Wohnsitzprinzip bei Umtausch britischer Führerscheine missachtet
Das Oberlandesgericht Stuttgart hob das Urteil des Amtsgerichts Tübingen auf, welches zwei Angeklagte vom Vorwurf des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis freigesprochen hatte. Der Fall betraf den Umtausch tschechischer Führerscheine in britische unter möglichem Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip. Das OLG legte Wert darauf, ob der Führerschein-Umtausch als Neuerteilung zu werten sei und kritisierte die unzureichende Beweiswürdigung des Amtsgerichts bezüglich des Wohnsitzes der Angeklagten.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Aufhebung des Freispruchs: Das OLG Stuttgart hat das Urteil des Amtsgerichts Tübingen, das die Angeklagten freigesprochen hatte, aufgehoben.
- Kern des Falles: Im Mittelpunkt steht der Umtausch von tschechischen in britische Führerscheine und dessen rechtliche Bewertung.
- Wohnsitzprinzip: Der Fall beleuchtet die Bedeutung des Wohnsitzprinzips bei der Ausstellung von EU-Führerscheinen.
- Frage der Neuerteilung: Es wird diskutiert, ob der Umtausch der Führerscheine als Neuerteilung einer Fahrerlaubnis anzusehen ist.
- Beweiswürdigung als Kernproblem: Das OLG kritisiert die Beweiswürdigung des Amtsgerichts, insbesondere bezüglich der Beschaffung von Informationen über den Wohnsitz der Angeklagten in Großbritannien.
- Rechtliche Komplexität: Der Fall zeigt die Komplexität der rechtlichen Beurteilung von EU-Führerscheinregelungen.
- Bedeutung für EU-Führerscheininhaber: Das Urteil hat Relevanz für die Anerkennung und Gültigkeit von EU-Führerscheinen in Deutschland.
- Ausblick und Relevanz: Die Entscheidung könnte prägend für zukünftige Fälle sein, die sich mit dem Wohnsitzprinzip und der Anerkennung von EU-Führerscheinen befassen.
Übersicht
Immer mehr Deutsche besitzen einen britischen Führerschein, insbesondere seit dem Brexit. Doch wie verhält es sich mit dem Umtausch und der Anerkennung dieser Führerscheine in Deutschland? Laut OLG Stuttgart und BVerwG kann ein Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip beim Umtausch eines britischen Führerscheins dazu führen, dass die Fahrerlaubnis in Deutschland nicht anerkannt wird.
Dies hat im Einzelfall keine automatische Strafbarkeit wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zur Folge, solange sich die Informationen über den Verstoß nicht aus dem Führerschein selbst ergeben. Ein Amtsgericht Tübingen hatte zwei Angeklagte im Juli 2021 freigesprochen, jedoch wird das Urteil vom OLG Stuttgart überprüft. Das Urteil des OLG Stuttgart wird im folgenden Beitrag vorgestellt und analysiert.
Revision und rechtliche Würdigung durch das OLG Stuttgart
Das Oberlandesgericht Stuttgart griff in dieser Situation ein und hob das Urteil des Amtsgerichts Tübingen aufgrund von Rechtsfehlern auf. Das OLG Stuttgart stellte fest, dass die Beweiswürdigung des Amtsgerichts lückenhaft war, insbesondere in Bezug auf die Beschaffung von Informationen über den Wohnsitz der Angeklagten im Vereinigten Königreich. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der genauen Betrachtung aller verfügbaren Beweise und der korrekten Anwendung des EU-Rechts in Fällen, die sich auf das Fahren ohne Fahrerlaubnis und das Wohnsitzprinzip beziehen.
Weiterführende rechtliche Betrachtungen und Ausblick
Das Urteil des OLG Stuttgart führt zu einer neuen Bewertung des Falls durch das Amtsgericht. Die Entscheidung wirft wichtige Fragen bezüglich der Interpretation und Anwendung des EU-Rechts auf und zeigt, wie entscheidend die genaue Überprüfung der Umstände bei Führerschein-Umtauschvorgängen ist. Dieser Fall könnte somit als Referenz für zukünftige Fälle dienen, die sich mit dem Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip und der Gültigkeit von EU-Führerscheinen in Deutschland befassen.
