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Fahrerlaubnisentziehung bei verbotenem Kraftfahrzeugrennen

LG Hamburg – Az.: 711 Ns 45/21 – Urteil vom 29.09.2021

Auf die Berufung der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 12.05.2021 wie folgt abgeändert:

Die Angeklagten werden wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens der Angeklagte V. zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je € 100,- und der Angeklagte K. zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je € 10,- verurteilt.

Den Angeklagten wird gestattet, die Geldstrafe in monatlichen Raten, Herr V. in Höhe von € 100,-, Herr K. in Höhe von € 50,- zu zahlen jeweils zum ersten Werktag eines Monats, beginnend dem Monat, der auf die Rechtskraft folgt.

Die Führerscheine werden entzogen, die Fahrerlaubnisse für beide Angeklagten entzogen. Im Hinblick auf die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wird keine Sperre verhängt.

Die weitergehende Berufung wird verworfen. Die Angeklagten tragen auch die Kosten des Berufungsverfahrens, die Gebühr wird aber um 2/3 ermäßigt. 2/3 der notwendigen Auslagen der Angeklagten trägt die Staatskasse, im Übrigen tragen sie die Angeklagten.

Angewendete Vorschriften: §§ 315d Abs. 1 Nr. 2, 69 StGB

Gründe

abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO

I.

Das Amtsgericht Hamburg-Harburg hat mit Urteil vom 12. Mai 2021wegen eines unerlaubten Kraftfahrzeugrennens den Angeklagten V. zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, und den Angeklagten K. zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je € 10,- verurteilt. Außerdem hat es beiden Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, die Führerscheine eingezogen und eine Sperre von noch einem Jahr verhängt.

Gegen das Urteil richten sich die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen der Angeklagten, die sie mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt haben.

Im tenorierten Umfang hat die Berufung Erfolg gehabt, ein weitergehender Erfolg ist ihr versagt geblieben.

II.

1.

Fahrerlaubnisentziehung bei verbotenem Kraftfahrzeugrennen
(Symbolfoto: ognennaja/Shutterstock.com)

Der am … 1960 geborene Angeklagte V. ist d. Staatsangehöriger. Er ist verwitwet und hat keine Kinder. Nach seinem Hauptschulabschluss machte er eine Lehre als Maler und Lackierer, wechselte 1990 zur H., wo er noch arbeitet. Er ist dort vornehmlich als Vancarrier beschäftigt und verdient € 3.500,- netto. Er zahlt eine Miete von € 1.200,- sowie € 811,- Leasingrate für seinen Jaguar, den er sich nach dem Tod seiner Frau kaufte und dessen Verkauf er nach Ablauf der Leasingzeit plant. Er ist seit der Entziehung der Fahrerlaubnis am 22. April 2020 darauf angewiesen, dass Arbeitskollegen ihn zur Arbeit mitnehmen und er kann derzeit keine Vancarrier auf dem Gelände fahren, sondern wird anderweitig eingesetzt.

Strafrechtlich ist der Angeklagte bislang nicht in Erscheinung getreten.

Am 23. Juni 2017 wurde er aber vom AG H.- B. wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften auf der A255 zu einer Geldbuße von € 440,- verurteilt, von der Verhängung eines Fahrverbotes wurde abgesehen.

2.

Der am … 1979 geborene Angeklagte K. ist d. Staatsangehöriger. Er ist ledig und hat drei Kinder im Alter von 2, 5 und 14 Jahren. Nach der Realschule ging er für vier Jahre zur Militärpolizei und arbeitete danach als Geldtransportfahrer und Gebäudereiniger, bevor er 2013 anfing, auf dem H. Hafen als Lascher zu arbeiten, er also die Aufgabe hat, die Container zu sichern. Der Angeklagte K. verdient grundsätzlich € 2000,- netto im Montag und zahlt an seine Kinder insgesamt € 800,- an Unterhalt, seit April 2021 ist der Angeklagte aber erwerbsunfähig erkrankt, nachdem er von einem Unbekannten angeschossen wurde. Wie lange die Erwerbsunfähigkeit anhalten wird, ist derzeit nicht absehbar. Er erhält derzeit nur € 1.200,- netto und hat die Unterhaltszahlungen einstellen müssen, da er die laufenden Kosten nicht mehr decken kann. Aktuell erhält er finanzielle Unterstützung von seiner Familie. Zur Ausübung seiner Erwerbstätigkeit ist er – da er oft am Wochenende oder auch Nachts zur Arbeit fahren muss – auf seinen Führerschein angewiesen.

