis. Damit fällt auch diese nicht unter den Gebührentatbestand VV 4142 RVG.
Jedoch ist die Entscheidung des Amtsgerichts insoweit nicht durch die Staatskasse angefochten worden. Die Kammer hat daher nicht über den Anfall der Gebühr VV 4142 RVG zu befinden, sondern dieser steht im vorliegenden Verfahren fest.
b) Da aber über den Anfall der Gebühr in vorliegender Sache rechtskräftig entschieden ist, ist über einen Gegenstandswert zu befinden. Die Gebühr ist auf Grundlage eines Gegenstandswerts von 300 € zu berechnen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird diesbezüglich auf den Beschluss des Ausgangsgerichts Bezug genommen, dem sich die Kammer anschließt.
Der Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der für Führerscheinsachen Klasse B, BE den Auffangwert von 5.000 € vorschlägt, ist einerseits nicht verbindlich und andererseits im vorliegenden strafgerichtlichen Verfahren nicht maßgeblich. Die Kammer sieht auch keine Veranlassung, den Auffangwert von 5.000 € für die Wertfestsetzung der Anwaltsgebühren heranzuziehen. Der Auffangwert ist grundsätzlich nur maßgeblich, wenn eine Schätzung in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte nicht möglich ist. Vorliegend ist jedoch eine Schätzung möglich.
Die Kosten für die Wiedererlangung des Führerscheindokuments, das eingezogen wurde, hat das Amtsgericht auf 300 € geschätzt. Diese Schätzung ist nicht zu beanstanden und folgt dem Vorschlag des Bezirksrevisors in seiner Stellungnahme vom 26.05.2021.
Maßgeblich waren insoweit die Verwaltungsgebühren, die für die Wiedererteilung eines Führerscheindokuments selbst anfallen – wie auch das Amtsgericht in seiner Entscheidung ausführt. Kosten, beispielsweise für eine MPU, sind bei der Wertfestsetzung insoweit nicht zu berücksichtigen. Letztlich sind diese erforderlich, weil die Fahrerlaubnis entzogen wurde, wofür aber nach allen Ansichten und auch nach Ansicht des Verteidigers keine Gebühr nach VV 4142 RVG anfällt. Dann können diese Kosten aber auch nicht für die Wertfestsetzung betreffend die Einziehung berücksichtigt werden. Die Einziehung des Führerscheindokuments ist lediglich sekundäre Folge des Entzugs der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB. Kosten für eine MPU beispielsweise fallen deshalb an, weil in erster Linie eine neue Fahrerlaubnis erteilt werden muss, die in gewissen Fällen lediglich bei Vorlage einer MPU-Bescheinigung erteilt wird.
Damit ist es nicht zu beanstanden, dass lediglich die Verwaltungskosten, die sich auch auf die Erstellung eines neuen Führerscheindokuments beziehen, für die Bemessung der Anwaltsgebühren herangezogen wurden.
3. Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen, § 33 Abs. 6 S. 1 RVG.
Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie diese wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat.
Eine grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Festsetzung des Gegenstandwertes ist nicht ersichtlich. Diese wäre im Hinblick auf die Frage, ob die Gebühr VV 4142 RVG vorliegend über-haupt anfällt, gegebenenfalls anzunehmen. Jedoch steht diese Frage vorliegend nicht zur Entscheidung.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.