Das vorliegende Urteil des OLG Stuttgart bildet einen wichtigen Meilen### Der Umtausch britischer Führerscheine: Ein juristisches Dilemma
Im Zentrum dieses Falls steht der Umtausch britischer Führerscheine, eine Praxis, die für zwei Angeklagte in Deutschland zu rechtlichen Problemen führte. Sie waren beschuldigt worden, ohne gültige Fahrerlaubnis gefahren zu sein. Ursprünglich wurden beide Angeklagten vom Amtsgericht Tübingen freigesprochen. Dieser Freispruch basierte auf der Annahme, dass der Umtausch ihrer tschechischen Führerscheine in britische Führerscheine als Neuerteilung anzusehen sei, was ihnen das Fahren in Deutschland legal ermöglichen würde.
Wohnsitzprinzip und EU-Führerscheine
Ein wesentlicher Aspekt dieses Falles betrifft das Wohnsitzprinzip in Verbindung mit EU-Führerscheinen. Nach EU-Recht muss der Inhaber eines Führerscheins seinen Wohnsitz in dem Land haben, das den Führerschein ausstellt. Im Fall der beiden Angeklagten lag die Schwierigkeit darin, dass keine unbestreitbaren Informationen vorlagen, die einen Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip bei der Ausstellung der britischen Führerscheine bestätigten. Das Amtsgericht Tübingen argumentierte, dass solche Informationen aufgrund des Fehlens eines Melderegisters in Großbritannien schwer zu beschaffen seien.
Revision und rechtliche Würdigung durch das OLG Stuttgart
Das Oberlandesgericht Stuttgart griff in dieser Situation ein und hob das Urteil des Amtsgerichts Tübingen aufgrund von Rechtsfehlern auf. Das OLG Stuttgart stellte fest, dass die Beweiswürdigung des Amtsgerichts lückenhaft war, insbesondere in Bezug auf die Beschaffung von Informationen über den Wohnsitz der Angeklagten im Vereinigten Königreich. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der genauen Betrachtung aller verfügbaren Beweise und der korrekten Anwendung des EU-Rechts in Fällen, die sich auf das Fahren ohne Fahrerlaubnis und das Wohnsitzprinzip beziehen.
Weiterführende rechtliche Betrachtungen und Ausblick
Das Urteil des OLG Stuttgart führt zu einer neuen Bewertung des Falls durch das Amtsgericht. Die Entscheidung wirft wichtige Fragen bezüglich der Interpretation und Anwendung des EU-Rechts auf und zeigt, wie entscheidend die genaue Überprüfung der Umstände bei Führerschein-Umtauschvorgängen ist. Dieser Fall könnte somit als Referenz für zukünftige Fälle dienen, die sich mit dem Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip und der Gültigkeit von EU-Führerscheinen in Deutschland befassen.
Das vorliegende Urteil des OLG Stuttgart bildet einen wichtigen Meilenstein in der rechtlichen Auseinandersetzung um die Anerkennung von Führerscheinen innerhalb der Europäischen Union und deren Konformität mit nationalen Gesetzen. Es verdeutlicht die Notwendigkeit, dass sowohl Bürger als auch Behörden das geltende Recht genau verstehen und anwenden müssen, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und potenzielle rechtliche Fallstricke zu vermeiden.
✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt
Was ist das Wohnsitzprinzip im Kontext des Führerscheinrechts?
Das Wohnsitzprinzip im Kontext des Führerscheinrechts besagt, dass ein Führerscheinanwärter seine Fahrerlaubnis in dem Land erwerben muss, in welchem er seinen ordentlichen Wohnsitz hat. Ein ordentlicher Wohnsitz wird angenommen, wenn der Bewerber wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder – bei fehlenden beruflichen Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen ihm und dem Wohnort erkennen lassen, dort wohnt.
Das Wohnsitzprinzip soll dem sogenannten Führerschein-Tourismus entgegenwirken, bei dem Personen versuchen, in einem anderen Land einen Führerschein zu erwerben, um möglicherweise weniger strenge Anforderungen zu umgehen. Es soll auch sicherstellen, dass Sanktionsmaßnahmen, wie der Entzug eines Führerscheins, effektiv durchgesetzt werden können.
Es gibt jedoch Ausnahmen von diesem Prinzip. Eine davon betrifft Studierende, die ihren Führerschein an ihrem aktuellen Wohnort beantragen können, wenn ihr ordentlicher Wohnsitz innerhalb des EWR-Raumes liegt. Eine weitere Ausnahme betrifft Personen, die sich mindestens 185 Tage im Jahr an einem Ort aufhalten. In diesem Fall kann die Fahrerlaubnisbehörde am Hauptwohnsitz zustimmen, dass der Antrag von einer auswärtigen Behörde bearbeitet wird.
