Straßenverkehrsgefährdung: Risiken und Folgen für Fahrerlaubnis
Das Landgericht Aachen hat entschieden, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis des Beschuldigten aufzuheben. Grund dafür ist, dass keine ausreichenden Beweise für eine konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer vorliegen. Der Beschuldigte hatte möglicherweise eine rote Ampel überfahren und ein riskantes Überholmanöver durchgeführt, jedoch konnte eine konkrete Gefährdung in beiden Fällen nicht eindeutig festgestellt werden.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Aufhebung der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung: Das LG Aachen hebt den Beschluss des Amtsgerichts aufgrund mangelnder Beweise auf.
- Kein dringender Verdacht: Es besteht kein ausreichender Verdacht, dass dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis wegen einer Straftat nach § 315c StGB entzogen wird.
- Unklarheit beim Überfahren einer roten Ampel: Es steht nicht fest, dass der Beschuldigte eine rote Ampel überfahren hat.
- Fehlende konkrete Gefährdung: Trotz des Überfahrens einer möglicherweise roten Ampel und eines riskanten Überholmanövers konnte keine konkrete Gefährdung nachgewiesen werden.
- Zeugenaussagen nicht ausreichend: Die Aussagen des Zeugen K reichen nicht aus, um eine konkrete Gefährdung zu belegen.
- Fehlverhalten bei Überholvorgang: Es gab Unklarheiten bezüglich des fehlerhaften Überholmanövers des Beschuldigten.
- Keine Katalogtat nach §§ 69 Abs. 2 StGB: Die möglichen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten rechtfertigen keinen vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis.
- Fahrverbot nicht ausreichend für Fahrerlaubnisentzug: Ein mögliches Fahrverbot nach § 44 StGB begründet ebenfalls keinen vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis.
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Übersicht
Rechtliche Zweifel an der Fahrerlaubnisentziehung
Im Zentrum des Falles steht die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis eines Beschuldigten, basierend auf Vorwürfen gefährlichen Verhaltens im Straßenverkehr. Das Landgericht Aachen hat in einem aufsehenerregenden Beschluss vom 27. Februar 2015 eine vorherige Entscheidung des Amtsgerichts Aachen aufgehoben. Der ursprüngliche Beschluss basierte auf dem Verdacht, dass der Beschuldigte bei einer Verkehrsampel die Rotlichtphase missachtet und dadurch fast einen Zusammenstoß verursacht hätte, was eine Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB darstellen könnte.
Untersuchung der Rotlichtverletzung und Kollisionsvermeidung
Die Hauptargumentation des LG Aachen richtet sich auf die unklare Situation bezüglich des Überfahrens einer roten Ampel durch den Beschuldigten. Trotz der allgemeinen Regel, dass das Überfahren einer roten Ampel eine Vorfahrtsmissachtung darstellt, gab es in diesem speziellen Fall keine eindeutigen Beweise dafür. Der Zeuge K konnte die Ampelphase aus seiner Position nicht klar erkennen, und der Beschuldigte behauptete, die Ampel bei Gelb überfahren zu haben. Interessanterweise war der Beschuldigte in der Lage, einen Zusammenstoß durch Bremsen zu verhindern, was darauf hindeutet, dass keine konkrete Gefährdung für den Zeugen K bestand.
Analyse des riskanten Überholmanövers
Ein weiterer Punkt der rechtlichen Auseinandersetzung war ein Überholmanöver, das der Beschuldigte durchgeführt hatte. Dieses Manöver wurde als potenziell gefährlich eingestuft, da es gegen Ende sehr eng wurde und ein entgegenkommendes Fahrzeug involviert war. Jedoch konnte auch hier keine konkrete Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer nachgewiesen werden. Der Zeuge K beschrieb die Situation als „sehr eng“, doch es fehlten präzise Angaben zu Geschwindigkeiten und Abständen. Des Weiteren konnte der Beschuldigte durch sein Manöver eine Kollision verhindern, was wiederum gegen eine konkrete Gefährdung spricht.
Schlussfolgerungen und Fehlen einer dringenden Gefährdung
Das LG Aachen kam zu dem Schluss, dass die Voraussetzungen für eine vorläufige Fahrerlaubnisentziehung nach § 111a StPO nicht erfüllt waren. Es gab keinen dringenden Verdacht, dass der Beschuldigte in einer späteren Hauptverhandlung wegen einer Straftat nach § 315c StGB die Fahrerlaubnis entzogen bekommen würde. Weiterhin wurden mögliche Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, die der Beschuldigte begangen haben könnte, als nicht ausreichend für einen vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis angesehen. Auch die Möglichkeit eines Fahrverbotes nach § 44 StGB führte nicht zu einer anderen Beurteilung des Falles.
Diese Entscheidung des LG Aachen zeigt auf, wie wichtig detaillierte Beweise und eine präzise rechtliche Bewertung in Fällen der Fahrerlaubnisentziehung sind. Das Urteil stellt somit einen wichtigen Referenzpunkt für ähnliche Fälle dar, in denen die konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer und die rechtlichen Bedingungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis im Mittelpunkt stehen.
✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt
Wie wird eine konkrete Gefährdung des Straßenverkehrs im Sinne von § 315c StGB definiert und bewertet?
Eine konkrete Gefährdung des Straßenverkehrs im Sinne von § 315c StGB wird definiert als ein Zustand, bei dem durch das Verhalten einer Person im Straßenverkehr eine unmittelbare Gefahr für Leib oder Leben anderer Menschen oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert entsteht. Der Tatbestand ist ein konkretes Gefährdungsdelikt, das heißt, es muss eine reale Gefahr für die genannten Rechtsgüter vorliegen, die über eine abstrakte Gefahr hinausgeht.
Die Bewertung, ob eine konkrete Gefährdung vorliegt, erfolgt anhand der Umstände des Einzelfalls. Entscheidend ist, dass die Tathandlung über ihre innewohnende Gefährlichkeit hinaus eine konkrete Gefahr für die genannten Rechtsgüter darstellt. Die konkrete Gefahr muss dabei unmittelbare Folge der Tathandlung sein.
Die Rechtsprechung legt fest, dass eine konkrete Gefahr nur dann vorliegt, wenn die Sicherheit des Betroffenen oder einer bestimmten Sache so stark beeinträchtigt ist, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob es zu einem Schaden kommt.
Zu den Handlungen, die eine konkrete Gefährdung darstellen können, gehören beispielsweise das Führen eines Fahrzeugs unter Alkohol- oder Drogeneinfluss, das Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit oder das Verursachen von gefährlichen Situationen durch Missachtung der Verkehrsregeln.
Die Strafbarkeit nach § 315c StGB setzt voraus, dass der Täter vorsätzlich oder fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig oder vorsätzlich verursacht. Der Strafrahmen für eine Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB kann eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe umfassen.
Wie wird ein Überholvorgang rechtlich bewertet, insbesondere hinsichtlich der Verkehrssicherheit und potenziellen Gefährdung?
Ein Überholvorgang wird rechtlich nach verschiedenen Kriterien bewertet, insbesondere hinsichtlich der Verkehrssicherheit und potenziellen Gefährdung.
Ein Überholvorgang liegt vor, wenn ein schnelleres Fahrzeug an einem langsameren Fahrzeug vorbeifährt, wobei beide Fahrzeuge in dieselbe Richtung fahren. Der Überholende muss dabei sicherstellen, dass er den Überholten nicht behindert und einen ausreichenden Seitenabstand zu anderen Verkehrsteilnehmern einhält.
Die Straßenverkehrsordnung (StVO) sieht in bestimmten Situationen ein Überholverbot vor, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Beispielsweise ist das Überholen bei unklarer Verkehrslage oder wenn es durch Verkehrszeichen verboten ist, nicht erlaubt. Darüber hinaus darf ein Kraftfahrzeug mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t bei einer Sichtweite von weniger als 50 m aufgrund von Nebel, Schneefall oder Regen nicht überholen.
Das Einscheren nach dem Überholvorgang ist häufig eine Gefahrenquelle, da der Abstand zwischen den Fahrzeugen bzw. zum überholten Fahrzeug falsch eingeschätzt wird. Ein Blick in den Rückspiegel kann dabei helfen, den Abstand korrekt einzuschätzen.
Besondere Vorsicht ist beim Überholen von Lkws geboten. Aufgrund ihrer Länge und ihres schweren Gesamtgewichts sowie ihrer niedrigen Geschwindigkeit kann das Überholen eines Lkws den nachfolgenden Verkehr behindern oder gefährden. Daher sieht die StVO auf Autobahnen größtenteils ein Überholverbot für Lkws vor.
Rechtswidriges Überholen kann zu Bußgeldern führen. Beispielsweise ist das Überholen auf der rechten Spur, auch wenn man dabei auf der rechten Spur bleibt und an einem anderen Fahrzeug auf der linken Spur vorbeifährt, ein Verstoß gegen das Verkehrsrecht.
In bestimmten Situationen kann das Überholen auch als vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs gewertet werden, etwa wenn dabei Verkehrswidrigkeit und Rücksichtslosigkeit vorliegen und eine potentielle Gefahr für Leib und Leben besteht.
Es ist daher ratsam, vor einem geplanten Überholvorgang sorgfältig zu prüfen, ob dieser sicher und legal durchgeführt werden kann. Dabei sollte man sich fragen: Muss ich überholen? Darf ich überholen? Kann ich überholen?.
Das vorliegende Urteil
LG Aachen – Az.: 95 Qs – 702 Js 7/15 – 4/15 – Beschluss vom 27.02.2015
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des AG Aachen vom 26.01.2015 aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
Die Voraussetzungen für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO liegen entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nicht vor.
Es besteht kein dringender Verdacht dahin, dass dem Beschuldigten in einer späteren Hauptverhandlung wegen einer Straftat nach § 315c StGB seine Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB entzogen wird.
1.