Der Angeklagte ist wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:

Am 8. November 2018 wurde der Angeklagte im Strafbefehlswege wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je € 120,- verurteilt. Dem Strafbefehl lag der folgende Sachverhalt zu Grunde: Der Angeklagte, der den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht einhielt, fuhr am 22. Mai 2018 dem vor ihm wegen eines kreuzenden Radfahrers anhaltenden Kraftfahrzeug mit dem von ihm geführten Fahrzeug auf und verletzte dabei die Insassen des vor ihm fahrenden Fahrzeugs als auch die kreuzende Radfahrerin, in die das vorstehende Fahrzeug durch den Aufprall geschoben wurde. Der Strafbefehl ist seit dem 28. November 208 rechtskräftig und bereits vollständig bezahlt.

3.

Die Feststellungen zur Person der Angeklagten beruhen auf ihren glaubhaften Angaben sowie der in der Hauptverhandlung verlesenen Bundeszentralregisterauskünften vom 30. Juni 2021 sowie den verlesenen FAER vom 29. Juni 2021 und dem verlesenen Strafbefehl des AG H. vom 8. November 2018.

III.

Aufgrund der wirksamen Berufungsbeschränkung ist der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen und stehen die ihn tragenden tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils für die Kammer bindend fest. Auf die Ausführungen des Amtsgerichts wird insoweit verwiesen.

IV.

Die Angeklagten haben sich daher eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens nach § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB schuldig gemacht. Sie handelten vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft. Eine konkrete Gefährdung im Sinne des § 315d Abs. 2 StGB lag nicht vor.

V.

Im Rahmen der Strafzumessung ist die Kammer vom Strafrahmen des § 315d Abs. 1 StGB ausgegangen.

Bei der konkreten Strafzumessung war zu Gunsten der Angeklagten zu berücksichtigen, dass sie geständig waren, beide 1 1/2 Jahre auf den Führerschein verzichten mussten, obwohl sie beruflich auf diesen angewiesen sind, vier Monate lang die Kraftfahrzeuge beschlagnahmt waren, sie die Taten bereuen und die Tat im Gewerbegebiet am Abend begangen wurde und ein Beschleunigungsvorgang auf einer weitgehend leeren Straße stattgefunden hat. Für den Angeklagten V. war zudem zu seinen Gunsten zu sehen, dass er strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten ist.

Zu Lasten der Angeklagten hat die Kammer strafschärfend berücksichtigt, dass beide eine sehr hohe Geschwindigkeit gefahren sind und auch ohne konkrete Gefährdung die Abstandsregeln missachtet haben und knappe Überholmanöver, hier insbesondere der Angeklagte V., vollzogen haben. Zu Lasten des Angeklagten K. war zu sehen, dass er bereits strafrechtlich wegen einer Straftat im Straßenverkehr aufgefallen ist.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände war betreffend den Angeklagten V. die Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen und betreffend den Angeklagten K. eine solche von 80 Tagessätzen angezeigt und geboten.

Die Höhe eines Tagessatzes wurde angesichts der finanziellen Verhältnisse der Angeklagten für den Angeklagten V. auf 100,- EUR und für den Angeklagten K. auf € 10,- festgesetzt. Den Angeklagten wurde auf Grund der Einkommensverhältnisse auch eine Ratenzahlungsmöglichkeit eingeräumt.

VI.

Die Kammer hat beiden Angeklagten die Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1 StGB entzogen und die Führerscheine eingezogen, da sie der Auffassung ist, dass beide Angeklagte derzeit zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sind.

Nach § 69 Abs. 2 Nr. 1a StGB liegt im Regelfall eine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen vor, wenn der Straftatbestand des verbotenen Kraftfahrzeugrennens erfüllt ist. Auch unter Berücksichtigung der zu Gunsten der Angeklagten sprechenden Umstände ist zur Überzeugung der Kammer der Regelfall zum Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung nicht widerlegt. Die Angeklagten haben zwar die Tat gestanden und bereuen diese und haben durch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, die beide auf Grund des Umstandes, dass sie doppelt auf diese im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit angewiesen sind, bereits die letzten 17 Monate eindrücklich gezeigt bekommen, welche Folgen ihr Verhalten hat, dies reicht aber zur Überzeugung der Kammer nicht aus, um die Indizwirkung der gesetzlichen Vermutung zu entkräften.

Die Kammer hat allerdings nach § 69a Abs. 4 StGB davon abgesehen, eine weitere Sperre zur Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis zu verhängen, da die im Rahmen der vorläufigen Entziehung er Fahrerlaubnis erfolgte Einwirkung ausreichend ist und eine weitere Sperre nicht erforderlich ist.

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.

 

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