Es ist zu beachten, dass das Wohnsitzprinzip sowohl für Inländer als auch für Ausländer gilt, die in Deutschland einen Führerschein erwerben möchten.
Das vorliegende Urteil
OLG Stuttgart – Az.: 4 Ss 697/14 – Urteil vom 05.02.2015
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Tübingen vom 29. Juli 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 29. Juli 2014 die beiden Angeklagten vom Vorwurf des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis freigesprochen. Hiergegen richtet sich die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft Tübingen mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Beiden Angeklagten wurde am 31. Mai 2005 ein tschechischer Führerschein ausgestellt, in dem als Wohnort … vermerkt war. Beide Führerscheine nennen als Ablaufdatum den 30. Mai 2015. Auf den jeweiligen Antrag der Angeklagten stellte eine britische Behörde am 22. Februar 2009 beiden Angeklagten Führerscheine aus. In den Führerscheinen ist jeweils als Tag des Erwerbs der 31. Mai 2005 genannt. Auf beiden Führerscheinen ist der Vermerk „70CZ“ angebracht, der darauf hinweist, dass der britische Führerschein im Wege des Umtausches eines vorhandenen tschechischen Führerscheins erworben wurde. Beide Führerscheine nennen eine Wohnanschrift in … Beim Angeklagten … ist der 15. November 2034 und bei der Angeklagten … der 25. August 2020 als Ablaufdatum vermerkt.
Am 23. September 2012 steuerte der Angeklagte … und am 11. Februar 2013 die Angeklagte …. einen Pkw im Straßenverkehr in Deutschland.
2. Das Amtsgericht führt aus, dass aus Großbritannien stammende unbestreitbare Informationen, wonach die britischen Führerscheine unter Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip erteilt worden seien, nicht vorliegen würden. Solche Informationen „dürften“ auch „schwerlich zu beschaffen sein“, weil in Großbritannien kein Melderegister geführt werde.
3. Das Amtsgericht ist der Auffassung, dass sich die Angeklagten nicht wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG strafbar gemacht haben. Es sieht in dem Umtausch der tschechischen Führerscheine eine Neuerteilung britischer Fahrerlaubnisse, die die Angeklagten gemäß § 28 Abs. 1 FeV zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland berechtigen. Die Annahme, der Umtausch des Führerscheins sei eine Neuerteilung, werde, so das Amtsgericht, vor allem dadurch bestätigt, dass die britische Behörde die Gültigkeitsdauer der Fahrerlaubnis verlängert habe. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV würden in Bezug auf den britischen Führerschein nicht vorliegen, weil das mögliche Fehlen eines Wohnsitzes der Angeklagten in Großbritannien im Zeitpunkt der Ausstellung nicht aus dem Führerschein selbst hervorgehe und unbestreitbare aus Großbritannien stammende Informationen hierüber nicht vorliegen und nicht zu erlangen seien.
II.
Diese Feststellungen halten rechtlicher Überprüfung im Ergebnis nicht Stand.
1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Amtsgerichts, wonach ein von einem anderen Mitgliedstaat der EU ausgestellter Führerschein gemäß § 28 Abs. 1 FeV im Inland anzuerkennen ist, wenn nicht die Ausnahmeregelungen des § 28 Abs. 2 bis 4 FeV eingreifen. Bei der Beurteilung, ob die Ausnahme des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV vorliegt, bewertet das Amtsgericht den mit einer Verlängerung der Gültigkeitsdauer verbundenen Umtausch der Fahrerlaubnis zu Recht als Neuerteilung einer britischen Fahrerlaubnis und stellt deshalb auf aus Großbritannien stammende unbestreitbare Informationen zum Wohnsitz der Angeklagten ab.
a) Ob der „Umtausch“ eines Führerscheins eine Neuerteilung ist, ist allerdings umstritten.
Nach einer Auffassung (OLG Oldenburg, Urteil vom 19. September 2011 – 1 Ss 116/11, juris Rn. 9; Geiger, DAR 2012, 381, 382; vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 26. Juli 2011 – II-5 RVs 32/11, juris Rn. 22 ff.) handelt es sich bei einem Umtausch nicht um die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis, sondern um die Ausstellung eines neuen Dokuments, das die bisher erteilte Fahrerlaubnis ausweist. Diese Ansicht kann sich jedenfalls für die Zeit vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2006/126/EG auf die Auffassung der Europäischen Kommission (Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen über den Führerschein in der EG, ABl 2002 C 77, S. 16) und auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 29. Februar 1996 – C-193/94, juris Rn. 32 – 35) berufen. Danach blieb eine Fahrerlaubnis, die ein Mitgliedstaat erteilt hat, gültig, auch wenn der Inhaber verpflichtet war, den Führerschein im Aufnahmemitgliedstaat umzutauschen. Die Ausstellung eines Führerscheins durch den Aufnahmemitgliedstaat im Austausch gegen den von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein konnte kein Recht zum Führen eines Kraftfahrzeugs im Aufnahmemitgliedstaat begründen. Dieses folgte weiterhin aus der ursprünglich erteilten Fahrerlaubnis und wurde durch den im Wege des Umtausches erlangten Führerschein lediglich bestätigt.
Nach der Gegenansicht ist der Umtausch einer Fahrerlaubnis nicht lediglich eine Dokumentation oder Fortschreibung einer früher erteilten Fahrerlaubnis, sondern eine Neuerteilung der Fahrerlaubnis (OLG Jena, Beschluss vom 8. Juli 2013 – 1 Ss 17/13, juris Rn. 13; BVerwG, Urteil vom 27. September 2012 – 3 C 34/11, juris Rn. 15 ff.; Dauer in Hentschel/König/Dauer, § 28 Rn. 23; wohl auch Janker in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl., § 2 StVG Rn. 27; ebenso OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 26. September 2013 – 2 Ss 306/13 n. v.; LG Mannheim, Urteil vom 2. Juli 2014 – 11 Ns 516 Js 19935/11, n. v.). Dass der Umtausch des Führerscheins sich auf das in einem anderen Mitgliedstaat erlangte Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen auswirken kann, zeigt die Regelung des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG (bzw. Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG). Danach kann der Aufnahmemitgliedstaat nach einer von ihm vorgenommenen Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis den Umtausch des Führerscheins verlangen. Dieser Vorgang greift also in das Recht, zum Führen von Kraftfahrzeugen ein, was den rechtsgestaltenden Charakter des Umtausches bestätigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. September 2012 – 3 C 34/11, juris Rn. 18).
b) Die Frage kann letztlich offen bleiben. Denn im Umtausch eines Führerscheins ist jedenfalls dann eine Neuerteilung zu sehen, wenn die Fahrerlaubnisbehörde die Gültigkeitsdauer der Fahrerlaubnis verlängert. Jedenfalls in dieser Fallkonstellation bescheinigt die Fahrerlaubnisbehörde nicht lediglich den Bestand der von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Fahrerlaubnis. Vielmehr erweitert sie das Recht des Führerscheininhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen in zeitlicher Hinsicht. Insoweit ändert der Umtausch den Inhalt der früheren Fahrerlaubnis. Daher ist die Fahrerlaubnis nach § 28 Abs. 1 FeV in dem Umfang anzuerkennen, den sie durch den Umtausch erlangt hat. Dementsprechend ist bei der Prüfung, ob die in § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV vorgesehene Einschränkung vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung eingreift, auf die durch Umtausch des Führerscheins erlangte Fahrerlaubnis abzustellen.
Hier hat die britische Fahrerlaubnisbehörde die Gültigkeitsdauer der früheren tschechischen Fahrerlaubnis verlängert und damit in zeitlicher Hinsicht den Umfang der ursprünglichen Fahrerlaubnis erweitert. Schon unter diesem Gesichtspunkt ist hier im Umtausch der tschechischen Fahrerlaubnis die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis zu sehen. Deshalb ist die Fahrerlaubnis in Deutschland nur dann nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV ungültig, wenn aufgrund unbestreitbarer aus Großbritannien stammender Informationen festgestellt werden kann, dass die Angeklagten beim Umtausch ihrer Führerscheine ihren ordentlichen Wohnsitz in Deutschland hatten.
2. Das freisprechende Urteil des Amtsgerichts kann jedoch deshalb keinen Bestand haben, weil die Beweiswürdigung durch Rechtsfehler beeinflusst ist.
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 8. Oktober 2014 – 1 StR 350/14, juris Rn. 14 mit weiteren Nachweisen). Das Urteil muss erkennen lassen, dass das Tatgericht solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (BGH, Urteile vom 14. August 1996 – 3 StR 183/96, juris Rn. 3; vom 26. April 2012 – 4 StR 599/11, juris Rn. 9; vom 13. August 2014 – 2 StR 573/13, juris Rn. 34).
b) Nach diesem Maßstab ist die Beweiswürdigung des Amtsgerichts lückenhaft, soweit es feststellt, dass unbestreitbare aus Großbritannien herrührende Informationen über einen (fehlenden) dortigen Wohnsitz der Angeklagten nicht zu erlangen seien.
Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV gilt die Berechtigung, von einer EU-Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen (§ 28 Abs. 1 Satz 1 FeV), unter anderem dann nicht, wenn der Inhaber ausweislich vom Ausstellermitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung seinen ordentlichen Wohnsitz (§ 7 Abs. 1 FeV) im Inland hatte. Mit dem Erfordernis von aus dem Ausstellermitgliedstaats stammenden unbestreitbaren Informationen berücksichtigte der Verordnungsgeber die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Wohnsitzprinzip in Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b in Verbindung mit Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG bzw. Art. 7 Abs. 1 Buchstabe e in Verbindung mit Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG (BR-Drucks. 851/08, S. 5 f.). Danach darf eine inländische Fahrerlaubnisbehörde die Anerkennung einer ausländischen Fahrerlaubnis ablehnen, wenn sich aufgrund unbestreitbarer Informationen aus dem Ausstellungsmitgliedstaat ergibt, dass die Wohnsitzvoraussetzungen im Zeitpunkt der Ausstellung nicht erfüllt waren (EuGH, Urteile vom 26. Juni 2008 – C-329/06, juris Rn. 86; C-334/06, juris Rn. 70).
§ 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV verlangt Informationen, die vom Ausstellermitgliedstaat herrühren. Das sind nicht nur Informationen der Einwohnermeldebehörden des Ausstellermitgliedstaats, sondern auch Ermittlungsergebnisse von anderen Behörden, insbesondere der Polizei, des Ausstellermitgliedstaates (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 28. März 2014 – 2 Ss 799/13, juris Rn. 14). Übermittelt ein gemeinsames Zentrum für Polizei- und Zollzusammenarbeit, das von Deutschland und dem Ausstellermitgliedstaat unterhalten wird, die Informationen, so rühren sie vom Ausstellermitgliedstaat her, wenn sie von dessen Behörden stammen (BVerwG, Beschluss vom 15. August 2013 – 3 B 38/13, juris Rn. 3; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 7. Juli 2014 – 10 S 242/14, juris Rn. 13). Bei der Beurteilung der Frage, ob die vom Ausstellerstaat herrührenden Informationen „unbestreitbar“ im Sinne von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV sind, können auch alle weiteren Umstände und Beweisergebnisse des inländischen Verfahrens herangezogen werden (OLG Stuttgart, Urteil vom 28. März 2014 – 2 Ss 799/13, juris Rn. 17 f.; OLG Jena, Beschluss vom 28. Mai 2013 – 1 Ss 18/13, juris Rn. 11).
Gemessen hieran greift die Argumentation des Amtsgerichts, dass in Großbritannien kein Melderegister geführt werde und deshalb unbestreitbare Informationen zum Wohnsitz der Angeklagten im Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins nicht zu erlangen seien, zu kurz. Das Amtsgericht hat sich nicht mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, dass britische Behörden Erkenntnisse zum (fehlenden) Wohnsitz der Angeklagten in Großbritannien haben könnten. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn einer britischen Behörde bekannt wäre, dass sich zur fraglichen Zeit an der angegebenen Anschrift überhaupt keine Wohnung befand oder dass die Anschrift zur fraglichen Zeit regelmäßig zur missbräuchlichen Erlangung von Führerscheinen verwendet wurde. Möglicherweise befinden sich in der Akte der britischen Fahrerlaubnisbehörde Hinweise auf einen Wohnsitz der Angeklagten in Deutschland. Daher ist die Beweiswürdigung, die allein auf das fehlende Melderegister abstellt, lückenhaft. Hierauf beruht der Freispruch, weil nicht auszuschließen ist, dass Informationen aus Großbritannien, die auf einen (fehlenden) Wohnsitz der Angeklagten hinweisen, zu erlangen sind und diese gegebenenfalls im Zusammenwirken mit im Inland gewonnen Beweisanzeichen die sichere Feststellung des Verstoßes gegen das Wohnsitzprinzip zulassen.