Der angegriffene Beschluss stützt sich einerseits darauf, dass der Beschuldigte die für ihn maßgebliche Verkehrsampel bei „Rot“ überfahren habe und es hierbei beinahe zu einem Zusammenstoß mit dem Pkw des Zeugen K gekommen sei.
Zwar stellt das Überfahren einer Rotlicht zeigenden Verkehrsampel regelmäßig eine Missachtung der Vorfahrt im Sinne von § 315c Abs. 1 Nr. 2a StGB dar (BGH NZV 2009, 350). Hier steht allerdings gar nicht fest, dass der Beschuldigte tatsächlich die für ihn maßgebliche Verkehrsampel bei Rot überfahren hat. Der Zeuge K konnte dies von seiner Position naturgemäß gar nicht einsehen. Der Beschuldigte selbst spricht davon, dass er die maßgebliche Verkehrsampel bei „gelb“ passiert habe. Zur näheren Aufklärung ist deshalb die Beiziehung eines Ampelphasenplans unumgänglich. Hierauf kommt es allerdings für die hier zu treffende Entscheidung nicht an. Denn es fehlt jedenfalls an einer konkreten Gefährdung des Zeugen K im Sinne von § 315c StGB. Auch nach der Aussage des Zeugen K war der Beschuldigte nämlich tatsächlich und von der Verkehrssituation her noch dazu in der Lage, eine Kollision mit dessen Pkw durch ein eigenes Bremsmanöver zu verhindern. Wenn aber der Beschuldigte, wie hier, es durch ein übliches, verkehrsimmanentes Verhalten noch selbst gestalten konnte, eine Kollision zu vermeiden, dann ist der Nichteintritt eines Schadens noch nicht, wie es für eine konkrete Gefährdung zu verlangen ist, als bloßer „Zufall“ nach dem Motto „es ist noch einmal gut gegangen“ zu bezeichnen (vergleiche NK-GVR/Quarch, § 315c StGB, Rn. 22).
2.
Ferner stützt sich der angegriffene Beschluss auf ein Fehlverhalten des Beschuldigten bei einem Überholvorgang und damit auf einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne von § 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB. In der Tat dürfte sich das von dem Zeugen K geschilderte Überholmanöver des Beschuldigten als fehlerhaft im Sinne von § 5 StVO darstellen. Aber auch hier lässt sich die erforderliche konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nicht mit der gebotenen Sicherheit feststellen. Der Zeuge K sagt aus, dass gegen Ende des von ihm geschilderten Überholvorgangs dem Beschuldigten ein anderes – nicht näher bekanntes – Fahrzeug entgegen kam, so dass es aus Sicht des Zeugen „sehr eng“ gewesen sei. Diese wertende Beschreibung des Zeugen K ist nicht präzise genug, um feststellen zu können, dass für den entgegenkommenden Pkw bereits eine konkrete Gefährdung im Sinne von § 315c StGB bestanden hat. Hierzu bedürfte es, da es ja zu keiner Kollision gekommen ist, vielmehr genauerer Kenntnis von den gefahrenen Geschwindigkeiten bzw. den Abständen zwischen den fraglichen Pkw (vergleiche NK/GVR-Quarch a.a.O.). Genauso wenig lässt sich eine konkrete Gefährdung des von dem Zeugen K beschriebenen Rollerfahrers feststellen. Insoweit hat der Zeuge bekundet, der Beschuldigte habe nach dem Wiedereinscheren „eine Vollbremsung hinlegen“ müssen, um „vermutlich“ nicht auf den vor ihm fahrenden Rollerfahrer auffahren zu müssen. Zwar dürfte dieser Vorgang noch Teil des fehlerhaften Überholmanövers gewesen sein (vergleiche NK-GVR/Quarch a. a. O. Rn. 16). Aber auch hier fehlt es an jeglicher konkreter Kenntnis von Abständen und Geschwindigkeiten der beteiligten Fahrzeuge. Hinzutritt, dass der Beschuldigte auch insoweit offensichtlich noch dazu in der Lage war, eine möglicherweise drohende Kollision durch ein eigenes, verkehrsimmanentes Manöver abzuwenden. Auch auf diesem Hintergrund ist nicht zu erkennen, dass das Nicht-Auffahren des Beschuldigten auf den – nicht weiter bekannten – Rollerfahrer nur noch, wie es – siehe oben – zu verlangen gewesen wäre, durch Zufall verhindert worden ist.
3. Der Beschuldigte hat möglicherweise Straftaten nach §§ 185, 240 StGB sowie Ordnungswidrigkeiten nach §§ 1, 5, 37 StVO begangen. Diese rechtfertigen allerdings bei der gebotenen summarischen Betrachtung nicht den vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO, zumal sich unter diesen Taten weder eine Katalogtat des §§ 69 Abs. 2 StGB befindet noch der Beschuldigte bislang einschlägig in Erscheinung getreten war. Die hier sicherlich im Raum stehende Verhängung eines Fahrverbotes nach § 44 StGB rechtfertigt ebenfalls nicht den vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis.